Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

ROTER BRANDENBURGER/009: Zeitung der Deutschen Kommunistischen Partei - Landesvorstand Brandenburg 10/11


Roter Brandenburger - Oktober 2011
Zeitung der Deutschen Kommunistischen Partei - Landesvorstand Brandenburg


In dieser Ausgabe:
- Die neue Erblast
- Zur Hinrichtung von Troy Davis
- Zu Freund und Feind klar positionieren
- Walter Krämer
- Tag der Erinnerung und Mahnung
- Als Solon die Schulden stornierte
- Erfolg auf bescheidenem Niveau
- Kommunismus (Teil II)
- Aus dem Oktoberheft der Roten Kalenderblätter
- Geschichtskommentar des Monats
- Brandenburger Nachrichten in Rot
- Interview
- Sie werden wiederkommen!
- Impressum

Raute

Die neue Erblast

Von Heinz Kamnitzer

gefunden in "Abgesang mit Herzschmerzen"

Ihr
Habt uns erklärt
Zusammenwächst
Was zusammengehört
Ach wie bald
Ist zusammengebrochen
Was man uns
Versprochen

Ihr habt uns belehrt
Es wird
Niemand schlechter
Und vielen besser
Gehen
Ach wie bald
Mußten wir sehen
Die meisten
Sind schlimmer dran
Kind Frau und Mann

Ihr
Habt uns verkündet
Das europäische Haus
Wird endlich gebaut
Wo alle
Sich umarmen
Ach wie bald
Wurde daraus
Hader und Krieg
Ohne Erbarmen

Doch
Keiner von euch
Findet das Wort
Man möge ihm vergeben
Wozu denn auch
Das ist niemals Brauch
Bei jenen
Die von uns leben

Sie machen weiter
Bis alle wissen
Sie haben uns
Den Arsch aufgerissen
Und uns
Von A - Z beschissen
Das ist
Die neue Erblast

Ihr Leute
Von Gestern
Und Heute

Heinz Kamnitzer: Die neue Erblast
© 1993 Spotless Verlag, Berlin

Raute

Zur Hinrichtung von Troy Davis

Wir sind erschüttert, zornig und trauern mit den Hinterbliebenen. Am 21. September um 5:00 Uhr MESZ wurde in Georgia/USA der Afroamerikaner Troy Davis exekutiert. Er wäre am 9. Oktober 42 Jahre alt geworden.

Die von seinem Anwalt eingereichten "Berge von Unschuldsbeweisen" und die weltweiten Proteste gegen diesen barbarischen Akt (selbst Todesstrafenbefürworter vor Ort hatten für eine Wiederaufnahme des Verfahrens demonstriert!) hatten bewirkt, dass sich in letzter Minute doch noch der Oberste Gerichtshof der USA mit seinem Fall befassen musste. Dieses höchste Justizgremium der USA hat nun erneut Blut an den Händen.

USA - "Home of the Free"?

Als "Heimat der Freien", wie es in der US-Nationalhymne heißt, kann man diesen Staat nicht gerade bezeichnen. Der 1934 gegründete Superkonzern UNICOR repräsentiert den rassistischen Gefängnis-Industrie-Komplex in jenem Land mit einem jährlichen Umsatz von 2,4 Mrd. US-$. Derzeit befinden sich über 2,4 Millionen Menschen in Bundesgefäng-nissen und örtlichen Haftanstalten der USA, eine halbe Millionen mehr als in der VR China, deren Bevölkerung das Fünffache beträgt. Mehr als 60 Prozent der Häftlinge sind Lateinamerikaner, Indianer und Afroamerikaner. Die Afroamerikaner, 12 Prozent der Gesamtbevölkerung, stellen die Hälfte der Gefängnisinsassen und werden unverhältnismäßig hoch bestraft. Einer von drei Schwarzen in New York ist inhaftiert oder wurde auf Bewährung entlassen. Statistische Berechnungen über die aktuelle Sträflingsquote der Schwarzen in den USA ergaben, dass die Mehrheit der heute 18- bis 49-jährigen in zehn Jahren im Gefängnis sein werden. In einigen Städten wartet ein Drittel der jungen Afroamerikaner auf einen Prozess oder ist im Gefängnis. 95% aller wegen Kapitalverbrechen Angeklagten sind zu arm, um sich eine adäquate Verteidigung zu leisten. Mehr als 3.200 Männer und Frauen befinden sich in den Todeszellen, fast 42 % der zum Tod Verurteilten sind Afroamerikaner, bei einem Bevölkerungsanteil von 12,8 %. Die USA, die sich anmaßen, ständig anderen Ländern Vorschriften in Sachen Menschenrechte zu erteilen, lassen große Teile der eigenen Jugend in den Knästen verrotten und unter Sklavenbedingungen ausbeuten. Monatlich werden Todesurteile vollstreckt selbst an Menschen mit geistigen Behinderungen und solchen, die zum angeklagten Tatzeitpunkt minderjährig waren.

Die Lebenden befreien!

Symbolfiguren für diese schreienden Ungerechtigkeiten in den USA sind der seit 30 Jahren unschuldig in der Todeszelle sitzenden afroamerikanische Journalist Mumia Abu-Jamal und der seit 35 Jahren ebenfalls unschuldig inhaftierte indianische Aktivist Leonard Peltier, der zur Zeit, 66jährig und schwer erkrankt, unter vorgeschobenen Gründen mit verschärfter Isolationshaft gefoltert wird.

Wir verweisen ebenfalls auf die seit 1998 unschuldig in US-Hochsicherheitsgefängnissen inhaftierten Cubaner René González, Ramón Labañino, Antonio Guerrero, Fernando González und Gerardo Hernândez, weltbekannt unter dem Gruppennamen "MIAMI 5", deren einziges "Verbrechen" darin bestand, terroristische Gruppen in Miami unterwandert und die cubanische und US-Regierung(!) über die Ergebnisse ihrer Recherchen informiert zu haben. Als "Dank" erhielten sie von der US-Regierung nicht etwa einen Orden oder die Nominierung für den Friedensnobelpreis, sondern in einem einmaligen Schauprozess in Miami Haftstrafen zwischen 15 Jahren und zwei Mal lebenslänglich + 15 Jahren!

In Würdigung des heute staatlich ermordeten Troy Davis zitieren wir abschließend den weiterhin von der Todesstrafe bedrohten Mumia Abu-Jamal: "Eines der meistverbreiteten Argumente für die Todesstrafe ist, dass sie durch Abschreckung hilft, Straftaten zu verhindern. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben längst das Gegenteil bewiesen. Das einzige, was wirksam verhindert wird, ist rationales Denken. Wie kann es in einer angeblich aufgeklärten Gesellschaft sonst möglich sein, dass diese barbarische Strafe Anwendung findet? Solange wir nicht die üble Irrationalität der Todesstrafe erkennen, werden wir Stein für Stein - Exekution für Exekution - einen finsteren Tempel der Furcht und Rache erbauen. Wie viele Leben werden noch auf seinem Altar geopfert?"

Troy Davis - Unvergessen!

Heinz-W. Hammer
Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V., Regionalgruppe Essen

Raute

Zu Freund und Feind klar positionieren

Den Bürgerkrieg in und den Aggressionskrieg gegen Nordafrika "Nordafrikanischen Frühling" zu nennen, ist purer Zynismus. "RB" hatte u. a. an Hand der Vorgänge im Libanon und der EU "Bemühungen" um eine EU-assoziierte Nordafrikanische Union rechtzeitig deutliche Signale über die Aggressionsvorbereitungen gesetzt. Selbstverständlich ohne Wirkung. RB ist ein Monatsblatt mit begrenztem Verteilungsraum. Außerdem werden "kommunistische Quellen" in diesem Lande generell totgeschwiegen - was sie auch immer mitteilen oder ankündigen mögen. Sie können hundert Mal die aktuellen Methoden und Strukturen darstellen, mit denen heute Bürgerkriege und Aggressionen gemanagt werden - fast niemand nimmt davon Notiz. Als "Quellen" nutzen die gängigen Medien gerade die "Rebellen" und "Aktivisten", die von den Aggressoren finanziert, organisiert und oft auch missbraucht sind.

Zwar sind auch Linkspartei und deren Publikationen gegen den Krieg in Nordafrika. Das soll nicht bestritten sein. Nur muss das wirkungslos bleiben, wenn die sich zwar allgemein gegen den Krieg wenden, jedoch die Initiatoren und Organisatoren des jeweiligen Krieges nicht bloßstellen. Mit menschelnden Phrasen von einem selbstgerechten Thron herab ist Frieden nicht zu gewinnen. Auf solchen Wegen steht man plötzlich und ungewollt auf Seiten derer, die die Völker in die Irre führenundso überhaupt erst derartige Kriege ermöglichen. Alle großen Aggressionskriege wurden mit im Grunde unglaublichen Lügen vorbereitet und entfacht. Das gelingt dennoch immer wieder - wie der Kriegsfall Nordafrika beweist. Ernst zu nehmender politischer Kampf gegen die verdeckten und offenen Aggressionskriege verlangt, deren Initiatoren und Organisatoren bloßzustellen. Wer bei Aggressionen Moral predigend zwischen den Fronten steht, steht real auf Seiten der Kriegsschuldigen!

Die Lage ist längst so ernst, dass es höchste Zeit ist, auch eigene Positionen unter die Lupe zu nehmen. So mancher aus unseren Reihen will aus im Grunde volkstümlerischen Gesichtspunkten heraus die sozialen Bedrückungen in EU und BRD praktisch getrennt von der Expansions- und Kriegspolitik von NATO, EU und BRD betrachten und bekämpfen. Das ist nun wirklich rückständig. Schließlich liegt das Kernproblem der führenden kapitalistischen Länder seit mehr als 100 Jahren in deren Expansions- und Kriegspolitik. Wir nennen sie nicht umsonst imperialistische Staaten. Die soziale Misere von der arroganten und militarisierten Außenpolitik losgelöst zu betrachten und zu bekämpfen, ist Opportunismus in Reinkultur!

Die andere Seite dieser Medaille besteht darin, nun endlich zu begreifen, welche in der heutigen weltweiten Auseinandersetzung zwischen den imperialistischen und den antiimperialistischen Kräften jene sind, die die Potenz haben, den Imperialismus Schach matt zu setzen und für Frieden und menschenwürdige Zustände auf unserer Mutter Erde zu sorgen. Wir wollen uns doch wohl beim Ermessen des Kräfteverhältnisses auf den Wissenschaftlichen Sozialismus stützen und nicht auf Buchstabengelehrtheit oder moralisierende Geschichtsbetrachtungen!

Der Wissenschaftliche Kommunismus zieht seine Schlüsse aus der vom Klassenstandpunkt aus analysierten Realität. Also bitte: Welches sind heute die imperialistischen Mächte, Gesellschaften, Staaten und Bündnisse, die die armen Völker, ausgebeuteten Klassen, abhängigen Länder - einen Großteil der Menschheit außer Atem bringen? Und welches sind heute die sozialen Gruppen und Bewegungen, Völker, Länder und Bündnisse, die diesen Imperialisten tatsächlich gegenüberstehen, ihnen Grenzen setzen und offensichtlich die Potenz entwickeln, für einen Erdball ohne Imperialismus zu sorgen?

Hans Stahl

Raute

Walter Krämer

Seit April dieses Jahres erinnert eine Gedenktafel in einem Raum des Krematoriums vom ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald an Walter Krämer.

Vor Siebzig Jahren, am 6. November 1941 ermordeten ihn SS-Leute in Goslar, einem Außenlager des KZ Buchenwald.

Der am 12. Juni 1892 in Siegen Geborene, der spätere Maschinenschlosser trat 1910 freiwillig in den Dienst der kaiserlichen Kriegsmarine. Die dort gesammelten Erfahrungen ließen ihn zum Roten Matrosen werden, er beteiligte sich am Kieler Aufstand revolutionärer Matrosen und musste dafür ins Gefängnis. Im Zuge der Novemberrevolution von 1918 befreit, kehrte er nach Siegen zurück und wurde in den Siegener Arbeiter und Soldatenrat gewählt. Als Mitglied der USPD beteiligte er sich an den Märzkämpfen auf Seiten der Roten Ruhrarmee und trat folgerichtig Ende 1920 der KPD bei. Die Partei betraute ihn mit verschiedenen Funktionen, die er mit Tatendrang, Ideenreichtum und Energie zuverlässig wahrnahm. Ab 1932 gehörte er als Abgeordneter der KPD dem Preußischen Landtag an. Bei dem bewaffneten Überfall der Faschisten auf kommunistische Abgeordnete in diesem Parlament verteidigte Walter Krämer gemeinsam mit Albert Kuntz den Genossen Wilhelm Pieck. Krämer und Kuntz wurden dabei schwer verletzt. Seine parlamentarische Immunität ignorierend verhafteten ihn die Faschisten unmittelbar nach dem Reichstagsbrand. Wegen Vorbereitung zum Hochverrat musste er für dreieinhalb Jahre ins Zuchthaus. Nach Verbüßung der Strafe brachten ihn die Nazis in das KZ Lichtenburg und im August 1937 nach Buchenwald. Die im KZ Buchenwald maßgeblich durch Albert Kuntz, Walter Stoecker und Dr. Theodor Neubauer organisierte illegale Parteiorganisation der KPD beauftragte Walter Krämer im Häftlingskrankenbau [HKB] möglichst vielen Häftlingen das Leben zu retten und diesen Bereich zu einem Zentrum des illegalen Lagerkomitees zu entwickeln. Zunächst wurde er als Pfleger in den HKB eingeschleust, aber schon nach einem Jahr übertrug ihm die SS die Leitung. Durch nahezu übermenschliche Anstrengung qualifizierte sich Walter Krämer im Selbststudium, wozu er die ihm zugängliche Handbibliothek der SS-Ärzte und Konsultationen mit inhaftierten Ärzten nutzte, denen das Praktizieren im Lager verboten war. Schon nach kurzer Zeit erfüllte er die Anforderungen an das große Latinum. Er erwies sich als Kommunist, bewährter Stratege und außerordentlich fähiger Organisator. Mit ärztlicher Kompetenz wandte sich der Schlosser aus Siegen der Erhaltung von Leben zu. Hervorzuheben ist seine große moralische Überlegenheit gegenüber promovierten und approbierten SS-Ärzten, die sich teilweise als Scharlatane erwiesen und zu Mördern wurden.

Es gelang Walter Krämer, den Parteiauftrag zu erfüllen. Er rettet vielen Häftlingen das Leben und schuf den bedeutsamen Stützpunkt für den illegalen Widerstand im Lager. Viele Häftlinge erkannten in dem Kommunisten Walter Krämer den wahren "Arzt von Buchenwald". Seinen hohen ethischen Prinzipien folgten die Häftlinge, die im HKB und im Lager als Pfleger oder Sanitäter tätig waren. In der Folge einer Ruhr- und Bauchtyphus-Epidemie im Lager gelang es ihm, Schutzimpfungen für die Häftlinge durchzusetzen, die ersten, die es überhaupt in einem KZ gab. Energisch sorgte er für Ordnung im HKB und für korrekte, sachgemäße Pflege. Mit seiner großen Autorität gelang es ihm, der SS-Lagerführung die Genehmigung für den Bau eines Operationssaales abzutrotzen und von Häftlingen erbauen zu lassen und in Betrieb zu nehmen. Er erreichte die Schließung des Sonderlagers für zumeist staatenlose Juden aus Wien und den okkupierten Gebieten des Ostens, das als Mordhöhle galt. Mit seinen Genossen setzte er sich über Befehle der SS hinweg und sorgte für medizinische Versorgung sowjetischer Kriegsgefangener. Um einen Vorwand für die Ermordung zu haben, verlangte die SS, sowjetische Kriegsgefangene als Tbc-krank zu melden. Krämer und seinen Genossen gelang, diesem Verlangen nicht zu entsprechen. Auf Befehl des Lagerkommandanten Koch wurden Walter Krämer und sein Stellvertreter Karl Peix im Außenkommando Goslar am 12. November 1941 heimtückisch erschossen.

In seiner Geburtsstadt Siegen mühen sich Antifaschisten und Kommunisten seit der Befreiung vom Faschismus um eine angemessene Ehrung für Walter Krämer. Sie wurde von konservativen Kräften beständig verhindert. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten im Siegerland [VVN-BdA] führt seit sechzehn Jahren den Kampf um Ehrung Walter Krämers, der im Jahr 2000 von der israelischen Schoah-Gedenkstätte Yad Vashem mit dem Titel "Gerechter unter den Völkern" postum geehrt wurde.

In der DDR trug beispielsweise die Medizinische Fachschule Weimar den Ehrenamen Walter Krämer. Besserwisser tilgten den Namen vernichteten das Traditionskabinett der Schule und warfen die bronzene Porträtplastik Walter Krämers in den Müllcontainer. Mutige, verantwortungsbewusste Menschen retteten, was zu retten war. Sie veranlassten, dass die Erinnerungsstücke an Walter Krämer dem Aktiven Museum in Siegen übergeben wurden, wo sie in einer Sonderabteilung zu sehen sind.

Mit der Enthüllung der Gedenktafel für Walter Krämer in Buchenwald, der ersten für einen deutschen politischen Häftling, für einen Kommunisten wird durch die Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora der Kampf der VVN-BdA im Siegerland um angemessen Würdigung Krämers in seiner Geburtsstadt solidarisch unterstützt.

Gerhard Hoffmann

Raute

Tag der Erinnerung und Mahnung

Der Tag der Erinnerung und Mahnung gehört zu den größten regelmäßigen Veranstaltungen, die das Gedenken an die Opfer des Nazi-Regimes und die Auseinandersetzung mit Rassismus und Neonazismus verbinden. Damit gelang es, den "Tag der Opfer des Faschismus" nach 1990 weiterzuführen und ihm ein neues Gesicht zu geben. Bereits 1945 beschloss der Berliner Magistrat den zweiten Sonntag im September als "Tag der Opfer des Faschismus" zu begehen und war bis 1989, zumindest in der DDR, fester Bestandteil der Erinnerung an den Kampf gegen den Faschismus. Nach 1990 drohte dieser Tag in Vergessenheit zu geraten.

In Potsdam fand eine Gedenkveranstaltung auf dem Platz der Einheit statt. Dem jahrelangen beharrlichen Bemühungen von Inge Maja Weiße ist es zu verdanken, dass dieses Jahr auch der Oberbürgermeister der Stadt Potsdam, Jann Jakobs, teilnahm. Da geteiltes "Leid" nur halbes "Leid" ist mussten auch Vertreter fast aller Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung sowie ihr Präsident Peter Schüler an dem Gedenken teilnehmen.

Hauptredner war Klaus Stanjek, der sein Internet- und Dokumentarfilmprojekt "Klänge des Verschweigens" vorstellte (www.klaenge-des-verschweigens.de).

In Berlin fand der Tag der Erinnerung und Mahnung als Aktionstag gegen Rassismus, Neonazismus und Krieg statt. Hans Coppi eröffnete mit dem Ernst-Busch-Chor am Lustgarten den Aktionstag. Viele Organisationen stellten ihre Arbeit vor, in Gesprächsrunden erzählten Zeitzeugen aus Ihrem Leben und eine Rechtsanwältin berichtete von der Verfolgung (bzw. Nichtverfolgung) deutscher Kriegsverbrechen in Italien.

Dieser zweite Sonntag im September sollte wieder (so er es noch nicht ist) ein fester Termin im Kalender werden.

Frank Novoce

Raute

Als Solon die Schulden stornierte

Ende Juli räumte die Polizei den Athener Syntagmaplatz (Platz der Verfassung). Vorher hatte Mikis Theodorakis folgenden Aufruf "An die empörten Bürger Griechenlands und Europas" gerichtet. In Deutschland fand er bisher keine Beachtung. Wir veröffentlichen ihn in der Übersetzung von Guy Wagner, leicht gekürzt.

Wir begrüßen die Zehntausende, sogar Hunderttausende Bürger, vor allem junge Menschen, die sich auf den Plätzen aller großen Städte versammelt haben, um ihre Empörung über das "Memorandum" (Rahmenvereinbarung zwischen der griechischen Regierung, EU, IWF und EZB, im Mai 2010 unterzeichnet und dann regelmäßig erneuert) auszudrücken und den Rücktritt der Regierung der Schande und aller politisch Mitverantwortlichen zu fordern, die, statt dem öffentlichen Wohl zu dienen, Griechenland zerstören, plündern und versklaven. Anstatt ins Parlament gehören diese Leute alle ins Gefängnis.

Wir begrüßen die ersten Generalversammlungen, die in den Zentren unserer Städte stattfinden, und die direkte Demokratie, nach der die neuartige Bewegung der Jugend strebt. Wir begrüßen die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, die begonnen haben, mit Demonstrationen, Streiks und Besetzungen einen Staat zu verteidigen, der nicht nach dem Konzept des IWF aufgelöst werden darf, sondern dringend verbessert, radikal reformiert werden muss. Durch ihre Proteste verteidigen die Beschäftigten der Hellenischen Postbank und anderer staatlicher Unternehmen das Erbe des griechischen Volkes, das die ausländischen Banken mit Hilfe ihrer Marionettenregierung in Athen zu plündern gedenken.

Die beispielhafte Friedlichkeit dieser Demonstrationen hat gezeigt: Wenn Polizei und Provokateure keinen Befehl erhalten einzugreifen, fließt kein Blut. Wir appellieren an die griechische Polizei, nicht zu Instrumenten der dunklen Kräfte zu werden, die auf alle Fälle versuchen wollen, zu einem gewissen Moment die Jugendlichen und die Arbeiter blutig zu unterdrücken. Der Platz, der den Polizisten durch ihre Pflicht und ihr eigenes Interesse zugewiesen ist, ist der an der Seite des griechischen Volkes, der Proteste und der friedlichen Forderungen, an der Seite Griechenlands - aber nicht an der jener dunklen Kräfte, die der jetzigen Regierung ihre Politik diktieren.

Wir wenden uns auch an die europäischen Völker. Unser Kampf ist nicht nur der Griechenlands, er hat ein freieres, unabhängigeres und demokratischeres Europa zum Ziel. Glauben Sie Ihren Regierungen nicht, wenn die behaupten, Ihr Geld diene dazu, Griechenland zu helfen. Glauben Sie nicht die groben und absurden Lügen längst kompromittierter Zeitungen, die Sie überzeugen wollen, das Problem komme von der angeblichen Faulheit der Griechen her. Nach den Daten des Europäischen Statistik-Instituts arbeiten die Griechen mehr als alle anderen Europäer! Die Arbeiter sind nicht verantwortlich für die Krise; der Finanzkapitalismus und die Politiker in seinem Boot sind es, die sie verursacht haben und ausnutzen. Ihre Programme zur "Rettung Griechenlands" helfen nur den ausländischen Banken, und zwar gerade denjenigen Banken, die mittels ihnen ergebener Politiker und Regierungen das politische Modell durchgesetzt haben, das zur aktuellen Krise geführt hat.

Unumgänglich ist eine radikale Umstrukturierung der Schulden, nicht nur in Griechenland, sondern in ganz Europa. Es ist undenkbar, dass Banken und Kapitaleigner, die die Verantwortung für die gegenwärtige Krise tragen, nicht einen Cent zahlen, um den Schaden, den sie angerichtet haben, gutzumachen. Es darf nicht sein, dass Banker der einzige sichere Beruf auf der Welt ist!

Es gibt keine andere Lösung, als das aktuelle europäische Wirtschaftsmodell zu ersetzen, das entwickelt wurde, um Schulden zu erzeugen, und zu einer Politik der Ankurbelung der Nachfrage und der Entwicklung zurückzukehren, zu einem Protektionismus, der mit einer drastischen Kontrolle der Finanzen verbunden ist. Wenn die Staaten sich nicht auf den Märkten durchsetzen, so schlucken diese sie auf, zusammen mit der Demokratie und den Errungenschaften der europäischen Zivilisation.

Die Demokratie wurde in Athen geboren, als Solon die Schulden der Armen gegenüber den Reichen stornierte. Man darf heute nicht zulassen, dass die Banken die europäische Demokratie zerstören, um riesige Summen herauszupressen, die sie selbst als Schulden generiert haben. Wie kann man vorschlagen, dass ein ehemaliger Mitarbeiter von Goldman Sachs die Europäische Zentralbank führen soll? Welche Art von Regierungen, welche Art von Politikern haben wir in Europa?

Wir bitten Sie nicht, unseren Kampf aus Solidarität zu unterstützen, nicht, weil unser Land die Wiege von Platon und Aristoteles, Perikles und Protagoras, der Konzepte von Demokratie, Freiheit und Europa war. Wir bitten Sie nicht um eine besondere Behandlung, weil wir als Land in den 1940er Jahren eine der schlimmsten Katastrophen in Europa erlitten und dafür gekämpft haben, dass der Faschismus sich nicht auf dem Kontinent etablieren konnte.

Wir bitten Sie, es in Ihrem eigenen Interesse zu tun. Wenn Sie heute die Opferung der griechischen, irischen, portugiesischen und spanischen Gesellschaft auf dem Altar der Schulden und der Banken zulassen, wird bald die Reihe an Ihnen sein. Sie werden nicht auf den Ruinen der europäischen Gesellschaften gedeihen.

Unsrerseits sind wir spät dran, aber wir sind aufgewacht. Lassen Sie uns zusammen ein neues Europa bauen; ein demokratisches, wohlhabendes, friedliches, das seiner Geschichte, seiner Kämpfe und seines Geistes würdig ist. Widerstehen Sie dem Totalitarismus der Märkte, die drohen, Europa zu zerschlagen und in eine Drittwelt zu verwandeln, die die europäischen Nationen gegeneinander aufwiegeln und unsern Kontinent zerstören, indem sie die Rückkehr des Faschismus fördern.

Mikis Theodorakis

Erschienen in Ossietzky 15/2011

Raute

Erfolg auf bescheidenem Niveau

Die DKP hat bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus zugelegt. Gegenüber ihrem letzten Antreten 2001 hat sie ihr Ergebnis in absoluten Zahlen verdreifachen, gegenüber ihren Ergebnissen bei der Bundestags- und Europawahl 2009 verdoppeln können. Stimmten 2001 noch 1.382 Berlinerinnen und Berliner für die Deutsche Kommunistische Partei, waren es diesmal immerhin 3.614. Mit 0,2 Prozent ist dies allerdings weiterhin ein bescheidenes Ergebnis, räumt der Landesvorsitzende und Spitzenkandidat Rainer Perschewski ein: "Natürlich hätten wir uns ein noch besseres Abschneiden gewünscht. Wir haben aber immer deutlich gemacht, dass es uns bei dieser Kandidatur nicht darum gehen konnte, etwa ins Abgeordnetenhaus einzuziehen. Unsere Kandidatur war eine Option, eine tatsächlich antikapitalistische, konsequente Kraft zu unterstützen. Über 3.600 Menschen, die uns dafür unterstützt haben, sind ein ordentliches Ergebnis."

Teilweise bessere Ergebnisse hat die DKP dort erreicht, wo sie auch zu den Bezirksverordnetenversammlungen angetreten ist, d.h. in Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln und Treptow-Köpenick. So erreichte die Kommunistische Partei in einigen Wahlbezirken Kreuzbergs bis zu 1,7 Prozent der Stimme und ließ dort auch die FDP hinter sich. Im Neuköllner Körnerkiez, einem örtlichen Schwerpunkt der DKP - hier fand eine Woche vor den Wahlen auch das diesjährige Sommerfest der Kommunisten statt - kam die Partei auf 1,7 Prozent für die Bezirksverordnetenversammlung und 1,1 Prozent für das Abgeordnetenhaus. Der einzige Direktkandidat der DKP, Rolf Meier in Kreuzberg, erreichte in seinem Wahlbezirk achtbare 0,7 Prozent.

Rainer Perschewski sieht den Kurs seiner Partei in der Bundeshauptstadt bestätigt, sich auf aktives, außerparlamentarisches Eingreifen zu konzentrieren. Er erinnert an das erfolgreiche Volksbegehren zur Offenlegung der Wasser-Geheimverträge, das die DKP von Anfang an aktiv unterstützt hatte, und ruft zur Unterstützung der derzeit laufenden Volksinitiative gegen eine S-Bahn-Privatisierung auf. "Die Grünen, die künftig wahrscheinlich in Berlin mitregieren werden, sind auf Privatisierungskurs. Dagegen bedarf es Widerstand. Wir Kommunisten werden uns deshalb auch weiterhin aktiv am Volksbegehren Rettet die S-Bahn Berlin beteiligen."

Der Piratenpartei gratuliert Rainer Perschewski zu ihrem Einzug in das Abgeordnetenhaus. "Die Piraten haben mit Aussagen und Forderungen gepunktet, bei denen es viele Berührungspunkte mit uns gibt. Speziell bei der Absage an Geheimverträge und Privatisierungen sind wir Bündnispartner. Ich hoffe, dass die Piraten aus ihrem großartigen Ergebnis etwas Sinnvolles machen, denn eine dritte liberale Partei braucht Berlin nicht." Wobei fraglich sei, ob die kleinste liberale Partei Berlins, die FDP, überhaupt noch mitgezählt werden sollte. "Eine Partei der Besserverdienenden hat es einfach nicht besser verdient", begrüßt Rainer Perschewski das Abschmieren der Banker- und Spekulantenpartei. "Wir heißen die FDP bei den Sonstigen herzlich willkommen!"

Die Linkspartei habe die verdiente Quittung für ihre Beteiligung an Privatisierungen und Sozialabbau in zehn Jahren Koalition mit der SPD erhalten. "Der Versuch von Harald Wolf und seinen Kollegen, sich plötzlich als Widerstandskämpfer gegen Mietenerhöhungen zu profilieren, ist lächerlich. Die Linke hatte dazu zehn Jahre Zeit. Wenn sie sich gegen die SPD dabei nicht durchsetzen konnte, hätte sie Zeit genug gehabt, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Aber dazu waren die Amtssessel offensichtlich zu warm und bequem." Er sei gespannt, welche Konsequenzen Die Linke aus ihrem Debakel ziehen werde: "Diese Partei wird nicht darum herumkommen, sich auf die Aufgaben einer linken Partei zu besinnen - nämlich die Interessen der einfachen Menschen dieser Stadt zu verteidigen."

www.dkp-berlin.info


Gewinne/Verluste Zweitstimmen der LINKEN in %-Punkten
Lichtenberg
Marzahn-Hellersdorf
Pankow
Treptow-Köpenick
Friedrichshain-Kreuzberg
Mitte
Charlottenburg-Wilmersdorf
Spandau
Steglitz-Zehlendorf
Tempelhof-Schöneberg
Reinickendorf
Neukölln
-6,6
-5,1
-4,5
-4,5
-3,8
-1,7
-0,1
-0,1
0,0
0,0
0,1
0,6

Nun werden sie gesucht, die Schuldigen an dem Verlust der so sehr geliebten Regierungsbeteiligung in Berlin. Der Bundesvorstand mit Kommunismusdiskussion und Grüßen an Fidel war es. So sehen es gern die Berliner Genossen (jedenfalls die bisher regierenden). Personelle Konsequenzen werden ins Spiel gebracht.

Sieht man sich die Verluste nach Bezirken verteilt an, so kann man feststellen, dass die größten Einbußen in den bisherigen Stammbezirken zu verbuchen waren. Im Osten ist Die Linke nahezu erdrutschartig eingebrochen. Wegen des Kommunismuses oder wegen Fidel? Oder wegen unsozialer Mietenpolitik, Wohnungsverkäufen und des Versuches das Volksbegehren zur Offenlegung der Wasserverträge zu torpedieren. Die "Ursachenforscher" sollten ihren Blick nicht so weit schweifen lassen und lieber vor der eigenen Türe kehren.

Frank Novoce

Raute

Ein Sieg der Vernunft

Presseinformation des Jugendwohnprojekts "MittenDrin e.V."

Wochenlang ging es durch die lokale Presse: Das Jugendwohnprojekt "MittenDrin e.V." (MittenDrin) wurde im Verfassungsschutzbericht 2010 als Beispiel für "linksextremistische Aktivitäten in Jugendzentren" erwähnt. Viele Diskussionen und Probleme für den Verein sind daraus entstanden. Bei einigen Projekten blieb die Förderung aus, die Besuchszahlen gingen zeitweise wegen verständlicherweise besorgten Eltern zurück, die Gemeinnützigkeit drohte aberkannt zu werden. Das Image in der Stadt wurde zudem massiv beschädigt.

Anzeige gegen den Verfassungsschutz

Das MittenDrin suchte die öffentliche Diskussion und konnte so die haltlosen Vorwürfe zurückweisen. Leider gab es beim Verfassungsschutz kein Einsehen, und so musste schließlich Anzeige auf Unterlassung gegen die Behörde gestellt werden. Am vergangenen Donnerstag wurde über einen Vergleich zwischen MittenDrin und dem Verfassungsschutz vor dem Potsdamer Verwaltungsgericht verhandelt.

Richterschelte: Verfassungsschutz arbeitet "tendenziös und unzulässig"

Nachdem der vorsitzende Richter - durchaus zutreffend - festgestellt hatte, dass hier "Spatzen mit Kanonen beschossen werden", beleuchteten er und die beisitzenden Richter Stück für Stück die einzelnen Vorwurfspunkte. Dabei kam recht schnell ans Licht, dass der Verfassungsschutz Brandenburg "tendenziös und unzulässig ungenau" arbeitet.

Die Vertreter des VS hoben heraus, dass sie die Arbeit des MittenDrin durchaus hoch schätzen würden und es niemals in ihrer Absicht stand, diese zu gefährden. Woraufhin sie von den Richtern darauf hingewiesen wurden, dass eine Erwähnung in besagtem Bericht zu nichts anderem führen könne. Im Verlauf der weiteren Auseinandersetzung stellte sich heraus, dass, wie vom MittenDrin im Vorfeld erwartet, die Punkte, die der Geheimdienst als "extremistisch" moniert hatte, haltlos und sehr ungenau recherchiert sind. Die tendenziöse Art und Weise, in der der Bericht über den Verein verfasst worden war, erscheint vollkommen ungeeignet, die vorgeblich hoch geschätzte Arbeit von MittenDrin nicht zu gefährden.

MittenDrin-Erwähnung muss geschwärzt werden

Nach diesen und weiteren Zurechtweisungen des Verfassungsschutzes durch die Richter wurde letztendlich eine gütliche Einigung ausgehandelt, die Bände über die Rechtmäßigkeit des Eintrages in dem Bericht spricht: Der Verfassungsschutz hat sämtliche Einträge über das MittenDrin aus dem Verfassungsschutzbericht 2010 zu entfernen. In einer Neuauflage darf es keine Erwähnung mehr geben, in der jetzigen Auflage müssen die entsprechenden Passagen geschwärzt oder herausgerissen werden, aus der Online-Version sind die Textstellen umgehend zu entfernen. Außerdem hat der Geheimdienst sämtliche Verhandlungskosten zu tragen. Im Gegenzug verspricht das MittenDrin, in Zukunft genauer darauf zu achten, ob Referenten gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung agieren bzw. "linksextremistischen Organisationen" angehören. Auf die Frage von Seiten der Vereinsleitung, was genau denn nun eigentlich unter Linksextremismus zu verstehen sei, antwortete der Vorsitzende Richter: "Wir wissen nicht was Linksextremismus ist, wir wissen nur, dass er strafbar ist".

Haltlose Vorwürfe bedrohten die Existenz unseres Projekts

Damit sind die Disziplinierungsversuche des Brandenburger Verfassungsschutzes gegen alternative Projekte ins Stocken gekommen. Das der Verfassungsschutz die Einigung als eigenen Erfolg zu verkaufen versucht ("Verfassungsschutz begrüßt Absichtserklärung"), nehmen wir zur Kenntnis. Die Fakten sprechen gegen diese Wahrnehmung. Der Verfassungsschutz hat eine schallende Ohrfeige für seine diffamierende Arbeit kassiert. Die Richter ließen keinen Zweifel daran, dass im Falle eines Hauptverfahrens der Argumentation des MittenDrins zu folgen ist.

Das JWP MittenDrin hält das Ergebnis des Gerichtstags für einen Sieg der Vernunft. Wir hoffen, uns nach vielen Monaten der Verunsicherung nun endlich ohne den "Extremismus"-Vorwurf im Rücken entspannter unserer Arbeit widmen zu können. Und diese wird weiterhin unabhängig sein und weiterhin auch gesellschaftskritische Veranstaltungen beinhalten. Wir hoffen inständig, dass der Verfassungsschutz künftig von uns ablässt und aus der richterlichen Kritik an seiner Arbeit Lehren zieht. Fakt ist, dass die Behörde unserer - wie wir finden - legitimen und notwendigen Vereinstätigkeit bis an die Grenzen der Existenzbedrohung Steine in den Weg gelegt hat. Eine öffentliche Entschuldigung hierfür steht noch aus.

Redaktionell bearbeitet

Raute

Kommunismus (Teil II)

Wir erlebten zwar rund sieben Jahrzehnte Sowjetmacht und vier Jahrzehnte zahlreiche Staaten mit sozialistischer Gesellschaftsorientierung. Eine kommunistische Gesellschaft gab es jedoch bisher nie und nirgends. Diese Tatsache missbrauchen Demagogen als Beweis, dass Kommunismus praktisch unmöglich und höchstens eine Utopie sei. Absurd. Die Tatsache könnte höchstens als Zeichen dafür akzeptiert werden, dass sich Kommunismus nicht realisieren lässt, so lange sein "Aufbau" durch Interventionskriege, Eroberungskriege und höchste Kriegsgefahr im Kalten Krieg mit starken imperialistischen Mächten durchkreuzt wird. Es gab nicht ein Jahrzehnt wirklich friedlichen Wettbewerbs zwischen jungen sozialistischen Gesellschaften und alten kapitalistischen Gesellschaften, die längst die mörderische Stufe imperialistischer Entwicklung erreicht hatten.

Es waren doch nicht allein die unglaublichen Zerstörungen, die in den Kriegen aller Art angerichtet wurden. Es waren auch nicht nur die unvorstellbaren Anstrengungen, die zum militärischen Schutz der zunächst fast sämtlich industriell unterentwickelten Länder gegen Aggression und Kriegsdrohung der imperialistischen Staaten unternommen werden mussten, die noch größere Fortschritte, als die tatsächlich erreichten, geradezu vereitelten. Noch folgenschwerer war das durch Krieg und Kriegsdrohung aufgezwungene Tempo nicht nur die Entwicklung der Industrie, sondern sämtlicher Gesellschaftsbereiche. Wenn auch Antikommunisten und "sozialistische" Dummköpfe es bestreiten: Auch im Sozialismus und beim Aufbau des Kommunismus wirken sehr reale gesellschaftliche Gesetzmäßigkeiten. Und die beschränken sich keineswegs nur auf die Proportionen zwischen den verschiedenen Wirtschaftszweigen, sondern bestimmen Handlungserfordernisse für die ganze Produktionsweise, für die ganze Lebensweise. Da spielen Zeit und Tempo eine große Rolle. Eine neue Kultur will und muss wachsen - organisch und in Wechselwirkung mit dem Wachstum der Produktionsmittel der neuen Gesellschaft. Welch ein Anspruch an die Wissenschaft! Und welche Irrtümer! Es ist heute kaum zu bestreiten: Unter den Bedingungen der Kriegsdrohung der heißen und kalten Kriege musste sich auch bei sozialistischen Eigentumsverhältnissen der Klassenkampf verschärfen. Inzwischen hat die Praxis und die Realität ihr Urteil gefällt. Der Klassenkampf hatte sich sogar bis zur siegreichen Konterrevolution verschärft. Man "vergisst" gerne, dass auch schäbiger Opportunismus Teil des Klassenkampfes ist, zersetzender Teil. Eine neue Gesellschaftsordnung hat ihren Sieg über die vorangegangene erst wirklich errungen, wenn sie eine höhere Arbeitsproduktivität, eine stärkere Wirtschafts- und Wissenschaftskraft erreicht hat. Es ist keine Frage moralischer Art, ob es unter den Bedingungen des 20. Jahrhunderts möglich war, das zu erreichen oder nicht.

Es ist auch wichtiger, die heutigen Realitäten endlich zu begreifen. Denn die Lage ist eine ganz andere als vor 50 Jahren, als wir gezwungen waren, "eine Mauer" zu bauen, um den Einfluss des Kapitalismus auf unsere sozialistischen Vaterländer wenigstens zu begrenzen. Trotz unserer Niederlage in Europa kann sich die imperialistische Aggressivität nicht unbegrenzt global austoben. Die Bewegungen und Staaten, die für wirtschaftliche, soziale und politische Unabhängigkeit von den imperialistischen Mächten kämpfen, werden sichtbar stärker. Und mit der VR China ist eine kommunistisch geführte Großmacht auf den Plan getreten, die nicht nur zur zweitstärksten Wirtschaftsmacht der Erde aufstieg, sondern bereits spürbaren Einfluss auf die Weltwirtschaft ausübt. Wir haben die Pflicht, uns auf unsere Erfahrung zu besinnen: Grundlage richtiger kommunistischer Politik ist das reale Erkennen der gesellschaftlichen Kräfte, die tatsächlich die Antriebe und die Potenz haben, erfolgreich gegen den Imperialismus zu kämpfen. Weder Volkstümelei noch revolutionäre Phrasen sind kommunistische Art.

H. St.

Raute

Aus dem Oktoberheft der Roten Kalenderblätter

"Wacht auf, Verdammte dieser Erde!" - Wer erinnert sich da nicht an Versammlungen, Kundgebungen und Demonstrationen, wo wir gemeinsam die "Internationale" gesungen haben. Wie ihr Text im Feuer der Pariser Kommune geboren wurde, darüber hat Günter Freyer in seiner biographischen Skizze über Eugene Pottier vor einem Jahr in unserem Oktoberheft berichtet. Aber wer war der Komponist des Liedes, das binnen weniger Jahre von den Arbeitern in allen Ländern gesungen wurde und das über viele Jahre die Nationalhymne der Sowjetunion war? Antwort auf diese Fragen finden wir in dem in diesem Heft veröffentlichten Beitrag von Günter Freyer über das Schicksal des Chorleiters und Komponisten Pierre Degeyter.

Über das nicht minder ungewöhnliche Leben des Leonhard Helmschrott vom bayrischen Bauernjungen zu einem bekannten Politiker und Journalisten der DDR berichtet Marlis Huuck in ihrer Rezension über das von ihm in diesem Jahr veröffentlichte Buch "Sag nie, ich kann nichts tun". Der Autor, unseren Lesern durch seine Beiträge über die Gründung des NKFD und die Bodenreform bereits bekannt, hat nach seinen eigenen Worten "lange gezögert, zur Feder zu greifen, aber schließlich hatten die Sorge um die Entwicklung in Deutschland, die Rachsucht und Habgier der neuen 'Herren', mich ermahnt, meinen Standpunkt darzulegen. Ich persönlich zweifle nicht, dass die Geschichte uns Kämpfern für Frieden und Sozialismus recht geben wird."

Ganz in diesem Sinne beantwortet Margot Honecker in ihrem bereits im Juliheft der "Marxistischen Blätter" veröffentlichten Interview die Frage, ob die Erinnerung an die Leistungen der DDR dazu anregen, den Kampf um eine gesellschaftliche Alternative aufzunehmen. Es ist nicht zu leugnen, dass der Sozialismus in der DDR soziale Errungenschaften durchgesetzt hat, die selbst in den reichen imperialistischen Ländern nicht erreicht wurden. "Obdach- und Arbeitslosigkeit wurden überwunden, es gab gleiche Bildungsmöglichkeiten für alle, eine entwickelte Erwerbstätigkeit der Frauen, kostenlose Gesundheitsversorgung und eine hoch entwickelte, für die Massen zugängliche Kultur. Das Leben war geprägt durch Sicherheit und Vertrauen in die Zukunft" - so die Einschätzung in unserem Parteiprogramm. Und "da die bürgerliche Propaganda alles tut, diese Wahrheiten zu unterdrücken, müssen wir über diese Wahrheiten sprechen und ich meine, wir sollten es viel offensiver tun", erklärt Margot Honecker in ihrem Interview. "Den Feinden der DDR sei es gesagt, dass ihre Versuche, die Deutsche Demokratische Republik zu diffamieren und zu verleumden, zum Scheitern verurteilt sind", heißt es in unserem Geschichtskommentar.

In seinem Beitrag "Die Knorr-Bremse wird SAG-Betrieb" berichtet Kurt Laser über die Bedeutung der SAG-Betriebe beim wirtschaftlichen Aufbau im Osten Deutschlands. Heiner Schultz erinnert an den 31. Oktober 1954, als sich das Volk von Algerien gegen die französischen Kolonialherren erhob.

Prof. Dr. Erich Kundel

Raute

Geschichtskommentar des Monats

"Die Deutsche Demokratische Republik hat unter der Führung der SED der Macht des deutschen Imperialismus Grenzengesetzt. Vier Jahrzehntelang war in einem Teil Deutschlands die Herrschaft der Banken und Monopole beseitigt. Die Befreiung vom Faschismus hatte dem deutschen Volk günstige Möglichkeiten für die Schaffung einer antifaschistischen Ordnung in ganz Deutschland eröffnet. Allerdings wurde diese Chance in konsequenter Weise nur im östlichen Teil, in der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR genutzt.

Mit der DDR entstand auf deutschem Boden eine sozialistische Alternative zum deutschen Imperialismus. Die DDR, ihr konsequenter Antifaschismus, ihr Eintreten für Frieden, Entspannung und Abrüstung sowie die Verwirklichung elementarer sozialer Grundrechte gehören zu den größten Errungenschaften der deutschen Arbeiterbewegung und sind Teil des humanistischen Erbes in Deutschland."

So steht es geschrieben in unserem Parteiprogramm, das wir uns am 8. April 2006 auf der 2. Tagung des 17. Parteitages der DKP gegeben haben. Unseren Freunden und Sympathisanten können wir versichern, dass wir an dieser Einschätzung des ersten sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaates in der Geschichte des deutschen Volkes aus tiefster Überzeugung festhalten werden. Und den Feinden der DDR sei gesagt, dass ihre Versuche, die Deutsche Demokratische Republik zu diffamieren und zu verleumden zum Scheitern verurteilt sind.

Das war so 1871, als die Pariser Kommunarden nach ihrer Niederlage von den europäischen Regierungen als Mordbrenner und Brandstifter verleumdet und verfolgt wurden. August Bebel und Wilhelm Liebknecht haben den Himmelsstürmern von Paris die Treue gehalten und aus ihren Erfahrungen wichtige Schlussfolgerungen für ihren Kampf gegen das Bismarcksche Sozialistengesetz gezogen.

So war es auch 1917. Als sich die Imperialisten nach der Oktoberrevolution zum Kampf gegen die "bolschewistische Gefahr" vereinigten, da waren es die deutschen Kommunisten, die unter der Losung "Hände weg von Sowjetrussland!" ihre Klassenbrüder im Kampf um den Aufbau des Sozialismus unterstützten.

Und auch das gegenwärtige Triumphgeschrei der Sieger über den Sozialismus wird nichts daran ändern, dass dem Sozialismus die Zukunft gehört - so wie wir es in unserem Parteiprogramm beschlossen haben:

"Soziale Sicherheit und Gerechtigkeit, Demokratie und Freiheit, Frieden und Sozialismus - dafür kämpft die Deutsche Kommunistische Partei."

Prof. Dr. Erich Kundel


*


Ausweiskarte für einen Genossen
(14. Februar 1885)

Dieses Faksimile zeigt einen "Gegen-"Ausweis, der nicht von den Behörden, sondern von führenden Politikern der verbotenen SPD ausgestellt worden war. Die Partei bemühte sich, verfolgten Mitgliedern jede mögliche Unterstützung sowie die zu ihrer Bereitstellung notwendigen Papiere zu geben. Diesem Dokument zufolge wurde Friedrich Heinke, ein verheirateter, 24-jähriger Bildhauer ohne Kinder, nach Paragraf 28 des Sozialistengesetzes aus Berlin und Umgebung verbannt. Ausgestellt am 14. Februar 1885 in Dresden, ersuchte dieser "Geleitbrief" alle Parteigenossen auf, dem Inhaber jegliche mögliche Hilfestellung zu gewähren. Unterzeichnet ist das Dokument von führenden Persönlichkeiten der Partei: Ignaz Auer, August Bebel, Carl Grillenberger, Wilhelm Hasenclever und Wilhelm Liebknecht.

Raute

Brandenburger Nachrichten in Rot

CCS in Brandenburg

(Potsdam) Gegner der unterirdischen Lagerung von Kohlendioxid haben 16.000 Unterschriften an die Brandenburgische Landesregierung übergeben, da sie die Risiken der Technologie für nicht absehbar halten. Anlässlich der Abstimmung im Bundesrat forderten die Initiativen und Umweltverbände, von der CCS-Technologie Abstand zu nehmen. Obwohl die Partei Die Linke in den Initiativen vor Ort sehr aktiv gegen die CCS-Technologie gekämpft hatte, trat Sie nach den erfolgreichen Wahlen und den Koalitionsverhandlungen für die Verpressung des CO2 ein. In den anderen Bundesländern fanden sich wenig Befürworter, so dass das Gesetz zur Erprobung und Einführung von CCS den Bundesrat nicht passierte. Zeit für die Landesregierung das sinkende Schiff zu verlassen und für Die Linke den Vertrauensscherbenhaufen zusammen zu kehren.


Arbeitskampf in einem Callcenter

(Teltow) In Teltow verweigert sich fast das komplette O2-Callcenter dem Outsourcing. Deutsche Callcenter-Mitarbeiter, eingestellt zum Höhepunkt des Handy-Hypes von 1999 bis 2002 hat man nun entlassen. Seither schaut die Callcenter-Branche auf Teltow, denn die Vorhut der Telefonistenzunft widersetzt sich kollektiv - als ginge es um den Erhalt eines Stahlwerks oder einer Werft. Ende 2010 verkaufte das fusionierte Unternehmen O2-Telefonica sein vom Land mit 15,44 Millionen Euro Förderung nach Teltow geholtes Callcenter an den Bertelsmann-Konzern. Ein klassischer Fall von Outsourcing und Kostendrückerei, denn die Mitarbeiter sollen nach Ablauf einer einjährigen Gehaltsgarantie auf die Hälfte ihres bisherigen Lohns verzichten. Als die neuen Eigentümer im Februar 2011 ihr Callcenter in Besitz nahmen, standen sie in leeren Büros. Von 190 "Kommunikationsagenten" hatten sich 175 geweigert, den Übergangsvertrag zu unterschreiben. Das ist neu in der Branche. Bei O2 und Bertelsmann ist man geplättet von der Teltower Revolte. Die anonymen Headset-Träger aus den Großraumbüros legen Kampfgeist, Geschlossenheit und Organisationstalent an den Tag.


Fachkräfte sollen zurückgeholt werden

(Potsdam) Es mangelt an Fachkräften, auch in Brandenburg. Brandenburgs Arbeitsminister Günter Baaske (SPD) hat nun die Fernpendler entdeckt. Hatte man vor Jahren noch, vor allem Junge Leute, mit "Umzugsprämien" das Verlassen des an zukunftsträchtiger Arbeit armen Mark schmackhaft zu machen. Nach Einschätzung der Gewerkschaften kann dies nur gelingen, wenn sich das Brandenburger Lohnniveau an das in den westlichen Bundesländern annähert. Ware Arbeitskraft, Preis nach Angebot und Nachfrage. Eigentlich eine Entwicklung die vorhersehbar war.


Elitenbildung vs. Kultur für alle

(Potsdam) Bowlingbahn und Veranstaltungsort "Blauhaus" soll abgerissen werden. Diese als FDJ-Jugendfreizeitzentrum "Drushba" gebaute Einrichtung soll der Erweiterung des angrenzenden Humboldt-Gymnasiums weichen. Diese ehemalige Wirkungsstätte des über eine "Dienstwagenaffäre" gestrauchelten Bildungsministers Holger Rupprecht wurde schon in letzten Jahren gut mit Erweiterungsbauten bedacht. Nun soll also ein gut laufender Veranstaltungsort für die Jugend der Bildung Potsdamer Eliten weichen.


"Gesponserte" Reisen vor Gericht

(Neuruppin) Die Überraschung war perfekt: Zum Auftakt der Berufungsverhandlung gegen den einstigen Rechtsdezernenten des Kreises, Jörg Tritscher, fehlte dieser gestern im Landgericht. Grund: Der inzwischen 60-Jährige, den das Amtsgericht Neuruppin im Mai 2010 wegen 17 Reisen in die Ukraine zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt hatte, akzeptierte kurzfristig den Richterspruch. Er muss damit auch 3600 Euro an die Staatskasse zahlen. Woher dieser plötzliche Sinneswandel rührte, das ist offen. Der erste Prozess vor dem Amtsgericht gegen den einstigen Kreis-Dezernenten Jörg Tritscher war im Dezember 2008 eröffnet worden - und platzte im Januar 2009: Der Richter wurde krank. Wegen Krankheit eines anderen Richters verzögerte sich auch der zweite Prozessanlauf. Dazu kam es erst im April 2010. Dann ging es schnell: Das Gericht verurteilte Tritscher am 14. Mai 2010 wegen 17 Reisen nach Kiew, die vom Abfallentsorger AWU bezahlt wurden. Erklärt hatte der Dezernent die Ausflüge stets damit, dass es in der Ukraine sowohl um die Nachfolge eines EU-Projektes als auch um mögliche Geschäfte von AWU und ALBA gegangen sei. Das nahm ihm das Gericht nicht ab.

Raute

Interview mit der GO Elbe/Elster

Selbst Kleinunternehmer fallen schnell zurück ins Proletariat

RB: Die GO Elbe/Elster ist eine recht junge GO in Brandenburg. Wie und wann habt Ihr Euch zusammengefunden?

Dieter Engelmann: Nachdem ich 2004 nach dem Kontakt zu Brigitte Müller in die DKP eingetreten bin, habe ich zuerst bei der GO Teltow-Fläming mitgemacht, weil es in Elsterwerda und der Region keine anderen Mitglieder gab. Im Januar 2007 ist mein Sohn ebenfalls eingetreten und wir haben die GO gegründet. Als drittes kam Wilfried Klare im gleichen Jahr dazu. Er hatte mich angesprochen, nachdem er von unserer Gruppe gehört hatte. Inzwischen sind wir zu viert und haben fünf Sympathisanten.

RB: Das klingt sehr erfolgreich für die kurze Zeit.

GO EE: Das ist relativ. Wir sind damals eingetreten, weil wir etwas bewegen wollten. Bisher funktioniert das aber nicht so richtig, weil wir noch zu wenige sind und berufsbedingt zu wenig Zeit haben. Wir merken immer wieder, dass viele unserer Mitmenschen gerne die Roten Kalenderblätter und den Roten Brandenburger lesen und auch gerne über die aktuelle Situation schimpfen - sie zum Mitmachen zu bringen, ist dann aber schon schwieriger.

RB: Was sind aktuell die Schwerpunkte Eurer Arbeit?

GO EE: Wir pflegen seit einigen Jahren nun schon das Karl-Marx-Denkmal, dass nach 1989 in eine Ecke des Stadtparks umgesetzt wurde und dort zuwucherte. In Zusammenarbeit mit unserem Genossen Karl Späth aus Luckenwalde haben wir auch eine Informationstafel angebracht. Wir nutzen den Platz regelmäßig als Anlass und Ort für Gedenkveranstaltungen.

Der sowjetische Ehrenfriedhof in Elsterwerda ist uns ebenso wichtig. Er war ziemlich verwildert, also haben wir bei der Stadt vorgesprochen und sie auf ihre Pflichten aus dem Einigungsvertrag hingewiesen. Seitdem wird er einigermaßen gepflegt. Wir haben da natürlich weiterhin ein Auge drauf und machen dort jeden Oktober Aktionen.

Außerdem verteilen wir jeden Monat über 20 Rote Kalenderblätter und Rote Brandenburger und haben ebenso regelmäßig unsere Mitgliederversammlungen.

RB: Ein ganz aktuelles Problem bei Euch sind, wie in vielen Kommunen in Brandenburg, die Altanschließer-Beiträge für Trink- und Abwasser, die durch die Wasser- und Abwasserzweckverbände verlangt werden. Wie engagiert Ihr Euch dabei?

GO EE: Bei diesem Vorgehen der Wasser- und Abwasserverbände zeigt sich der Kapitalismus in seiner brutalsten und schmutzigsten Art. Dort werden seit Jahren unverändert tiefrote Zahlen geschrieben - man könnte schon von Konkursverschleppung sprechen, aber die Kommunen als oftmals Hauptanteilseigner haben natürlich auch eigene Interessen. Wir haben zwar das Recht mit den bisherigen gerichtlichen Entscheidungen auf unserer Seite, aber in dieser Konstellation ist es eine vollkommen verfahrene Geschichte. Unser Genosse Wilfried Klare ist in Elsterwerda in der Bürgerinitiative aktiv und wird sich als sachkundiger Bürger für die neue Kontrollgruppe zur Wahl stellen, wo man Einblick in die konkreten wirtschaftlichen Zahlen des Verbandes bekommt und dann entsprechend konkrete Gegenvorschläge unterbreiten kann.

Das Interesse der Bürger ist laut Stadt "überraschend" groß - in unseren Augen sind die Massen bereits sehr wütend. Wir werden uns bemühen, mit Sachlichkeit und gleichzeitiger Direktheit die öffentliche Diskussion zu unterstützen. Als Vorbilder für einen anderen Weg dienen uns die Lösungen aus Potsdam und Rheinsberg.

In diesem Zusammenhang möchten wir kundige und betroffene Genossen dazu aufrufen, die interne Kommunikation zu diesen Problemen zu verbessern, um schneller und kompetenter eingreifen zu können.

RB: Welchen sozialen und politischen Rahmen bietet Elsterwerda und Umgebung für eine GO der DKP?

GO EE: Elsterwerda hat nur 8.600 Einwohner mit sinkender Tendenz und in der Region generell gibt es viele Arbeitslose und Rentner. Sehr viele davon sind unzufrieden, aber engagieren wollen sich die wenigsten. In Elsterwerda gibt es kaum politische Veranstaltungen, in die wir uns einklinken könnten. Oft ist es umgedreht, da zum Beispiel die in der Öffentlichkeit kaum noch sichtbaren Mitglieder der Linken zu unseren Veranstaltungen kommen. Die NPD ist in Elsterwerda momentan ein geringes Problem - zumindest treten sie nur selten öffentlich in Erscheinung.

RB: Welches sind im fünften Jahr Eures Bestehens Eure Erfolgserlebnisse?

GO EE: Das sind auf jeden Fall die Pflege des Denkmals und die Veranstaltungen, die wir dort gemacht haben. Die Unterschriftensammlung zur Landtagswahl war ein anderes, sehr schönes Erlebnis, dass wir für uns als erfolgreich einschätzen konnten. Leider hat es uns in der Folge nicht mehr Zulauf in Form von Genossen oder Sympathisanten gebracht.

RB: Was braucht Ihr, um in Zukunft erfolgreicher zu arbeiten?

GO EE: Momentan fühlen wir uns als GO nicht wahrgenommen, fast allein gelassen und bis auf die Roten Kalenderblätter und den Roten Brandenburger herrscht von der Landesleitung vollkommene Funkstille. Natürlich können wir die Gründe dafür auch aus persönlicher Erfahrung nachvollziehen, aber vor der Kommunikation nach außen brauchen wir eine bessere interne Verständigung. Wir erhalten zwar lange Rundbriefe per E-Mail. Die erreichen nur wenige und ein nicht-digitales Weiterleiten ist sehr umständlich. Wir würden uns gerne über Ideen verständigen, wie wir besser in der Öffentlichkeit wirken können. Materialen zum Verteilen, wie zum Beispiel prägnante Artikel zu aktuellen Themen, wären für uns sehr hilfreich. Der große theoretische Überbau auf Flugblättern und Postern wird durch die Leute auf der Straße nicht verstanden beziehungsweise er spricht sie nicht ausreichend an. Wir müssen den Leuten deutlich machen, dass in diesem willkürlichen System niemand "sicher" ist und selbst die "erfolgreichen" Kleinunternehmer ganz schnell zurück in das Proletariat fallen können. Da brauchen wir Hilfe und ein Erfahrungsaustausch dazu fehlt uns. Selbstkritisch müssen wir allerdings auch eingestehen, dass wir zwar an den LDK bewusst teilnehmen, doch zu Wort haben wir uns dort kaum gemeldet.

RB: Was sind Eure Pläne für die Zukunft?

GO EE: Wir müssen auf jeden Fall etwas tun, um vorwärts zu kommen und werden unsere knappe Zeit dabei auf unsere Region konzentrieren. Bisher haben wir noch keinen konkreten Plan für das kommende Jahr. Auf jeden Fall werden wir die Denkmalpflege weiterführen und Veranstaltungen zu relevanten Themen machen.

Jana Berg

Raute

Sie werden wiederkommen!

Am 24. September 2011 wollten Neonazis zum zweiten Mal in diesem Jahr und das vierte Jahr in Folge in Neuruppin demonstrieren. Nachdem Anfang Juli diesen Jahres die aus dem gesamten Bundesgebiet angereisten Neonazis durch eine entschlossene und breit aufgestellte Blockade zur Umkehr gezwungen wurden, konnten sie dieses Mal ungehindert durch Neuruppin marschieren und ihren braunen Ungeist zur Schaustellen. Das bedeutet für Neuruppin nun: sie werden wieder kommen!

Im Vorfeld kam es zwar zu einer breit angelegten Mobilisierungskampagne gegen die Neonaziaufmarsch, aber es hat nicht gereicht den Aufmarsch zu verhindern. Die gut gelaunten Teilnehmer der erneut absolut friedlichen Sitzblockade wurden mit einem völlig überzogenen Polizeieinsatz von der Straße geräumt, um den Neonazis den Weg frei zu machen. Damit nicht genug, wurden diese mehrere Hundert Menschen danach eingekesselt, über Stunden festgehalten und ihre Personalien aufgenommen. Selbst das war den Verantwortlichen des Polizeieinsatzes noch nicht genug, denn die Einkesselung der Gegendemonstranten erfolgte nur wenige Meter von der Neonazimarschroute entfernt. So wurden die Gegendemonstranten den Neonazis förmlich zur Schau gestellt. Es stellt sich die Frage, ob das von den für den Polizeieinsatz Verantwortlichen so gewollt war, um den Neonazis zu zeigen "Seht her, wir haben euch den Weg frei geräumt - Auftrag erfüllt". Das für den braunen Spuk der Vorbeimarsch nicht nur eine geradezu orgiastische Genugtuung gebracht haben wird, sondern auch eine förmliche Einladung, ja Aufforderung, für weitere Aufmärsche dieser Art und damit eine eindeutige Ermunterung an die rechte Szene war, dürfte allen Gegendemonstranten klar geworden sein. Auch da die "Fotografen" der rechten Szene von der Polizei praktisch nicht behindert wurden, Gegendemonstranten zu "dokumentieren".

Durch das Aufnehmen der Personalien der Sitzblockierer, auch dabei kam es wieder zu einem unverhältnismäßigen Vorgehen der Polizei, sollen diese offensichtlich weiter eingeschüchtert, wenn nicht sogar kriminalisiert werden. Ziviler Ungehorsam gegen Neonazis soll ein Gesetzesverstoß sein! Man fragt sich "Was ist los in diesem Land?" und kennt doch die Antwort. Die Brandenburger Polizei wurde von Einsatzkräften aus Essen (NRW) unterstützt. Einige dieser Polizisten, darauf angesprochen, ob es ihnen Spaß macht, Neonazis zu schützen und Gegendemonstranten wegzuräumen, verwiesen darauf, dass ihre Anforderung von der Landesregierung Brandenburgs kam. Ja, die für den Polizeieinsatz politisch verantwortlichen sind der Brandenburger Ministerpräsident und seine Minister. Obwohl sich Geschichte nicht wiederholt, sind die Parallelen erschreckend. Wieder sind es sozialdemokratische Parteien (die Mehrzahl wurde bewusst benutzt), deren Opportunismus rassistischen und demokratiefeindlichen Kräften den Weg frei macht. Das Land Brandenburg müsse sparen, hören wir aus dem Finanzministerium. Wann ersparen wir uns solche Naziaufmärsche? Es gibt Minister im Potsdamer Kabinett, die mit Vehemenz für den Konzern Vattenfall und die CCS-Technologie streiten. Wann hat man von diesem Herrn Minister eine solche Vehemenz im Auftreten gegen Rechts erleben dürfen?

Warumg war der Protest nicht erfolgreich?

Es gab scheinbar keine solche Entschlossenheit, wie im Juli den Aufmarsch konsequent und gemeinsam durch Blockaden zu verhindern. Die Organisatoren von "Netzwerk Neuruppin" und "Neuruppin bleibt bunt" müssen sich die Frage stellen, ob sie richtig aufgestellt waren. Dem Kommunikations-Team gehörte zum Beispiel die Gallionsfigur der Bürgerbewegung Freie Heide Pfarrer B. Schirge an, der dem Autor durch Inaktivität auffiel und ab der Räumung der Blockade ganz verschwunden war. An dieser Stelle geht im Gegensatz dazu ein besonderer Dank an die Bundestagsabgeordnete der Linken Kirsten Tackmann, die an diesem Tag ihren Geburtstag auf ganz besondere Weise begehen durfte. Sie war, wie bereits im Juli, aktiv an der Gegendemonstration beteiligt und hat sich, soweit für sie möglich, auf eine Deeskalation bei der Blockaderäumung Einfluss genommen. Darüber hinaus hat sie sich bis zur endgültigen Auflösung des Kessels um die Eingekesselten gekümmert und Informationen gegeben. Auch der Landtagsabgeordnete der Linken Dieter Groß gehörte wieder zu den Aktivposten ebenso wie viele Genossen der Ruppiner Region. Die Blockade hatte allerdings einfach zu wenige Teilnehmer. Leider waren zu wenig Neuruppiner daran interessiert ihre Stadt vom braunen Spuk sauber zu halten. Es sollte die Frage gestellt werden, wie die Mobilisierung zukünftig verbessert werden kann. Diese Frage stellt sich aus Sicht des Verfassers auch für die Linken (ohne Beschränkung auf die Partei gleichen Namens) in den angrenzenden Landkreisen. Kritik geht auch an den Landesverband der DKP. Eine Rundmail am 17. September und die am 19. September erfolgte Veröffentlichung des Aufrufs zur Teilnahme an der Gegendemonstration am 24. September auf der Internetseite der DKP Brandenburg scheint, vom Ergebnis (Beteiligung) her gesehen, eindeutig zu wenig zu sein. Ohne theoretische Positionierung hat eine kommunistische Partei keine Existenzberechtigung. Aber sie hat sie erst recht nicht, wenn es ihr nicht gelingt ihre Existenz und ihre Positionen an den Brennpunkten in dieser Gesellschaft deutlich zu machen. Gerade aus der opferreichen geschichtlichen Erfahrung der kommunistischen Bewegung heraus, ist der Kampf gegen den Neofaschismus ein solcher Brennpunkt meint     dp

Raute

IMPRESSUM

Herausgeber: Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Landesvorstand Brandenburg
Anschrift der Redaktion "Roter Brandenburger" & des Herausgebers:
c/o Brigitte Müller, Schulwinkel 5, 14621 Wansdorf
Internet: www.dkpbrandenburg.de
e-mail: rb@dkpbrandenburg.de
Fax/Anrufbeantworter: 033231/60661

V.i.S.d.P: Brigitte Müller
Layout: Jana Berg
Druck: Peter Müller

Für den Inhalt namentlich gekennzeichneter Beiträge sind die Autoren verantwortlich.
Deren Auffassungen müssen nicht mit denen der Redaktion übereinstimmen.
Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften sinngemäß zu kürzen.
Sämtliche Autoren schreiben ohne Honorar.

Konto: Sparkasse MOL Nr. 3000 355 820, BLZ 170 540 40

Redaktionsschluss für Nr. 10/2011: 10. Oktober 2011


*


Quelle:
Roter Brandenburger 10/2011, 16. Jahrgang
Herausgeber: Deutsche Kommunistische Partei (DKP), Landesvorstand
Brandenburg
Anschrift der Redaktion und des Herausgebers:
c/o Brigitte Müller, Schulwinkel 5, 14621 Wansdorf
Fax/Anrufbeantworter: 033231/60661
E-Mail: rb@dkpbrandenburg.de
Internet: www.dkpbrandenburg.de

"Roter Brandenburger" erscheint 12mal im Jahr.
Empfohlene Spende: 1,00 Euro
Bei Postversand: 2,00 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2011