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ROTFUCHS/088: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 134 - März 2009


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

12. Jahrgang, Nr. 134, März 2009



Inhalt
Ein Tag im Job-Center
Karel Capek: Bomben über der Welt
Stich ins Wespennest
Dialog mit einem "linken Antikommunisten"
Der größte Kunstraub der deutschen Geschichte
Makabres Spiel um Dresdens Tote des 13. Februar 1945
Ist die Marktwirtschaft ein Patent des Kapitals?
Ein "Freiheitsheld" als Erpresser
Die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen
Kinder und Enkeln Rede und Antwort stehen
Porträt eines Aufrechten: Gustav Dietz
Wie war das mit der DDR-CDU?
Lokomotiven der Geschichte
Friedrich Karl Kaul oder FKK
Rat eines Stumm-Polizisten
Unmöglich in der BRD: Stabile Verbraucherpreise
RF-Extra: Ilse Kocialek: Ich erlebte fünf deutsche Staaten
RF-Extra: Frauen unter Franco
Fritz Johne - ein General mit Herz
Zur BRD-Chinapolitik
Rumänien: Der große Sieg im Jahr 1946
Uiguren als Schachfiguren
Ulan Bator festigt Beziehungen zu Peking
Belgien: 56 linke Volksärzte bieten kostenfreie Behandlung an
BRD-Kriegsministerium: Afghanistan wankt
Havanna: "Korsett der Ehe" heute weniger modisch
Der Wandel des Hans Magnus Enzensberger
Wie das NVA-Filmstudio übernommen wurde
Franz Carl Weiskopf zum Gedenken
Der Blaue Blick und das krause Haar
Archie unterwegs nach Kuba
Leserbriefe
Grafik des Monats

Raute

Speaker's Corner?

Wer jemals im Londoner Hydepark gewesen ist, hat vermutlich auch Speaker's Corner besucht, die berühmteste Rednerecke der Welt. Dort kann jeder, dem danach zumute ist, seinen rhetorischen Fähigkeiten freien Lauf lassen. Mit oder ohne Publikum, pro oder contra, unter Einsatz schwerer Wort-Artillerie oder durch flinkes Verspritzen von Platzpatronen ohne Kaliber.

Zumindest auf diesem Fleckchen des britischen Empires gilt uneingeschränkte Redefreiheit. Von ihr dürfen Anhänger der konservativen Tories und sozialdemokratische Labouristen, dogmentreue Sektenprediger und schwärmerische Freigeister ebenso Gebrauch machen wie in der Wolle gefärbte Marxisten. Natürlich unterliegen auch Faschisten keinerlei Beschränkungen. Mit anderen Worten: bürgerliche Demokratie pur.

Szenenwechsel: Von der RF-Tribüne wird ebenfalls über einen breiten Themenfächer freimütig gestritten. Die Nuancen des Bildes, das dabei entsteht, sind nicht immer aufeinander abgestimmt, so daß es bisweilen auch zu Disharmonien kommen kann. Doch zu Speaker's Corner gibt es einen gravierenden Unterschied: Bei der Wahl des Hintergrundes, vor dem sich hier die Farben mischen, dominiert unverkennbar ein kräftiges Rot. Schwarz und Braun sind ausgeschlossen. So ist ein scharfer Zusammenprall unüberbrückbarer Positionen eher selten. Wir kämpfen mit Florett und Säbel, kreuzen aber die Klingen unter Freunden. Unser Pulver halten wir für den gemeinsamen Gegner trocken. Diese Art von Polemik setzt ein hohes Maß an gegenseitiger Achtung und Übereinstimmung im Grundsätzlichen voraus - bei schroffer Ablehnung der geistig-moralischen Finsternis des Antikommunismus.

Heute soll gewissermaßen eine Zwischenbilanz jener Debatte gezogen werden, welche wir seit Jahren mit Besonnenheit und Leidenschaft, mit schmerzhafter Selbstkritik ohne Selbstzerfleischung geführt haben. Sie setzte auf Bewährtes und Bewahrenswertes. Ballast wurde abgeworfen. Im Mittelpunkt standen Überlegungen zur Konterrevolution in Deutschland und Europa. Ganz überwiegend stimmten die Diskutanten darin überein, daß eine Weltanschauung nicht an Sieg oder Niederlage festgemacht werden kann. Nur Anpasser und Renegaten wollen um jeden Preis zu den jeweiligen Siegern gehören, da die Situation der Unterlegenen bekanntlich weniger komfortabel ist.

Patentantworten auf die Frage nach den Ursachen jener Ereignisse, welche die Rückkehr der bereits geschlagenen Ausbeuterklassen und die Wiederherstellung ihrer verruchten Ordnung bewirkt haben, stehen weder heute noch morgen zur Verfügung. Sicher ist indes, daß sie objektiver und subjektiver, innerer und äußerer, politischer, ideologischer und ökonomischer Natur gewesen sind. Verwerfungen in den führenden Parteien der sozialistischen Länder Europas, vor allem der KPdSU, spielten dabei eine maßgebliche Rolle. Leider gibt es auch unter Marxisten noch solche Genossen, die der Meinung sind, man solle den exakten Begriff Konterrevolution lieber vermeiden und statt dessen weiter von einer nebulösen Wende sprechen.

Zur RF-Debatte fehlte es nicht an Wortmeldungen. Nur ein Teil konnte berücksichtigt werden. Wir wollen Gert Thiede aus Suhl zitieren, der Wichtiges auf den Punkt bringt. Zum Untergang von DDR und SED habe nicht zuletzt ein "Führungsstil" beigetragen, "der Kritik und Selbstkritik einen statutenwidrigen Riegel vorschob, zugleich aber Lobhudelei, Personenkult und Schönfärberei begünstigte". Der Südthüringer verweist auf "die kleinen und großen Schabowskis, die sich diesem Führungsstil anpaßten". Auch der "Drang zur Massenpartei" - koste es, was es wolle - und eine dadurch "aufgeweichte Kaderpolitik" hätten der Sache schweren Schaden zugefügt. Oftmals habe man Charakterschwächen unterschätzt und fachliche Qualitäten überbewertet.

Genosse Thiede erinnert an Lenins Urteil: "Alle revolutionären Parteien, die bisher zugrunde gegangen sind, gingen daran zugrunde, daß sie überheblich wurden und nicht zu sehen vermochten, worin ihre Kraft bestand, daß sie fürchteten, von ihren Schwächen zu sprechen."

"Im RF kann man produktiv debattieren", stellte unser Nestor, der 93jährige Walter Ruge, fest. Das ist kein Plädoyer für Beliebigkeit. Der lebhafte Meinungsstreit zu den Oktober-"Grübeleien" Dr. Franz Köhlers, dem vielleicht zu früh mit einem redaktionellen "Einspruch" begegnet wurde, hat das einmal mehr unterstrichen. In einer Polemik schrieb Achim W. Leißner, er sehe nicht ein, warum eine richtige marxistische These nicht auf den Prüfstand solle, ergebe doch ihre Bestätigung Gewißheit und Zuversicht. Es handle sich dabei um "einen schöpferischen Vorgang, gar um eine Gelegenheit zum Abgleich mit veränderten Bedingungen". Dem soll nicht widersprochen werden. Zugleich aber ist zu betonen, daß das vom Kommunistischen Manifest begründete Einmaleins des Marxismus ebensowenig auf seine Stimmigkeit kontrolliert werden muß wie der Satz des Pythagoras.

Klaus Steiniger

Raute

Wie ich den Freizeitpark Marzahn-Hellersdorf genießen durfte

Ein Tag im Job-Center

Unlängst mußte ich zu meinem Bedauern in das für mich zuständige Berliner Job-Center Marzahn-Hellersdorf. Ich hatte mir schon vor langer Zeit geschworen, diesen Ort nie wieder freiwillig zu betreten. Meine Erlebnisse dort bestätigten mir die Richtigkeit meiner Einstellung. Um das Gesehene zu verarbeiten, schreibe ich es nun für die Leser des RF auf.

Beim Eintreffen in dem großen Gebäude in der Allee der Kosmonauten wurde ich von der üblichen langen Warteschlange begrüßt, die sich in mehreren Kurven im Empfangsbereich hinzog. Müde und gereizte Gesichter, Mütter, die nur mit Mühe ihre Kinder im Zaum halten konnten, und Menschen, die einander ihre entmutigenden Erfahrungen mit seelenlosen Behörden erzählten, erwarteten mich. Ich reihte mich ein und steckte meine Nase in ein mitgebrachtes Buch. Zugleich beobachtete ich die Frauen, Männer und Kinder um mich herum.

Alles wirkte deprimierend. Wie ein Trauerzug bewegten wir uns Zentimeter um Zentimeter vorwärts und beneideten jeden Glücklichen, der von den einweisenden Wachschutzleuten zu den Abfertigungsschaltern gerufen wurde. "Der nächste bitte!" Wie bei früheren Besuchen dort wurde mir wieder das Entwürdigende der Situation bewußt. Alles scheint direkt darauf ausgerichtet zu sein, die Menschen zu demütigen, ja, sie zu brechen. Mit Sicherheit gäbe es Möglichkeiten, sie auf andere Weise in diesen Moloch Job-Center zu führen als über solche Warteschlangen. Gewiß, eine fröhliche Veranstaltung wäre es unter keinen Umständen. Doch muß diese Demütigung des oft endlos erscheinenden Anstehens sein?

Nach mehr als einer Stunde zählte ich schließlich zu den Glücklichen und kam an den Schalter. Da ich einen Erstantrag zu stellen hatte, mußte ich nun zur weiteren Bearbeitung meines Anliegens in einen Warteraum der zweiten Etage. Dort war ich nicht allein. Menschen saßen, standen und hockten darin und im Flur. Ich richtete mich auf einen langen Zeitraum des Ausharrens ein. Wieder sah ich gereizte, aber auch abgestumpfte, müde und blasse Gesichter. Die Kinder waren nun deutlich unruhiger geworden, und die Mütter und Väter hatten alle Hände voll zu tun, sie noch einigermaßen unter Kontrolle zu halten. Ewiges Warten. Die Zeit schleppte sich hin. Ich setzte mich im Flur auf den Fußboden, um mich sozusagen in eine Ecke verkriechen zu können, wo ich ein wenig nur für mich war.

Ein Mann stand plötzlich neben mir und brummelte mit sarkastischem Lächeln zu seiner Frau: "Ja, das haben wir nun davon! Was haben wir damals gebrüllt! Helmut Kohl, rette uns! Was haben wir nur gedacht! Waren wir alle blöd!!!" Da er mich dabei ansah, fühlte ich mich unter Verdacht gesetzt und sagte, daß ich seinerzeit nicht so gebrüllt hätte. Er meinte daraufhin, daß es schwierig geworden sei, heute noch jemanden zu finden, der zu jener Zeit dabeigewesen sein wolle. Ich ließ es dabei bewenden. Finster guckte er in den vollen Warteraum und sah auf die überwiegend jungen Menschen und Kinder. Er wies mit der Hand hinein und sagte: "Die armen Kinder!" "Ja", erwiderte ich, "meine Eltern habe ich noch auf der Arbeit besucht, heute begleiten die Kinder ihre Väter und Mütter ins Job-Center." Er nickte zustimmend und bedeutungsvoll. Ja, dachte ich, dieser Gedanke steht geradezu symbolhaft für die Wirklichkeit, in der wir nun zu leben haben.

Die Lärmkulisse hatte inzwischen deutlich zugenommen. Vor allem die kleinen Kinder waren nicht mehr zu bändigen. Einige Babys brüllten nun kräftig drauflos. Die Stimmung war alles andere als erfreulich.

Nach gut zwei Stunden war ich endlich dran, und meine Daten wurden von der Sachbearbeiterin aufgenommen. Doch der nächste Schock ließ nicht lange auf sich warten: Ich mußte noch zur Abteilung Arbeitsvermittlung in die Rhinstraße! Jetzt war auch ich deutlich gereizt. Völlig entnervt fuhr ich mit meinem Rad dorthin und saß noch einmal eine halbe Stunde in einem Wartebereich, der diesmal allerdings leer war. Als auch dort meine Daten von einer wirklich freundlichen und verständnisvollen Mitarbeiterin aufgenommen worden waren - sie spürte wohl meine totale Erschöpfung - lag der Alptraum Job-Center hinter mir. Ich trat aus dem Gebäude hinaus und fühlte mich wie befreit. Selten hatte ich frische Luft so nötig.

Beim Nachhauseradeln wurde auch ich in meinem tiefsten Inneren sarkastisch. Ich dachte mir, welch eine Zeitverschwendung diese ganze Veranstaltung eigentlich war. In einem Büro, wo meine Angelegenheiten tatsächlich bearbeitet wurden, war ich in den vergangenen vier Stunden nicht einmal zehn Minuten. Was hätte man da nicht alles Nützliches tun können!

Wir, die Wartenden, hätten z. B. in Berlin-Mitte Ratten jagen können! Oh ja, vielleicht könnte der Bezirk jetzt rattenfrei sein! Oder wir hätten viele Gourmetspeisen nach Thilo Sarrazins Ernährungsrezepten für Arme kochen können! Und um bei diesem Spezialisten für professionelle Menschenverachtung zu bleiben: Wir hätten auch "in den Ostblock" fahren können, um uns mit Stereoanlagen und Flachbildschirmfernsehgeräten einzudecken, deren Erwerb dann am Abend mit billigem Bier an einer Dönerbude zu feiern gewesen wäre! Was für eine Zeitverschwendung!!!

Ich schreibe dies nicht, um das Job-Center Marzahn-Hellersdorf in den Schmutz zu ziehen. Ich bin von den Mitarbeitern dort immer korrekt behandelt worden. Sie können nichts für ein menschenfeindliches System, das eine inhumane Politik ernährt. Ich schreibe dies nur, um einmal Einblick in die Gefühle von jemandem zu gewähren, der es tatsächlich erlebt. Wenn nur die Sarrazins zu Worte kommen, sind die nächsten sozialen Grausamkeiten schon vorprogrammiert.

Ulrich Guhl

Raute

Bomben über der Welt

Wir schlagen morgens unsere Zeitungen auf und können es kaum erwarten, wieder einmal zu lesen. Diese und jene Stadt (irgendwo in Spanien oder in China) wurde von feindlichen Flugzeugen bombardiert; dabei kamen achtzig oder dreihundert oder tausend Zivilpersonen ums Leben; der Angriff dauerte nur ein paar Minuten. - Wir lesen davon so oft, daß wir schon fast versäumen, uns von einer derartigen Nachricht erschüttern zu lassen. Erschüttert sind wir noch, wenn so ein Wiedemann fünf Leute ermordet; doch achtzig, dreihundert oder tausend getötete Menschen, das wirkt irgendwie unpersönlich, das kann sich der Leser überhaupt nicht mehr vorstellen; also zuckt er die Achseln und liest weiter, um zu erfahren, welche Zugeständnisse irgendeinen Mächtigen dazu bewegen könnten, für ein paar Jahre in friedliche Beziehungen zu den Nachbarn zu treten.

Doch vorzustellen brauchen wir uns das gar nicht mehr; man zeigt es uns anschaulich und bequem im Kino. Die zertrümmerte Straße, aus der noch Wolken von Staub und Qualm aufwallen, die zerfetzten Leiber, die brennenden Leichen, die Kinder, die vor Entsetzen wie von Sinnen schreien - diese Kinder sind sich auf schreckliche Weise ähnlich, ob es nun chinesische oder unsere Kinder sind. Hier also bekommen wir sozusagen aus erster Hand, wie das aussieht. Es schnürt uns doch wenigstens für einen Augenblick die Kehle zu und weckt in uns das dunkle Gefühl, sofort etwas tun zu müssen - zu schreien, zu protestieren, aufzustehen und mit dem Ruf, die Menschheit dürfe sich derartiges nicht gefallen lassen, auf die Straße zu laufen. Ich fürchte aber, wir werden uns nach und nach auch an diese Bilder gewöhnen, solange sie sich nur auf der Leinwand abspielen. Vielleicht werden sich die Kinobesucher sogar enttäuscht sagen: Letzte Woche war es noch grauslicher.

Und trotzdem: Niemand wird doch glauben, daß dies der Endzustand der Welt sei und daß das Metzeln von Frauen und Kindern zum Hauptmittel der internationalen Beziehung erhoben werde. So tatarisch geht es doch nicht zu in der Menschheit. Wir dürfen damit rechnen, daß die Menschen eines Tages die Luftangriffe von heute schlicht und einfach als gemeinen Mord betrachten werden, als eine Art moralischen Amoklaufs, dem diese oder jene Nationen zeitweilig verfallen waren, da sie vorübergehend aus der Entwicklung der übrigen Menschheit ausscherten. Es geht doch nicht, daß die Menschen später einmal mit Grauen und Abscheu auf unsere ganze heutige Welt schauen, da sie in ihrer Gesamtheit untätig und würdelos einer solchen Massenbestialität zugesehen hat.

Gewiß, wir machen uns keine Illusionen darüber, daß die erneute internationale Verurteilung der Luftangriffe auf offene Städte, zu der England den Anstoß geben will, schon jetzt ein paar tausend arme Wehrlose davor schützen wird, daß ihnen Bomben und Häuser auf den Kopf fallen. Es ist nicht leicht, die Völker und ihre Herren zu überzeugen, daß sie etwas Sinnloses und Verwerfliches tun. Doch selbst wenn nicht damit zu rechnen ist, daß eine bloße Verurteilung ohne Strafsanktionen die Sitten derer verfeinert, die sich schon so gründlich mit Blut in die Geschichte unseres Jahrhunderts eingeschrieben haben, so ist es trotzdem doch furchtbar wichtig und dringend angezeigt, diese Verurteilung auszusprechen. Immer wieder muß gesagt werden, daß ein Verbrechen ein Verbrechen bleibt und stets als Verbrechen verurteilt werden wird. Nicht für einen Moment darf sich auf der Welt das Gefühl breitmachen, daß die allgemeine moralische Ordnung der Welt für diesmal suspendiert worden ist. Um jeden Preis muß die Kontinuität der sittlichen Ideale, die wir übernommen und weiterzugeben haben, gewahrt bleiben. Jawohl, eine bloße verbale Verurteilung ist noch keine Tat; doch gleichgültiges Schweigen wäre eine schlechte Tat; es hieße, mitschuldig zu werden an nichtswürdigem und unmenschlichem Tun. Mögen wir alle, die wir uns aus der großen Gemeinschaft der Menschheit nicht ausschließen, wenigstens von dieser Mitschuld nachdrücklichst bewahrt bleiben!

Karel Capek (1937)

Raute

Stich ins Wespennest
Wie sich der "Forschungsverbund SED-Staat" in die Nesseln setzte

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

Raute

Grabmal Ismail Samani - erbaut 905

Es wölbt sich die flache Kuppel
über dem schlichten Bau,
die Ziegel schimmern golden
gegen des Himmels Blau.

Sie sind zu Ornamenten
gefügt von Meisterhand
im Mosaik der Flächen,
verschlungen Band für Band.

Ich wandere in Gedanken
wohl ein Jahrtausend weit
und sehe vor meinen Augen
die große alte Zeit.

Vollendung klarer Formen
erschließt sich meinem Blick,
und schmerzlich-leises Sehnen
zieht immer mich zurück.

Bewahre die alte Schönheit,
du Haus am Steppenrand,
behütet von allen Händen
im alten jungen Land.


Diese Verse schrieb die renommierte Orientalistin Dr. Hildegard Harting aus Berlin, die am 2. März ihren 90. Geburtstag begeht, 1968 nach einem Besuch Bucharas. Viele Male hat die passionierte Bergsteigerin die Sowjetunion bereist und ihre Gefühle in Gedichten zum Ausdruck gebracht. Jetzt übergab sie dem RF, dessen treue Leserin sie ist, die hier abgedruckten Strophen.

Herzlichen Glückwunsch,
liebe Hildegard!

Raute

Prof. Fritz Vilmar ins Gästebuch

Dialog mit einem "linken Antikommunisten"

Gesundheitliche Probleme, die meine Zeit in Anspruch nahmen, hinderten mich daran, zur Verleihung des GBM-Menschenrechtspreises an Prof. Fritz Vilmar nach Berlin zu fahren. Dankenswerterweise hat mir der Autor sein Redemanuskript übersandt.

Gutes Einvernehmen, ja freundschaftliche Beziehungen zwischen einem Altkommunisten und einem "bekannten linken Antikommunisten" sind nicht gerade alltäglich. Friedenskämpfer zeichnen diesen sogar mit dem höchsten Preis ihrer nicht gerade antikommunistischen Organisation aus - ebenfalls recht ungewöhnlich.

Dem "bekannten linken Antikommunisten" ist zweifellos geläufig: Die Regierung der Großen Französischen Revolution nannte sich "Comité de salut public". Der Wunsch nach öffentlicher Wohlfahrt geht also in die Zeit vor Marx zurück. Die Devise der bürgerlichen Revolution "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" ist zutiefst kommunistisch. Sie wurde deshalb von der Bourgeoisie auch nie umgesetzt. Diese Sehnsucht fand ihre Fortsetzung in der Bewegung des Gracchus Babeuf - für einen Kommunisten kein schlechter Vorfahr, dessen sich auch ein "linker Antikommunist" nicht schämen muß. Mit der Hinrichtung Babeufs (1797) begann die gnadenlose Jagd auf das "Gespenst" des Kommunismus - in Deutschland über den Kölner Kommunistenprozeß bis hin zu Bismarcks Sozialistengesetz, das dieser "Hatz" getrost zugeordnet werden kann.

Die Niedermetzelung der Pariser Commune war nur ein Vorgeschmack auf die Abschlachtung anderer Widersacher des Kapitals. Die Ermordung der Kieler Matrosen, die Meuchelung der Spartakisten mit Karl und Rosa folgten. Waren in der Weimarer Republik Morde an Kommunisten und Reichsbannerleuten fast alltäglich, so erwies sich Hitlers Ernennung als Signal zur Ausrottung größten Stils. Ohne Hakenkreuz kein "moderner" Antikommunismus - nach Thomas Mann die Grundtorheit des 20. Jahrhunderts.

Das hinderte deutsche "Eliten" unter Adenauer nicht daran, dieser "Tradition" zu folgen und den nunmehr "demokratischen" Feldzug gegen den Kommunismus fortzusetzen. Es kam zu etwa 80.000 Strafverfahren, vielfach mit Haft, und zu unzähligen Berufsverboten in der BRD. Das muß auch ein "linker Antikommunist" im Auge behalten.

Wenn man den "Kommunismus" einmal - "so weit wie möglich ideologiefrei" (Vilmar) macht, bleibt unterm Strich zumindest die Eigentumsfrage. Da werden die Herrschaften krötig. Deshalb wurden und werden ja auch die Kommunisten so unerbittlich verfolgt. Man muß nicht dem historischen Materialismus verfallen sein, um die Bedeutung von Eigentumsverhältnissen ermessen zu können. Beim Autor des Buches "Die Kolonialisierung der DDR" wird dieser Aspekt mit "Verramschung der ostdeutschen Industrie durch die sogenannte Treuhandanstalt" nur kurz gestreift. Das heißt, die Eigentumsverhältnisse, wie sie in der DDR bestanden, kommen gar nicht zur Sprache. Damit wird der Schlüssel zur "historischen Kritik und Würdigung der DDR" von vornherein - zweifellos unbeabsichtigt - an Herrn Knabe in Hohenschönhausen weitergereicht.

In der DDR wurden die Banken nationalisiert. Die Staatsbank, die Außenhandelsbank, die Bank für Handwerk und Gewerbe usw. hatten Geldbetrieb, Kreditwesen, Industrie, Bildung und Sport zu bedienen, nicht aber gigantische Spekulationen in Übersee zu betreiben. Darum gab es keine chronischen Finanzkrisen, keine gefährdeten Sparguthaben.

Die Schlüsselindustrien waren - übrigens per Volksentscheid - ebenfalls nationalisiert. Lebensmittel und pharmazeutische Erzeugnisse wurden nicht in Privatunternehmen produziert. Daher florierte das (wiederum nicht private!) Gesundheitswesen. Nur so waren die Polikliniken möglich, die Vilmar als "vorbildliches Modell medizinischer Versorgung" betrachtet.

Wie kann man die "durchaus erfolgreiche Neuorganisation der Landwirtschaft in den Agrargenossenschaften" (Vilmar) würdigen, ohne die Bodenreform und die sozialistische Umgestaltung auch nur zu erwähnen? Fritz Vilmar konnten diese Besonderheiten der DDR doch nicht völlig entgangen sein.

An anderer Stelle schreibt er: "Die Nibelungentreue Finks gegenüber der Sowjetunion hat mich tief erschreckt. Es ist doch klar, daß die Rote Armee 1944/45 nicht nach Berlin marschiert ist, um die Deutschen vom Faschismus zu befreien - dies war ein glücklicher Nebeneffekt -, sondern daß sie sich durch diesen Verfolgungsfeldzug selbst für alle Zeiten von der Hitlerpest befreien wollte."

Mit den Jahren erwies sich der "glückliche Nebeneffekt" (wenigstens für die DDR) als eindeutiger Haupteffekt, denn ohne die Sowjetunion hätte es keine Befreiung vom Faschismus gegeben. Nur der Überwindung der Seelower Höhen und dem mächtigen Vorstoß der Roten Armee auf Berlin verdanken wir die bedingungslose Kapitulation des 3. Reiches.

Wie sich erweist, sind die angeführten Motive nur scheinbar konträr. Triebkräfte sind wandelbar, unter Umständen ergeben sie sogar eine Einheit. Damit will ich sagen, daß sich das Schwergewicht mit der Zeit durchaus verlagern konnte. Als die faschistische Wehrmacht im Winter 1941/42 vor Moskau stand, war sicher nicht die Befreiung der europäischen Völker, sondern das Verjagen der verhaßten Eindringlinge das Hauptziel. Später verschob sich der Schwerpunkt des Krieges, wurde die Befreiung zum Hauptaspekt. Daraus nach 60 Jahren einen Widerspruch zu konstruieren, ist absurd.

"Das gesamte System war nicht sozialistisch", formulierte Vilmar. "Denn Sozialismus und Diktatur schließen sich aus." Solche allgemeinen Schlußfolgerungen sind zwar sehr verlockend, aber überaus blumig. Wenn Sozialismus - sicher auch aus Fritz Vilmars Sicht - überhaupt etwas bedeutet, dann tiefgreifende Veränderungen auf allen Gebieten. Kapitalisten und Gutsbesitzer werden entmachtet und enteignet. Nur ein Schmetterlingssammler kann davon ausgehen, daß sich solche Abläufe ohne Widerstand und Druck vollziehen könnten.

Wo immer sich eine "friedliche" Revolution abzeichnet, ist die todbringende Konterrevolution schon im Anmarsch. Mehr noch: Nach ihrer Niederlage werden die Verlierer vehement die Restauration alter Verhältnisse betreiben, wobei sie sich in aller Regel auf massive Hilfe aus dem Ausland stützen. Da helfen keine frommen Worte. Soll das Wagnis nicht im Blut erstickt werden, hilft nur die ungeliebte "Diktatur", die jeder Staat nun einmal ist. Nicht sie ist die Todsünde von Marx, sondern das Ansinnen einer "Expropriation der Expropriateure".

Es erstaunt schon, daß ein belesener Kopf mit so gründlichen Erfahrungen bis heute derart ehrfürchtig mit Begriffen wie "Demokratie" und "Pressefreiheit" umgeht. Bürgerliche "Pressefreiheit" ist doch - als Medienterror, Gleichschaltung und Gehirnwäsche - schon beinahe ein Schimpfwort, ein Hohn und ein Bombengeschäft.

Wer wagt es - angesichts dieser durch und durch verlogenen "Demokratie" (mit gähnender Leere bei "Generaldebatten" im Bundestag) - noch das Wort Demokratie unter Bezug auf die BRD zu bemühen? Die einzigen, denen diese verbrauchten Worthülsen noch den Weg ebnen, sind die braunen Springerstiefel. Einer demokratischen Entwicklung Deutschlands ist diese Art von "Demokratie" nicht förderlich.

Fazit: Vor seiner "historischen Kritik der DDR" hätte auch bei Fritz Vilmar das sorgfältige Studium stehen müssen. Er recherchiert in seinem Buch "Die Kolonisierung der DDR" sehr gründlich die Jahre nach der Abwicklung des sozialistischen deutschen Staates - die vier Jahrzehnte DDR-Existenz spielen dabei kaum eine Rolle.

Walter Ruge

Raute

Ausstellung von Werken aus dem Beeskower Burg-"Archiv"

Der größte Kunstraub der deutschen Geschichte

Von der BRD angeeignete und in Burg Beeskow "eingelagerte" Kunstschätze der DDR

In Berlin wird BRD-Beutekunst, die aus dem Eigentum von Betrieben, Kultureinrichtungen, Parteien und Massenorganisationen der DDR stammt, erstmals in einer privaten Schau der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht. Es handelt sich um einen makabren Vorgang. Dennoch ist die Tatsache zu begrüßen, daß Untergegangenes und versteckt Gehaltenes wieder aufgetaucht ist. Wir zeigen unseren Lesern einige dieser Beutestücke.

Die Ausstellung "Volkseigentum - Kunst in der DDR 1949-1989" ist noch bis Ende März geöffnet: Mittwoch bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Spandauer Straße 2 (Mitte)

Bravo! Die Ausstellung gefiel mir sehr gut; solche Bilder dürfen in Depots verkümmern!
Ein Besucher aus der Schweiz

Nach langer Zeit endlich mal wieder eine Ausstellung von Künstlern, die ihr Handwerk beherrschen. Welch ein Genuß!
Ein Besucher aus Berlin


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 7:
"Am Ausrüstungskai", Siegfried Korth (ca. 1975)
"Das Brot", Christian Heinze (1986)
"Fahrt zur Ernte", Heinz Wodzicka (1967)

Abb. S. 26:
"Lesender", Gerhard Rommel (ca. 1966)
"Bertolt Brecht", Fritz Cremer (1957)
"Alte, aus dem Fenster schauend", Theo Balden (1956)
"Mutter und Kind", Gerhard Rommel (ca. 1964)

Raute

"Dresdner Historikerkommission" jongliert mit Opferzahlen

Makabres Spiel um Tote des 13. Februar 1945

Beim 47. deutschen Historikertag Anfang Oktober 2008 stand auch die "Ermittlung der Opferzahlen der Luftangriffe auf die Stadt Dresden am 13./14. Februar 1945" auf der Tagesordnung. Den Anwesenden wurde eine "Erklärung der Dresdner Historikerkommission" übergeben, die am 1. Oktober von der Oberbürgermeisterin der Elbmetropole herausgegeben worden war. Unterzeichner sind 13 Persönlichkeiten.

Diese Historiker führen aus: "Im Zentrum der Auseinandersetzung um die Dresdner Luftkriegsereignisse steht die extrem gegensätzliche Darstellung der Zahl der Opfer der Angriffe zwischen dem 13. und 15. Februar 1945. Bis heute schwanken die Angaben zwischen 20.000 und bis zu 500.000 Toten; selbst bis zu einer Million ums Leben Gekommene sind in der Literatur zu finden."

Die Kommission sieht die "Dresdner Opferzahlen (als) Ausdruck einer zutiefst umstrittenen Symbolbildung. Bis heute steht Dresden alljährlich im Mittelpunkt intensiver geschichtspolitischer Auseinandersetzungen, die weit über den regionalen Rahmen hinausreichen".

Die Kritik bleibt anonym. Die Kommission verzichtet darauf, Arbeiten und Autoren zu nennen. Es wird nicht gesagt, worin die "Symbolkraft" besteht.

Mit der "Erklärung" vollbrachte die Kommission das, was Bundespräsident Roman Herzog am 13. Februar 1995 in der Dresdner Kathedrale streng verurteilt hatte: "Wer ... den Teufelskreis von Unrecht und Gewalt, von Krieg und Unmenschlichkeit brechen will, wer Frieden, Freundschaft und Versöhnung zwischen den Völkern sucht, der kann nicht einfach zwischen den Toten, Verwundeten und ins Unglück Gestürzten einen buchhalterischen Saldo ziehen. Leben kann man nicht gegen Leben aufrechnen. ... Diese Mahnung richte ich auch an die Historiker und die historischen Laien, die sich noch heute um die Zahl der Opfer ... des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft streiten. Man hat diese Rechenspiele zu Recht als die 'Ziffernsprache des Ungeheuerlichen' bezeichnet. Diese Sprache führt nicht einen Schritt weiter ..."

Soweit Herzog in Dresden. Warum hatte er das wohl gesagt?

Welche Ergebnisse brachte nun die "makabre Saldierung" der Opfer 2008?

Die Kommission hat bislang "18.000 Luftkriegstote nachgewiesen", wobei "die genannte Größenordnung ... im Ergebnis weiter qualifiziert werden kann". Die Kommission wiederholt, daß die Naziführung im März 1945 die Zahl von 200.000 Opfern erfunden habe, um sie propagandistisch zu mißbrauchen. Diese Zahlen befänden sich bis heute in der Literatur und den Medien: "Sie werden nach wie vor in der politischen Auseinandersetzung verwendet." Von wem?

Die Kritik der Kommission bleibt abermals anonym. (In Walter Weidauers "Inferno Dresden", das sieben Auflagen erlebte, gab es diese Polemik.)

Die Kommission hat sich mit den Argumenten beschäftigt, die eine hohe Opferzahl begründen. Es sind derer vier:

Erstens: Unentdeckte "Kellertote" kann es nicht gegeben haben. Das sei durch die "sorgfältige Beräumung" belegt.

Zweitens: Es bestanden auch nicht so hohe Temperaturen, "bei denen menschliche Körper nahezu rückstandslos verglühen würden". Spurenlos Verbrannte könne es also nicht geben.

Drittens: Auch "auswärtige Flüchtlinge" (gemeint sind Schlesier, deren Flucht vor der Sowjetarmee die Nazis befohlen hatten) seien registriert gewesen, also in den offiziellen Opferzahlen enthalten.

Viertens: Für den "systematischen Bordwaffenbeschuß", an den sich manche Dresdner zu erinnern glauben, fehlten jegliche Belege.

Wer die Literatur der DDR kennt, weiß, daß es damals derlei Spekulationen nicht gegeben hat. Eine "korrekte Darstellung der Ereignisse" schloß allerdings Fragen ein, auf welche die "Erklärung" gar nicht eingeht. Zu diesen Fragen gehören: Was führte zum Schicksal Dresdens? Wo liegen die Triebkräfte der faschistischen Kriegspolitik, wer war verantwortlich, und welchen Anteil hatte Dresden daran, als Ziel auserkoren zu werden? (Rüstung, Kriegsakademie, Wehrmachtsstandort etc.)

In welcher politisch-militärischen Situation (Zusammenbruch der Ostfront, Krimkonferenz u. a.) erhielt die angloamerikanische Luftflotte den Befehl zur Zerstörung Dresdens? Wer war verantwortlich? Welche langfristige strategische Planung für die Nachkriegszeit verbarg sich hinter der Entscheidung zum Bombardement?

Welche Konsequenzen ergaben sich für die sowjetische Haltung?

Das Bombardement spielt nicht nur in der Erinnerungspolitik von heute eine wichtige Rolle, sondern nahm schon damals bei der Auseinandersetzung um Nachkriegskonzeptionen der Antihitlerkoalition und der deutschen Politiker der "ersten Stunde" einen herausragenden Platz ein. Die "Erklärung" der Dresdner Historikerkommission macht keine Vorschläge zur Gedenkkultur. Die Ruine der Frauenkirche, die lange Zeit als Symbol des Mahnens und Gedenkens diente, existiert (im Unterschied zur Ruine der Kathedrale von Coventry) nicht mehr. Ein Mahnmal auf dem Altmarkt, dem Ort der Verbrennung der Leichen, scheint nicht opportun zu sein. (Eine Gedenkplatte am Postplatz für nicht existierende "Opfer" des 17. Juni 1953 sehr wohl, für die 59 von der Reichwehr am 15. März 1920 Ermordeten nicht.)

Angesichts der internationalen Bedeutung des Umgangs mit den Opfern des 13. Februar 1945 und des Vermächtnisses der Toten, keine Wiederholung zuzulassen; angesichts der Tatsache, daß Dresden noch im Frühjahr 1989 bei einer NATO-Übung angenommenes Ziel eines Atomschlags war, und an der Ruine der Frauenkirche in den 80er Jahren traditionell die Kundgebung "Schwerter zu Pflugscharen" stattfand und auch Helmut Kohl dort am 19. Dezember 1989 gelobte, daß von Deutschland nur Frieden ausgehen solle, schlage ich vor:

Auf dem Altmarkt der dort verbrannten Toten durch eine Stele zu gedenken; in der Nähe der Frauenkirche an die Rede Helmut Kohls und die Friedensdemonstrationen durch eine Gedenkplatte zu erinnern.

Sicherlich wird es genügend einstige Bürgerrechtler und Pfarrer geben, die ihre Erfahrungen nutzen könnten. Finanziell wäre das Vorhaben genauso abzusichern wie die Forschungsarbeit der "Dresdner Historikerkommission". Selbstverständlich sollten alle Bürgerinnen und Bürger in die Überlegungen einbezogen werden.

Prof. Dr. Horst Schneider

Raute

Ist die Marktwirtschaft ein Patent des Kapitals?

Häufig wird Marktwirtschaft mit Kapitalismus gleichgesetzt. Ebenso finden sich Auffassungen von der Unvereinbarkeit von Marktwirtschaft und Sozialismus. Was ist daran? Die Entwicklung des Geldes liefert den Nachweis, daß Tausch- oder Marktwirtschaft viel länger existieren als kapitalistisches Wirtschaften. Die Anfänge von Geldwirtschaft lassen sich über sechs Jahrtausende zurückverfolgen. Die kapitalistische Art zu wirtschaften existiert kaum mehr als vier Jahrhunderte, umfaßt also nicht einmal ein Zehntel dieser Zeit. Dabei ist Geld bereits die höchstentwickelte Wertform und somit eine hohe Stufe des Wirtschaftens mit dem Ziel des Austausches.

Marx wies nach, daß Markt- bzw. Tauschwirtschaft, also Produktion für andere, mit niederen Formen begann. Der zufälligen folgte die totale Wertform (alles gegen alles) und dieser die allgemeine Form mit typischen Tauschwaren, aber noch ohne Geld als ganz allgemeinem Äquivalent. Die Geldform und somit Geldwirtschaft ist also eine hochentwickelte Stufe der Tausch- oder Marktwirtschaft.

Also ist die kapitalistische Weise des Wirtschaftens nur eine Phase in der Entwicklung der Marktwirtschaft, sogar nur eine relativ kurze Phase. Damit ist die Gleichsetzung von Marktwirtschaft und Kapitalismus eindeutig ungerechtfertigt, eine reine Täuschung.

Zumindest seit 1848, der Veröffentlichung des Kommunistischen Manifests, ist diese Erkenntnis allgemein bekannt. Die Entwicklung tendierte nun dahin, den Wert (Tauschwert, Geldwert) zum bestimmenden, oft sogar zum alleinigen Wert der Gesellschaft zu machen. Diese Tendenz verabsolutiert die Marktwirtschaft und ihre Mechanismen. Alle gesellschaftlichen Aktivitäten und damit alle Bereiche der Gesellschaft werden nur noch nach ihrem Geldwert beurteilt. Dieser Tendenz stehen jedoch auch zwingende Erfordernisse entgegen.

Viele gesellschaftliche Bedürfnisse lassen sich über marktwirtschaftliche Mechanismen nicht erfüllen. Die Infrastruktur würde z. B. nur "lohnende" Bereiche erfassen. So wie bei Bahn- und Postprivatisierung ja stets die "unrentablen" Aufgaben übrigbleiben. Sie lassen sich rein betriebswirtschaftlich nicht lösen, weil sie sich "nicht rechnen". Oder ein Brief in ein Dorf würde dann statt 0,55 eben 4 oder gar 7 Euro kosten. Das gleiche gilt für die Bildung, vor allem der Jugend. Sie kann nicht nach unmittelbarer Kosten-Nutzen-Rechnung erfolgen. Das sind Langzeitpflichten der Gesellschaft. Die Kosten in Privatschulen kann sich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung leisten.

Daraus wird sichtbar, daß ohne staatliche Regulierung vieler Aufgaben die Gesellschaft ins Chaos versinkt. Das bewiesen die Weltwirtschaftskrise von 1929 ebenso wie die privaten Finanzspekulationen der Gegenwart. Sie drohen das ganze Finanzsystem zu zerstören.

Die soziale Marktwirtschaft der Bundesrepublik nach 1945 war eine Variante kapitalistischer Marktwirtschaft, die im Ergebnis des Krieges und unter dem Einfluß sozialistischer Umgestaltungen entstand. Sie ist der Versuch, einen gewissen Ausgleich zwischen Profitinteressen und sozialer Gerechtigkeit zu finden. Seit nunmehr zwanzig Jahren nimmt die herrschende Klasse davon Abschied. Die Profite der Großunternehmen verdoppelten sich in dieser Zeit, während die Realeinkommen der Beschäftigten in Deutschland stagnierten und weltweit zurückblieben. Das ist sogar einmalig unter den Industrieländern! Der Kampf um Mindestlöhne und sichere Arbeitsverhältnisse erweist sich als längst überfällig. Der maßlose Mißbrauch von Marktmechanismen im Kapitalismus rechtfertigt zweifellos einen entschlossenen Abwehrkampf - doch nicht gegen die Marktwirtschaft, sondern gegen deren kapitalistische Form, nach der alle Lebensbereiche der Vermarktung unterworfen werden.

Die Marktwirtschaft bietet der gesellschaftlichen Entwicklung bedeutende Vorteile. Ihre Mechanismen, der Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage über Geld und Preis erlauben, ja erzwingen den Vergleich zwischen Aufwand und Ergebnis. Anders ist der Tauschwert im allgemeinen gar nicht zu ermitteln, von Abweichungen bei Lieblingskäufen oder bei Betrug abgesehen. Das Messen und Bewerten des Aufwandes ist für den Wirtschaftsfortschritt unverzichtbar, denn

1. sind die Naturreichtümer begrenzt, bei wachsender Bevölkerung und steigendem Bedarf an materiellen Gütern;

2. steigt die Rationalität der Arbeit stetig, was auch zu messen ist und zur ständigen Verkürzung notwendiger Arbeitszeit führt (nicht unter kapitalistischen Verhältnissen);

3. wird die eigene Arbeitsleistung der Arbeitsfähigen sicher noch lange ein Maßstab für die Teilnahme am Konsum sein, wie anders sollen sonst die nötigen Güter und Leistungen erbracht werden, um den zunehmenden Bedarf zu decken. Inhalte und Formen der Arbeit werden sich weiter verändern, wobei die Arbeit nicht nur dem Geldverdienen, sondern ebenso der individuellen Entfaltung dienlich ist. Weshalb sich Thesen vom Ende der Arbeitsgesellschaft als fragwürdig erweisen.

Im gegenwärtigen Kapitalismus zeigen sich extreme Erscheinungen des Mißbrauchs der Marktwirtschaft und ihrer Mechanismen. Geld als allgemeiner Gegenwert zu Waren und Leistungen entschwindet zunehmend der Realwirtschaft. Seit Jahren fließen die Supergewinne der Großunternehmen zu 90 % statt in Investitionen nur auf Börsen- oder Bankenplätze, wo sie hin- und hergeschoben werden. Doch allein vom Geldtransfer entsteht kein neuer Wert. Diese Geldspekulation und -manipulation widerspricht den ureigensten Funktionen des Geldes, nämlich 1. des Messens (allgemeiner Wertmaßstab sein), 2. des Tauschens (als Zahlungsmittel zu fungieren) und 3. des Sparens (als Wertaufbewahrungsmittel zu dienen). Letzteres ist oft verspielt, wenn es gebraucht wird.

Heute wird die Spekulation zunehmend zur maßgeblichen Geldfunktion. Geld wird auf diese Weise nicht mehr zur Widerspiegelung des realen Wirtschaftskreislaufs und seiner Sicherung genutzt. Mit der jahrelangen Stagnation des Realeinkommens und damit der Kaufkraft der Mehrheit der Bevölkerung ist krisenhafte Wirtschaftsentwicklung vorprogrammiert. Das Versagen staatlicher Regulierung gegen Profitmaximierung garantiert somit die fortlaufende Erzeugung von Niedriglöhnen, Kaufkraftrückgang, Arbeitslosigkeit und zyklischen Krisen. Weitere Umverteilung des Reichtums von unten nach oben forcieren diesen Prozeß noch.

Aus allem folgt, daß offenbar jede künftige Gesellschaftsentwicklung auf die zweckmäßige Nutzung der Marktmechanismen angewiesen ist. Ihre Vernachlässigung erwies sich auch als ein maßgeblicher Mangel in der DDR-Wirtschaftspolitik. Der Kampf gegen den Markt erscheint so als Donquichotterie. Selbst Forderungen nach bedingungslosem Grundeinkommen erweisen sich wohl nur als Abschwächung kapitalistischen Mißbrauchs der Marktwirtschaft. Ebenfalls dienen sie der Abwertung der Rolle der Arbeit für die soziale Entfaltung des Menschen.

Dem Staat obliegt also die Wahrnehmung gesellschaftlicher Gesamtinteressen nach Bildung, Gesundheit und anderer Infrastruktur durch entsprechende Regulierung. Sie durch Geld- und Finanzpolitik zum Vorteil der Allgemeinheit fördern, kann nur ein Staat, der Interessenvertreter der Mehrheit der Bevölkerung ist und sich von der Dominanz des großen Privateigentums befreit hat.

Prof. Dr. Walter Draeger

Raute

Ein "Freiheitsheld", der sich als gewöhnlicher Erpresser erweist

Prozeß in Pirna

Vor 25 Jahren wollte Michael Schlosser - ein jetzt 64jähriger Rentner in Liebstadt bei Pirna - die DDR mit einem selbstgebauten Kleinflugzeug illegal verlassen. Der zuständigen Bezirksverwaltung des MfS Dresden wurde bekannt, daß sich Schlosser mit dem Bau eines Fluggeräts beschäftigte. Die Verdachtshinweise fanden ihre Bestätigung. Als Fuhrparksleiter des Dresdner Fernsehstudios Wilder Mann beschaffte sich Schlosser die wichtigsten technischen Teile und unternahm auch Flugversuche. 1983 wurde er durch das Bezirksgericht Dresden zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. 1984 erfolgte aus der Haft seine Übersiedlung in die BRD.

Unterdessen wieder nahe Pirna wohnhaft, nahm er Einsicht in seine Akten bei der Birthler-Behörde. Dadurch konnte er zwei Inoffizielle Mitarbeiter des MfS mit ihren Klar- und Decknamen ausmachen. Im November 2007 forderte Schlosser schriftlich von beiden einmal 20.000 und einmal 60.000 Euro. Zugleich drohte er damit, im Falle der Nichtzahlung die Namen der beiden IMs bekanntzumachen. Daraufhin erstatteten die Betroffenen Anzeige wegen Erpressung. Am 15. Oktober 2008 verhandelte das Amtsgericht Pirna in dieser Sache. Nach Verlesung der Anklage durch den Staatsanwalt erhielt Schlosser das Wort. Er präsentierte sich selbstsicher und bezeichnete die beiden Zeugen als "Stasi-Spione" und "Verräter". Sie hätten sein Leben und seine Gesundheit ruiniert. Richter Peter Kehr unterbrach den Angeklagten mit der Bemerkung: "Herr Schlosser, wir betreiben hier keine Aufarbeitung der Geschichte. Es geht um Ihre Erpressung."

Zum Sachverhalt äußerte sich der Angeklagte folgendermaßen: Ihm wäre es nie um Geld gegangen. Sein Anliegen habe darin bestanden, die Öffentlichkeit per Klarnamen über die Tätigkeit der beiden "Stasi-Spione" in Kenntnis zu setzen. Er sei auch gar nicht zum vereinbarten Übergabeort gegangen. Er wolle nicht Rache, sondern Gerechtigkeit.

Die Zeugen bestätigten im Verlauf der Beweisaufnahme den Erhalt der Erpresserbriefe und bezeichneten diese als Bedrohung, aus der Ängste entstanden seien. Schlossers Anfragen hätten sie nicht beantwortet. Der Richter verwies darauf, daß eine Ahndung der IM-Tätigkeit wegen Verjährung ausgeschlossen sei. Bemerkenswert ist, daß Schlosser im Jahr 2003 ein Zusammentreffen mit einem der Zeugen hatte, bei dem auch über den Sachverhalt gesprochen wurde. Dennoch kam es später zur Erpressung.

Im Plädoyer des Staatsanwalts wurde die Erfüllung des strafrechtlichen Tatbestands nachgewiesen. Der Ankläger sprach von einem "ungewöhnlichen Fall" und erklärte, beim Strafmaß solle "die gesamte Vorgeschichte berücksichtigt" werden. Man könne Unrecht nicht durch anderes Unrecht ersetzen. Er beantragte eine Geldstrafe von 104 Tagessätzen à 43 €. Der Richter erkannte auf 70 Tagessätze à 30 €. Für ein solches Delikt ist das eine Bagatellstrafe.

Es ist anzunehmen, daß Schlosser nun seine Hetze gegen die DDR noch steigern wird. Durch sein Herumgereichtwerden an Schulen fühlt er sich nach eigenen Aussagen bestärkt und bestätigt. Er will im Sinne der Birthler-Behörde und des Herrn Knabe zur "Aufklärung" beitragen.

Übrigens versuchte der überführte Erpresser durch sichtbares Hochhalten eines Einweckglases mit hellrotem Inhalt Aufmerksamkeit zu erlangen. Sein Versuch, über die angebliche Geruchskonserve sowie über vermeintliche Haftschäden zu debattieren, wurde vom Richter unterbunden.

Was die Zeugen betrifft, nur soviel: Beide waren DDR-Bürger, die auf der Grundlage der Verfassung und der Gesetze der DDR gehandelt haben. Im Paragraphen 225 des Strafgesetzbuches der DDR heißt es: "Wer von Vorhaben, Vorbereitungen oder Ausführungen eines Verbrechens glaubwürdig Kenntnis erhält, hat unverzüglich Anzeige bei den Sicherheitsorganen zu erstatten. Unterlassung ist strafbar." Im dargestellten Fall ging es nicht nur um ungesetzliches Verlassen der DDR, sondern auch um Gefährdung der Luftsicherheit.

Hardi Anders/Horst Auerbach, Dresden

Raute

Die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen

An die Poststelle des Landgerichts Bochum, NRW

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich übersende diesen Brief mit der Bitte um Weiterleitung an den Staatsanwalt und den Richter im leider abgeschlossenen Betrugsverfahren des abgeurteilten Herrn (ja so sind sie, die selbsternannten Herren) Zumwinkel.

Ich bin aufgewühlt und konsterniert. Mit was für einem heruntergekommenen Rechtsempfinden müssen wir leben, wenn ich das Strafmaß für den wegen Millionenbetrugs/-unterschlagung verurteilten Zumwinkel mit den bestraften kleinen Schwarzfahrern in Berlin und anderswo vergleiche. Hierzu zitiere ich aus dem "Tagesspiegel" vom 15.12.2008:

Jeder Dritte in Plötzensee sitzt wegen Schwarzfahrens

"Mindestens 155 unserer 480 Gefangenen wurden wegen Schwarzfahrens zu Ersatzfreiheitsstrafen verurteilt", sagt JVA-Leiter Udo Plessow: "Erschleichen von Leistungen heißt der Straftatbestand."

Ich werde in diesem Jahr 60 Jahre Lebenserfahrung angehäuft haben, aber wenn ich so etwas lese und vergleichend betrachte, schwindet in mir jeglicher Anflug von Altersmilde. Stattdessen krampft sich mir der Magen zusammen, und meine Hand ballt sich vor Empörung und Wut zur Faust.

Also nochmals nachdenken, analysieren und bewerten. Es ändert sich nichts. Ich habe ein völlig anderes Rechtsempfinden als die für diese Praxis Verantwortlichen. Und ich weiß, ich stehe da nicht allein. Heute. Und sogar zurückblickend. Was hätte bloß der Alte Fritz zu solchen skandalösen Urteilen gesagt? Thomas von Aquin kommt mir in den Sinn, wenn ich an real existierendes (Un-)Recht und staatliche (Un-)Ordnung denke. Und immer wieder die Frage: Wie ist dies mit einem humanen, gesellschaftlicher Verantwortung verpflichteten Rechtsempfinden und -handeln in Übereinstimmung zu bringen? Müssen nicht die, die heuchlerisch als Leistungsträger und Vorbilder der Gesellschaft und insbesondere unserer heranwachsenden Generation hofiert werden (und dies auch für sich so verkommen und verlogen reklamieren) gerade um so härter bestraft werden, je höher ihre mißbräuchlich eingeforderte Reputation und Leitfunktion war? Also Peitsche statt Zuckerbrot! Woran soll sich der normale Bürger orientieren, was soll er glauben? Was soll ich meinen Kindern, Nachbarn und Mitarbeitern auf ihre bohrenden Fragen erwidern? Einzig den wohlbekannten Spruch: "Die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen."?

Arbeitslosengeld-II-Bezieher (Hartz IV) werden gnadenlos zur Rechenschaft gezogen, wenn sie einmal nur ein paar Euro mehr erhalten haben, als ihnen zusteht (obwohl dies sowieso viel zu wenig ist und hier ein regelmäßiger Verfassungsbruch die Regierenden mit ihrer asozialen Sozialpolitik bloßstellt). Und was ist mit dem Wegbereiter dieses diskriminierenden Gesetzes, dem Bestecher, Rotlichtmilieuförderer, Gewerkschaftsdiskreditierer und (ehemaligen) Schröder-Top-Berater Peter Hartz passiert?

Ich zitiere die bezeichnende Schlagzeile des "Stern" vom 25.1.2007: "Das Urteil gegen Peter Hartz ist gesprochen, er kommt wie verabredet mit einer Haftstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe davon. Das geht in Ordnung, dennoch wurde es ihm vor Gericht zu leicht gemacht."

Ergänzend, korrigierend und belehrend muß ich anmerken: Das geht keinesfalls so in Ordnung. Auch dieses Urteil war ein Skandal, weil es die gängige Praxis darstellt. Es charakterisiert damit eine nicht weiter hinzunehmende Schieflage in unserer Gesellschaft. Von der ungestraften kriminellen Energie vieler Banker und deren Zuhälter in höchsten Kreisen will ich gar nicht weiter sprechen. Aber Sie hätten sicher recht, wenn Sie sagen sollten, die Regierung und die sie tragenden Parteien müßten Gesetze zur Eindämmung dieser kriminellen Energie zügig vom Stapel lassen, statt den Vabanquespielern und Bereicherern noch Milliarden nachzuschmeißen. Aber für diese ruinösen systemimmanenten Machenschaften gibt es ja noch nicht einmal Blaupausen. Immer wieder erlebt man Fördern und/oder Nachsicht zugunsten der reichen Oberschichtseilschaften und bedingungslose Härte gegen das "gemeine" Volk, das nicht umhinkommt, die sogenannte Dummensteuer (Lohnsteuer, die man nur zuviel, aber nie zuwenig zahlen kann) ehrlich und sich vom Munde absparend zu berappen. Oder nehmen wir die Aburteilung kleiner Ladendiebe. Gerichtet und stigmatisiert für ein Vergehen, das vielleicht ein Einhunderttausendstel im Vergleich zum Millionendiebstahl des Delinquenten Zumwinkel ausmacht!! Es ist also so, wie wir Nordlichter es kennen: "Der Fisch fängt am Kopf an zu stinken!" Es stinkt tatsächlich quer durch die Republik.

Mit freundlichen Grüßen
Niki Müller, Friedrichstadt

PS.: Ich erlaube mir, diesen Brief auch einigen Vertretern der demokratischen und humanistischen Presse in Kopie zuzuleiten.

Raute

Wenn Kinder und Enkel uns Ältere fragen

Rede und Antwort stehen

Die meisten "RotFüchse" sind Mütter und Väter, oft auch Großeltern. Kinder und Enkel fragen uns manchmal Löcher in den Bauch, besonders wenn es um die Vergangenheit geht. Wer sollte ihnen auch sonst davon erzählen, "wie alles in der DDR wirklich gewesen ist". Immerhin haben wir - abhängig vom Lebensalter - dieses Land ganz oder zum Teil mit aufgebaut. Wer könnte außer uns das Lügengespinst zerreißen, das die bürgerlichen Medien über einen Staat werfen, in dem einst einfache Leute das Sagen hatten und ihre Macht für friedliche Zwecke zum Wohle des Volkes gebrauchten? Nicht zufällig empören sich unsere Feinde über das, was wir der heranwachsenden Generation zu berichten haben. Nicht wenige von uns schreiben etwas über ihr Leben auf, damit es die Enkel später einmal nachlesen können.

Kurz vor seinem 80. Geburtstag veröffentlichte Jürgen Kuczynski einen fiktiven Dialog mit seinem Urenkel. Der war damals noch ein Knirps. Der marxistische Gelehrte stellte sich jedoch vor, welche Fragen der Junge wohl an ihn richten würde, wenn er bereits Lehrling oder Student wäre. Natürlich nahm Kuczynski an, daß sein Nachkomme in der DDR aufwachsen werde. Die Dialogthemen, die er auswählte, umfassen ein weites Spektrum. Manche sind beinahe naiv, andere hochpolitisch, ja theoretisch anspruchsvoll.

Urgroßvater, warum ist aus Dir eigentlich nie etwas Rechtes geworden? Warum hast Du soviel geschrieben? Hast Du Dir den Sozialismus in Deiner Jugend so vorgestellt, wie er heute (soll heißen: zu DDR-Zeiten) ist? Warum sprichst Du trotz des unter Stalin Passierten immer ohne jede Einschränkung so bewundernd von den Völkern der Sowjetunion? Und schließlich: Warst Du eigentlich mit Deiner Beerdigung zufrieden, Urgroßvater? Gemeint ist: Wie lautet die Bilanz Deines Lebens?

Inzwischen sind die Dinge anders gekommen, als von Kuczynski angenommen. Die DDR gibt es nicht mehr. Geblieben sind die Fragen nach der Zukunft. Vieles hat sich noch zugespitzt, seitdem gesicherter Frieden und ein Leben in sozialer Geborgenheit der Vergangenheit angehören. Die Existenz der Menschheit ist bedroht wie nie zuvor. So versteht es sich, daß die Fragen der Heranwachsenden an uns Ältere komplizierter geworden sind. Natürlich betreffen sie auch die Gründe der Niederlage des Sozialismus in Europa. Unter den veränderten Bedingungen müssen wir erklären, worauf unsere unerschütterliche Weltanschauung und unsere Zukunftsgewißheit beruhen.

Die Berliner "RotFuchs"-Gruppe hatte zu einem Gedankenaustausch über dieses Thema eingeladen. Einige Genossen lasen dort Abschnitte aus ihren Lebensberichten vor. Im Mittelpunkt aber stand das WIE der Gespräche mit Kindern und Jugendlichen. Wie vermeiden wir es, uns in Allgemeinplätze zu flüchten? Wie finden wir den richtigen Ton, um verstanden zu werden? Denken wir stets daran, Begriffe zu erklären, die heute nicht mehr "in" sind?

Wir legen großen Wert darauf, meinte Genosse Wolfgang Dockhorn, daß Kinder und Enkel uns über ihre Tätigkeit, das Lernen, ihre Probleme und Besorgnisse erzählen, wobei wir zunächst nur gute Zuhörer sein sollten. Das ist die Vorbedingung dafür, daß sie auch unsere Worte aufnehmen. Übrigens: Oma und Opa werden geachtet, weil sie sich nicht "gewendet" haben und offen über ihr Leben berichten, ohne sich vor irgend jemandem zu verstecken.

Was uns bisweilen als Ablehnung der DDR oder unserer Überzeugungen erscheint, ist oft gar nicht so gemeint. Wir vergessen den Einfluß der Schule, der Medien, des gesellschaftlichen Umfelds. Jüngeren muß man geduldig und ohne jeden Anflug von Besserwisserei oder Überheblichkeit antworten. Vor allem aber: Unsere Auskünfte sollten altersgerecht sein und die Gesprächspartner nicht überfordern. Wenn wir zusammensitzen, gemeinsam wandern ergibt sich Gelegenheit, über ganz Alltägliches oder Persönliches zu berichten. Dabei bietet es sich an, Geschehnisse zu erwähnen, die sich uns besonders eingeprägt haben.

Wie ist denn unsere eigene Entwicklung verlaufen? Der eine kommt aus einer Arbeiterfamilie mit revolutionärer Tradition, der andere aus einem völlig "unpolitischen" oder "indifferenten" Elternhaus. Was hat uns selbst bewogen, eine Entscheidung für den Sozialismus zu treffen?

Nachdem ich zunächst den Versuch unternommen hatte, autobiographische Notizen für die Nachgeborenen zu schreiben, die aber zu trocken und agitatorisch ausfielen, begann ich damit, mir jene Fragen einzuprägen, welche die Kinder uns am häufigsten stellten. Sorgfältig registrierte ich, welche Antworten am besten "ankamen".

Ein Beispiel: Wir laufen die Danziger Straße entlang, die früher den Namen Georgi Dimitroffs trug. Ich zeige auf das einstige Gebäude der SED-Kreisleitung und bemerke beiläufig: "Hier habe ich mehr als zwei Jahrzehnte gearbeitet." "Opa, was hast Du denn da gemacht?" kommt es prompt zurück. Nun erkläre mal einer Achtjährigen, was ein Parteifunktionär so alles zu tun hatte. Aber als die Oma dann erzählte, wie ihr Vater sie - damals FDJlerin und jüngste Lehrausbilderin im Betrieb - rausschmeißen wollte, weil sie in die Partei einzutreten beabsichtigte, und wie sie sich trotzdem durchsetzte, empfand die Enkelin das schon als recht spannend. Und als sie hörte, daß Omas jüngerer Bruder, ein Turbinenschlosser bei Bergmann Borsig, den gleichen Schritt tat und nicht mehr mit Rausschmiß bedroht wurde, knisterte Neugier. Als sie schließlich die Frage stellte, "Glaubst Du eigentlich an Gott?" und zur Antwort erhielt, die Oma habe als junges Mädchen einen Film über die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki gesehen und sich dann überlegt, daß ein Gott, wenn es ihn gäbe, so etwas niemals zugelassen hätte, löste das tiefes Nachdenken aus.

In unserem elterlichen und großelterlichen Erfahrungsaustausch, den ich erwähnte, ging es natürlich auch darum, daß es nicht genügt, nur mit dem eigenen Nachwuchs zu reden: Der frühere Schulleiter Georg Dorn berichtete dort über ständige Debatten mit antifaschistischen Jugendgruppen, die ihn als geeigneten Gesprächspartner ausgekundschaftet hätten. Brigitte Tichauer erzählte, sie sei auch unter den Schulfreunden der Enkel auf reges Interesse gestoßen. Bisweilen ergäben sich Kontakte zur ganzen Klasse. Wichtig sei es, DDR-Kinderliteratur ins Gespräch zu bringen und gemeinsam Ausstellungsbesuche zu unternehmen. In diesem Jahr echter und fragwürdiger Jubiläen würden Zeitzeugen mehr denn je gesucht. "Müssen es denn nur solche sein, die negative Erfahrungen mit der DDR gemacht haben wollen?", fragte Genossin Tichauer. "Bringen wir uns doch ein!"

Es ist ein Vorrecht von Kindern und jungen Leuten, Ansichten und Auffassungen, die ihnen "von Staats wegen" aufgedrängt werden, kritisch zu hinterfragen. Da fühlen wir uns aufgefordert, ihnen Rede und Antwort zu stehen.

Dr. Ernst Heinz

Raute

Vom langjährigen SPD-Mitglied zum 1. Kreissekretär der SED

Porträt eines Aufrechten: Gustav Dietz

Wie war das damals, Gustav, als Du Unterbezirkssekretär der SPD gewesen bist? Hattest Du da auch einen 'Wolga'?" "Mit dem Fahrrad bin ich von Beyendorf nach Wanzleben gefahren. Als wir dann den ersten PKW erhielten, gab es so manche Pause unterwegs, wenn wieder einmal die Reifen das Zeitliche segneten." "Entsinnst Du Dich, Gustav, wie wir 1945 die Garben in verregneter Ernte zusammengetragen haben? Und 1946 waren keine Saatkartoffeln da. Wir gingen im Dorf Klinken putzen, um Saatgut aufzutreiben."

Ab Januar 1918 lernte Gustav Dietz Dreher. Vier Jahre waren das damals. Ort der Handlung: Das Krupp-Gruson-Werk in Magdeburg. Hier erlebte er den großen Munitionsarbeiterstreik. Er begriff: Krupp und der Dreher Dietz sind zwei unvereinbare Welten. 18jährig wurde er Mitglied des Metallarbeiterverbandes, trat der USPD, später der SPD bei. In Magdeburg war er Zeuge der Novemberrevolution. Weiße Truppen unter General Maercker besetzten die Stadt. Auf dem Domplatz wurde scharf geschossen. Zurück blieben 12 gefallene Arbeiter und 39 Schwerverletzte. Gustav Dietz wurde Vorsitzender der SPD im Heimatort, Gemeindevertreter, Mitglied des Kreisvorstandes seiner Partei und Kreistagsabgeordneter. Oft begleitete er sozialdemokratische Führer, zu denen er damals noch ehrfürchtig aufblickte, Leute wie Julius Koch, wie den Reichstagsabgeordneten Silberschmidt.

Einmal ging er zu einer großen Versammlung. Es sprach ein Graf von Alvensleben, führender Deutschnationaler. Gegen ihn trat Gustav auf. Der Graf hatte nur ein einziges Argument. Er fragte: "Wie alt sind Sie?" Gustav antwortete: "Zweiundzwanzig!" Darauf der Graf: "Viel zu jung!" Dieser Sozialdemokrat hat seine nachwachsenden Genossen vor 1933 auch in der Handhabung des Karabiners unterwiesen. Er sah im Reichsbanner eine Kraft, die den Faschismus zu kontern vermochte. Es war diese Kraft nicht, weil die Führung das verhinderte. Das begriff Gustav zu spät. Er wartete wie Tausende im Lande bis zur letzten Minute auf den Einsatzbefehl. Doch der kam nie. Die Faschisten konnten ungehindert die Macht antreten. Dietz wurde verhaftet, unter Polizeiaufsicht gestellt, Repressalien ausgesetzt. 1945, nach der Befreiung, fand man ein Schreiben des Nazibürgermeisters aus dem Jahr 1933: "Dietz ist einer der wichtigsten marxistischen Agitatoren der Umgebung. Er ist ein grundsätzlicher Gegner der nationalen Regierung. Die Schutzhaft ist aufrechtzuerhalten."

1945 war er einer der Aktivisten der ersten Stunde. Er bekannte sich zur gemeinsamen Aktion, reichte am 10. März 1946 in Wanzleben seinen kommunistischen Klassenbrüdern, einem Hermann Bitterlich und einem Hermann Michael, die Hand, besiegelte die Arbeitereinheit im Kreis. Gustav wurde in der jungen Partei paritätischer Kreisvorsitzender, danach über 14 Jahre 1. Sekretär der SED im Heimatkreis. Was für aufregende Stunden, Tage, Wochen hat unser Mann erlebt! An erster Stelle wohl die Bodenreform 1945. Es folgten die ersten freien Gemeinde-, Kreis- und Landtagswahlen 1946. Gustav hatte fortan ein Kreistagsmandat inne.

1952 fanden dann die 2. Parteikonferenz der SED und die stürmischen Bauernversammlungen mit Gründung der ersten LPGs statt. Schrittmacher in seinem Kreis war Domersleben. 15 Neubauern gaben der Genossenschaft den Namen "Solidarität". Ereignisse im gleichen Jahr: Der erste sowjetische Mähdrescher, die sowjetische Rübenvollerntemaschine SKEM 3 trafen ein. Unglaubliches kündigte sich an: die vollmechanisierte Zuckerrübenernte. 1954 gehörte Gustav Dietz zu einer Studiendelegation des ZK der SED, die in Moskau und Leningrad bei der KPdSU Erfahrungen sammelte. "Und wie stolz waren wir, als wir auf einer Demonstrationsfahrt während der Ernte 1956 in Magdeburg als erster Kreis melden konnten: Staatsplan Getreide erfüllt!" In Maschinen-Ausleihstationen (MAS) und Maschinen-Traktorenstationen (MTS) war Gustav zu Hause wie in den Volkseigenen Gütern (VEG) und den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Er war dabei, wenn neue Landmaschinen zum Einsatz kamen, der Schlepper KD 3, die Traktoren "Aktivist", "Brockenhexe", "Pionier"... Keine Feldmark im Kreis, die er nicht kannte, keine Stallanlage, keines der Saatzuchtinstitute, keinen Druschplatz. Vor allem kannte er die Menschen allerorts, war ihnen ein Begriff, vielen persönlich vertraut. Auch wenn er nun nicht mehr mit dem Fahrrad, sondern mit einem "Wolga" über Land fuhr.

Schließlich kam der Mann ins Rentenalter. Er blieb der aktive Genosse. War dies als Kreisleitungsmitglied, als Bezirksvorsitzender der Volkssolidarität. Der 1900 Geborene wirkte gealtert, war jetzt faltig im Gesicht, doch es zog ihn zur Jugend. Da gab es immer wieder Zusammenkünfte junger Leute, Jugendstunden, Staatsbürgerkundeunterricht. Sein Anliegen blieb bis zuletzt: Erfahrungen weiterzugeben an jene, welche seiner Spur, wie er hoffte, folgen würden.

Karl Schlimme

Raute

Wie war das mit der DDR-CDU?

Mit großem Interesse habe ich den Text von Wolfgang Mäder gelesen. Als Zeitzeuge zu dieser Thematik habe ich mich darüber gefreut, daß er nicht nur zu seiner Vergangenheit als CDU-Funktionär in der DDR steht, sondern eine Darstellung der CDU gibt, die das Wirken christlicher Demokraten in seiner Vielschichtigkeit deutlich macht, Probleme darlegt und das eigene Handeln kritisch hinterfragt. Daß ich manches anders, vielleicht sogar schärfer, formuliert hätte, auf Details wohl auch eine andere Sicht und Wertung gehabt hätte, mindert nicht meine prinzipielle Zustimmung zu Mäders Referat. Im Gegenteil: Ich freue mich darüber, daß zu einem Zeitpunkt, da die Geschichte der DDR immer mehr verfälscht wird, zu dem Thema Blockpolitik und Blockparteien so deutlich Stellung genommen wird. Nicht nur ehemalige Mitglieder der DDR-CDU sehen das so. Ich erhielt einige Anrufe von "RotFuchs"-Lesern, die Mäders Darlegungen mit großer Aufmerksamkeit und Zustimmung gelesen haben und nun ihren eigenen Beitrag und ihr eigenes Verhalten zu dem damaligen Bündnispartner selbstkritisch sehen und werten. Während meiner hauptamtlichen Tätigkeit war es auch "im kirchlichen Raum" für einen CDU-Funktionär nicht leicht, als aufrichtiges Gemeindemitglied gesehen zu werden. Ich entsinne mich eines Meetings über Friedensfragen in Halle, zu dem ich als Mitglied einer kirchlichen Dritte-Welt- und Friedensgruppe gefahren war. Dort wurde von den "angepaßten" Christen gesprochen, und CDU-Mitglieder wurden als "überangepaßt" bewertet. Ich habe mich als solch "Überangepaßter" zu erkennen gegeben und meine Position im gesellschaftlich-politischen Bereich ebenso deutlich gemacht wie mein kirchliches Engagement.

Wir wurden bisweilen von beiden Seiten mit Argwohn betrachtet, sowohl im gesellschaftlichen Bereich als auch im kirchlichen. Aber in beiden haben wir durch unser Engagement dazu beigetragen, daß Christen in der DDR nicht als die Ewiggestrigen gesehen wurden.

Ich habe den Beitrag Wolfgang Mäders einigen Leuten, denen durch ihn der Spiegel vorgehalten wird, gegeben. Einst waren sie stolz darauf, daß ihr Wirken als christliche Demokraten in der DDR so große Anerkennung gefunden hat, dokumentiert durch hohe staatliche und gesellschaftliche Auszeichnungen. Ihre Reaktion auf den Mäder-Text: Wegschmeißen!

Wir haben sicher nicht alles richtig bedacht und gemacht und bekennen uns auch zu unseren Fehlern. Aber wir stehen zu unserer Vergangenheit und sind weit davon entfernt sie zu verklären, doch macht es uns betroffen und traurig, wie schnell andere vergessen haben, wer und was sie einmal waren.

Günter Weiß, Suhl

Raute

Aktuelle Aspekte der Marxschen Revolutionstheorie

Lokomotiven der Geschichte

Ausgangspunkt der Marxschen Revolutionstheorie ist die These, daß auf einer bestimmten Stufe der Entwicklung der Produktivkräfte (PK) die Produktionsverhältnisse (PV) dieser nicht mehr entsprechen. Sie wird sogar gehemmt, so daß die Macht- und Eigentumsverhältnisse auf revolutionäre Weise gesprengt werden müssen (MEW 13/9). Diese Grundthese zieht sich in verschiedenen Formulierungen durch viele Schriften von Marx und Engels. Es hat sich aber inzwischen gezeigt, daß ein solcher systemsprengender Konflikt zwischen PK und PV in den hochentwickelten kapitalistischen Ländern bisher nicht nur ausgeblieben ist, sondern daß die Entwicklung in Gestalt moderner Technik und Wissenschaft vom Kapital sogar zur Stabilisierung seiner Ordnung genutzt werden konnte. Daher geht die Entwicklung der PK trotz Fortbestehens kapitalistischer PV weiter. Aber sie vollzieht sich keineswegs widerspruchsfrei.

Die Hemmnisse zeigen sich nicht nur in systembedrohenden Finanz- und Wirtschaftskrisen, sondern auch im ständigen Reproduktionsprozeß. Da werden Patente ungenutzt weggeschlossen, Forschungen eingestellt, wissenschaftliche Institutionen nicht oder nicht mehr finanziert, Produktionsanlagen stillgelegt. Die Dialektik der Beziehung von PK und PV besteht in der Gegenwart darin, daß Technik und Wissenschaft die Herrschaftsverhältnisse ihrerseits stützen, zugleich aber von diesen zum Teil gehemmt werden.

Bestimmend für die Bewegung dieses Widerspruchs sind zwei Faktoren: Da ist erstens das dem kapitalistischen System innewohnende Streben nach Maximalprofit, dem letztlich alle Entscheidungen über Förderung oder Behinderung von PK-Entwicklungen unterliegen. Und zweitens ist da der gnadenlose Konkurrenzkampf der großen Kapitalgruppen untereinander. Friedrich Engels hat weitsichtig diese heutigen Bedingungen angedeutet, als er davon sprach, daß "... die Vervollkommnung der Maschinerie durch die Konkurrenz zum Zwangsgebot ..." geworden ist, daß "andererseits schrankenloses Ausdehnen der Produktion ..." vor sich geht und "von beiden Seiten eine unerhörte Entwicklung der Produktivkräfte" stattfindet (MEW 19/227).

Wie ordnet sich nun der Mensch in diese Problematik ein? Er ist nur insofern die Hauptproduktivkraft, als er tatsächlich in den Produktionsprozeß einbezogen ist. Dabei nimmt er bei Strafe seiner Aussonderung an der Technikentwicklung teil Es gibt keine Krankenschwester, keinen Werkmeister, keinen Maschinenbauer und keinen Automechaniker, der sich nicht im Rahmen seiner Arbeit der modernsten technischen Mittel bedient und sie beherrscht. Insofern ist der Mensch in diese PK-Entwicklung und die durch sie erfolgende Stützung der PV eingebunden. Aber die Steigerung der Arbeitsproduktivität und die wirtschaftliche Krisenhaftigkeit führen dazu, daß immer mehr Arbeiter, Ingenieure und Techniker aus dem Produktionsprozeß ausgestoßen werden. Es wird verhindert, daß sie als Produktivkraft wirksam sein können, was ihr Menschsein unerhört einschränkt.

Einerseits wird also ein hoher Prozentsatz der Menschen in die moderne Technik und Wissenschaft einbezogen, an ihrer Vervollkommnung beteiligt und damit als Produktivkraft wirksam. Das ist - wenn wir an den Umgang von Kindern und Jugendlichen mit der heutigen Informations- und Kommunikationstechnik denken - ohne Zweifel ein positiver Vorgang. Gleichzeitig werden immer größere Teile der Bevölkerung an der Entfaltung und Nutzung ihrer produktiven Kräfte gehindert - nicht zu reden von den sozialen Folgen, was einen ausgesprochen destruktiven Aspekt darstellt. Diese Widersprüchlichkeit im Hinblick auf die Produktivkraft Mensch reflektiert das ganze Dilemma des kapitalistischen Systems.

Weshalb dennoch in den hochentwickelten Ländern des Kapitals keine revolutionäre Situation besteht und auch in überschaubarer Zeit nicht entstehen dürfte, ist im "RotFuchs" (Juli 2008, S. 9) dargelegt worden. Vor allem fehlt es an der Potenz des subjektiven Faktors, der entscheidenden gesellschaftsverändernden Kraft.

Wie aber steht es dann mit der Marxschen These, Revolutionen seien die "Lokomotiven der Geschichte"? Offensichtlich geht es heute darum, wo diese "Lokomotiven" in Bewegung gesetzt werden können. Die Gleise sind verlegt worden und zwar von den sogenannten Metropolen an die sogenannte Peripherie. Das war so von der Oktoberrevolution an, deren weltgeschichtliche Wirkung gültig bleibt, über die große chinesische Revolution, die Siege in Vietnam und Kuba, zu denen sich aufschlußreiche Entwicklungen in einigen lateinamerikanischen Ländern gesellen. Da natürlich noch offen ist, zu welchem Ziel deren unterschiedliche Wege führen werden, gibt es Zweifel, differierende Einschätzungen und eine ganze Skala von Bewertungen. Es ist aber wichtig, gemeinsame Züge solcher antikapitalistischen Entwicklungen zu erfassen.

Erstens wurde die schrittweise Überwindung der bisherigen Macht- und Eigentumsverhältnisse durch eigenständige revolutionäre Bewegungen erreicht, die nicht von außen hereingetragen werden mußten. Das trifft vor allem auch auf die Volksbewegungen einer Reihe von Staaten des lateinamerikanischen Subkontinents zu.

Zweitens ist in diesen Ländern das Niveau von Wissenschaft und Technik noch relativ niedrig, wodurch - auf dem Hintergrund rigoroser Ausbeutung durch Großkapital und Großgrundbesitz - die materiellen Existenzbedingungen der betreffenden Völker erbärmlich sind, was den Drang zur Veränderung der sozialen Lage verstärkt.

Drittens reagierten die alten herrschenden Klassen oftmals auf despotische Weise. Sie verfügten weder über das umfangreiche Herrschaftswissen und die langjährige Herrschaftserfahrung der Großbourgeoisie hochentwickelter Länder noch über die Mittel für eine differenzierte Machtausübung. Die Staatsapparate waren meist morsch und korrupt, wodurch weitere Angriffsflächen bestanden.

Viertens sind die politisch führenden Kräfte dieser Länder nicht auf ein bereits fixiertes einheitliches Modell und nicht auf eine vorgegebene Ausgestaltung der sozialistischen Gesellschaft festgelegt. Sie lassen sich von ihren nationalen Bedingungen, ihren historischen Erfahrungen und den jeweils gegebenen wirtschaftlichen Möglichkeiten leiten. Dabei ist der Ausgang - Sieg oder Niederlage - noch völlig offen.

Diese Besonderheiten, die zugleich Gemeinsamkeiten sind, unterscheiden sich nicht nur von der Lage in den imperialistischen Metropolen, sondern auch von den gesellschaftlichen Prozessen, die sich in den vormals sozialistischen Ländern Europas vollzogen haben.

Auf die Verschiebung der revolutionären Zentren machte bereits Lenin aufmerksam: "Unseren europäischen Spießbürgern fällt es im Traum nicht ein, daß die weiteren Revolutionen in den Ländern des Ostens, die unermeßlich reicher an Bevölkerung sind und sich durch unermeßliche Mannigfaltigkeit der sozialen Verhältnisse auszeichnen, ihnen zweifellos noch mehr Eigentümlichkeiten als die russische Revolution auftischen werden." (LW 33/466)

Prof. Dr. Herbert Meißner

Raute

Ein kaltblütiger und unverfrorener Anwalt

Friedrich Karl Kaul oder FKK

Vor geraumer Zeit fand in Greiz eine dem Leben und Wirken des legendären DDR-Anwalts und bekannten Schriftstellers Friedrich Karl Kaul gewidmete Veranstaltung statt. RA Ralph Dobrawa war aus Gotha gekommen. Er hatte Kaul stets als Vorbild betrachtet, das für seine Berufswahl maßgeblich war. Beide verband enge Freundschaft. Seit mehr als 25 Jahren beschäftigt sich Drobrawa mit dem Lebenswerk des kaltblütigen und mutigen Juristen. Er arbeitete seinen Nachlaß wissenschaftlich auf.

Wer war Friedrich Karl Kaul, der eine starke persönliche Ausstrahlung hatte und hohes Ansehen nicht nur unter Rechtsexperten, sondern auch bei Künstlern und Literaten besaß? Wie kam es dazu, daß sich der aus bürgerlichem Hause stammende Mann schon in jungen Jahren der kommunistischen Bewegung anschloß?

FKK, wie ihn viele nannten, wurde am 21. Februar 1906 in Posen geboren. Sein Vater galt als gutsituierter Textilkaufmann, seine Mutter, eine sehr belesene Frau, war Jüdin. Kauls Kommentar dazu: "Ich habe mir meine Eltern sehr sorgfältig ausgesucht." FKK wuchs behütet auf. Am Berliner Grunewald-Gymnasium legte er das Abitur ab. Vier Jahre studierte er in Berlin und Heidelberg Rechtswissenschaften.

1929 begann für den ehrgeizigen jungen Mann die Referendarzeit, die er jedoch nicht mit dem Assessor-Examen abschließen konnte, da er zuvor aus dem Justizdienst ausscheiden mußte. 1932 schrieb er seine Doktorarbeit zur Geschichte des Strafrechts. Als Betreuer hatte er einen Staatsanwalt, der für "unlauteren Wettbewerb" zuständig war. Dieser sagte ihm klipp und klar: "Lernen können Sie hier sowieso nichts!"

Im Mordprozeß Rosa Luxemburg/Karl Liebknecht hatte der bereits linksgerichtete Jurist die Einstellung der preußischen Richter erfahren. Als Zeugen erlebte er hier Wilhelm Pieck, für den er eine tiefe Verehrung empfand. Schon 1929 schloß sich Kaul der "Roten Hilfe" an. Aufgrund der Nürnberger Gesetze wurde er nach dem Machtantritt der Faschisten als Halbjude aus dem Justizdienst entfernt. Er konnte seine Assessor-Prüfung nicht mehr ablegen. Kaul wurde in eines der ersten Konzentrationslager - Lichtenburg - verschleppt. Nach dreijähriger Haft überführte man ihn in das KZ Dachau. Unter Mißhandlungen und ständigen Schikanen mußten die Häftlinge schwere Erdarbeiten verrichten. Kaul spielte mit dem Gedanken an Selbstmord. Kommunisten waren es, die ihn moralisch wieder aufrichteten.

1937 wurde er entlassen. Über diese Zeit schrieb er das autobiographische Werk "Es wird Zeit, daß Du nach Hause kommst".

An die Haftentlassung knüpften die Nazis den Zwang zur Emigration. Kaul ging nach Kolumbien, wo er von Gelegenheitsjobs lebte. Später verschlug es ihn nach Panama, Nicaragua und in die USA. Nach Washingtons Eintritt in den Krieg lieferte man ihn mit 500 anderen Internierten als einzigen Nicht-Nazi in ein Lager in Texas ein. Dort blieb er bis 1945. Die Amerikaner ließen ihn auch jetzt nicht fort. Er türmte nach Bremerhaven. Wieder inhaftiert, diesmal auf dem Hohen Asberg, las er aus dem Roman "Der Weg ins Nichts" vor. Er erschien Anfang der 50er Jahre und wurde 1976 vom DDR-Fernsehen verfilmt. Zunächst boten ihm die Amerikaner einen Job als Intendant des Stuttgarter Rundfunks an. Kaul lehnte ab. Ihn zog es in die sowjetische Besatzungszone. Inzwischen vierzig, begann er als Justitiar beim Berliner Rundfunk. Dann wurde er Chefjustitiar von Rundfunk und Fernsehen der DDR. Trotz zwölfjähriger Zwangspause bestand er 1948 das 2. juristische Staatsexamen. Er wurde als Anwalt beim Landgericht zugelassen und konnte in allen vier Besatzungszonen tätig werden. Vor allem durch die Verteidigung von Kommunisten und anderen Friedenskämpfern in Westberlin machte er sich schnell einen Namen. Inzwischen Mitglied der SED, vertrat er 1954 die FDJ beim Verbotsprozeß vor dem Bundesverwaltungsgericht. Im Majdanek- und im Auschwitz-Prozeß trat er als Nebenkläger auf.

Anfang der 60er Jahre versuchte man in der BRD, den furchtlosen Anwalt kaltzustellen. Es wurde behauptet, Kaul wäre ein Sprachrohr der SED-Führung, vor dem man die Mandanten schützen müsse.

Nachdem das Institut für zeitgenössische Rechtsgeschichte Mitte der 60er Jahre an der Berliner Humboldt-Universität gegründet worden war, übernahm FKK als Professor dessen Leitung. In dieser Zeit wurde er durch populäre TV-Serien (Pitaval) landesweit bekannt. Sie griffen spektakuläre Justizfälle der Weimarer Republik auf. Andere Stücke und Studien befaßten sich mit Naziverbrechen. Ab 1972 moderierte Kaul monatlich eine Rechtsratgebersendung im DDR-Fernsehen. Bereits seit Ende der 40er Jahre hatte er eine ähnliche Reihe im DDR-Rundfunk betreut. Er schrieb Artikel für Zeitschriften wie "Weltbühne" und "horizont". Kaul nutzte die reichen Möglichkeiten des Berliner Kulturlebens. So verpaßte er keine Premiere des Kabaretts "Die Distel". Knapp zwei Monate nach seinem 75. Geburtstag starb der kaltblütige und unverfrorene Jurist, um den sich viele Legenden und Anekdoten rankten, am 16. April 1981. Sein Tatsachenbericht "Menschen vor Gericht" (über den Majdanek-Prozeß) und sein Roman "Er ist zu exekutieren" (zur Ermordung Thälmanns) erschienen erst nach seinem Tode. Karl Friedrich Kaul wurde u. a. mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet.

Steffi Pölzl-Magirius/RA Ralph Dobrawa

Raute

Rat eines Stumm-Polizisten

In den 50er Jahren gab es in Westberlin einen Polizeipräsidenten namens Dr. Stumm. Nach ihm benannten wir auch jene Knüppelgarden, die allerorts auf uns eindroschen. Damals kämpften die antifaschistisch-demokratischen Kräfte um die Einheit Deutschlands und einen gerechten Friedensvertrag.

Anfang 1954 wurde ich, in jener Zeit Student an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität, bei einer Flugblattaktion aus Anlaß der Vier-Mächte-Außenministerkonferenz, die in Ost- und Westberlin tagte, vor dem Werner-Werk in Siemensstadt festgenommen. Auf der Fahrt mit der "Grünen Minna" zum Gefängnis Moabit, wo ich dann einige Zeit Studien vor Ort treiben sollte, sagte einer der uns eskortierenden Beamten nicht ohne Wohlwollen: "Ich gebe Ihnen einen guten Rat. "Nehmen Sie Doktor Kaul als Anwalt, vor dem haben alle Angst."

Noch am selben Tag traf ich in Gegenwart von Polizisten mit FKK zusammen. Er hatte mich aufgesucht, um die Verteidigung zu übernehmen. Kaul zahlte auch gleich ein paar D-Mark für mich ein und bemerkte: "Der Neffe des Kantineninhabers sitzt im Osten wegen Optikschiebung ein. Ich habe dem Onkel, einem hohen Tier bei der CDU, gesagt, ich würde mich für den jungen Mann verwenden, wenn er unsere Leute gut behandelt." Bald darauf erschien der Gefängniswirt in meiner Zelle, um Bestellungen entgegenzunehmen.

"Willst Du den Genossen Deiner Parteiorganisation, die morgen eine Versammlung haben, Grüße übermitteln?", fragte mich FKK eines Tages. Er überbrachte dann die von mir formulierte Botschaft.

Im Prozeß vor dem Landgericht spielte Kaul, der in Moabit stets ein damals noch übliches großes Parteiabzeichen der SED trug, seine Trümpfe aus, von denen jeder stach. Am Ende sprach die Kammer mich und den Mitangeklagten Horst Kuntschke auf Kosten der Landeskasse frei.

PS: Übrigens begegnete ich FKK 1960 ein weiteres Mal. Vor dem Güstrower Kreisgericht verteidigte er einen wegen fahrlässiger Brandstiftung angeklagten Handwerksmeister. Ich war in dieser Sache als Kreisstaatsanwalt tätig.

Klaus Steiniger

Raute

Was in der DDR zum Alltag gehörte, ist in der BRD undenkbar

Stabile Verbraucherpreise

Es gibt nur wenige Bereiche der Gesellschaft, in denen die DDR durch die Medien der BRD nicht verteufelt worden wäre. Doch manche Tatsachen lassen sich weder leugnen noch "umschreiben". Zu ihnen gehörte die Politik der stabilen Verbraucherpreise.

Der tschechische Schriftsteller Hasek läßt seinen braven Soldaten Schwejk sagen: "Die Regierung, die den Bierpreis erhöht, wird gestürzt werden!" Dahinter verbirgt sich politische Erfahrung. Mit den Preisen für Erzeugnisse des individuellen Verbrauchs kann man direkt auf Denken und Fühlen der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung einwirken.

Auch in den früher sozialistischen Ländern Europas war das jeweils spürbar: Staatliche Preiserhöhungen führten zu Unruhen, welche sogar Regierungen zum Abdanken veranlaßten. Das war in Polen und Ungarn der Fall. In den kapitalistischen Staaten hat die Preisentwicklung für Güter des Massenbedarfs ebenfalls ernste Auswirkungen auf das soziale Gefüge.

Das materielle Lebensniveau wird durch zwei ökonomische Kategorien bestimmt: das Geldeinkommen und die Preise für die durch Geld zu bezahlenden Waren und Dienstleistungen. Dieser Zusammenhang wirkte auch in der DDR. Bis Anfang der 70er Jahre und darüber hinaus gab es ein hohes Maß an Vertrauen in die staatliche Preispolitik. Es schmolz später durch das immer deutlichere Auseinanderklaffen von verkündeten oder beschlossenen Zielen und der praktischen Erlebbarkeit des tatsächlich Erreichten zusammen.

Dennoch war zu jeder Zeit für die DDR charakteristisch:

Der Bürger konnte ein und dasselbe Erzeugnis des gleichen Herstellers überall für den gleichen Preis erhalten. Es gab also kein Herumhorchen, wo was gerade am billigsten ist. Die Frage stand ganz anders. Sie lautete: Wo gibt es was? Der Begriff "Schnäppchen" war indes unbekannt.

Besonders wichtig war die Tatsache, daß der Verbraucherpreis für das gleiche Erzeugnis in der gleichen Qualität vom Hersteller nicht erhöht werden durfte, war es einmal auf den Markt gelangt. In dieser Hinsicht gewährleistete die DDR stabile Verbraucherpreise in vollem Umfang. Natürlich darf nicht verkannt werden, daß die Beibehaltung der Preise unmittelbare sozialpolitische Auswirkungen auf den Lebensstandard hatte. Die Gewährleistung gleichbleibender Mieten und Tarife für Energie, Wasser und Heizung sowie der Preise für sämtliche Grundnahrungsmittel spielte eine entscheidende Rolle.

Es gab allerdings Ausnahmen. Von einem zum anderen Tag erhöhte man drastisch die Preise für Meißner Porzellan, mundgeblasenes Bleikristall, das in aller Welt begehrte und zu Spekulationspreisen gehandelte "Zwiebelmuster"-Geschirr oder auch für frische Speisepilze. Damit entfielen für diese Erzeugnisse bis dahin gewährte staatliche Stützungen. Auch bei einigen Obst- und Gemüsesorten kam es im Vergleich mit Vorjahren zu einem plötzlichen Anziehen der Preise.

Am sozialpolitisch wirksamsten war die Garantie, daß jeder Bürger der DDR eine menschenwürdige Wohnung bezahlen konnte, was in der Praxis zur Gewährleistung des Menschenrechts auf Wohnen führte. Die Mieten waren in hohem Maße vom Staat subventioniert und kein Gegenstand von Warenwirtschaft, Spekulation oder gar Erpressung.

Besonders in den 80er Jahren wurde das durchschnittliche Preisniveau für einige Sortimente durch das erhöhte Angebot hochwertiger Erzeugnisse und besonders modischer Artikel heraufgesetzt.

Trotz dieser Einschränkungen ist festzustellen: Eine der größten Leistungen der DDR bestand zweifellos darin, daß unter schwierigen ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen annähernd zwei Drittel des gesamten Handelsumsatzes über Jahrzehnte hinweg zu unveränderten Verbraucherpreisen an die Kunden gingen. Dieser für den Lebensstandard entscheidende Umstand ist vielen Menschen im Osten erst nach dem Anschluß der DDR an die BRD bewußt geworden, als die kapitalistischen Markt- und Preismechanismen ungehemmt zu wirken begannen. Nicht wenige DDR-Bürger haben damals gedacht: Die D-Mark soll kommen und alles andere so bleiben, wie es ist. Eine geplatzte Illusion!

Daß die Erinnerung an die Wirklichkeit der DDR im Vergleich zu den jetzt täglich erlebbaren Vorgängen noch wesentlich nachwirken und zu entsprechenden Haltungen beitragen würde, versteht sich von selbst. Man braucht nur an die Turbulenzen auf dem Energiesektor zu denken. Derart massive Preisveränderungen wären in der DDR einfach nicht möglich gewesen.

Diese sozialpolitische Ausrichtung der staatlichen Orientierung verlief nicht konfliktlos. In der Führung gab es interne Auseinandersetzungen. Nicht alle Beschlüsse entsprachen dem deklarierten Ziel. Es entstand eine immer größere Diskrepanz zwischen ins Auge gefaßten Maßnahmen und deren Umsetzung. In den 80er Jahren hatten sich Probleme auf dem Gebiet der Verbraucherpreise angestaut, die dringend einer Lösung bedurften. In zunehmendem Maße förderte deren starke Stützung nämlich die uneffektive Verwendung des Bruttosozialprodukts. Die gewollte soziale Wirksamkeit wurde dadurch zunehmend beeinträchtigt.

Die niedrigen Verbraucherpreise zogen die Konsequenz nach sich, daß Nahrungsmittel vergeudet, im Übermaß verzehrt oder zweckentfremdet als Tierfutter eingesetzt wurden. Das galt besonders für Brot. Die minimalen Tarife für Energie, Brennstoffe und Trinkwasser regten die Bevölkerung nicht zum sparsamen Verbrauch an, sondern begünstigten ebenfalls deren Verschwendung. Die vorhandene einseitige Orientierung auf den vorrangigen Kauf von Lebensmitteln wurde durch das bestehende Preisreglement noch stimuliert.

Ausländische Touristen und vor allem westdeutsche Besucher wurden zu Nutznießern der für die DDR-Bevölkerung gedachten sozialen Vergünstigungen. Die subventioniert angebotenen Erzeugnisse für Kinder (nicht allein Bekleidung) wurden in beträchtlichem Umfang von Erwachsenen abgekauft, wodurch man das angestrebte Ziel verfehlte. Die zu einem Bruchteil der BRD-Preise erbrachten gastronomischen Leistungen der DDR konnten der Nachfrage nicht standhalten, wobei z.B. allein die Gaststätten mit ca. 700 Millionen Mark der DDR jährlich gestützt wurden.

Durch das Preissystem wurde das Grundanliegen des Leistungsprinzips verletzt, nach dem jeder Werktätige einen Anteil am gesellschaftlichen Reichtum erwerben sollte, der ihm gemäß seinem nach Leistung bemessenen Einkommen zustand.

Dr. Helmut Weiß

Raute

RF-Extra

Rede zum 99. Geburtstag

Ilse Kocialek: Ich erlebte fünf deutsche Staaten

Ich habe mal überlegt, wie viele Gesellschaftsordnungen ich in meinen 99 Lebensjahren kennengelernt habe.

Im Kaiserreich geboren, erlebte ich den 1. Weltkrieg. Er endete mit der Novemberrevolution 1918. Der Kaiser mußte gehen, die Generäle blieben.

Ich war sechs Wochen alt, als mein Vater starb. Er hinterließ eine Frau mit drei Kindern. Wir waren völlig mittellos. Der Krieg brachte den sogenannten Kohlrübenwinter. Wir waren mit Brotmarken schon fast zwei Wochen im voraus. Meine Brüder wurden zu einem Bäcker in die Provinzstraße geschickt, der Brot bereits für die übernächste Woche verkaufte. Das noch heiße Brot, das sie bekamen, war im Nu verschlungen.

Die Sozialdemokraten Ebert und Scheidemann übernahmen die Regierung. Die Weimarer Republik brachte Klassenkämpfe, Inflation und endete mit sechs Millionen Arbeitslosen. Das kapitalistische System blieb erhalten.

Es muß Anfang der 20er Jahre gewesen sein. Generalstreik. In der Soldiner Straße stand eine lange Menschenschlange mit Eimern an der Pumpe, um Wasser zu holen.

Alles stob auseinander, als zwei Lastwagen, auf denen bewaffnete Soldaten standen, in hohem Tempo vorbeifuhren. Später lagen die Soldaten quer über die Koloniestraße in die Christinenstraße (heute Bornholmer Straße) hinein und schossen in die Koloniestraße.

Anfang der 30er Jahre war ich selbst arbeitslos und verbrachte mit meiner Freundin Katja längere Zeit im Zeltlager des Arbeitersportvereins "Fichte" am Üdersee. Das lag direkt neben dem Naturfreundelager. Wir konnten dort die Kochstellen benutzen, die in langer Reihe für die Zeltler angelegt waren. Abends saßen wir am Lagerfeuer und sangen unsere Lieder, so auch: "Heute sind wir hier zu Haus, morgen schon zum Tor hinaus." Morgens fehlten immer welche aus unseren Reihen. Sie waren in die Tschechoslowakei geflohen.

In den 40er Jahren nahm ich in einer Riesengebirgs-Baude an einem Treffen mit Emigranten teil, das zwischen Weihnachten und Neujahr organisiert worden war. Sie wollten von uns wissen, wie sich der Faschismus in der Bevölkerung auswirkt; wir bekamen von ihnen Informationen von draußen.

Die Faschisten beendeten die Arbeitslosigkeit nach der Übernahme der Macht u. a. durch den Autobahnbau. Fast alle Deutschen unterstützten sie so oder so. Sie überzogen das Land mit Konzentrationslagern, in denen politische Gegner und Menschen, die nicht ihrem "Ideal" entsprachen, gequält und ermordet wurden.

Ihrem Ausrottungsprogramm fielen sechs Millionen Juden zum Opfer. Unter dem "Leitmotiv" einer "Reinhaltung der deutschen Rasse" wurden geistig und körperlich Behinderte nach der nun praktizierten "Euthanasie" vernichtet, ebenso Hunderttausende Sinti und Roma, Schwule und Lesben.

In ihrem Wahn, die Weltherrschaft zu errichten, begannen die Faschisten den 2. Weltkrieg. Sie sind daran zugrunde gegangen und hinterließen 60 Millionen Tote, unzählbare Verletzte, Verstümmelte und Demoralisierte. Hinzu kamen Trümmer in allen mit Mord und Terror überfallenen Ländern, einschließlich Deutschlands.

Ich arbeitete als Stenotypistin in einem kleinen Betrieb. Er nannte sich "Viehverwertung GmbH" und befand sich in der Wilhelmstraße. Dort trafen sich regelmäßig Großgrundbesitzer aus der Odergegend und der Uckermark. Mittwochs fuhr Hitler durch die Wilhelmstraße, an der seine Reichskanzlei lag. Im Auto stehend, mit erhobenem Arm, ließ sich vom Volk bejubeln. Meine Kollegen hingen aus den Fenstern und jubelten mit. Sie bemerkten mich still und im Hintergrund nicht. Immer war das nicht so einfach.

Als der Krieg ausbrach und Deutschland Polen überrannte, reisten diese Mitarbeiter dorthin und sammelten das von den polnischen Bauern zurückgelassene Vieh ein. Jetzt wußte ich, warum der Betrieb "Viehverwertung" hieß. Weil mir diese Praktiken zuwider waren, schied ich wegen "Krankheit" aus.

Aber nach kurzer Zeit kam eine Karte ins Haus: "Sie sind mit sofortiger Wirkung dienstverpflichtet." Ich konnte wählen: entweder Maschinenschreiberin im Postministerium oder im Oberkommando der Marine (OKM). Mein Mann und ich waren Mitglieder einer kleinen kommunistischen Gruppe, die sich wöchentlich traf, zur Täuschung der Nachbarn Musik machte, dabei Radio Moskau hörte und Informationen austauschte. Erst lange nach dem Krieg erfuhren wir, daß eine Verbindung zur Anton-Saefkow-Gruppe bestand.

In unserer Widerstandszelle wurde entschieden, daß ich zum OKM gehe. Dort saß ich als Stenotypistin mit etwa 25 Frauen in einem großen Saal. Ein alter Kapitän verteilte die Schreibarbeiten aus den einzelnen Abteilungen. Da er zu mir Vertrauen hatte, bekam ich öfter g.Kdos (geheime Kommandosachen) zu schreiben, von denen ich immer einen Durchschlag mehr einspannte. Ich möchte einfügen, daß im Radio fast stündlich Siegesmeldungen verkündet wurden: wieder eine Stadt erobert oder britische Schiffe versenkt. Genannt wurde sehr oft der U-Boot-Kommandant Prien, der immer wieder soundsoviel Bruttoregistertonnen auf den Meeresgrund geschickt haben wollte.

Eines Tages bekam ich eine g.Kdos zu schreiben. Prien sei in englische Gefangenschaft geraten, hieß es. Aber seine Siegesmeldungen gingen dennoch täglich weiter über den Sender.

Nach dem Krieg wurde Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Im Westen entstand die BRD, wo unter Adenauer die kapitalistischen Kräfte an der Macht blieben. "Bewährte" Faschisten erhielten führende Positionen in Wirtschaft, Justiz, Bildung, Journalismus, Beamtentum und sogar in der Staatsführung. Die KPD wurde 1956 verboten. Das Volk ließ sich mit dem Marshallplan korrumpieren.

Im Osten nahm es mit Hilfe sowjetischer Freunde sein Schicksal selbst in die Hand. "Nie wieder Krieg!" war die Losung. Am 7. Oktober 1949 entstand die DDR. Und obwohl sie ganz allein die Reparationsleistungen an die UdSSR erbrachte, bildeten sich volkseigene Industrie- und Handelsbetriebe, Handwerksfirmen, Volksgüter und Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften.

Die Bevölkerung genoß kostenlose gesundheitliche Versorgung, Schule, Studium. Die persönlichen Ausgaben für Kindergärten, Nahrungsmittel, Fahrt- und Energiekosten wurden mit Hilfe umfangreicher staatlicher Subventionen auf niedrigem Niveau gehalten.

Die Jahre des Aufbaus aus dem Nichts waren eine schwere, aber auch schöne Zeit.

Doch bisweilen kamen die Kinder zu kurz. Ich war Straßenvertrauens"mann" und schuf mit meinen 12 Hausvertrauensleuten einen Kinderspielplatz. Wir organisierten auch ein Kinderfest, zu dem wir Mehl, Milch und Fett für Kuchen sammelten. Etliche Berliner, die gegen Kriegsende geflohen waren, kamen nicht mehr wieder. Ihre Möbel brachte man in Speicher, die Wohnungen wurden an bedürftige Familien vergeben.

Mein Mann war beim Sozialamt Pankow tätig. Eines Tages bekam er den Auftrag, für Wilhelm Pieck und dessen Tochter, die aus der Emigration zurückgekommen waren, Möbel aus solch einem Lager bereitzustellen. Wilhelm Pieck meinte, für seine Tochter würde ein eisernes Bett genügen. Als er erfuhr, daß mein Mann ein kleines Mädchen hatte, ging er mit ihm in den Garten und sagte, er solle sich einen Apfel für Petra pflücken; aber bitte vorsichtig, der Baum gehöre nicht ihm.

Das Beste war für mich die Gemeinsamkeit in den Betrieben und im Wohngebiet. Noch heute treffen sich ehemalige Kollegen regelmäßig zum Gedankenaustausch.

Arbeitslosigkeit war überhaupt kein Thema. Das Gegenteil war der Fall: Es herrschte akuter Arbeitskräftemangel. Die soziale Sicherheit nahm niemand mehr wahr, weil sie als Selbstverständlichkeit galt. Und: 40 Jahre lang herrschte Frieden.

Leider entwickelten sich bei uns auch Machtstreben, Arroganz, Unterdrückung der Kritik, Personenkult, Karrierismus. Einige Mitglieder der Partei- und Staatsführung verloren unsere sozialistischen Maßstäbe aus den Augen und mißachteten die Demokratie. Die Verbindung zum Volk war in den letzten Jahren der DDR gestört.

Die Mahnung "Ihr, die ihr aus den Hinterhäusern kommt, vergeßt nie, zu keiner Zeit, daß ihr aus den Hinterhäusern gekommen seid", beherzigten nicht alle. Nach dem Krieg hatte das Sozialamt Pankow auf dem Jagdgelände des ehemaligen faschistischen Landwirtschaftsministers Darré in Schluft, sechs Kilometer hinter Groß-Schönebeck, ein Kindererholungsheim für Umsiedlerkinder eingerichtet.

Nach vielen Jahren wollten wir mal sehen, was aus dem Objekt geworden ist. Vom Eingang bis zum Jagdhaus ging man etwa 30 Minuten. Nicht weit vom Tor entfernt befand sich an einer Lichtung ein Hochstand. Dort lagerten mehrere Tonnen Mais und anderes Getreide für Wild, das hier wechselte. Vom Jagdhaus kam uns ein Hüter entgegen. Er forderte uns auf, das Gelände sofort zu verlassen. Wir befänden uns im Jagdgebiet von Günther Mittag.

Wir machten einen Umweg und kamen an einer Wiese vorbei, ebenfalls mit Hochstand. Dort ästen etliche Rehe und Hirsche. Wir erfuhren, daß sich an dieses Gelände weitere Jagdgebiete von Politbüromitgliedern anschlössen. Wir waren entsetzt! Große Teile der Bevölkerung brachten ihre Unzufriedenheit mit der inzwischen eingetretenen Situation zum Ausdruck. Es kam zu Protesten, die von der Kohl-Regierung nach Kräften unterstützt wurden.

Der Niedergang der Sowjetunion wirkte sich auf ganz Osteuropa verheerend aus. Auch auf die DDR. Der Osten wurde von der BRD huldvoll aufgenommen. Anders ausgedrückt: vereinnahmt. Eine Vereinigung gleichberechtigter Partner fand - wie wir bald erfahren sollten - keineswegs statt.

Der Sozialismus war hin, mit ihm aber auch eine 40 Jahre anhaltende erfolgreiche Friedenspolitik.

Am 3. Oktober 1990 vollzog sich der Anschluß. Sieger Kohl versprach "blühende Landschaften" und fügte hinzu, keinem werde es schlechter gehen, aber vielen besser.

Das von Millionen Ostdeutschen erhoffte Paradies brachte zwar die D-Mark, gleichzeitig aber auch die Zerschlagung der sozialistischen Industrie und Landwirtschaft sowie deren Übernahme durch die Treuhand, die das von den DDR-Bürgern erarbeitete Volksvermögen an mafiose Westunternehmer verscherbelte. Sie plünderten die Betriebe zunächst aus und zerschlugen sie dann. Unzählige Menschen wurden gnadenlos enteignet und von ihren Grundstücken vertrieben. Eine Welt brach zusammen. In den verbleibenden Betrieben nahm die Westelite in der Regel schnell alle entscheidenden Positionen ein.

Öffentlich wird zur Zeit von etwa drei Millionen Arbeitslosen gesprochen; mehr als fünf Millionen Menschen bekommen Hartz IV, über zwei Millionen Kinder sind betroffen.

Eine Million Beschäftigte verdient so wenig, daß sie Ausgleich auf Hartz IV erhalten muß. Schlecht bezahlte Arbeit, Leiharbeit zu niedrigen Löhnen, befristete Teilzeitstellen und Mini-Jobs boomen.

Umfragen ergeben, daß 80 % der Bürger mit der aktuellen Politik unzufrieden sind. Sie fühlen sich ausgebeutet und sehen keine Chancengleichheit. Aber die meisten wehren sich nicht. Die Lateinamerikaner sind uns in dieser Hinsicht weit voraus.

In den Betrieben herrscht Angst um den Arbeitsplatz, vor Mobbing, Lohnabsenkungen und "Auslagerung" von Stellen.

Die tatsächliche Arbeitszeit liegt oft weit über der gesetzlichen. Die einen werden durch Arbeitslosigkeit und Zukunftsangst krank, die anderen durch unerträgliche Belastungen im Job. Wenn es um den Einsatz deutscher Soldaten auf verschiedenen Kriegsschauplätzen geht, sind die Milliarden da, nicht aber für Kindergärten und -krippen. Große Teile der Bevölkerung verlangen den Rückzug der BRD-Truppen aus Afghanistan.

Bei unseren Politikern (außer den Linken) ist nicht der geringste Wille erkennbar, irgend etwas am Wesen der Dinge zu verändern. Sie schwadronieren über ihre Demokratie, die sich an den US-Gepflogenheiten orientiert.

Demokratie aber heißt Volksherrschaft, und zwar 365 Tage im Jahr, nicht nur an einem Tag innerhalb von vier Jahren, an dem Leute gewählt werden, die bereits kurz danach dem Bürger verkünden, wenn er die Erfüllung von Wahlversprechen einfordert: Vor der Wahl ist vor der Wahl, und nach der Wahl ist nach der Wahl. Hatten sich die DDR-Bürger damals das Paradies so vorgestellt?

Ich erlebte vier kapitalistische Staaten (einschließlich eines faschistischen) und einen, wenn auch noch mit Mängeln behafteten, sozialistischen Staat.

Es fällt mir nicht schwer zu sagen, welche Gesellschaft die soziale Sicherheit der gesamten Bevölkerung zum erlebbaren Programm gemacht hat.

Ilse Kocialek

Genossin Ilse Kocialek, die sich nach wie vor geistiger Frische erfreut, hielt diese nur leicht redigierte Rede am 26. September 2008 vor den Gästen einer Veranstaltung des Ernst-Busch-Chors, dem sie selbst 22 Jahre lang als Sängerin angehörte.

Raute

Frauenschicksale unter dem Franco-Regime

Unvergessenes Grauen

Viele Jahre lang träumte ich, der Tag würde kommen, an dem die Demokratie wiederhergestellt, an dem Gerechtigkeit im Hinblick auf die während des Franco-Regimes verübten schrecklichen Greuel und Verbrechen geübt würde. Aber nach dem Tod des Diktators endete alles mit der Unterzeichnung des "Übergangspaktes" zwischen der Rechten und den Linken. Darin handelten sie das Schweigen über die Verbrechen des Franco-Genozids und die Vernichtung der Beweise, die Straflosigkeit der Verantwortlichen und Kollaborateure und das Vergessen der Opfer aus. Das war 1977. Damals wurde das Amnestiegesetz verkündet."

Diese und andere Dinge sagte Soledad Díaz Guiliana di Feba mit fest zusammengepreßten Fäusten, angestrengt eine nach der anderen fallende Träne unterdrückend, um trotz der Wut nicht zu weinen: Das war die Darstellung der reinen Machtlosigkeit. Ihr Compañero wurde ermordet, und ihr selbst schor man den Kopf kahl; man zwang sie, Rizinusöl zu trinken mit Hilfe eines Trichters, der ihr in den Mund gesteckt wurde. Viele erstickten an ihrem eigenen erbrochenen Blut, das von den Verletzungen herrührte, die durch die "Einführung" des Trichters hervorgerufen wurden. Danach schleppte sie die Guardia Civil zusammen mit anderen Frauen von Dorf zu Dorf, um sie auf den Plätzen zur Schau zu stellen: schmutzig, von der durch das Öl hervorgerufenen Magenentzündung geschwächt, entwässert, zerrüttet, mit Mücken am ganzen Körper, manchmal sogar nackt, damit alle über sie lachen konnten. Man warf auch mit Steinen nach ihnen. Das war ein brutaler Versuch, sie moralisch und physisch zugrundezurichten, sie zu töten. Kaum jemand konnte sich vor dem Mittun drücken. Alle wurden überwacht, und man schrieb genau auf, wer die Frauen nicht mit genügend Enthusiasmus erniedrigte. Oftmals befand sich unter den "Zuschauern" die eigene Mutter, die man zwang, dem Spektakel machtlos und mit gebrochenem Herzen, ihre Tochter solchen Umständen ausgeliefert sehen zu müssen, beizuwohnen. Weshalb geschah das alles? Im Fall unserer Zeugin, weil sie während der II. Republik der Roten Hilfe angehörte und humanitäre Aufgaben erfüllte.

Die Überlebenden jener "Ausflüge" wurden ins Gefängnis (fast immer dafür hergerichtete Klöster) geworfen, in denen viele starben: aus Hunger, Unterernährung, Fehlen von Wasser und Hygiene, Zusammenpferchen, Läuseepidemien, Krätze und Tuberkulose oder in den Reihen des Hofs, auf dem sie viele Stunden aufrecht formiert zu verbringen gezwungen waren, um gezählt zu werden, Essen zu holen. Sie wurden schließlich so dünn, daß bei etlichen sämtliche Rippen zu sehen waren, weswegen sie sich nur auf die Seite setzen konnten. Dieses Regime durchzuhalten brachte sie an die körperlichen und seelischen Grenzen. Die Erniedrigungen, denen sie ausgesetzt waren, erreichten ein Maß absoluter Unmenschlichkeit. Es gab keinen Tag, an dem nicht eine zur Erschießung geholt wurde; manchmal nach einer Gerichtsparodie (Schnellgerichtsverfahren). Andere wurden ganz ohne Scheinurteil einfach hingerichtet. Die Frauen, die sich davor retten konnten, mußten ihre Heimatorte verlassen, weil sie die Schande und Erniedrigung durch die erlittenen Qualen nicht auszuhalten vermochten und von allen abgewiesen wurden, da die Repression gegen die sie Unterstützenden schrecklich war.

General Quipo de Llano rief zu Massenvergewaltigungen auf und sagte: "Unsere mutigen Legionäre und Angehörigen der regulären Truppen haben den Roten gezeigt, was ein Mann ist. Dabei zeigten sie auch ihren Frauen, daß sie jetzt endlich wirkliche Männer kennenlernten und nicht diese kastrierten Milicianos. Fußtritte und Gebrüll wird sie nicht retten." Mit dergleichen Instruktionen ausgerüstet, begannen Armee, Falange und Leute der marokkanischen Division ihre Jagd auf "die Roten", die entführt und als Geiseln benutzt wurden, um des Mannes, Vaters oder Bruders, die geflohen waren oder in der Guerrilla kämpften, habhaft zu werden. Wenn der Mann oder Compañero an der Front gefallen oder im Gefängnis "legal" erschossen oder außergerichtlich hingerichtet worden war, hieß Frau und Republikanerin zu sein, daß jeder Falangist oder Regime-Anhänger einen Freibrief hatte, sie zu vergewaltigen, wann immer er wollte. Manche, die dieses "Privileg" hatten, heirateten schließlich einen von ihnen und schafften es so, nur einen Vergewaltiger zu haben.

Die II. Republik erließ Gesetze zur Gleichstellung von Frau und Mann auf sozialem, arbeitsrechtlichem, ökonomischem und politischem Gebiet. Diese Situation wurde sofort von vielen Frauen genutzt, um Gestalterinnen ihrer eigenen Geschicke zu sein, was sie später das Franco-Regime sehr teuer bezahlen ließ, indem es sie zur bevorzugten Zielscheibe der Repression machte. Die Haltung jener richtete sich gegen die "neue Ideologie", mit der die Frau zu einer Unperson gemacht und auf die Pflege der Kinder und des Ehemannes beschränkt werden sollte. Für sie wurde die Rolle der Übermittlerin der "Gedanken" Francos und der "Werte" der Heiligen Mutter der Katholischen Kirche an die Familie reserviert. Um diese Ziele zu erreichen, mußte diese Generation von Frauen, die schon Freiheit und Gleichheit kennengelernt hatten, so gut wie möglich gezähmt werden. Deswegen wurde für jene Frauen, welche für die Verteidigung der II. Republik kämpften, eine spezifische Repression im Grad höchster Perversität angewandt, die in vielen Fällen weit grausamer war als die auf Männer zielende. Das erste, was die Franco-Schergen taten, war die Abschaffung aller Gesetze zur Gleichstellung mit dem Mann. Sie kannten die revolutionäre Kraft, welche die Teilnahme der Frau am politischen Leben bedeutete. Um diese Potenz zu tilgen, erließen die Faschisten "Rechtsnormen", die Frauen auf die gleiche Ebene wie Kinder, Taubstumme und Geisteskranke stellten. Die Demagogie des Franquismus, der erklärte, die Frau und die Kindheit seien Gegenstand eines speziellen Schutzes, hinderte ihn nicht daran, sie zu quälen, zu foltern, zu vergewaltigen, ins Gefängnis zu werfen und zu ermorden. Die Verachtung des Franco-Regimes für die Frauen war so groß, daß es sie nicht als politische Kämpferinnen anerkannte, wodurch es viele außergerichtliche Tötungen als natürlich rechtfertigte und den Namen beschmutzte, indem der Grund ihrer Festnahme gefälscht und sie gewöhnlicher Delikte wie Mord, Raub, Prostitution und Diebstahl angeklagt wurden.

Mit der Gefängnispolitik verhielt es sich folgendermaßen: Während die Männer allein eingesperrt wurden und sich in der Haft nur um sich selbst kümmern mußten, wurden die Frauen mit ihren Kindern arretiert und hatten die Machtlosigkeit, das Leid bis zum Wahnsinn zu ertragen, sie wegen aller Arten von Entbehrungen sterben zu sehen: Wasser, Essen, Medizin, Kleidung ... die Kleinen starben in den Gefängnissen wie die Fliegen: an Hunger, Entwässerung, Kälte, Grind, Läusen, Tuberkulose, Magen-Darm-Entzündung und Krätze. Die meiste Zeit des Tages gab es kein Wasser, und die Kleider und Windeln mußten schmutzig wieder benutzt werden, wodurch sich alle Arten von Bakterien, Ungeziefer und Epidemien entwickelten. Es wurden dann spezifische Häuser für Frauen mit Kindern errichtet, die schönfärberisch "Gefängnisse für stillende Mütter" genannt wurden, aber in Wirklichkeit richtige "Apartheids" waren, ausgedacht, um Frauen und Kinder umzubringen.

Traurige Berühmtheit erlangte "la maternal" von Segovia, deren Direktorin, die Falangistin María Topete, sich durch besonders grausame Behandlung der Frauen und Kinder hervortat. Weder ist die genaue Zahl der Kleinen, die dort gestorben sind, bekannt, noch gab es eine Registrierung der Gefangenen. Aber es wird von Hunderten gesprochen und der Direktorin die Verantwortung an diesen Toten zugewiesen. Die Anstaltsleiterin ließ die Kinder nur die unerläßlichste Zeit bei ihren Müttern, damit sie ihnen etwas von der wenigen Nahrung geben und sie saubermachen konnten; danach wurden sie von ihr auf den Hof gebracht, wo sie den ganzen Tag ohne Wasser und Essen waren, auch Säuglinge, unabhängig vom Wetter, mitten im Winter unter null Grad. Hinzu kamen ständige Mißhandlungen. Überlebende bezeugen, daß jeden Tag, wenn sie hereingeholt wurden, um die Nacht drinnen zu verbringen, etliche durch Kälte, Hunger und Wassermangel tot auf dem Hof zurückblieben.

Aber trotz allem waren der schlimmste Alptraum der Gefangenen die Nonnen-Schließerinnen, die religiösen weiblichen Orden angehörten und sich "nebenbei" diesem Zweck widmeten. Die von ihnen erfahrene Behandlung war unendlich viel brutaler als die von den Mitarbeiterinnen der Frauenabteilung. Sie ging so weit, daß sie 1945 aus dem Gefängnis Las Ventas aufgrund von Anzeigen aus den Reihen des Zivilpersonals entlassen wurden.

Man muß die religiösen Orden wegen ihrer besonderen Unmenschlichkeit hervorheben: Hijas de la Caridad (Töchter der Barmherzigkeit), Hijas del Buen Pastor (Töchter des guten Schäfers), Orden de las Cruzadas (Orden der Kreuzzüge), der speziell zur "Umerziehung" der Frauen in den Gefängnissen geschaffen wurde, Orden de San Vicente de Paul. Zu ihm gehörte Sor María de los Serafines, eine Deutsche, die aus der Gestapo kam. Sie gelangte zu trauriger Berühmtheit wegen der blinden Raserei, mit der sie die Gefangenen und deren Kinder mißhandelte.

Im Jahr 2005 wagte Spaniens Regierung, die keinen einzigen Schritt zur juristischen Rehabilitierung der Opfer des Faschismus machte und noch viel weniger dafür tat, die Straflosigkeit jener zu beenden, welche solche schrecklichen Verbrechen begangen hatten, den hochdotierten Preis Príncipe de Asturias de la Concordia, diesem letztgenannten religiösen Orden der Schließerinnen zuzuerkennen.

Aber die Gefangenen waren trotz jener grausamen Bedingungen fähig, Solidaritätsketten aufzubauen, um denen zu helfen, die es am nötigsten brauchten. Sie entwickelten Unterhaltungs- und kulturelle Aktivitäten, organisierten Hungerstreiks und Aufstände. Die Gebildetsten gaben Unterricht in Alphabetisierung, Mathematik und Geschichte, alles ohne Bücher und Tische, ohne Tafel und Kreide. Sie nahmen Markierungen mit Bleistiftstücken auf Brettern vor, die sie sich irgendwo organisierten. Sie gaben schließlich sogar Veröffentlichungen heraus und schufen Bibliotheken, komponierten Lieder, die sie auf dem Hof sangen, um nicht die Moral zu verlieren und der drohenden Todesstrafe mit Würde und Mut zu begegnen. Sie feierten den 1. Mai und den 14. April, den Tag der Republik. Genau an diesem Tag fertigte Águeda Campos Barrachina im Konvent Santa Clara zu Valencia gemeinsam mit zwei anderen Gefangenen eine republikanische Fahne an, die sie durch das Kloster schwenkten. Die mutige Frau kam in die Strafzelle und wurde dann zusammen mit ihrem Mann Armando Muñiz Vedalles am 5. April 1941 in Paterna (Valencia) erschossen.

Hier war die Repression furchtbar (obwohl sie es auch im Rest des Landes gewesen ist), weil die Stadt bis zum letzten Moment Franco Widerstand geleistet hatte. Die Verhandlungen der Kriegstribunale, die Verhöre in Kommissariaten und dafür umgewandelten Zentren sowie die Hinrichtungen nach den Schnellgerichts- und außergerichtlichen Verfahren folgten einem frenetischen Rhythmus. Die Anzahl der festgenommenen, gefolterten und ermordeten Frauen war in Valencia besonders hoch, weil sie aktiv an der Verteidigung der Stadt teilgenommen hatten. Viele kämpften im Untergrund weiter und organisierten den Widerstand. Hier wurde die "Unión Femenina de Valencia" gegründet, eine Pioniergruppe der Gefangenenhilfe, die in den Schlangen am Eingangstor zum Modelo-Gefängnis geschaffen wurde und sich danach über den ganzen spanischen Staat ausdehnte. Sie organisierte Demonstrationen, sammelte Hilfsgelder für Gefangene, organisierte Fluchten aus dem Gefängnis, versteckte Verfolgte und brachte Geflüchtete über die Grenze. Frauen waren auch die Verantwortlichen der wichtigsten Unterstützungspunkte der Guerrilla. Festnahmen, Erschießungen und alle Art von Gewalttätigkeiten erfolgten als Reaktion des Staates. Die Anwendung der Methode des "Hungerpaktes" bestand z. B. darin, zu verhindern, daß Angehörige von Freischärlern Hilfe bekamen, womit sie und ihre Kinder zum Elend, zum Hunger oder zur Unterernährung, zu schweren Krankheiten oder gar zum Tode verurteilt wurden.

Über diese Episoden des Terrors und der Repression deckt man noch heute den Mantel des Schweigens. Es ist bekannt, daß viele Beweise vernichtet wurden. Für die Frauen meiner Generation, die wir geschichtliche Erbinnen des Geschehens sind, ist der Kampf dieser Republikanerinnen und Widerstandskämpferinnen gegen das Franco-Regime zum Bezugspunkt geworden, auf den wir uns in unseren eigenen Aktionen gegen die Diktatur gestützt haben. Sie gaben uns ein Beispiel des Widerstehens, des Vorwärtsgehens und des Kampfes für unsere persönliche Würde. Es gilt, ihrem Vermächtnis die Treue zu halten.

Amparo Salvador Villanova

Übersetzung: Isolda Bohler

Ende RF-Extra

Raute

Erster Kommandeur der DDR-Militärakademie "Friedrich Engels"

Fritz Johne - ein General mit Herz

Anfang Januar 1958 wurde in Dresden die Militärakademie der DDR, die höchste akademische Lehreinrichtung der Nationalen Volksarmee, gegründet. Ihr erster Kommandeur war Generalmajor Friedrich (Fritz) Johne. Er verkörperte das, was man immer unter einem General des Volkes verstand, und war Vorbild für ganze Generationen von Offizieren.

Friedrich Johne wurde am 15. Juni 1911 in Ketten bei Grottau (Chotyne u Hradku, Tschechien) als Sohn eines Tischlers geboren. Nach dem Volksschulabschluß besuchte er die Bürgerschule und absolvierte dann eine kaufmännische Lehre. Danach war er bis August 1931 als Angestellter tätig. Während dieser Zeit trat er dem kommunistischen Jugendverband der SR bei.

Wegen antimilitaristischer Propaganda zu einer Haftstrafe verurteilt, bekam er nach deren Verbüßung keine Arbeit. Von 1933 bis 1935 leistete Fritz Johne seinen Wehrdienst als Soldat in einem Dragonerregiment der tschechoslowakischen Armee ab. Nach erneuter Arbeitslosigkeit fand er Beschäftigung in einer Genossenschaftsfleischerei. Er wurde Mitglied der KP der Tschechoslowakei und leistete deutschen Emigranten aktive Hilfe.

Im August 1937 begab sich Fritz, wie ihn nicht nur seine persönlichen Freunde nannten, nach Spanien. Hier kämpfte er während des Bürgerkriegs zuerst im Bataillon "Dimitroff" und ab März 1938 im tschechoslowakischen 3. Bataillon "T. G. Masaryk" der Internationalen Brigaden. Vom Oktober 1938 bis Februar 1939 war er dessen Politkommissar. Nach dem Rückzug der Spanienkämpfer auf französisches Territorium wurde Fritz Johne zwischen 1939 und 1944 in den Lagern St. Cyprienne, Gurs, Agder und Vernet interniert. Dann lieferte man ihn an die deutschen Faschisten aus. Er lernte elf verschiedene Gefängnisse kennen, bis man ihn schließlich ins KZ Sachsenhausen überführte.

Fritz Johne nahm am Todesmarsch der Häftlinge teil und wurde am 2. Mai 1945 durch die Sowjetarmee befreit. In die SR zurückgekehrt, war er in einer Antifa-Kanzlei in Liberec tätig. Da er als deutscher Kommunist seine Nationalität nicht aufgeben wollte, was von allen nicht ausgewiesenen Deutschen verlangt wurde, betätigte er sich als Mitorganisator der freiwilligen Umsiedlung deutscher Antifaschisten aus dem Sudetenland in die sowjetische Besatzungszone.

Anfangs war er mit seiner Familie in Pirna untergebracht, bevor ihn die SED in Halle einsetzte. Im August 1948 begann der erfahrene Soldat seinen Dienst als Angehöriger der bewaffneten Organe der SBZ, später der DDR. Zunächst war er in der VP-Landesbehörde von Sachsen-Anhalt tätig. Nach einem Sonderlehrgang in der UdSSR setzte man ihn im Oktober 1950 als Offizier in der Hauptverwaltung Ausbildung (HVA) ein. Mit Gründung der Kasernierten Volkspolizei (KVP) arbeitete er in der Verwaltung für Ausbildung und Lehranstalten in leitender Position. Er wurde zum Generalmajor ernannt.

Nach Meinungsverschiedenheiten mit dem Chef der KVP über die zeitweilige Verwendung ehemaliger Wehrmachtsoffiziere versetzte man ihn 1954 nach Leipzig, wo er für die Territorialverwaltung Süd und dann für den Aufbau des Militärbezirks III der NVA Verantwortung trug. Nach dem Besuch der Akademie des Generalstabs der Sowjetarmee (1957-1959) befehligte Fritz Johne bis 1963 als Kommandeur die Militärakademie "Friedrich Engels" in Dresden. Unter den Offizieren und Soldaten war er als sehr menschlicher, hilfsbereiter, undogmatischer und kritisch denkender General bekannt und beliebt. Das brachte ihm bisweilen bei Vorgesetzten Ärger ein.

Im Juni 1963 wurde Fritz Johne zum Botschafter der DDR in der Republik Kuba ernannt. Diese Aufgabe erfüllte er bis zu einer schweren Erkrankung im Juni 1967. Die letzte Zeit seines Lebens verbrachte er als Rentner in Dresden, wo er sich auch als Vorsitzender des Bezirkskomitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer einen Namen machte. Fritz Johne verstarb am 14. September 1989.

Dr. Dieter Kürschner, Leipzig

Raute

Zur widersprüchlichen Haltung der BRD-Regierung gegenüber China

Zwischen zwei Feuern

Wer sich intensiv mit China beschäftigt, weiß, daß dieses Land noch vor einigen Jahrzehnten in halbfeudalen und halbkolonialen Zuständen gefangen war. Er weiß auch, daß ihm kaum eine der Katastrophen des 20. Jahrhunderts - von Zerschlagungsversuchen und nationaler Unterdrückung bis zu faschistischen Eroberungskriegen mit unvorstellbaren Greueln - erspart geblieben ist.

Durch die vor 60 Jahren erfolgte eigene Befreiung von Unterdrückung und Ausbeutung wurde China zu einer Hoffnung der Ärmsten der Erde. Seine wirtschaftliche Entwicklung löst Schritt für Schritt die drängenden Probleme im Innern des Landes, verändert aber auch seine internationale Rolle im Kampf um gesellschaftlichen Fortschritt. Chinas Aufstieg hat das Kapital weltweit in Alarmbereitschaft versetzt. Im Jahr 2007 war der Anteil der asiatischen Volksrepublik am Wachstum der Weltwirtschaft der mit Abstand größte. Er betrug 20 bis 35 %, während die gesamte EU nur einen Anteil von etwa 10 % erreichte.

Die VR China ist zu einem politischen und ökonomischen Faktor geworden, dem sich kein Land der Erde mehr entziehen kann. Schon gar nicht der aufstrebende deutsche Imperialismus, der weltweit zu expandieren sucht und nach Rohstoffquellen, Absatzmärkten, Kapitalanlagemöglichkeiten und Einflußsphären Ausschau hält. Bereits 1991 erklärte Bundeskanzler Kohl: "... Deutschland hat mit seiner Geschichte abgeschlossen. Es kann sich künftig offen zu seiner Weltmachtrolle bekennen und soll diese ausweiten." ("Podium", Mainz, 1/96). BRD-Außenminister Kinkel wurde zwei Jahre später noch deutlicher: "Im Inneren müssen wir wieder zu einem Volk werden, nach außen gilt es, etwas zu vollbringen, woran wir schon zweimal gescheitert sind: im Einklang mit unseren Nachbarn zu einer Rolle zu finden, die unseren Wünschen und unserem Potential entspricht; die Rückkehr zur Normalität im Inneren wie nach außen." (FAZ, 19.4.1993)

Gegenwärtig weckt China deutsche Begehrlichkeiten, setzt diesen aber auch Grenzen. Kein anderes nichtimperialistisches Land ist angesichts der kapitalistischen Systemkrise für das deutsche Monopolkapital so wichtig und leistet zugleich den Versuchen "westlicher" Einflußnahme so viel Widerstand. China handelt eigenständig, für ausländische Investitionen werden klare Bedingungen gestellt, die nationale Gesetzgebung schränkt das Fremdkapital ein. Verhandelt wird auf der Basis der Gleichberechtigung. Grundsätzlich sind gemischte Eigentumsformen (Jointventures) vorgeschrieben. Damit wird die Teilhabe chinesischer Firmen am Know-how erzwungen.

Um auf diesem Markt bestehen zu können, versucht der deutsche Imperialismus, sich mit neuen und aggressiven Methoden politische Druckmittel und Einflußmöglichkeiten zu verschaffen, wobei er sich der Monopolkonkurrenz aus Drittländern zu erwehren trachtet.

Das BRD-Kapital steht vor einem Dilemma: Einerseits dringt es auf kurzfristige Profitmaximierung, andererseits verfolgt es das langfristige, aber illusorische Ziel einer Hegemonie über China. Diesem Widerspruch sind unterschiedliche Signale geschuldet.

Ein Beispiel: Im Mai 2007 empfing Frau Merkel den Dalai Lama. In der Folge wurde über die Friedrich-Naumann-Stiftung eine beispiellose Kampagne zur Abtrennung Tibets von China eingeleitet, wobei man vor Gewalt und Mißbrauch der Olympischen Spiele nicht zurückschreckte. Daß Beijing daraufhin Auslandsaufträge im Volumen von 40 Milliarden Dollar nicht an die BRD vergab, traf den damaligen "Exportweltmeister" empfindlich.

Die Folge: Während der im März 2008 gestarteten Hetzkampagne empfing Frau Merkel den Dalai Lama nicht, sondern beauftragte ein minderrangiges SPD-Kabinettsmitglied damit, den Kontakt wahrzunehmen. Derart unterschiedliches Verhalten könnte zu der Vermutung führen, es gäbe in der Bundesregierung "prochinesische" und "antichinesische" Kräfte, die sich miteinander im Widerstreit befänden. In Wirklichkeit handelte es sich um ein Spiel mit verteilten Rollen. Der Staat koordiniert lediglich die Interessen verschiedener imperialistischer Flügel, deren gemeinsames Ziel in der Durchsetzung langfristiger ökonomischer und politischer Konzepte besteht.

In bezug auf China gibt es natürlich mannigfaltige Widersprüche, da die VR ein sozialistisches Land ist. Den Grundwiderspruch zwischen beiden Systemen würde der Weltimperialismus gerne durch Liquidierung des "roten Konkurrenten" lösen. Dabei mischt die BRD kräftig mit und unterwirft sich, um dieses Ziel zu erreichen, Bündnissen und Koalitionen mit rivalisierenden imperialistischen Mächten.

Andererseits hat der kapitalistische deutsche Staat ein zwingendes ökonomisches Interesse an guten Beziehungen zu Beijing. Die Profite aus dem beiderseitigen Handel sind angesichts der umfassenden Rezession für die BRD von überlebenswichtiger Bedeutung. Dabei stört die bundesdeutschen Banken und Konzernzentralen nicht, daß China ein sozialistisches Gesellschaftssystem aufbaut. Man geht sogar Verträge ein, die Monopolgruppen anderer Länder behindern. Zumindest kurz- und sogar mittelfristig liegt der BRD an guten Beziehungen zur VR. Zugleich ist China ein Konkurrent neuer Qualität für sie geworden.

Aus den hier geschilderten unterschiedlichen Motivationen ergibt sich die widersprüchliche Strategie und Taktik des deutschen Imperialismus und seiner Staatsmacht. Diese schwankt zwischen Kooperation und Konfrontation.

Es ist und bleibt das Ziel, China wieder den Kapitalverwertungsbedürfnissen der Monopolbourgeoisie unterzuordnen und sich selbst im Kampf um die Vorherrschaft möglichst günstige Positionen zu sichern. Dazu werden alle Register der "friedlichen" Infiltration gezogen. Man schickt Politiker, Diplomaten, Stiftungen, Institute, Menschenrechtsvereine und Journalisten ins Rennen, wobei die offene militärische Drohung hintergründig nicht ausgespart wird.

Hierzulande ziehen die bürgerlichen Medien alle Register, um durch Desinformation und Halbinformation Verwirrung zu stiften und die Vorstellung in das Denken der Menschen einzupflanzen, es gäbe keine Alternative zum Kapitalismus. So soll jeder Gedanke an Solidarität mit Volkschina schon im Keim erstickt werden. Lassen wir uns dadurch nicht irritieren!

Wenn die BRD-Führung täglich aufs neue demonstriert, aus der deutschen Geschichte nur gelernt zu haben, abermals nach der Weltherrschaft greifen zu wollen, dann muß dem Einhalt geboten werden.

Der Kurs der Volksrepublik China zu einer multipolaren Welt bei Gleichberechtigung aller Länder unabhängig von Größe und Wirtschaftspotential sowie der Lösung von Konflikten nur auf friedlichem Wege und der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten besitzt eine Zukunftsperspektive und liegt im Interesse der ganzen Menschheit.

Dr. Ulryk Gruschka

Raute

Wie in Rumänien die Reaktion überwunden wurde

Der große 46er Sieg

Rumänien galt in der ersten Hälfte der 40er Jahre als ein besonders rückständiges Land mit faschistischer Diktatur. 78 % der 16 Millionen Einwohner waren Bauern, nur 15 % Arbeiter. Seit 1941 befanden sich etwa 3500 Kommunisten in Haft, einige wurden hingerichtet. Die Rumänische KP war prozentual und in absoluten Zahlen die kleinste kommunistische Partei in Osteuropa. Doch sie besaß eine außergewöhnliche Vitalität und war aus der Sozialdemokratischen Partei hervorgegangen, die sich 1921 in RKP umbenannte.

Nach Hitlers Überfall auf die UdSSR nahm die Partei Kurs auf den Sturz des faschistischen Regimes. Seit 1941 gab es bereits von den Kommunisten organisierte Sabotage- und Kampfgruppen, die den Nachschub für die "salatgrünen" Truppen an der Ostfront erheblich störten, indem sie Öltanks, Munitionsdepots und Züge sprengten. Eine breite Partisanenbewegung konnte sich jedoch nicht entwickeln. Lediglich in einigen Bergregionen und im Donaudelta kämpften Tausende unter Führung der RKP. Deren Aufruf zur Schaffung einer umfassenden nationalen Front unter Einschluß auch bürgerlicher Parteien wurde zunächst ignoriert. Damals stand man noch unter dem Eindruck des nationalistischen Taumels, den die Eroberung Sowjetmoldawiens und eines Teils der Ukraine (Transnistrien) ausgelöst hatte.

Mit den rumänischen Verlusten an der Ostfront und der rapiden Verschlechterung der Lebenslage daheim schlug die Stimmung um. Jetzt orientierte die RKP auf die Bündelung der Linkskräfte, die im Juni 1943 als Patriotisch-Antifaschistische Front (FPA) aus Kommunisten und Vertretern des linksgerichteten Bauernbundes sowie Gruppen linksorientierter Intellektueller und fortschrittlicher Angehöriger der ungarischen nationalen Minderheit (MADOSZ) entstand. Im Mai 1944 konnte die RKP ein Aktionseinheitsabkommen auch mit den Sozialdemokraten schließen. Nun wurden gemeinsame bewaffnete Gruppen für einen angestrebten Aufstand gebildet.

Während des Vormarsches der Roten Armee hatte die UdSSR im April 1944 Rumänien politische Vorteile versprochen, wenn es sich gegen die Nazis wenden würde. Darin sahen die nichtfaschistischen großbürgerlichen Kräfte (Nationale Bauernpartei und Nationalliberale Partei) sowie der Königshof eine Chance, ohne größere Einbußen die sich rasch ausbreitende Krise zu meistern. Das war aber nicht mehr ohne die Kommunisten möglich, deren Gewicht nun ständig zunahm. Mitte Juni verhandelte die RKP mit der Monarchie über den Sturz des faschistischen Ministerpräsidenten Antonescu und eine antifaschistische Erhebung gegen die im Lande stehende deutsche Wehrmacht. Die Gespräche stärkten die kommunistischen Positionen derart, daß die beiden großbürgerlichen Parteien im Juni 1944 bereit waren, mit der RKP und den Sozialdemokraten den antifaschistischen Block zu bilden. Allerdings durfte die RKP nicht die mit ihnen verbündeten linken Organisationen aus der FPA einbeziehen. Drei Tage nach Beginn der sowjetischen Offensive an den Grenzen Rumäniens wurde General Antonescu während einer Audienz beim König verhaftet. An jenem 23. August - zu sozialistischen Zeiten galt er als Nationalfeiertag - erhoben sich die "Salatgrünen" gegen deutsche und rumänische Faschisten. In Bukarest bildeten kommunistische Kampfgruppen die Vorhut. Am gleichen Tag wurde die bürgerlich-demokratische Regierung unter General Satatescu vor allem aus Militärs und Fachleuten sowie vier Ministern vom Block gebildet. Der Kommunist Patrascanu wurde ins Kabinett einbezogen. Am 12. September erfolgte in Moskau der Abschluß des Präliminar-Friedens mit Rumänien, das nun an der Seite der Roten Armee zu kämpfen bereit war.

Die Bourgeoisie glaubte aufatmen zu können. Die Kommunisten schienen eingebunden zu sein und standen in der Regierung einer großbürgerlichen Majorität gegenüber. Doch die RKP wußte den Schwung der Massen in revolutionäre Bahnen zu lenken. Es kam zu einer Umgruppierung der fortschrittlichen Kräfte, die sich im Oktober in der Nationaldemokratischen Front ohne die großbürgerlichen Parteien vereinigten. Sie wurde um die wiedererstandenen Gewerkschaften erweitert, forderte eine radikale Bodenreform, Verstaatlichung der Banken und der Schwerindustrie, Säuberung des Staatsapparates von Faschisten und Bestrafung der Kriegsverbrecher. Da die Block-Regierung das ablehnte, traten Kommunisten und Sozialdemokraten aus ihr aus. Nun organisierte die Front Massenkundgebungen und Aktionen zur Durchsetzung ihres Programms. Faschisten wurden aus Verwaltungen und Betriebsleitungen entfernt. Man begann mit der Aufteilung des Gutsbesitzerlandes. Als günstig erwies sich hierbei, daß die rumänische Armee mit ihrer halben Million Soldaten im Krieg gegen Hitlerdeutschland gebunden war und diesmal nicht zur Niederschlagung der Volksbewegung eingesetzt werden konnte.

Um die revolutionäre Welle zu stoppen, bildete Satatescu im November eine neue Regierung mit einigen Front-Vertretern, darunter dem linken Bauernpolitiker Petru Groza als Vizepremier. Da die Massenproteste aber nicht abebbten, trat der Premier Anfang Dezember zurück. Nun sollte eine neue Regierung unter General Radescu das Ruder herumreißen. Er drohte sogar mit Militäreinsatz und Bürgerkrieg. Das verstieß gegen die Abmachungen von Moskau über die Demokratisierung der rumänischen Gesellschaft. In machtvollen Demonstrationen wurde die Bildung einer Regierung der Front gefordert, die ihr neues Programm Ende Januar 1945 verkündete. Am 24. Februar kam es zu blutigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Militäreinheiten in Bukarest. 500.000 Menschen waren auf der Straße. Zur Beruhigung der Lage setzte der König am 6. März eine Regierung aus Front-Parteien und -Organisationen unter dem Vorsitz von Petru Groza ein. In diesem ersten volksdemokratischen Kabinett hatten Kommunisten, Sozialdemokraten und Vertreter der linken Bauernpartei je drei Ministerposten. Die RKP übernahm das Innenressort. Zwei Kabinettsmitglieder kamen aus dem linken Patriotenbund, drei Mandate gingen an Linksliberale und einen Linken aus der Nationalen Bauernpartei.

Die volksdemokratische Regierung im ersten von der UdSSR befreiten Land war also auf verfassungsmäßigem Wege zustande gekommen und sogar von einem regierenden Monarchen eingesetzt worden. Das Kräfteverhältnis hatte sich enorm zugunsten des progressiven Lagers verschoben. 1945 wurde die RKP mit 256.000 Mitgliedern zur stärksten Partei des Landes. Im Mai 1946 erfolgte dann der entscheidende Schlag gegen die Reaktion: Mit einer abermaligen Umgruppierung zum Demokratischen Block konnten die Linken im November die ersten Wahlen gewinnen. Ihr Anteil betrug 68,7 %, mit den 8,2 % der ungarischen Linksorganisation MADOSZ sogar 77 %. Die großbürgerlichen Parteien brachten es zusammen lediglich auf 12,8 %. Ein Jahr später zählte man in Rumänien schon 308.000 RKP-Mitglieder. 1947 wurden die reaktionären Parteien verboten, zu Jahresende der König zur Abdankung gezwungen und die Volksrepublik ausgerufen.

Dr. Bernhard Majorow

Raute

Washingtons schmutziges Spiel mit Terroristen aus Xinjiang

Uiguren als Schachfiguren

Sunzi, ein chinesischer Philosoph und General früherer Zeiten, traf einst die Feststellung: "Jede Kriegführung gründet sich auf Täuschung!" Das gilt auch für die Gegenwart.

Für viele Menschen ist Guantánamo, George W. Bushs "Speziallager" auf Kuba, dessen Schließung innerhalb eines Jahres der neue Präsident Barack Obama jetzt verfügte, zum Inbegriff von Folter, Brutalität, Menschenrechtsverachtung und staatsterroristischer Anmaßung geworden. Doch das KZ auf der karibischen Insel bildete auch den Schauplatz unglaublicher politischer Scheinheiligkeit und Heuchelei im sogenannten Antiterrorkrieg der USA. So wurde bekannt, daß sich das Pentagon - unter Obama von dem Rechtsaußen und früheren CIA-Chef John Gates weiterhin dirigiert - seit 2003 darum bemüht, heimlich gefangene Uiguren aus diesem Lager zu entlassen. Wird man schon mißtrauisch, wenn Leute dieses Schlages "Menschlichkeit" walten lassen, dann steigert sich der Verdacht noch mehr, wenn dies in aller Stille geschieht, ohne politisches Kapital daraus schlagen zu wollen.

Der Grund ist ganz einfach: Kein Land der Welt - vielleicht außer der BRD - möchte diese Leute aufnehmen, und die Vereinigten Staaten selbst wollen sie nicht behalten. Nach China, wo sie hingehören, kann man sie angeblich nicht zurückschicken, da sie dort "Folter und Hinrichtung als Terroristen" erwarteten.

Wie kommt es zu dieser besonderen Obhutspflicht für Gefangene, deren Leben, solange sie als Feinde der USA galten, keinen Pfifferling wert war, die aber nun plötzlich aus "humanitären Gründen" nicht an China ausgeliefert werden dürfen.

Was wissen wir über Uiguren? Sie sind ein Turkvolk im Autonomen Gebiet Xinjiang der Volksrepublik China. Diese Nordwestregion des großen asiatischen Landes mißt knapp das Siebenfache des Territoriums der BRD, hat aber nur etwa 17 Millionen Einwohner, von denen wiederum 8 Millionen Uiguren sind. Xinjiang grenzt an die Mongolei, Rußland, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Pakistan und Tibet. Ihrer Religion nach zählen die Uiguren zu den Muslimen. Sie gehören dem sunitischen Islam an. Ihr Streben nach staatlicher Selbständigkeit, nach einem unabhängigen "Ost-Turkestan" reicht - in neuerer Zeit - bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück. Es geht weit über die von China gewährte Autonomie hinaus und umfaßt Kräfte, die ihr Ziel mit friedlichen Mitteln zu erreichen suchen, und andere, die auf Gewalt und Terror setzen. So erfolgten brutale Anschläge auch im unmittelbaren Vorfeld und während der Olympischen Spiele. In ihrer Gewaltbereitschaft erhalten extremistische Kreise unter den Uiguren Anleitung und Unterstützung von radikalen Islamisten in Zentralasien, westlichen Medien, staatlichen und parlamentarischen Gremien imperialistischer Länder, Geheimdiensten und Exilorganisationen.

Von chinesischer Seite wird betont, insbesondere die Exil-Uiguren versorgten Terroristen in Xinjiang mit entsprechender Logistik. Im Blickfeld ist vor allem die "Ostturkestanische Islamische Bewegung (ETIM). Als "Menschenrechtler" verkleidet, werfen ihre Sprecher der VR China vor, die Uiguren systematisch zu diskriminieren. Sie rechtfertigen damit deren Terrorismus. Diese Kräfte eint das gemeinsame Streben, den antichinesischen Separatismus zu stärken und Beijings Position zu schwächen. "Rein zufällig" handelt es sich bei Xinjiang um eine Region, die auf Grund ihrer geopolitischen Lage für China von herausragender strategischer Bedeutung ist. Überdies lagern hier 30 % der chinesischen Ölvorkommen. Xinjiang gilt nicht umsonst als Hauptversorger Chinas mit Energieträgern. Außerdem befindet sich dort das nukleare Testareal Lop Nor. Wie aber kommen nun Uiguren aus Xinjiang nach Guantánamo?

Chinesischen Angaben zufolge sollen seit 2001 etwa 1000 Uiguren in Afghanistan und anderswo als Terroristen ausgebildet worden sein. Noch heute kämpfen etwa 100 von ihnen auf seiten der Taliban. 22 Uiguren wurden Ende 2001 als vermeintliche Al-Kaida-Kämpfer in Pakistan festgenommen und von dort über "Zwischenstationen" nach Guantánamo verschleppt. In der Optik ihrer Kerkermeister waren sie wie alle dort Gequälten als "feindliche Kämpfer" völlig rechtlos. Beteuerungen, sie seien doch "lediglich" Feinde Chinas, aber Freunde der USA, verhallten zunächst ungehört.

Relativ schnell schien der CIA dieser "Kollateralschaden" allerdings peinlich geworden zu sein. Bereits im Dezember 2002 stellte eine "Joint Task Force" in Guantánamo fest, die uigurischen Gefangenen seien aus geheimdienstlicher Sicht nicht länger von Interesse. Sie bildeten kein Bedrohungspotential für die Vereinigten Staaten.

Jetzt waren sie auf einmal Not Longer Enemy Combatants (NLEC), nicht länger feindliche Kämpfer. Das führte zu ihrer Verlegung von Camp Delta, eingezäunt und stacheldrahtbewehrt, wo die Häftlinge in Käfigen ohne jeden Schutz eingepfercht sind, nach Camp Iguana mit Bewegung, Kochen, Fernsehen, Zeichentrick- und Tierfilmen, ja selbst Harry Potter.

Nachdem sich Albanien im Jahre 2006 - um als geeigneter NATO-Kandidat zu erscheinen - bereit erklärt hatte, fünf Uiguren aus Guantánamo aufzunehmen, blieben noch 17 zu "vermitteln". Dabei spielt es offenbar keine Rolle, daß Beijing wiederholt darauf hingewiesen hat, diese Männer seien Mitglieder der "Ostturkestanischen Islamischen Bewegung", also einer Organisation, die von den Vereinten Nationen seit 2002 als terroristische Vereinigung eingestuft worden ist. Einer Überstellung an China, wo Folter verboten ist, stehe nichts im Wege.

Inzwischen hat sich auch die BRD als Aufnahmeland für diese "Widerständler" ins Gespräch gebracht. Was Wunder, besitzen doch etliche Exilorganisationen der Uiguren ihre verläßlich geschützten Quartiere in München. Freunde der "westlichen Demokratie" sind sie ja allemal.

Dr. Udo Stegemann

Raute

Ulan Bator festigt Beziehungen zu Peking

Die Mongolei werde ihre Zusammenarbeit mit der VR China in Politik, Handel, Wirtschaft und Kultur sowie im Erziehungs- und Gesundheitswesen weiter verstärken, erklärte der Parlamentspräsident des fernöstlichen Landes Damdin Deberel gegenüber der Nachrichtenagentur Xinhua vor seinem Besuch in Beijing. Dieser fand im Dezember statt.

Der mongolische Politiker folgte einer Einladung seines chinesischen Amtskollegen Wu Bangguo, Vorsitzender des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses. In der Mongolei hatten im Sommer 2008 Wahlen zum Nationalen Volkshural stattgefunden, aus denen die schon 1921 von Suche Bator begründete Mongolische Revolutionäre Volkspartei (MRVP) trotz westlichen Trommelfeuers als Sieger hervorgegangen war. Die MRVP ist heute zwar keine marxistisch-leninistische Kraft mehr, verteidigt aber im wesentlichen nationale Interessen ihres großen Landes.

Deberel hob die auf guter Nachbarschaft und wechselseitigem Vertrauen beruhenden Beziehungen zwischen Beijing und Ulan Bator hervor. In den letzten Jahren hätten wiederholt Begegnungen hochrangiger Politiker beider Staaten stattgefunden.

Im Sommer 2008 wurde Chinas Vizepräsident Xi Jinping im Nachbarland herzlich willkommen geheißen. Bei dieser Gelegenheit war ein umfassendes Programm der Kooperation auf handels- und wirtschaftspolitischem Gebiet unterzeichnet worden. Sie erstreckt sich auf Bergbau, Infrastruktur und Erdölerschließung.

China gilt als lukrativster Markt der Mongolei, was den Export von Erzen und Petroprodukten betrifft. Ulan Bator rechnet mit erheblichen High-Tech-Investitionen großer chinesischer Unternehmen. Auch auf dem Gebiet des Umweltschutzes eröffnet das Zusammenwirken beider Staaten günstige Perspektiven. Seit Jahren ist die Volksrepublik der größte Handels- und Investpartner der Mongolei. In Zukunft soll der Import traditioneller chinesischer Produkte wie Seide und Kunsthandwerksartikel erheblich gesteigert werden. Nicht zuletzt aber geht es der Mongolei um die Lieferung hochwertiger Industriegüter, die dem modernsten Stand der Entwicklung entsprechen.

Sorgen macht man sich in der mongolischen Hauptstadt um den krisenbedingten Verfall der Weltmarktpreise für Zink, Kohle und Kupfer. Die langfristigen Verträge mit China tragen dazu bei, die negativen Folgen von Ausfällen zu reduzieren oder zu kompensieren.

Der bilaterale Austausch auf kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet trägt Früchte. Gegenwärtig befinden sich in China über 700 mongolische Studenten, denen von seiten der VR Stipendien gewährt werden. Erfolgreich ist auch die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Archäologie sowie von Spezialisten für Weidewirtschaft und erneuerbare Energien.

Alles in allem: Bisher sind die Pläne des USA-Imperialismus, prowestliche und antisozialistische Kräfte in der Mongolei auf Dauer ans Ruder zu bringen, nicht von Erfolg gekrönt worden.

R. F., gestützt auf Xinhua

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Belgien: 56 linke Volksärzte bieten kostenfreie Behandlung an

Wir haben bewiesen, daß kostenfrei gewährte Medizin und Medizin von hoher Qualität durchaus miteinander vereinbar sind", schreibt Kris Merckx in seinem Buch "Médecin du Peuple" (Arzt des Volkes), das erst im vergangenen Jahr herauskam und inzwischen in den besten Bibliotheken und vielen medizinischen Einrichtungen Belgiens zu finden ist.

1976 eröffnete die Partei der Arbeit (PTB) im französischsprachigen Wallonien ihr erstes Haus eines unentgeltlich praktizierenden Volksarztes. Das Projekt in Marcinelle scheiterte zunächst. 1980 wurde dann in Herstal von zwei Ärzten ein bereits auf soliden Fundamenten stehendes zweites medizinisches Zentrum eingerichtet. Einer seiner Begründer, Johan Vandepaer, ist dort inzwischen als Vertreter der marxistischen PTB in den Stadtrat gewählt worden. Die beiden Mediziner hatten ihre "Karrieren" als Fabrikarbeiter in der Gegend von Liège begonnen. 1996 wurde ein erfolgreicher neuer Anlauf in Marcinelle unternommen. Auch in Seraing und La Louvière griff die Idee der Volksärzte. Doch der Kampf allein genügt nicht. Was vor allem zählt, sind Kompetenz und wissenschaftlich exaktes Herangehen. In Seraing konzentriert man sich auf Arbeitsmedizin und die Betreuung der Opfer von Betriebsunfällen. Mit Nachdruck kümmert man sich hier um Entschädigungen und Erwerbsminderungsrenten.

Landesweit bekannt wurde in Belgien der Arzt und PTB-Ratsherr Dirk van Duppen, der in zähem Ringen durchsetzte, daß bestimmte Leiden als Berufskrankheiten anerkannt werden.

"Wir haben eine neue ideologische Strömung unter den belgischen Ärzten ins Leben gerufen", konstatierte der kommunistische Mediziner Kris Merckx. "Und wir gehören - gemeinsam mit anderen - zu den Vorreitern der Ärztehäuser dieses Landes." Besonders bekannt wurde das sogenannte Kiwi-Modell Dirk van Duppens für billigere Medikamente. Natürlich stieß all das auf den erbitterten Widerstand des reaktionären Ärzteordens.

Unterdessen praktizieren in Belgien bereits 56 Volksärzte. Die meisten - unter ihnen befinden sich Genossen der PTB und Parteilose - wurden in den letzten zehn Jahren gewonnen.

Besonders bemerkenswert ist die Lohnund Gehaltspolitik der Medécins pour le Peuple: Ein Assistenzarzt erhält 1500 Euro Netto. Die Bezüge können sich auf 2100 bis 2500 Euro steigern, wobei Dienstjahre angerechnet werden. Ein Vollzeitmediziner bezieht damit das Salär eines qualifizierten Facharbeiters. Die erbrachten Leistungen werden der Kasse von den Ärztehäusern, in denen auch Schwestern, Pfleger und Techniker tätig sind, nach den üblichen Sätzen in Rechnung gestellt.

R. F., gestützt auf "Solidaire", Brüssel

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BRD-Kriegsministerium: Afghanistan wankt

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Kubas Familienrecht ist das freizügigste der Welt

"Korsett der Ehe" heute weniger modisch

In Kuba - einem, historisch betrachtet, katholischen Land - gibt es inzwischen unterschiedliche Formen des legalisierten intimen Zusammenlebens von Menschen. Die Ehe, einstmals wie in Europa und anderen Teilen der Welt nahezu obligatorisch, hat an Attraktivität verloren. Noch immer schließen nicht wenige junge Kubaner den "Bund fürs Leben". Doch die gesellschaftlichen Anschauungen über Ehe und Familie haben sich gewandelt. Das kubanische Familiengesetzbuch regelt die Problematik in Artikel 2. Die Ehe sei "die freiwillige Bindung eines Mannes und einer Frau, die rechtlich dazu fähig sind, mit dem Ziel, ein gemeinsames Leben zu führen". Prof. Patricia Ares, Familienforscherin an der Fakultät für Psychologie der Universität Havanna, vertritt hierzu den Standpunkt: "Die Ehe ist nicht mehr die einzige legale Bindung zwischen einem Mann und einer Frau. Darüber hinaus sind Partnerschaften gleichen Geschlechts möglich." Das kubanische Familienrecht erleichtert auch die Scheidung, die vom katholischen Klerus natürlich strikt abgelehnt wird. Hierzu Patricia Ares: "Menschen binden sich nicht mehr unbedingt für das ganze Leben." Eine Folge der Freizügigkeit: Kuba hat die höchste Scheidungsrate in Lateinamerika. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. So liegt das Alter der ersten Mutterschaft einer Frau inzwischen deutlich höher als früher. Sie wird in der Regel bis zum Abschluß der Ausbildung oder des Studiums hinausgezögert. Es gibt auch Familien, die keine Kinder wollen, von homosexuellen Beziehungen ganz abgesehen. Bürgerliche Anliegen wie Erbfolge und Gütergemeinschaft haben ihre einstige gesellschaftliche Bedeutung überwiegend verloren. Die Ehe hat auch unter anderen Aspekten an Gewicht eingebüßt. Prof. Rafael Roselló, Jurist an der hauptstädtischen Universität, weist darauf hin, daß einem nichtverheirateten Paar in Kuba unterdessen weitgehende Rechte eingeräumt werden. Die Bedingungen dafür sind lediglich, daß die Betreffenden eine bestimmte Zeit stabil zusammenleben oder daß sie in ein entsprechendes Register eingetragen sind.

Tendenziell zeigen sich kubanische Jugendliche - so der Zivil- und Familienrechtler Roselló - "nicht an einer Formalisierung ihrer Beziehung interessiert. Viele heiraten auch deshalb nicht, weil es schwer ist, eine eigene Wohnung zu finden und einen Haushalt zu finanzieren. Die bescheidenen Einkommensverhältnisse der Kubaner setzen da enge Grenzen."

Patricia Ares hebt hervor: "Das Schandmal der wilden Ehe ist überwunden." Für die jungen Leute sei es heute leichter und komplizierter zugleich. Sie wohnten in der Regel mit ihren Partnern zunächst bei den Eltern. Auch der durch die katholische Kirche propagierte Mythos der "unbefleckten Empfängnis" sei passé, sexuelle Beziehungen unter Unverheirateten gehörten zum Alltag. Ein Pärchen stelle in Kuba nach einem oder zwei Jahren gemeinsamen Lebens schon eine eheähnliche Bindung dar. Einer Heirat, um die Beziehung gewissermaßen offiziell zu machen, bedürfe es nicht. Eine Ausnahme bildeten allerdings aus Glaubensgründen kirchlich geschlossene Ehen. Sarkastisch kommentierte Patricia Ares die Macho-Einstellung etlicher Kubaner: "Eine bestimmte männliche Verhaltensweise könnte man auf den Satz reduzieren: Zusammenleben ja, aber nicht heiraten."

R. F., gestützt auf "Granma International", Havanna

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Vom Marxisten zum Verteidiger der Kapitalmacht

Der Wandel des Hans Magnus Enzensberger

Viele hatten in den 60er Jahren ihre Hoffnungen auf den engagierten Poeten und Publizisten gesetzt. Er verstand es, Jugendliche und Intellektuelle für die Sache des Freiheitskampfes und der Solidarität zu begeistern. Im Aufbruchsjahr 1968 bekannte er sich leidenschaftlich zu Fidel Castro sowie dem legendären Che Guevara. Er geißelte erbarmungslos den nordamerikanischen Imperialismus. Natürlich gehörte er zu den schärfsten Kritikern des brutalen Krieges gegen Vietnam.

Doch später, als arrivierter Schriftsteller, zog er sich mehr und mehr zurück, um sich dem "objektiven Denken" zu widmen und seinem metaphysischen Hang zu frönen. Bald wechselte er dann die Fronten, begrüßte vorbehaltlos die Bombardierung Jugoslawiens durch die U.S. Air Force und deren NATO-Alliierte.

Unlängst publizierte Enzensberger einen dicken Band mit Beiträgen zur Befreiung der südamerikanischen Völker aus den 60er und 70er Jahren. Was verblüfft: Er nimmt in seinem Vorwort keine Stellung zu seinem damaligen revolutionären Gebaren. Er schweigt sich einfach aus und bringt es fertig, einen nichtssagenden, völlig neutralen Kommentar den Beiträgen voranzustellen.

Ich selbst hatte Gelegenheit, mit dem feurigen Revoluzzer zu korrespondieren. Auf meinen Vorschlag hin publizierte er ein Kapitel aus dem Roman "Pusztavolk" des Ungarn Gyula Illyes. Es handelte vom Recht der ersten Nacht, das dem Grundherrn noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts gestattete, eine Bauernmagd, die vor ihrer Hochzeitsnacht stand, sexuell zu mißbrauchen.

Das geschändete Mädchen nimmt sich das Leben. Doch die Mutter bedauert nicht ihr Kind, sondern den Herrn, der nun in eine mißliche Lage versetzt worden sei. Selbst Walter Jens wurde durch diese Geschichte dazu angeregt, das ganze Buch zu lesen. Begeistert sprach er von einem Kleinod der europäischen Literatur. Als François Mitterrand in den 80er Jahren Ungarn besuchte, versicherte er, dafür sorgen zu wollen, daß im kulturellen Austausch der ungarische Partner mehr Aufmerksamkeit erhalten möge. Das gilt prononciert auch für heute, denn es geht nicht nur um eine Ost-Erweiterung, wie es u. a. auch György Dalos betont, vielmehr handelt es sich um Gegenseitigkeit. Die Kultur Osteuropas sollte ebenfalls eine Erweiterung nach dem Westen erfahren.

Der Renegat Enzensberger, der die "Wende" bereits durch diverse Stellungnahmen (Balkankrieg und Essays über den Luxus) angekündigt hatte, strampelt sich in seinem neuen Roman ("Hammerstein und der Eigensinn", Suhrkamp-Verlag 2008) mühsam ab, um zu beweisen, daß es unter den Deutschen auch manche gab, die Hitler nicht gefolgt seien. Ein kläglicher Versuch, die deutsche Geschichte umzuschreiben und die braune Vergangenheit zu relativieren.

Doch den bisherigen Höhepunkt seines Wandels dokumentiert das Interview, das er dem "Spiegel" gab (3.11.2008). Darin bekennt er sich offen zum Kapitalismus und wird nicht müde, dessen Vorteile - inmitten der weltweiten Finanzkrise und Rezession - zu preisen. Man kommt aus dem Staunen nicht heraus, wenn man seine kühnen Behauptungen hört, die sich im nachhinein als Banalitäten erweisen. Für ihn ist es unbegreiflich, warum die ganze Welt so überrascht sei, folge doch jedem Aufschwung gewöhnlich ein Absturz. Ach wie klug diese Binsenwahrheit, die jede Objektivität vermissen läßt und als leere Worthülse - einem Sprichwort gleich - unverbindlich daherkommt. Der Besserwisser beklagt den "phantastischen Gedächtnisverlust" der Menschen, die sich doch allmählich an die zyklischen Krisen gewöhnen müßten, wie dies die Wirtschaftsgeschichte lehre. Eine "Prise Marxismus kann auch nicht schaden", posaunt der Renegat. Doch er protestiert dagegen, als "ehemaliger Marxist" abgestempelt zu werden. In der Werkstatt des Herrn Marx finde er nach wie vor die eine oder andere brauchbare Brechstange, die er offenbar bei der Demolierung des Marxismus einzusetzen weiß.

Gegenüber dem eigenen Gedächtnisschwund hat er kein Auge. Wo bleibt seine revolutionäre Vergangenheit? Er merkt nicht einmal, daß er Marx, der das Ende des Kapitalismus nicht nur vorausgesagt, sondern auch herbeigewünscht hat, zu einem Verteidiger, ja Retter des Kapitalismus degradiert. Jedenfalls ist er der Meinung, daß bislang keine Alternative in Sicht sei. Nie sei es den Menschen besser gegangen, nie sei ihr Lebensstandard höher gewesen. Abermals läßt sein Gedächtnis nach. Denn der von ihm gepriesene Wohlstand war schon in seiner Revoluzzerepoche vorhanden, jedenfalls in den hochentwickelten kapitalistischen Ländern. Aber die Schere zwischen Reich und Arm hat sich weltweit noch mehr geöffnet, und von einem "Wohlfahrtsstaat" kann schon lange nicht mehr geredet werden.

Daß in jeder Stunde etwa 30.000 Menschen verhungern und nahezu eine Milliarde weit unter der Armutsgrenze ihr Leben fristen muß, rührt Enzensberger kaum. Das sei schon immer so gewesen, erklärt er lapidar. Er sieht eben keinen Grund, sich zu beunruhigen.

Im Gegenteil, er beschwichtigt die aufgeregten Gemüter. Es handele sich lediglich um ein Medienspektakel und um Sensationshascherei zur Erzeugung einer apokalyptischen Stimmung. Denn ohne diese periodischen Krisen hätte der Kapitalismus nie dazugelernt und längst das Zeitliche gesegnet - natürlich wie die "kommunistische Zentralwirtschaft".

Was kümmert Enzensberger die Tatsache, daß Marx und seine Lehre eine Wiedergeburt feiern und namhafte Wissenschaftler nach der regulierenden und planenden Hand des Staates verlangen! Und daß der kapitalistische Staat längst eine "Rettungsaktion" eingeleitet hat, die natürlich voll auf Kosten der Steuerzahler geht, die nun dem System, ob sie wollen oder nicht, aus der Patsche helfen müssen. Man fragt sich wohl mit Recht, wie lange sie noch dazu bereit sein werden.

Der ehemalige Linksintellektuelle, der sich zum zynischen Renegaten gemausert hat, versucht die aufgewühlten Gemüter zu besänftigen. Es sei eben keine revolutionäre Stimmung vorhanden, und von einer Weltrevolution könne ohnehin keine Rede sein. Doch die Meldungen häufen sich, daß mancherorts Barrikaden errichtet werden und nicht selten die Fackel der Revolution aufleuchtet.

Almos Csongár

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Abriß des NVA-Filmstudios und Rückgriff auf seine Produktionen

Die Bundeswehr sackte ein

Ein Verklärer will ich nicht sein, eher ein Aufklärer. Denn der Begriff Verklärung ist ja heutzutage, vor allem mit Blick auf die DDR, negativ besetzt. Aber es gibt im Zusammenhang mit dem nun fast zwanzigjährigen "einigen Deutschland" Dinge, die einen schmunzeln lassen. Eine solche Geschichte will ich erzählen.

Es war Ende 1989. Die DDR wurde vereinnahmt. So auch das gesamte Produktionsergebnis des Filmstudios der NVA mit ca. anderthalbtausend Streifen. Die Schöpfer dieser Filme verloren alle Rechte auf ihr geistiges Eigentum. Der Vertrag über die "Vereinigung" wollte es so.

So steht es in den entsprechenden Dokumenten: "Die Produktionen des 1960 gegründeten Armeefilmstudios, des späteren Filmstudios der NVA (welche Korrektheit!) gingen mit seiner Auflösung 1991 in das Eigentum des Bundesarchivs über."

Praktisch bedeutete dies, daß alles Filmmaterial, Negative und Positive, zunächst in der Medienzentrale der Bundeswehr Aufnahme fanden. Sämtliche Mitarbeiter, zumeist Zivilbeschäftigte, wurden entlassen. Das Studio selbst, eine hochmoderne Produktionsstätte mit Aufnahmestudios, einem Kopierwerk, Studios für Trickaufnahmen, einem temperaturstabilen Filmarchiv, gelegen in Berlin-Biesdorf, wurde dem Erdboden gleichgemacht. Der Vertrag über die "Vereinigung" und die angerollten Bagger wollten es so. Millionenwerte wurden sinnlos zerstört, nur weil die Bundeswehr keine Verwendung für eine so exotische Liegenschaft hatte.

Zwar nicht vergleichbar: Aber ein "Palastabriß" war dies schon unmittelbar nach der Wende. Bezeichnend: Auf diesem Gelände etablierte sich ein großes BMW-Autohaus.

Interesse an den NVA-Filmen hatte man in der Folge verschiedentlich. So schaute sich z.B. in den 90er Jahren eine Sonderstaatsanwaltschaft, die beauftragt war, "Verbrechen" der Führungskräfte der Streitkräfte der DDR zu ahnden, in der Medienzentrale der Bundeswehr fleißig Dokumentar- und Lehrfilme der NVA an, um die Existenz eines Schießbefehls an Hand von Filmmaterial nachweisen zu können. Natürlich vergebens! Denn bis heute sucht man diesen angeblichen Schießbefehl.

Fernsehsender, vor allem der MDR, die sich mit dem Thema NVA auseinandersetzten, nutzten die Materialfülle des bei der Medienzentrale der Bundeswehr lagernden NVA-Filmstocks und wählten Ausschnitte für ihre Dokumentationen aus. Hübsch fand ich dann immer, wenn im Abspann dieser Fernsehfilme zu lesen war, daß man der Medienzentrale der Bundeswehr für ihre Unterstützung danke, natürlich nicht dem Filmstudio der NVA, denn das gab es ja nicht mehr. So wurden aus NVA-Filmen plötzlich Bundeswehrfilme, so schnell ging das!

In den knapp 30 Jahren seiner Existenz wurden im NVA-Filmstudio ca. 600 Dokumentarfilme, ca. 600 Ausbildungsfilme und ca. 300 Film-Magazine produziert. Ihre Schöpfer waren hochmotivierte Regisseure, Dramaturgen, Kameraleute, Produktionsleiter, Schnittmeisterinnen usw., zumeist Absolventen der Filmhochschule Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg. Für die professionelle Arbeit dieser meiner Mitarbeiter, für ihr Engagement auf einer besonderen Strecke des Filmschaffens der DDR ziehe ich heute noch meinen Hut.

Nach 1990 waren diese Filme zunächst ein absolutes Tabu. Der Medienzentrale der Bundeswehr muß man bescheinigen, daß sie mit Akribie und Gewissenhaftigkeit die ca. 1500 Filme digitalisieren ließ und einen Filmkatalog für zunächst nur "Berechtigte" herausgab. Er umfaßt immerhin 397 Seiten.

Der Zufall wollte es, daß ich beim Surfen im Internet im Herbst vorigen Jahres auf mein "Filmstudio der NVA" stieß und baß erstaunt war, welches wissenschaftliche Interesse diese Einrichtung inzwischen gefunden hat und wie "öffentlich" plötzlich unsere Filme wurden. Wer die Muße hat, kann da diesen Filmkatalog genüßlich lesen, denn bei der inhaltlichen Erläuterung bestimmter Filme verwendet man unsere ursprünglichen Formulierungen, die allerdings heutzutage etwas hölzern und verstaubt wirken.

In einem Buch "Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts" (R. Oldenbourg Verlag, München 2003) gibt es einen ausführlichen Beitrag mit dem Titel "Filme von der Fahne. Das Armeefilmstudio der NVA". Oberstleutnant der Bundeswehr Matthias Rogg beschreibt in relativ sachlicher Weise die ersten Jahre der Entwicklung unseres Studios: "Am stärksten manifestiert sich die politische Zielstellung des Armeefilmstudios in seinen knapp 600 Dokumentarfilmen (wie wahr!). Aber hinzugefügt sei, daß die knapp 600 Ausbildungsfilme eine wertvolle Stütze im System der militärischen Ausbildung waren."

Übrigens meint er auch, daß die thematische Palette auffällig viele Filme verzeichnet, die sich mit dem geistig-kulturellen Leben der Soldaten beschäftigt. Das gäbe es im Filmangebot der Bundeswehr leider nicht.

Eine weitere wissenschaftliche Arbeit über unser Studio wird im Internet genannt. Ich habe sie mir aber noch nicht besorgt und demzufolge auch noch nicht gelesen. Interessant ist aber, mit welchen Problemen man sich beschäftigt: Die Studentin Siri Anja Müller der Universität Potsdam, Germanistische Fakultät, schreibt eine Belegarbeit zum Thema "Die Sprache der NVA in den Ausbildungs- und Dokumentarfilmen der NVA". Ja, wie wichtig sind wir eigentlich geworden?

Es ist gewiß wahr, daß nicht alle unsere Filme das Gelbe vom Ei waren, thematisch oder auch künstlerisch. Sie haben aber Auftrag und Wesen der Nationalen Volksarmee widerspiegelt. Eine ganze Reihe von Filmen hat sicher doch Bestand und ihrer brauchen wir uns nicht zu schämen. Titel wie "Drei Semester Artillerie", "Und auf den Lippen ein Lied", "Begegnung mit Bildern" und "Hauptmann-Transport" sind Beispiele dafür. Bei Recherchen über den letztgenannten Film, eine Begegnung mit dem Dichter Gerhart Hauptmann, lernte ich übrigens auch den jetzigen Chefredakteur der Zeitschrift "RotFuchs" Klaus Steiniger kennen. Das ist über zwanzig Jahre her. Vielleicht berichtet er selbst mal über unsere gemeinsame Arbeit an diesem Film.

"blog. Oehsen. Info" schreibt im Internet: "Die NVA im Fokus. Das Bundesarchiv bietet durch die Digitalisierung von 1500 Filmen des Armeefilmstudios der NVA einen Einblick in 34 Jahre NVA. Hiermit wird ein weiterer Beitrag zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte gelegt. Frei zugänglich kann sich jeder sein eigenes Bild machen."

So bietet der Progreß-Filmverleih vier DVD-Kassetten mit 156 Filmen und einer Laufzeit von 48 Stunden an, übrigens auch zu einem erschwinglichen Preis. Man kann dort auch einzelne Filme kaufen oder ausleihen.

Damit erhalten die Schöpferkollektive sicherlich auch wieder ihre Namen. Wer hat die Filme gemacht, wer war Regisseur, Kameramann, Schnittmeisterin usw.? Man nimmt ja an, daß im Vor- oder Abspann daran erinnert wird.

Wir sind also wieder hoffähig geworden, trotz auch böswilliger Pressemeldungen. So schreibt ein Kommentator in einer süddeutschen Zeitung, daß die Filme des Armeefilmstudios die "DDR-Diktatur" widerspiegeln würden. Der Mann hat garantiert noch nie einen Film von uns gesehen!

Einige Leser des "RotFuchs" haben eventuell mittelbar oder auch unmittelbar Kontakt zur Arbeit des Filmstudios der NVA gehabt. Vielleicht interessieren sie diese Zeilen und sie werden angeregt, den einen oder anderen unserer Filme mal wieder anzuschauen.

Oberst a. D. Helmut Putzger, Strausberg

Anmerkung: Der Autor war von 1968 bis 1989 Chefdramaturg des Filmstudios der NVA.

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Vielseitiger Schriftsteller, Sprachpfleger und Diplomat

Franz Carl Weiskopf zum Gedenken

Franz Carl Weiskopf, der bereits mit 55 Jahren starb, ist seit langem bedauerlicherweise und unverdientermaßen nahezu vergessen. Der 1900 in Prag Geborene und 1955 in Berlin Verstorbene wuchs wie Kisch zweisprachig auf. Er lebte und arbeitete zwischen 1928 und 1933 sowie von 1953 bis 1955 in Deutschland. FCW - wie er genannt wurde - wies sich als Poet, Nachdichter, Publizist, Erzähler, Romancier, Feuilletonist, Literaturkritiker und Chefredakteur aus. Nach dem Krieg war der Schriftsteller für die Tschechoslowakei im diplomatischen Dienst in Washington, Stockholm und Peking tätig. Weiskopf leitete in der DDR mit Willi Bredel die Zeitschrift "Neue Deutsche Literatur".

FCW veröffentlichte in seinem relativ kurzen Leben und bei äußerst gewissenhafter Arbeitsweise über dreißig Bücher. Er bekannte sich zu folgendem Schaffensprinzip: "Der Schriftsteller muß es sich schwer machen, damit es der Leser leicht hat." Seine Frau Grete Weiskopf - als Kinderbuchautorin unter dem Pseudonym Alex Wedding bekannt - beobachtete seine immense Arbeitsleistung und urteilte: "Franz war ein leidenschaftlicher, disziplinierter Schriftsteller und ein leidenschaftlicher Verteidiger der deutschen Sprache. In der Arbeit kannte er keine Grenzen. Er gönnte sich nur wenige Stunden Schlaf ... An mancher Seite schrieb und feilte er den ganzen Tag."

Auf Grund dieser verantwortungsvollen Arbeitsweise zeichnen sich Weiskopfs Romane durch Übersichtlichkeit in der Gedankenführung, Klarheit in der Struktur und sprachliche Gediegenheit aus. Er legte die Romane "Inmitten des Stroms" (1917), "Das Slawenlied" (1931), "Lissy" (1937), und "Himmelfahrtskommando" (1945) vor, die hohe Auflagen erreichten. Sein umfangreicher Roman "Abschied vom Frieden" (1950) spielte in der ausgehenden k. u. k. Monarchie in Wien. Der Autor nannte einmal die Anekdote das "liebste Kind" seines schriftstellerischen Schaffens. Bleibende Verdienste erwarb er sich um deren Pflege und Belebung in den Nachkriegsjahren. Nach Kleist und Hebel verlieh er ihr wieder die Operativität, derer sie bedarf, was sein Buch "Elend und Größe unserer Tage. Anekdoten 1933-1947" (1950) und "Das Anekdotenbuch" (1959) bezeugen. Mit sprachlicher Dichte, Unmittelbarkeit und dramatischer Dialogisierung wußte er das anekdotische Geschehen erschreckend, alarmierend und aktivierend vorzustellen. "Die Geschwister von Ravensbrück" lernten die Schüler im Literaturunterricht kennen. Weiskopfs Romane, Erzählungen, Reportagen, Anekdoten und andere Werke erreichten ein breites Publikum, erzielten hohe Auflagen und wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Ihre große Wirkung beruhte auch darauf, daß der Autor stets konsequent die Maxime verfolgte, nach der die schöne Literatur zu erziehen, zu bilden und auch zu unterhalten habe. Vielbeachtet waren seinerzeit seine Sowjetunion-Reportagebände "Umsteigen ins 21. Jahrhundert" (1927) und "Zukunft im Rohbau" (1932), beide im Malik-Verlag (mit Umschlägen von John Heartfield) erschienen.

Weiskopfs besonderes Augenmerk galt der Sprache, denn die Klarheit des Denkens war für ihn nicht ohne deren Klarheit möglich. 1955 erschien seine Sammlung "Zur Verteidigung der deutschen Sprache", die ihn als "Wortschatzgräber" auswies. Seit 1957 verlieh die Akademie der Künste der DDR den "F.-C.-Weiskopf-Preis" für "Verdienste um die Reinhaltung und schöpferische Weiterentwicklung der deutschen Sprache". Mit ihm ehrte man unter anderem Rudolf Schaller, Eva Schumann, Georg Möller, Thomas Reschke und Rainer Kirsch. Zu verweisen ist auf Weiskopfs Nachdichtungen, so aus dem Chinesischen in den Bänden "Gesang der gelben Erde" und "Des Tien Tschien Lied vom Karren". Feuchtwanger bekundete: "Ihre Nachdichtungen sind reine Kunst."

Über sein großes Vorbild Emile Zola äußerte Weiskopf: "Die Güte regiert seine Handlungen, ihr Geist durchdringt seine ganzes gewaltiges Werk. Aus seiner Güte wächst die Sorge um die Gerechtigkeit, wächst sein Kampf um die Verbesserung der Welt."

1963 erschien das Gedenkbuch für FCW "Erinnerungen an einen Freund". Seine Zeitgenossen schätzten Weiskopf als einen prachtvollen und überaus liebenswürdigen Menschen mit einer tiefen humanistischen Gesinnung. Sie sahen in ihm einen Mann, "der die Güte, Bescheidenheit und Klugheit selbst war, der als Optimist lebte, weil der Optimismus zu den Grundlagen seines Charakters gehörte" (Grete Weiskopf) - "der etwas ausstrahlte, was bewirkte, daß kein Hemmnis gegen die Freundlichkeit aufkam" (Arnold Zweig) - "der bis zuletzt das Gesicht eines gescheiten, vernünftigen und wißbegierigen Knaben trug; der niemals müde gesehen worden ist und nie gezögert hat, eine neue, mühsame Aufgabe zu übernehmen" (Lion Feuchtwanger). Die Reihe ähnlicher lobender und bewundernder Worte ließe sich fortsetzen. Weiskopf war ein Mensch, der moralische Größe und persönliche Wärme ausstrahlte. Der Dietz-Verlag Berlin legte 1960 eine Ausgabe "Gesammelte Werke in Einzelausgaben" in acht Bänden vor, deren Auswahl Grete Weiskopf und Stefan Hermlin besorgten. Die Akademie der Künste der DDR plante Ende der 80er Jahre eine neue Ausgabe "Gesammelte Werke", die bis 1995 voraussichtlich elf Bände umfassen sollte. Weiskopfs große Romane wurden erfolgreich verfilmt. 1937 veröffentlichte er seinen ersten in der Emigration geschriebenen Roman "Die Versuchung", in dem er die Atmosphäre Berlins am Vorabend der Machtübernahme Hitlers lebendig werden ließ. Der Roman mit der reizvollen Frauengestalt erschien 1954 in der DDR unter dem Titel "Lissy oder Die Versuchung". 1957 wurde Konrad Wolfs DEFA-Spielfilm "Lissy" uraufgeführt, in dem Sonja Sutter, Hans-Peter Minetti, Horst Drinda, Gerhard Bienert u. a. mitwirkten. Das Drehbuch zu einem Frauenschicksal im Berlin der 30er Jahre hatten Grete Weiskopf und der Regisseur verfaßt. Der Roman "Abschied vom Frieden" über den Niedergang der Donaumonarchie und das Schicksal einer Großbürgerfamilie verfilmte der Regisseur Hans-Joachim Kasprzik im Jahre 1979. In dem dreiteiligen Fernsehdrama mit großer Besetzung wirkten Jutta Hoffmann, Angelika Waller, Erwin Geschonneck, Erika Pelikowsky, Madelaine Lierck, Norbert Christian, Horst Schulze, Angelica Domröse, Lutz Jahoda u. v. a. mit.

Weiskopfs Maxime lautete: "Was Dichtung immer und insbesondere in unserer Zeit sein soll: Schwester der Politik und der Philosophie, wie diese bemüht, den Menschen zu helfen, diese Welt besser, schöner, menschenwürdiger zu machen."

Dieter Fechner

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Eine Märchengeschichte, die ans Herz rührt

Der Blaue Blick und das krause Haar

Vor Jahren führte mein Weg über das Waisenhaus am Rande der Stadt, in dem ich leidenschaftlich gelebt habe. Ich war eine erfolgreiche "Kinderhüterin" an einer Multikulti-Schule gewesen. Dort sollte ich mein Talent zeigen und Dankbarkeit gegenüber der Gesellschaft beweisen, die mich einstmals als Kind aufgenommen und großgezogen hatte.

Nach Jahren der Tätigkeit im Stadtteil "Offene Welt" und des Studiums bekam ich wie Einheimische eine vernünftige Aufgabe zugewiesen. Viele sagten, es wäre ein sozialer Brennpunkt, der es schwer habe, sich durchzusetzen und zu behaupten.

Ich bin ja aus einem fernen Land eingereist und habe es geschafft, die deutsche Sprache zu erlernen und die Mentalität des Westens zu durchschauen. Ich habe mir zugetraut, Kinderhüterin an der schwierigsten Schule der Stadt zu werden. Eine Kollegin dort war eine Hiesige mit glattem Haar, die mich von Anfang an ignorierte und ablehnte. Sie sagte ganz offen zu mir: "Du bist von fernher eingedrungen. Ich mag dich und deine Herkunft nicht. Ich arbeite nicht mit dir zusammen. Du willst mir die Kinder wegnehmen!"

Ihre Worte trafen mich wie ein Stich ins Herz. Was hatte ich dieser einheimischen Kinderhüterin denn getan, fragte ich mich. Hatte ich ihr tatsächlich das Brot weggenommen, die Kinder entzogen, die sie selbst erziehen wollte? Hatte ich ihr die Bleibe gestohlen? Ich konnte mit dieser Ablehnung nicht leben. In sehr kurzer Zeit bin ich innerlich vereinsamt.

Ich rang mit mir: Wer bin ich? Wo gehöre ich hin? Warum war ich in dieses Land geraten? Was ist in meinem Heimatland passiert?

So gelangte ich in das Waisenhaus am Rande der Stadt, wo Einheimische und Menschen aus der Ferne in einem Boot saßen und Schicksalsgefährten waren. Ich fand es zuerst sehr unangenehm, dort zu sein und überlegte, was ich hier zu suchen hätte.

Eines Tages nahm ich einen Leidensgenossen wahr, den ich sofort sympathisch fand. Ich nannte ihn den Blauen Blick. Er war ein Waise des Landes voller Hoffnungslosigkeit. Er war verliebt in eine Märchenprinzessin, in Aschela, und traurig, weil sie kein Interesse an ihm bekundete.

Ich saß tagelang auf dem Flur des Waisenhauses und dachte an meine Jugendliebe, den Märchenprinzen, der mir genommen worden war. Also hatten wir dieselben Herzensschmerzen: verlorene Geliebte, verlorener Geliebter.

Im Laufe der Zeit freundete ich mich mit dem Blauen Blick an. Er erzählte mir von seiner Prinzessin, ich ihm von meinem Prinzen. Wir waren wieder glücklich, als ob wir unsere Verlorenen wiedergefunden hätten. Der Blaue Blick erschien mir fast wie mein Prinz, der in meinem Leben wieder aufgetaucht war. Eines Tages war ich sehr verwirrt und fragte ihn nach seiner Augenfarbe. Meine alte Liebe, mein Prinz, hatte keinen blauen Blick. Er hatte einen anderen Farbton besessen.

Da lachte er: "Meine Prinzessin hatte auch keine krausen braunen Haare, aber laß es. Laß uns aneinander Freude haben!"

Die Bewohner des Waisenhauses waren schicksalsgeschlagen und sehr traurig. Den Waisenhüterinnen gefiel unsere Freude miteinander nicht. Sie sagten: "Ihr sollt euer Flirten nicht übertreiben, während die anderen so betrübt sind!"

Da beschlossen wir, mit unserer Freude bescheiden zu sein. Aber ich habe sehr viel positive Energie aus seinen blauen Blicken geschöpft, wenn wir auch nicht laut miteinander sprechen durften.

Der Blaue Blick versuchte, das Unerfreuliche, das die eingesessene Kinderhüterin mit dem glatten Haar über mich gebracht hatte, abzumildern. Er zeigte mir, daß es in dieser Stadt auch Leute gibt, die Menschen aus der Ferne gern haben und keinen Unterschied machen wegen Haartracht und Haarfarbe. Ich war beruhigt und wieder hoffnungsvoll. Es existierte jetzt ein Licht in meinem Leben, der Blaue Blick. Ich träumte, Gott habe den Menschen diesen Ausgleich geschenkt. Wo es dunkle Wolken gebe, da seien auch Menschen mit blauen Blicken, bei denen man sich von der Hoffnungslosigkeit erholen könne.

In kurzer Zeit war ich fast verliebt in den Leidensgenossen mit dem Licht in den Augen.

Nach einer Weile verließen wir das Waisenhaus am Rande der Stadt. Aber wir hielten Kontakt zueinander. Die Parks und Spazierwege kennen unsere freundschaftlichen Schritte. Eine Ewigkeit waren wir nur an einer solchen Beziehung interessiert.

Eines Tages kam ich von einer meiner Reisen zurück. Denn ich fahre hin und wieder in die Ferne, um Kraft zu schöpfen. Ich kam in meiner tatsächlichen neuen Heimat an. Dort traf ich den Blauen Blick. Er war voller Sehnsucht. Ich sah in seinen Augen eine Leidenschaft, die mich an meine erste Liebe erinnerte.

Oh, mein Gott, womit habe ich dieses Glück verdient, sagte ich zu mir. Auf einmal sah ich die gegenseitige Anziehungskraft zwischen uns. Nach ewig langen Jahren konnte mein Herz vor Liebe, Zuneigung und Anziehungskraft klopfen.

In der Ferne, von wo ich gekommen bin, sagt man: "Wenn Gott eine Tür schließt, dann öffnet er eine andere."

Ich sah mich von meinem Waisendasein erholt und wieder mit Lebensfreude erfüllt. Es war ein besonderes Geschenk, den Blauen Blick zu treffen. Seit Jahren leuchtet das Licht in seinen Augen. In meinem Leben hat sich vieles verändert. Wir haben erkannt, Leidensgenossen mit Leidenschaft zu sein. Ich habe jetzt einen Lebens- und Kunstraum eingerichtet und lebe trotz der negativen Seiten dieser Gesellschaft gerne in dieser wundervollen Stadt, die mit Künstlern und Leuten aus der Ferne geschmückt ist. Eine kleine Welt mitten in Deutschland. Mein Blauer Blick wohnt immer noch in seiner Bleibe, welche jetzt helle Farben trägt und nach Lebensfreude aussieht.

Es war eine fruchtbare Begegnung im Waisenhaus. Die böse Kinderhüterin betreut noch immer Kinder, auch die aus der Ferne. Sie wollte mir die Freude, in diesem Land zu sein, nehmen, war eifersüchtig, daß ich die Sprache derer aus der Ferne verstehen konnte. Sie war eigentlich eine arme Frau mit übertriebenen Ängsten. Glatthaar, wie ich sie in Gedanken nenne, tut mir wirklich leid.

Man hat mir ein reicheres Leben gegönnt. Seitdem ich das Waisenhaus betreten habe, schreibe ich. Ich fand einen Weg, mir öffnete sich ein Horizont, eine Galaxie. Ich bin Expertin geworden, die positiven Blicke zu erkennen und gegen die negativen Blicke wirkungsvoller vorzugehen.

Der Blaue Blick aus dem Waisenhaus leuchtet immer noch in meinem vielseitigen Dasein. Er lebt bescheiden, zufrieden, vor sich hin. Ich reise durch die Kontinente und in meinen Schriften durch die Herzen der Mitmenschen.

Wir sind beide ausgeglichener, als wir in unserer Märchenliebe je geträumt hatten. Die Leidenschaft zum Fabulieren haben wir behalten. Aber das Leben besteht ja nicht nur aus Märchen. Das haben wir erkannt. Ich als eine Frau mit der Herkunft aus der Ferne, er als ein alteingesessener Einheimischer. Unsere Leidenschaft, unsere Freundschaft ist die Hoffnung des Landes, auf dem eine braune Vergangenheit lastet.

Ich empfehle jungen Menschen, sich mit Kindern anderer Kulturkreise anzufreunden und sich vielleicht auch in sie zu verlieben. Gegen Berührungsängste, Vorurteile und Alltagsrassismus ist das ein wirkungsvolles Mittel.

Selma Kociva, Dortmund

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Archie unterwegs nach Kuba

Er stand bei Walter an der Theke auf ein Bier in Baumschulenwegs Eckkneipe an der Kiefholzstraße, wo immer die Totenfeiern nach der Beisetzung abgehalten wurden. Die Trauergemeinde kam betrübt rein und ging beschwipst wieder raus nach guten Schnäpsen und reichlichem Imbiß. "He, Walter, noch 'ne Runde", rief dann meist der jeweilige Witwer nach zwei Stunden, wenn er unsicheren Schrittes an der Theke vorbei zur Toilette ging. Das klingelte alles gewaltig in Walters Kasse, der damals Millionär gewesen sein muß, wie man munkelte, und noch dazu in der DDR!

Walter war nicht knauserig, aus bestimmten Anlässen schmiß er teure Saallagen. Er ließ anschreiben, und am Heiligabend gab es von einer gewissen Uhrzeit an Gratisschnaps. Penner und Arbeitslose kannte man damals nicht, also waren nur wenige im Laden um die Zeit. "Hör mal zu, Archie, du mit deinen Sprachen, willst du nicht mal nach Kuba? Die 'MS Völkerfreundschaft' fährt im November hin, kommt kurz vor Weihnachten zurück. Wenn du nicht genug Knete hast, kann ich dir was pumpen."

Walter war ein echter Berliner Kumpel. Sie kannten sich schon von der Zionskirchstraße her, wo Archie als Student im Hinterhaus früher beengt gewohnt hatte. "Kann sein, daß ich drauf zurückkomme", sagte Archie, der inzwischen eine geräumige AWG-Wohnung im Neubauviertel in der Nähe hatte. "Anfang des Jahres bekomme ich meinen Trabbi", meinte er. "Na, dann überleg's dir", sagte Walter und schob ihm ein gutes Pils für 60 Pfennig hin.

Im November fuhr Archie also nach Rostock, ein wenig unsicher, und vielleicht hatte er sich doch übernommen. Seine Frau konnte nicht mit. Als Lehrerin hatte sie in der Zeit keine Ferien. Archie bekam Urlaub von seiner Arbeitsstelle, dem Fernsehen der DDR. Sie gaben ihm noch eine 16-mm-Kamera, Admira Electric, tschechischer Bauart, für ein paar Aufnahmen mit. Als Warnemünde immer kleiner wurde, kamen ihm fast die Tränen, vier Wochen hin und zurück, und nur fünf Tage Kuba. Es lag eine Menge Arbeit auf seinem Schreibtisch zu Hause.

Die Kabine, die billigste, bestand aus zwei Doppelstockbetten, rechts und links, in der Mitte kaum Platz, Schotten dicht. Einer der drei mitreisenden älteren Herren lag später stets seekrank in der Koje. Aber es war immer etwas los an Bord des Schiffes, dessen Räumlichkeiten auf jedem Deck für alle zugänglich waren. Man saß irgendwo gemütlich an einem Tisch mit Fenster und Blick aufs Meer und konnte arbeiten oder dösen. Die Preisklassen auf dem Schiff waren die der DDR, für jeden erschwinglich, ansonsten Vollverpflegung, beste Küche - alles mit Welt-Niveau und picobello - wie sein Nachbar bei den Mahlzeiten immer sagte. Er war ein Genossenschaftsbauer aus der Lausitz, der mit der Zunge dazu laut schnalzte. Besonders das Fleisch imponierte ihm. "Wo die bloß das frische Fleesch herham und die guten Abernkleeßel, einwandfrei."

Archie erwiderte, wobei er ihn erheiterte, er solle doch mal nachgucken, ob sie nicht lebende Rindviecher mit an Bord haben. Es gab einen echten Bevölkerungsdurchschnitt auf dem Schiff, Ärzte, Ingenieure und Techniker, Angestellte, aber in der Mehrzahl Facharbeiter und LPG-Bauern, auch Funktionäre. Alle haben sich stets zu den Mahlzeiten fein gemacht, irgendwie, mit Schlips und Kragen. Nur nach dem Abendessen in der Bar hingen sie dann in Trainingsanzügen herum. "Am Ohmd sieht's hier in der Bar immer aus wie bei uns daheeme in der guten Stube", sagte der Lausitzer Nachbar. Ab Höhe der Azoren, als es wärmer wurde, kleideten sich die Passagiere legerer. "Laß doch die Leute, Erwin, wenn sie sich so wohler fühlen", sagte Archie, um ihn zu besänftigen.

Oben an Deck gab es ein mittleres Schwimmbad, wo manchmal auch draußen Getränke gereicht wurden, wenn es nicht zu stürmisch war. Die Badesachen wurden rausgeholt, und als sie dicht an São Miguel, dem Verwaltungszentrum der größten Azoreninsel, vorbeifuhren, konnte man mit bloßem Auge die Straßenzüge erkennen. Alles stand an der Reling und winkte den Küstenschiffen zu. Flugzeuge kreisten tief über der "Völkerfreundschaft", deren Schornsteine eine dicke Bauchbinde mit der Aufschrift FDGB trugen. Archie fragte sich, wie das wohl die Leute von der CIA in den Maschinen gedeutet haben mögen.

Die Zeit an Bord verging rasch, und schon fuhren sie langsam in den Hafen von Havanna ein. Die fünf Tage auf Kuba: Hauptstadtaufenthalt, Ausflüge nach Varadero und Matanzas, ca. 140 km eine Tour, vergingen wie im Rausch, natürlich war auch das weltberühmte "Tropicana" dabei, wo die Girls anschließend mit den Touristen tanzten.

Man überlege und staune: Das ist jetzt 45 Jahre her. Archie war dort 1964, als der revolutionäre Elan am Überschäumen war. Die karibische Gastfreundschaft zu den Gästen aus der DDR kannte keine Grenzen. Aber es galt auch dies und jenes zu berücksichtigen. So bat der Kapitän, auf die jungen Blondinen unter uns zu achten, die von den Kubanern enorm bevorzugt wurden.

Natürlich streifte Archie durch die Altstadt von Havanna, durch Vedado und Miramar, Stadtteile der Metropole, den Malecon entlang am Meer, beeindruckend!

Man konnte allerdings auch ins Fettnäpfchen treten, und sei es barfuß. Archie wollte unbedingt zwei kubanische Langspielplatten kaufen, doch das Geld reichte nicht. Der Verkäufer war scharf auf seine schwarzen Schuhe. Archie zog sie aus, gab sie ihm, nahm die Platten, ging barfuß zum Schiff. Aber so zu laufen, war in dieser Zeit verpönt. Es erinnerte an die lange Periode, in der Kuba von den Amerikanern wie eine Kolonie behandelt und erniedrigt wurde.

Nach den tollen Höhepunkten langweilten sich viele auf der Rückreise. Archie tat das mitnichten, auch wenn tagelang nur das Meer zu sehen war. Es gab da unglaubliche Perspektiven zwischen Himmel und See, Sonne, Mond und Sternen. Adios Cuba, mi amor!

Manfred Hocke

Raute

Leserbriefe an ROTFUCHS

Die deutsche Rüstungsindustrie war in erheblichem Maße am Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser in Gaza beteiligt. Denn BRD-Kriegstechnik steckt in Heer, Marine und Luftwaffe Israels. Auch in der Regierungszeit des Schröder-Fischer-Kabinetts (1999 bis 2005) wurden Waffen im Wert von 1,04 Mrd. Dollar mit höchster Genehmigung an Tel Aviv geliefert.

Wer sollte sich da wundern, wenn in wenigen Tagen mehr als 1300 Palästinenser getötet wurden, davon ein Drittel Kinder. 22 000 zerstörte Wohnungen gehören zur Bilanz des Schreckens, ganze Stadtteile sind verschwunden. Was an Schulen, Moscheen, Krankenhäusern und Einrichtungen internationaler Hilfskräfte sowie an gespendeten Lebensmitteln vernichtet wurde, ist kaum zu beschreiben.

Es gibt ein Bild im Internet: Ein Vater hält sein verkohltes Baby hoch.

Dafür kann und darf es keine Entschuldigung geben!

Elisabeth Monsig, Friedrichsthal


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Barack Obama weiß, daß die geschwächte Weltmacht USA vor allem den enormen Vertrauensverlust wettmachen muß, der in den letzten acht Jahren unter Bush innen- und außenpolitisch entstanden ist. Um Amerika zu "erneuern", müßte er anknüpfen: an das Credo der Gründerväter "Freundschaft mit allen Staaten, arglistige Verknüpfungen mit keinem"; an die Politik des "Great Deal" Franklin Delano Roosevelts in den 30er Jahren, der die Wirtschaftskrise mit mehr Staatskapitalismus und stärkerer Übereinstimmung von wirtschaftlichem Wachstum und sozialer Absicherung zu überwinden suchte; an die "Appeasement-Politik" der Carter-Administration der 70er Jahre, als es darum ging, die Interessen nicht mit dem militärisch-industriellen Komplex verbundener Wirtschaftskreise wieder stärker wahrzunehmen; an die Ansätze einer gewissen Koexistenzpolitik, die auch eine Normalisierung der Beziehungen zu Kuba einschlösse. Die "Rußlandfrage" wäre überdies neu zu stellen, Obama müßte sich von den Zielen der Bush-Administration freimachen, nach dem Zusammenbruch der UdSSR nun Rußland zu zerschlagen - nicht zuletzt durch die Stärkung USA-höriger Kräfte in der Kaukasusregion und in ganz Mittelasien. Mit anderen Worten: Obama müßte scharfe Spannungen zwischen den USA und Rußland vermeiden.

Horst Joachimi, Berlin


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Bush hinterläßt seinem Nachfolger Barack Obama viele Probleme, darunter drei Kriege (Irak, Afghanistan und Operation Enduring Freedom), eine zerrüttete Wirtschaft, deren Rezession sich immer mehr vertieft, und einen hochverschuldeten Staat.

Seit dem Amtsantritt der Bush-Administration im Jahre 2001 stiegen die Rüstungsausgaben der weltgrößten Volkswirtschaft um ca. 60 %. Sie betrugen 2007 rund 250 Mrd. Dollar und machten mit 45 % fast die Hälfte der Weltrüstungsausgaben aus. Von Clinton übernahm Bush einen Haushaltsüberschuß von 128,2 Mrd. Dollar. Im Jahr 2008 betrug das geschätzte Haushaltsdefizit 258 Mrd. Dollar. Die Staatsverschuldung der USA wuchs im gleichen Zeitraum von enormen 5,8 Billionen auf über 10 Billionen Dollar (September 2008). Das entspricht dem 1,7fachen des Jahres 2001 und mehr als 65 % des Bruttoinlandsprodukts der USA. Erstmals überstieg die US-Verschuldung die Grenze von einer Billion Dollar unter dem Republikaner-Präsidenten Reagan im Jahre 1981. Sie ist danach immer rasanter angewachsen. Heute sind die USA der größte Nettoschuldner der Welt.

Dr. Ulrich Sommerfeld, Berlin


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Der Beitrag Dr. Matin Barakis "Das Afghanistan-Verbrechen" verdeutlicht die Gefahren, die sich aus der NATO-Strategie ständiger Truppenverstärkungen in Afghanistan für Nah- und Mitteloststaaten wie Iran, Pakistan, Syrien u. a. durch eine mögliche Eskalation des Krieges ergeben. Eine militärische Lösung ohne spürbaren Wirtschaftsaufschwung im Lande dürfte für die NATO nicht in Sicht sein. Manche Andeutungen des neuen USA-Präsidenten weckten zunächst Hoffnungen - allerdings nicht in bezug auf Afghanistan. Außer taktischen Korrekturen ist ein strategischer Wandel kaum zu erwarten.

Nach dem Ende des Irakkrieges will sich Obama ganz auf Afghanistan werfen. Dazu sollen Teile des USA-Kontingents vom Golf dorthin verlegt sowie weitere Einheiten aus NATO-Staaten angefordert werden. Die BRD und Frankreich stimmten dem in vorauseilendem Gehorsam bereits zu. Das Geschehen verlangt weiterhin eine genaue Beobachtung der Politik der USA und ihrer NATO-Verbündeten bis zum Ende des "Afghanistan-Verbrechens".

Joachim Wolf, Strausberg


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Der 24. März 1999 ist für den militärisch-industriellen Komplex des deutschen Imperialismus ein denkwürdiges Datum. Nachdem der Warschauer Vertrag und die dazu gehörige DDR nicht mehr bestanden, war das größte Hemmnis für militärische Aktionen im Ausland beseitigt.

Gründe und Voraussetzungen für den ersten NATO-Angriffskrieg in Europa waren mit deutscher diplomatischer Vorleistung auf dem Balkan und einer unverschämten Lügenpropaganda zum Kosovo-Konflikt geschaffen worden. So wie 58 Jahre zuvor Hitlers Militär wütete und mit Infanteriewaffen über 20.000 Zivilisten der Städte Kragujevac und Kraljevo als Geiseln ermordete, konnte nunmehr das ganze serbische Volk 78 Tage lang mit modernster Vernichtungstechnik bei 32.000 Bombereinsätzen dafür bestraft werden, daß es immer noch mit Milosevic an der Spitze Reste des Sozialismus bewahrte. Von deutschen Tornadopiloten und mit deutscher Logistik wurden u. a. das Automobilwerk Zastava in Kragujevac, Raffinerien in Pancevo, die Brücken von Novi Sad und Varvarin bei zivilen Opfern schwer getroffen oder gänzlich zerstört. Die Lüge vom angeblichen serbischen Massaker in Racak und der "Hufeisenplan" hatten ihren Zweck erfüllt, um die albanische Terrororganisation UCK hoffähig und den imperialistischen Einfluß auf dem Balkan perfekt zu machen.

Manfred Holfert, Löbau


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Der RF-Kommentar "Wenn Flaggschiffe sinken ..." beschreibt die tiefste Krise des kapitalistischen Systems. Nicht nur die "Spekulationsblasen" sind geplatzt, auch die Legende von einer nunmehr krisenfreien "sozialen Marktwirtschaft" ist aufgeflogen. Noch vor wenigen Monaten tönte die Kanzlerin, der Aufschwung sei "unten angekommen". Dieser Satz ist unterdessen im Reich der Legenden versunken.

Roland Winkler, Remseck


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Vor namhaften und einflußreichen bundesdeutschen Bankern äußerte sich unlängst in Frankfurt/M. auch Bundespräsident Köhler zu dem schlimmsten "Bankenskandal" seit Generationen. Er tadelte die Geldverwalter in aller Öffentlichkeit und forderte eine "grundlegende Erneuerung des Bankgewerbes". Dieses solle vor allem durch Besinnung auf die Tugenden des soliden Bankiers wie Demut, Anstand und Bescheidenheit angestrebt werden. Nun sind moralische Appelle an die Repräsentanten des Finanzkapitals vergebliche Liebesmüh, ist doch seine einzige "Tugend" die Profitmaximierung. Das war, ist und bleibt wesensbestimmend für den Kapitalismus.

Der Weg aus der weltweiten Krise ist objektiv mit der Systemfrage verbunden. Selbst bürgerliche Politiker und Medienleute kommen nicht umhin, Überlegungen in diesem Sinne anzustellen. Bayerns Ministerpräsident Seehofer konstatierte, das System des "absoluten Marktradikalismus und Neoliberalismus" sei zusammengebrochen. Christian Bommarius schrieb in der "Berliner Zeitung", daß man kein Sozialist sein müsse, "um zu sehen, daß der Kapitalismus ausgespielt hat".

Prof. Dr. Manfred Naundorf, Rangsdorf


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Wenn man heutzutage Nachrichten verfolgt und politische Akteure beobachtet, dann sieht man die verzweifelten Versuche, eine jahrzehntelange Fehlentwicklung "zu beheben". Diese Leute begreifen indes nicht, daß der Kapitalismus der hemmungslosen Spekulation am Ende seiner Möglichkeiten angelangt ist.

Ein Krisengipfel jagt den anderen, und Tenor aller angebotenen Lösungen war immer nur, Investitionen, Investitionshilfen, Darlehen und Überbrückungskredite lockerzumachen, also noch mehr Geld in Umlauf zu bringen, um die ins Trudeln geratenen Finanzen "zu sanieren". An Worten, die den Geldbedarf ausdrücken, herrscht kein Mangel. An realistischen Vorschlägen, wie das Problem angepackt werden müßte, schon.

Dem allem liegt nicht nur ein wesentlicher ökonomischer Denkfehler zugrunde, der in der Annahme besteht, Geld wäre derzeit irgendein Ausdruck für tatsächlich durch der Hände Arbeit geschaffene Werte, und mit einer bis zum äußersten überreizten ungedeckten Währung sei noch irgend etwas zu bewegen. Mit anderen Worten: Kredite mit Krediten der Kredite zu finanzieren ist schon deshalb blanker Unsinn, weil in deren Wertschöpfungskette nicht ein einziger Cent vergegenständlichte Arbeit steckt, die nun einmal Entstehungspunkt des Mehrwerts ist.

Jochen Singer, Leipzig


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Prominenteste Vertreter der Kirchen haben sich in jüngster Zeit zu den Mißständen der Gegenwart geäußert. So sagte der Papst in seiner Weihnachtsbotschaft: "Wenn jeder allein an seine Interessen denkt, kann die Welt nur zugrunde gehen. Die Gläubigen dürfen sich nicht an brudermörderischen Haß und an die Ausbeutung des Menschen durch andere Menschen gewöhnen."

Der evangelische Bischof Huber erklärte im Berliner Dom: "Meine Sorge gilt ganz besonders denen, die in wachsender Zahl an den Türen der Suppenküchen warten, die auf eine Mahlzeit der Armentafel hoffen, weil sie anderes sich nicht leisten können."

In diesem Sinne äußerte sich auch der Vorsitzende der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, im Freiburger Münster: "Angesichts der Finanzkrise macht es nachdenklich, wenn über Nacht Milliardenbeträge für Geldinstitute bereitgestellt werden, andererseits aber Mittel fehlen, um das Kindergeld um mehr als 10 Euro zu erhöhen."

Geben wir noch der Landesbischöfin von Hannover, Margot Kässmann, das Wort: "Woher kommt plötzlich dieses Geld? Wäre es nicht auch in der Pflege, in der Aufstockung von Harz IV und bei Familien in Not gut angebracht?"

Werner Juhlemann, Geithain


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Ich entnehme den "Grübeleien" Dr. Franz Köhlers, daß er viel in der Sowjetunion herumgekommen ist und dabei oft Unzulänglichkeiten beobachten konnte. Dazu meine Meinung: Politische Entscheidungen wurden nicht nach theoretischen Texten getroffen, sondern auf Grund konkreter Gegebenheiten. Sollten die Bolschewiki etwa Kerenski unterstützen, um buchstabengetreu erst einmal die bürgerliche Revolution zu verwirklichen? Sollte Mao Tse-tung zunächst der Clique Tschiang Kaischeks zur Macht verhelfen, nachdem sie Tausende Kommunisten niedergemetzelt und ihn zum Langen Marsch nach Yennan gezwungen hatte? Oder sollte Lenin vielleicht auf die Revolution in den Industrieländern Westeuropas warten, bevor er am 25. Oktober 1917 alter Zeitrechnung die Macht im chaotischen Rußland übernahm?

Was die Buchstabengelehrten in ihrem Hang zum Dogmatismus übersehen, sind Faktoren, die beim Ringen um politische Macht oft ausschlaggebend sind. Dazu gehört die Reaktion der herrschenden Klasse auf revolutionäre Herausforderungen. In Rußland packten Adel und alte Intelligenz rasch ihre Köfferchen mit Wertsachen, um nach Paris zu verschwinden; in Deutschland hingegen zerschlugen die Machthaber die Marinerevolte in Kiel, enthaupteten die Kommunisten durch Ermordung Luxemburgs und Liebknechts und unterdrückten später mit Hilfe der rechten Sozialdemokraten und ihrer Polizei auch die Arbeiteraufstände an der Ruhr, in Sachsen und Hamburg.

Lenins Losungen waren keine theoretischen Traktate, sondern faßten die dringendsten Bedürfnisse des Volkes genial zusammen. Die Sorge um das menschliche Wohl war auch der Antrieb zur Neuen Ökonomischen Politik (NÖP), die dem Führer der Bolschewiki geharnischte Kritik seitens neunmalkluger Linker einbrachte. Die Losung "Sozialismus in einem Land" war die Reaktion auf die westliche Einkreisungspolitik.

Dr. Vera Butler, Melbourne


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Der RF-Beitrag "Zerrissene Lügenschleier" über die "Frau vom Checkpoint Charlie" ist mir unter die Haut gegangen. Ich machte dazu eine persönliche Erfahrung. Eine Kirchgemeinde in Cottbus hatte eine in Westdeutschland nicht mehr benötigte Orgel aufgearbeitet und sie nach Wolgograd gebracht, wo sie in eine rekonstruierte evangelische Kirche eingebaut wurde. Da ich zehn Jahre in Moskau gearbeitet hatte (davon fünf Jahre im Apparat des Militärattachés der DDR-Botschaft), interessierte mich dieses Projekt. Ich war auf Grund meiner Sprach- und Landeskenntnisse willkommen, diesen Transport zu begleiten und weitere Aktivitäten sprachmittlerisch zu unterstützen.

Es ergab sich ein guter Kontakt zum Kantor und zu vielen Chormitgliedern, so daß ich eine Tätigkeit im Rahmen einer MAE (Umschreibung für 1-Euro-Job) im Kantorat aufnehmen konnte. Die "Projektleiterin", die meine Unterlagen kannte und stets betonte, in der DDR wegen ihres Glaubens gedemütigt worden zu sein (so sei sie nie Abteilungsleiterin in einem Ministerium geworden, sondern immer nur Stellvertreterin geblieben) fragte mich zu Beginn, ob ich mich als "strammer Kommunist" verhalten hätte. Ja, und dann nahm sie mich mal beiseite und sagte unter Bezug auf "Die Frau vom Checkpoint Charlie", es gäbe meinetwegen Diskussionen, weil ja behauptet würde, "Täter" versteckten sich auch in Kirchen. Es half wohl nichts, daß ich ihr sagte, niemand sei ein Täter, den man nicht rechtskräftig verurteilt habe.

Seit dieser Zeit war die Vorzeige-Christin bemüht, mir Fehler in der Arbeit nachzuweisen und meine Beziehungen zum Kantor zu untergraben. Schließlich befreite mich die ARGE auf eigenen Wunsch von dieser Tätigkeit.

Fazit: Das Gift der Lüge, der Hetze und des Unfriedens wirkt auch unter den Gewölben von Kirchendächern. Übrigens erwiesen sich die angeblichen "Diskussionen" über mich als ebensolche Fälschung, wie sie Prof. Schneider enthüllt hat.

Das größte Glück für mich ist die Entdeckung des "Rot-Fuchs". Es ist wie eine Rückkehr in die Heimat.

Wolfgang Kroschel, E-Mail


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Im "Nordkurier" wurde unlängst über ein Gespräch mit dem ehemaligen Pfarrer, späteren Chef einer berüchtigten Schnüffelbehörde und jetzigen Vorsitzenden des Vereins "Gegen Vergessen, für Demokratie" berichtet. Gesprächspartner war also Herr Gauck. Die fettgedruckte Überschrift des Beitrags lautete: "Es gab keine Unabhängigkeit des Rechts in der DDR."

Woher nimmt sich dieser Mann eigentlich das Recht zu einer derartigen Behauptung? Wer gibt ihm und seinen Gesinnungsfreunden vom Schlage der Birthler, Nooke und Bohley noch immer die hochdotierte Gelegenheit zur skandalösen Irreführung der öffentlichen Meinung?

Den sogenannten Rechtsstaat BRD dürfen wir ehemaligen DDR-Bürger ja seit 1990 "genießen". Man bedenke: Hier gilt noch immer das gegen Ende des 19. Jahrhunderts ausgearbeitete Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Die DDR hingegen besaß eine entschieden fortschrittlichere Kodifikation. Die alten Zöpfe aus kaiserlich-junkerlich-bourgeoisen Tagen wurden ohne Zögern abgeschnitten. Ganz sicher werden die vier Jahrzehnte des Bestehens der DDR trotz Gauck und Birthler auch weiterhin tiefe Spuren in der gesellschaftlichen Entwicklung Deutschlands hinterlassen.

Ilse Konrad, Damerow


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Friedrich Schorlemmer - ein Mann der Kirche - füllt im ND mehr als vier Spalten zu den Gründen des Untergangs der DDR, wie er sie sieht, um am Ende in einer halben Spalte festzustellen, daß die Vernichtung dieses Staates die Basis für den Triumph eines entfesselten Kapitalismus wurde, der "nunmehr hemmungslos, gar gnadenlos agieren" kann.

Eigentlich muß ein so kluger Mann wie Schorlemmer die DDR - mit allen ihren Fehlern - im Vergleich mit dem nunmehr ungezügelten Kapitalismus, der Millionen ihrer Arbeit, ihrer Gesundheit, ihrer Menschenwürde, ja ihres Lebens beraubt, als tausendmal besser empfinden.

Doch Schorlemmer ringt sich nur eine kleine Pflichtkritik am Turbokapitalismus ab, um zuvor wortreich den Versuch des Aufbaus einer menschlichen Gesellschaft, die Millionen DDR-Bürgern Geborgenheit brachte, in den Schmutz zu ziehen.

Welche Verbrechen muß eigentlich das kapitalistische System noch begehen, damit sich der Kirchenmann Schorlemmer auf die richtige Seite stellt und den entfesselten Kapitalismus künftig in vier Spalten verurteilt?

Gott sei Dank gibt es wahre Christen, sozialistische Christenmenschen, die in Wort und Tat auf der richtigen Seite stehen.

Dr. Klaus-Dieter Mund, Oberschöna


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Ohne Zweifel bietet der Luther-Spezialist Friedrich Schorlemmer über eine ganze ND-Seite eine stilistische und psychologische Meisterleistung. Er erschlägt den Leser nicht mit komplizierten Wortschöpfungen, sondern meint mit den von ihm benutzten, oft verschwommenen Formulierungen Volkes Sprache anzuwenden. ...

Es gibt allerdings kein Klischee, das Schorlemmer nicht bedient, angefangen von Toilettenpapier über (nur) sowjetische Atomraketen bis hin zum Verbot, sich in der DDR zu internationalen Problemen zu äußern. Krokodilstränen vergießt er über die erstickten Bemühungen zur "Rettung" der DDR durch "Gorbis" Perestroika. Serviert wird das Ganze in einer scharfen Anti-Stasi-Soße, bei der die Führungsrolle der Partei ihr Fett abbekommt. Die SED habe nicht berücksichtigt, "welche tiefinneren Verbindungen zum westlichen Teil Deutschlands bestanden". Über seine eigenen sprach er vorsichtshalber nur andeutungsweise.

Lenin wird kurzerhand als "vom deutschen Generalstab ausgehalten" abqualifiziert. Die in der DDR "sträflich vernachlässigte Arbeitsproduktivität" muß als Ursache für die heutige Wirtschaftsmisere im Osten herhalten. Viel Dichtung und wenig Wahrheit werden von Schorlemmer im ND vermengt.

Gudrun Rudolph, Berlin


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Ein Wort zum Beitrag von Prof. Dr. Harry Milke im Januar-RF: Schon mit dem Glockengeläut in der Silvesternacht war mir bewußt, daß im "Jubiläumsjahr" Müllkübel jeder Größenordnung voller Diffamierung und Verleumdung der DDR in den Medien entsorgt werden. Doch schaut man dem mündigen Bürger - an der Straßenecke, auf dem Sportplatz oder im Familienkreis - auf den Mund, versteht man seine Sprache, dann kann man sein diesjähriges Wahlverhalten nur mit größter Spannung erwarten.

Jürgen Ludwig, Zerbst


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Inzwischen hat man sich auf das "Jahr der Jahrestage" eingestellt und eingeschossen. Politiker der "großen Volksparteien" und die Redaktionen der "vierten Gewalt", wie man die Medien bezeichnet, agieren um die Wette. Die Losung "Die DDR hat's nie gegeben", betrachte ich als gelungen. Sie wurde zu recht an jener Spreeseite beim ehemaligen Standort des Palasts der Republik angebracht, von der man im Hintergrund das Gebäude des Staatsrats der DDR sehen kann. Über dem Portal befindet sich bekanntlich der Balkon, von dem Liebknecht einst die sozialistische Republik ausgerufen hat. Das Haus ist ein "Rudiment" aus DDR-Zeiten. Es wurde bekanntlich nicht abgerissen, sondern einem "geeigneten Zweck" zugeführt. Heute dient es den Superreichen als Manager-Akademie. Die von Walter Womacka geschaffenen Kunstwerke im Innern des Gebäudes und die äußere Gestaltung blieben (vorerst) erhalten.

Dr. Alfred Kleine, Berlin


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Nach dem Willen der CDU soll ein straffes Lehrplansystem dafür sorgen, daß die Schüler fortan systematisch über den "Unrechtsstaat DDR" aufgeklärt werden. Ein besonderer Lehrstuhl zu seiner Erforschung an der Berliner Universität soll die politische Absicht der CDU pseudowissenschaftlich verbrämen. Jeweils am 17. Juni wird in den Schulen ein "Tag des Zeitzeugen" veranstaltet. Hier sollen "besonders geeignete Persönlichkeiten" vor den Schülern auftreten, um die DDR in den Schmutz zu ziehen. Wie wäre es, wenn sich an diesem Tag "RotFuchs"-Leser an den Ort des Geschehens begäben? Wer, wenn nicht wir, ist gegenüber der jungen Generation aussagefähig?!

Dr. Manfred Bewersdorf, Neubrandenburg


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In Riesa wurde inzwischen als Provokation eine "Gedenkstätte für Opfer des Nationalsozialismus, des Stalinismus und der kommunistischen Diktatur" eingeweiht. Das geschah übrigens unter Teilnahme des Stadtvorsitzenden der PDL. Vorbereitend dazu hatte man im Riesaer Heimatmuseum schon vor Monaten eine befristete Ausstellung "Politisches Unrecht in Riesa nach 1945" eröffnet.

Positiv hingegen ist die Wiederaufstellung des geschleiften Riesaer OdF-Mahnmals zu vermelden. Unser mehrjähriges Ringen hatte endlich Erfolg. Nach neuen Schritten in dieser Sache war ich von Oberbürgermeisterin Töpfer zum persönlichen Gespräch ins Rathaus eingeladen worden. Sie erklärte - offenbar Wahlen vor Augen - , daß sie, obwohl die CDU-Fraktion das nicht erwogen habe, selbst die Wiederaufstellung des OdF-Gedenksteins auf dem Areal des sowjetischen Ehrenmals befürworte. Das Ergebnis: Schon im Dezember wurde das Mahnmal tatsächlich an neuer Stelle nach acht Jahren des "Verschwundenseins" wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Arndt Näser, Riesa


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Als ehemaliger Angehöriger der 10. Grenzkompanie in Frankenheim (1972/73) mache ich seit einigen Jahren in einer Pension in Birx Kurzurlaub. So auch im September 2008. Ein Ausflugsziel war Geisa. Was lag also näher, als das Gelände am Point Alpha in Augenschein zu nehmen. Im Dezember-RF wurde darüber sehr anschaulich berichtet.

Ich fand das Geschilderte bestätigt und hatte den Eindruck, in ein Gruselkabinett geraten zu sein. Die Erläuterungen eines Fremdenführers, der die gerade anwesende Reisegesellschaft begleitete, trieften nur so von Haß. Es fehlte jeder Hinweis auf die Notwendigkeit von Grenzsicherungsanlagen zwischen zwei Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung.

Auf dem Gelände des Point Alpha hat man den "Black Horses" - einer im Vietnamkrieg "erprobten" US-Einheit - ein Denkmal gesetzt. Es wird gepflegt, und man erfährt, wie toll die Vietnam-Killer ihre Freizeit verbracht haben. Ihr eigentlicher Kampfauftrag an der Staatsgrenze zur DDR - der Trennlinie zwischen NATO und Warschauer Vertrag - wird derart bemäntelt, daß es zum Himmel stinkt.

Wolfgang Kutz, Brehna


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Gerhard Feldbauer lernte ich 1967 im kämpfenden Vietnam kennen. Er war ADN-Korrespondent, ich verkörperte eine "Ein-Mann-Delegation" des Journalistenverbandes der DDR und befand mich dort als Sonderkorrespondent der Zeitung "Volksarmee". Wie freute ich mich, Gerhard vor Jahren in Berlin bei einer RF-Veranstaltung wiederzusehen und zu sprechen. Post von mir ging nach Poppenhausen zu ihm und seiner Frau Irene. Beider 2005 erschienenes Buch "Sieg in Saigon" las ich mit heißem Herzen.

Warum Gerhard Feldbauer und der RF-Förderverein sich schließlich trennten, wußte ich bislang nicht. Das ist mir aber klargeworden, als ich in der Januar-Ausgabe unserer Zeitschrift fand, was Dr. Feldbauer im Informationsbulletin eines "vorläufigen Organisationskomitees der Kommunistischen Initiative" von sich gegeben hat: Mit der Gründung des RF-Fördervereins sei "in unsere Bewegung die bis dahin tiefste Spaltung getragen worden", RF-Chefredakteur Dr. Klaus Steiniger praktiziere "Opportunismus in übelster Weise".

Ich bin entsetzt. In welches Sektierer-Abseits ist Feldbauer da abgerutscht?!

Gerade weil der RF ohne dogmatische Ansprüche auf Alleinseligmachung Kommunisten und Sozialisten mit und ohne Parteibuch im nötigen Widerstand gegen Verteufelung der DDR und sich austobenden Imperialismus vereint, halte ich ihm als Leser und dem Förderverein als Mitglied die Treue. Klaus Steiniger und seinen, unseren Mitkämpfern gelten meine volle Solidarität gegen alle Angriffe von rechts und "links".

Martin Küster, Berlin


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Mit großem Befremden habe ich im RF Nr. 132 das Zitat von Herrn Dr. Gerhard Feldbauer über den Chefredakteur, Herrn Dr. Klaus Steiniger: "... praktiziert Opportunismus in übelster Weise ..." gelesen. Wer, wie ich, Herrn Dr. Steiniger seit mehreren Jahrzehnten kennt, wird mir zustimmen, daß er einen grundlegend und durchgängig unverfälschten integren Charakter hat, der ihm niemals und in keiner Weise erlaubt, opportunistisch zu handeln. Dafür hat er oft genug lieber persönliche Nachteile in Kauf genommen, als seine Überzeugung preiszugeben. Dies belegt u. a. auch die Tatsache, daß er unmittelbar nach Auflösung der DDR bei einer auf Einladung der Generalsekretärin des Europarats erfolgten Reise nach Straßburg eine aufrechte Haltung bewiesen hat. Aus derselben Grundhaltung heraus ist er auch auf lukrative Angebote westdeutscher Verlage nicht eingegangen.

Unterschiedliche Meinungen zu haben ist im menschlichen Miteinander durchaus normal. Diese aber völlig unangemessen, ja fast schon bösartig zu äußern, dient weder den eigentlichen Intentionen des Verfassers noch der von ihm vertretenen Sache.

Georg Albrecht, Düsseldorf,
Leitender Sozialarbeiter i. R. beim Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche im Rheinland


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Ein Freund gab mir die RF-Ausgabe 131. Ich finde die Zeitschrift sehr informativ. Der Beitrag "Ein fragwürdiges Unterfangen" bestätigt alles, was ich selbst mit "Offensiv" erlebt habe. Die Neugründung soll als Widerpart zum "RotFuchs" aufgebaut werden. Das darf denen aber nicht gelingen! Leute von "Offensiv" gründen dauernd irgendwelche Zirkel, Vereine usw. Auch hier in Köln ließen wir uns ein Jahr lang in einem solchen Zirkel festnageln, wo Theorie kräftig und falsch gepaukt wurde. Einer war der große Manitu, und wir dienten ihm lediglich als Statisten. Wir hatten eine Broschüre über Nina Andrejewa zu erstellen. Diese wurde dann aber niemals verteilt. Man unterstützte auch keinerlei Aktionen. Unser "Manitu" wollte nämlich nirgends gesehen werden ... Hiermit bestelle ich den RF.

Liesel Bauer, Dormagen


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Ich möchte mich einmal für die "RotFuchs"-Internet-Ausgabe bedanken. Als westdeutscher Kommunist, der schon lange in Spanien lebt, verfolge ich die Entwicklung in Deutschland noch immer aufmerksam, und der RF ist mir dabei eine wichtige Informationsquelle. Haltet Kurs, wachset und mehret Euch! Venceremos!

Sepp Aigner, Felanitx/Balearen


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Seit längerem bin ich begeisterter "RotFuchs"-Leser. Wie die meisten anderen Bezieher erwarte ich die Zeitschrift jeden Monat mit Ungeduld. Schon Ende 2005, als ich die ersten Exemplare bezog, und dann bei Begegnungen in Jena, Gera, Leipzig und Erfurt, empfand ich die Tatsache, Euch entdeckt zu haben, als unschätzbaren Glücksfall für mich persönlich, für mein Denken und Fühlen. Von Haus aus ein Bürgersohn, wurde ich später zunehmend politisiert und schließlich ein bewußtes Kind der DDR. Trotz mancher Schwächen und Fehler hat die Arbeit Spaß gemacht und mich erfüllt. In diesem Sinne natürlich die ganze Familie. Glücklicherweise konnte ich den Marxismus-Leninismus gründlich studieren und dann selbst lehren.

Um so mehr irritierte mich die Konterrevolution, das ohnmächtige Agieren der Parteiführung und das feige Verhalten vieler Genossen. Jahrelang quälte ich mich, durch Studien und Nachdenken hinter die Gründe und Zusammenhänge zu kommen. Ich las interessante Bücher und stieß auch auf den "RotFuchs". Ein Gewinn, eine Anregung, eine Genugtuung, ein phantastischer Mutmacher, ja, ein Vergnügen. Mit ihm geht es mir nicht nur besser, sondern richtig gut.

Horst Günther, Weimar


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Überrascht nahm ich zur Kenntnis, daß mir im RF 131 herzlich zu meinem 70. Geburtstag gratuliert wurde. Eine Geste, die mich stolz machte, aber auch zugleich nachdenklich stimmte. Mit Stolz erfüllte sie mich, weil ich zur Schar derjenigen gehöre, die es für richtig und wichtig halten, ungeachtet ihres Lebensalters unablässig für das große Ziel einer menschlicheren Gesellschaft zu streiten. Nachdenklich wurde ich, weil gerade in Ostdeutschland derzeit besonders deutlich wird, wie schmerzlich die Zerrissenheit einer Arbeiterklasse sein kann, die noch vor wenigen Jahren dazu imstande war, eine freie und zukunftssichere Entwicklung zu garantieren. Die drohende Faschisierung erfordert es, dem Kapital die politische Organisiertheit der Unterdrückten entgegenzusetzen. Dafür einen kleinen Beitrag zu leisten, ist man als Kommunist nie zu alt.

Günter Wechsung, Kahla


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Das MfS der DDR war ein Staatsorgan, das für den Bestand des Sozialismus besondere Bedeutung besaß. Seine Aufgabe bestand darin, innere und äußere Feinde sowie gegnerische Anschläge aufzudecken und abzuwehren. Dabei mußte es natürlich auch geheimdienstlich arbeiten. Ein solches Staatsorgan war keineswegs eine Erfindung der DDR. Selbst der Apparat des Papstes bedient sich seit Jahrhunderten solcher Mittel und Methoden. Der Vatikan hat nie ein Geheimnis daraus gemacht.

Der Unterschied des MfS zu allen bisherigen und heutigen Geheimdiensten in Deutschland besteht darin, daß es die Macht der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten verkörperte. Die Tätigkeit der Tschekisten der DDR im Innern und nach außen wurde uns durch die aggressive Politik der imperialistischen Länder des Westens aufgezwungen.

Rainer Albert, Zwickau


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Die ständig wachsende Leserschaft des RF, zu der auch immer mehr jüngere Bezieher gehören, erfordert neben wahrheitsgemäßen politischen Inhalten auch eine Klarheit der Sprache. Das betrifft nicht nur Grammatik und Rechtschreibung, sondern vor allem auch die Sprachkommunikation. Diese war übrigens in den DDR-Schulen ein Pflichtfach. Jedes Wort hat seine Bedeutung, die für alle klar und verständlich sein muß.

In der BRD ist es üblich, darauf zu verzichten. Die ursprüngliche Bedeutung von Begriffen wird verdreht, umgewertet, auf den Kopf gestellt. Das ist politisch so gewollt. Beispiele gibt es zur Genüge: Proletarier heißen Arbeitnehmer; Unternehmer - Arbeitgeber. Terrorangriffe nennt man Luftschläge, Angriffskriege bezeichnet man als Militäreinsätze, die Ermordung von Frauen und Kindern ist ein "Kollateralschaden". Die Vergewaltigung der deutschen Sprache durch die BRD-Medien kennt keine Grenzen. Hinzu kommt die Verarmung der Ausdrucksweise.

Rosi und Wolfgang Nicolas, Stralsund


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Ich bin vom Jahrgang 1924, erlebte zwei Kriegswinter im Osten, kehrte schwerkrank und zu 80 % kriegsbeschädigt zurück. Im Februar 1946 trat ich der KPD bei. Ich war 20 Jahre lang Gewerkschaftspropagandist und ebensolange bei der Bank für Landwirtschaft in Bernau tätig. Währenddessen absolvierte ich ein Fernstudium an der Parteihochschule. Seit 15 Jahren bin ich wegen schwerer Herzleiden nicht mehr aktiv. Darum brauche ich den "RotFuchs".

Fred Drechsler, Wandlitz


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Auf erschreckende Art und Weise richten sich abermals Angriffe gegen die untergegangene UdSSR, aber auch gegen das heutige Rußland. Immer wieder wird behauptet, die Vergewaltigung von Frauen sei der Alltag der Sowjetarmee gewesen. Es geht darum, deren Befreiungstat in Vergessenheit geraten zu lassen. Daß es bei einer kämpfenden Truppe immer Ausschreitungen und Vergehen gegeben hat und geben wird, steht außer Zweifel.

Ich habe folgendes erlebt: Bei zwei Kurzurlauben in Nortrach (Schwarzwald) führte uns ein dort ansässiger Bäckermeister durch den Ort. Er zeigte uns auch einen Gebäudekomplex, der 1905 durch die Familie Rothschild erworben und zu einem Lungensanatorium für jüdische Frauen ausgebaut worden war. Unter Hitler wurde die Einrichtung "arisiert" und für die Aktion "Lebensborn" genutzt. Hier führte man vorwiegend norwegische Frauen zur Stärkung der "germanischen Rasse" mit SS-Männern zusammen. Die dabei gezeugten Kinder kamen bis 1945 in diesen Häusern zur Welt. Der Bäckermeister wußte noch mehr zu berichten. Das Gebiet sei 1945 von den Franzosen besetzt worden, zu denen auch Nordafrikaner gehörten. Der französische Oberbefehlshaber habe die Region für drei Tage zu Plünderung und Vergewaltigung freigegeben. Frauen, die dadurch schwanger geworden seien, habe man im einstigen Rothschild-Sanatorium untergebracht. Soviel zum Thema Vergewaltigungen.

Hajo Jahn, Fangschleuse


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Unlängst fand bei uns eine Zusammenkunft der Leiter medizinischer Selbsthilfegruppen statt. In Leipzig gibt es fast 100 davon, in denen Betroffene vereinigt sind. Ich selbst habe nach einem Zeckenstich Borreliose. Die Beratung begann damit, daß sich die Patienten vorstellten, ihre Krankheiten schilderten und vom Umgang mit diesen berichteten. Mir verschlug es fast die Sprache, als der erste Redner wörtlich erklärte: "In der DDR wurde ich 1951 zu zehn Jahren Haft verurteilt, weil ich während der Weltfestspiele in Westberlin gewesen bin und Material von dort mitgebracht habe. Ich war damals noch sehr jung, und meine Mutter gab der zuständigen Richterin immer frisches Gemüse. Dadurch milderte sich mein Urteil. Ich habe dann vier Jahre abgesessen, wurde begnadigt und ging in den Westen. Ich bin dreimal geschieden. Heute habe ich psychische Störungen, ich kann nicht länger als 30 Minuten in einem Raum bleiben."

Ich dachte, ich sei "im falschen Film". Nach der Veranstaltung fragte ich ihn: "Waren Sie damals auch im Amerikahaus?" Er bestätigte das. Ich sagte ihm, ich sei auch dort gewesen. Es habe billige Magginudelsuppe gegeben und den Hinweis, die ausgelegten Hefte der "Tarantel" (eines Hetzblattes gegen die junge DDR) aus Sicherheitsgründen nicht mit in den Osten zu nehmen. "Mensch", erwiderte er, "im Amerikahaus haben die ihre Agenten geworben. Weißt du, wie? Mit Preisausschreiben. Bei der Einsendung richtiger Antworten gab es lukrative Gewinne. Man mußte allerdings einen Vordruck mit den Personalien ausfüllen. Soll ich Dir ein paar 'Taranteln' geben? Wie ist Deine Telefonnummer?"

"Ich habe kein Telefon", erwiderte ich und dachte: Wer weiß, wofür man ihm die zehn Jahre aufgebrummt hat. 1951 waren wir beide am gleichen Ort, haben aber ganz unterschiedliche Lebenswege genommen. Mich trieb damals pure Neugier dorthin. Ich war politisch schon immun: Man hatte mich im III. Berufswettbewerb als "Besten Lehrling des Betriebes" ausgezeichnet. Später habe ich viele Jahre Leipzigs Kriminalpolizei geleitet.

Klaus Pinkau, Leipzig

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Quelle:
RotFuchs Nr. 134, 12. Jahrgang, März 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2009