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ROTFUCHS/137: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 183 - April 2013


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

16. Jahrgang, Nr. 183, April 2013



Inhalt

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Mit Täve in einem Boot

Eine Episode hat sich mir besonders eingeprägt, obwohl sie fast sechs Jahrzehnte zurückliegt. Damals elektrisierte die Friedensfahrt - das durch Polen, die DDR und die Tschechoslowakei führende größte Amateurradrennen aller Zeiten - selbst jene, welche sonst durch nichts aus dem Bau zu locken waren. Während zweier Wochen im Jahr gab es keine vertrautere Stimme als die Heinz-Florian Oertels. Millionen DDR-Bürger fieberten mit ihrer Mannschaft, ganz besonders aber mit Gustav-Adolf Schur, der bald nur noch Täve genannt wurde. Er war nicht nur ein herausragender Sportsmann, sondern in seiner schlichten und bescheidenen Art auch eine Ikone der Herzen.

1955 stand ich in der dichten Menschenkette, welche die Ritter der Pedale bei ihrer Einfahrt in das Berliner Stadtgebiet erwartete. Einer unter den vielen am Straßenrand, war ich überglücklich, Täve aus einer günstigen Position erspäht und fotografiert zu haben. (Gespenstischerweise steht dort, wo sich das Stadion der Weltjugend - damals Etappenziel der Friedensfahrt - befand, heute das protzige Hauptquartier des Kriege begleitenden BRD-Auslandsgeheimdienstes BND.)

Fast ein Menschenalter nach jenem Frühlingstag schrillte in der "RotFuchs"-Redaktion das Telefon. Die Stimme des Anrufers kam mir vertraut vor: "Klaus, bist Du es - hier ist Täve Schur." Was folgte, war eine Gratulation. Als ich meinem telefonischen Überraschungspartner - wie schon bei früherer Gelegenheit - sagen wollte, wie sehr ich sein Fan gewesen sei, schnitt er mir das Wort ab. "Heute bin nicht ich dran, sondern Du", beendete er meine Eloge.

So bleibt mir nichts weiter übrig, als zur schärfsten Waffe des Journalisten - der Feder - zu greifen und mich in die Spalten unserer Zeitschrift zu flüchten, um den Lesern das anzuvertrauen, was ich an jenem Morgen Täve hatte sagen wollen: Daß er, der als großer Radsportler seinem nach grandiosem Start in ein sozialistisches Morgen wieder in das kapitalistische Gestern zurückgefallenen Vaterland DDR zu Ruhm und Ehre verholfen hat, niemals ein "Radfahrer" gewesen sei. Mit anderen Worten: Einer von jenen, welche nach oben buckeln und nach unten treten.

Täve erntete Triumph auf Triumph und zählte in den Sonnenzeiten einer für unbesiegbar gehaltenen neuen Welt zu den Abgeordneten der DDR-Volkskammer. Er blieb aber auch angesichts des die sozialistischen Staaten Europas hinwegfegenden konterrevolutionären Hurrikans - nun als Bundestagsabgeordneter der PDS - tapfer an Deck. Wie sein unvergessener, durch die höhnenden antikommunistischen Hetzer in den Freitod getriebener Fraktionskollege Gerhard Riege stand er in guten und schlechten Tagen für die Sache ein. Deshalb schenken nicht nur seine Genossen der heutigen Partei Die Linke im heimatlichen Umfeld von Heyrothsberge Täve ihr Vertrauen. Auch im "RotFuchs"-Kessel von Prödel, wo der erfahrene Agrarexperte Fritz Pommer den Bau verwaltet, und in anderen RF-Gruppen ist er ein gern gesehener Gesprächspartner.

Täves hier nur angedeutete "Haltelinien" sollten auch für jeden von uns Maßstab sein. Das anerkannte Bemühen, solchen Normen der Moral gerecht zu werden, erklärt die außergewöhnliche Resonanz des RF bei Freund und Feind.

Manche Gegner setzen sich allerdings dem Spott aus, wenn sie zum Beispiel massiven Druck auf örtliche Gewerkschaftsfunktionäre ausüben, die - das im Grundgesetz verankerte Recht auf freie Meinungsäußerung für bare Münze nehmend - uns wie anderen Zusammenschlüssen ver.di-eigene Räume vermieten. Die jüngste Erfurter MDR-Posse veranlaßte sogar eine vom NSU-Skandal arg gebeutelte Thüringer Behörde zu der Erklärung, sie halte den "RotFuchs" nicht für verfassungswidrig, so daß sein Wirken "nur anhand öffentlich zugänglicher Materialien" durch sie beobachtet werde.

Während es uns motiviert, politisch und ideologisch Gleichgesinnten oder Nahestehenden seriöse Informationen und verläßliche Orientierungshilfe geben zu können, begrüßen wir zugleich das kritisch-argumentative Wort fair gesonnener Andersdenkender, das uns immer wieder aus dem In- und Ausland erreicht.

In der Politik wie im täglichen Leben kommt man nicht ohne Kompromisse aus. Sie beruhen auf Zugeständnissen aller Beteiligten, müssen aber in jedem Falle auch der eigenen Seite nützen. Faule Kompromisse hingegen, bei denen das Ziel aus dem Auge verloren oder gänzlich preisgegeben wird, lehnen wir ab. Allwissende, die schon vor Bekanntgabe eines Rätsels dessen Lösung parat haben, oder auch durchaus redliche Genossen, die das eigene Potential unter dem Vergrößerungsglas betrachten, ihre Widersacher aber mikroskopisch verkleinert sehen möchten, so daß sie den Sieg hinter der nächsten Straßenecke vermuten, bringen die Ausbeutermacht nicht wirklich in Bedrängnis.

Auch im Klassenkampf gibt es Ebbe und Flut. Quantitative Prozesse können in neue Qualitäten umschlagen. Ein Beispiel aus der Geschichte: 1925 herrschte in Deutschland nach einer Serie gescheiterter Arbeitererhebungen - von Berlin über Hamburg bis Mitteldeutschland - revolutionäre Ebbe. Die Anhängerschaft der KPD hielt sich in Grenzen. Doch nur wenige Jahre später stieg die Flut erneut an. Thälmanns KPD wurde zur stärksten kommunistischen Partei aller kapitalistischen Länder. Die hart bedrängte Ausbeuterklasse warf sich aus Angst vor der proletarischen Revolution in die Arme der faschistischen Diktatur.

So ist auch für die nach ihrem Sieg über die sozialistischen Staaten Europas frohlockende und sich fest im Sattel wähnende Monopolbourgeoisie aus BRD und EU noch nicht aller Tage Abend.

Um auf den eingangs erwähnten Anruf aus Heyrothsberge zurückzukommen: Es ist ein gutes Gefühl, mit Genossen wie Täve - dem Radsport-Ass, aus dem niemals ein "Radfahrer" wurde - nach wie vor in einem Boot zu sitzen, auch wenn es jetzt gegen den Strom zu rudern gilt.

Klaus Steiniger

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Zu Lenins Geburtstag

Aus Walter Ruges reichem publizistischem Erbe

Am 21. April 2011 besprach Günter Rosenfeld im ND die Edition des Manuskripts von Wolfgang Ruge "Lenin-Biographie" durch seinen Sohn Eugen Ruge und Wladislaw Hedeler. Erste wohlwollende Bemerkungen zu dieser Veröffentlichung gab es bereits im November von Achim Engelberg im "Freitag" und Ulrich Faure im "Buchmarkt" sowie von Volker Strebel in der "Berliner Literaturkritik". Dabei scheint Rosenfeld bemüht, vertrautes Gelände nicht zu verlassen. Stellenweise erweckt er den Eindruck, nicht ganz im Stoff zu stehen. So zitiert er einen Buchtitel Wolfgang Ruges mit "Stalinismus - eine Sackgasse in der Geschichte", während der exakte Titel "Stalinismus - eine Sackgasse im Labyrinth der Geschichte" lautet. Es wird übersehen, daß uns der erprobte Steiger Wolfgang Ruge, der uns durch die engsten Flöze der Geschichte geradezu hellseherisch geführt hat (man denke an seinen "Stresemann", den "Erzberger", ja den "Hindenburg"), nach 1989 plötzlich in einem "Labyrinth" im Stich läßt.

Nicht allein umfangreiche persönliche Erfahrungen in der Sowjetunion, sondern auch das enge Verhältnis zu meinem jüngeren Bruder Wolfgang - eines der ersten Exemplare des "Stalinismus ..." widmete er mir mit dem Satz: "Für mein liebes Brüderchen mit herzlichem Dank für die vielen helfenden Hinweise bei der Durchsicht des Manuskripts" - weisen mich als Insider aus. Wir haben damals auch darüber gesprochen, ob Geschichte in einer Sackgasse enden kann, was immerhin zu bezweifeln wäre. Auch die russische Geschichte ging nach Stalin hurtig weiter, landete in den Händen von Boris Jelzin, Wladimir Putin und Dmitrij Medwedjew, unabhängig davon, ob uns das schmeckt oder nicht.

Dezent spricht Günter Rosenfeld vom Gedankenaustausch mit einer "Freundin der Familie". Diese war nach dem Tode seiner Frau Taisija Wolfgangs Lebensgefährtin, was hier ins Gewicht fallen dürfte. Koautorin der "Lenin-Biographie", "nutzte" sie nicht nur den Text für ihre Vorlesungen an der Freien Universität. Der Wortlaut wurde eigens für diese Vorlesungen verfaßt. Später kam beiden die Idee, daraus eine "Lenin-Biographie" zu machen. In einem ND-Beitrag gab diese "Freundin der Familie" auch schon mal die Marschrichtung vor, indem sie uns den Führer der Weltrevolution als Ehebrecher und Lustmolch präsentierte. Es war abzusehen, daß es in Zukunft um eine Demontage Lenins gehen würde.

Details bereichern jeden Text. Man sollte damit aber nur blenden, wenn man sie auch belegen kann. Wenn man z. B. darüber informiert ist, daß die Einweisung in ein "stalinistisches Straflager" - immerhin ein "Urteil" des "Dreierkollegiums" erforderte, während für die "Deportation" ein Hinweis der Miliz genügte. Dabei lebte Wolfgang unter schlechteren Bedingungen als ich im Lager, war aber niemals "verurteilt".

Es muß befremden, daß Rosenfeld sich nicht scheut, zu seiner Beweisführung auf eine "nach 2009 in Rußland" erfolgte "Umfrage" zurückzugreifen: Er hat anscheinend noch niemals etwas vom "Aufbau" oder "Abbau" einer Persönlichkeit durch die Medien gehört. Einem anerkannten Autor steht es nicht gut an, "objektiv" über "Gewalt" in Zeiten des revolutionären Umbruchs zu räsonieren, zumal die Oktoberrevolution in ihrer Gewaltund Blutlosigkeit wohl einmalig bleibt. Die Gewalt trug dann etwas konkreter die Namen solcher weißen Militärs wie Judenitsch, Denikin, Wrangel, Koltschak und Machnow. Der verehrte Autor hätte durchaus wissen können, daß das angeblich leninsche "Freund-Feind-Denken" seinen Vorläufer sicher im marxschen Begriff von den "Totengräbern" des Kapitalismus besitzt.

Ich verweise auf ein wenig beachtetes Buch "Die Russische Revolution. Erinnerungen aus den Jahren 1917-1919" (Verlagsbuchhandlung Carl Hoym Nachf. Louis Cahnbley, Hamburg 1921) von M. Philips Price, dem ständigen Korrespondenten des Londoner "Manchester Guardian", der immerhin den Pulverdampf von zwei russischen Revolutionen hautnah in den Straßen von Petrograd, im Taurischen Palais und im Smolny erlebt hat. "Die ganze Dramatik jener Jahre" muß demnach etwas anders ausgesehen haben, als wir bei Wolfgang Ruge erfahren. Von "subjektivem Unvermögen" liest man dort keine Silbe, im Gegenteil bewundert Price die Sachkenntnis der Bolschewiki, zitiert sogar eine britische bürgerliche Zeitung, welche bestätigt, daß Lenins Regierung "die zur Zeit intelligenteste" in Europa sei. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die heute als "Kommunistenkinder" daherkommenden "Sachwalter der Geschichte", nach Ablassen des sie tragenden Mediums, hilflos auf dem Gulli der Geschichte liegen.

Eine "eigentliche Tragik der Figur Lenins" konnten wir nicht ausmachen. Wer das sehr gründlich recherchierte Buch "Der junge Stalin" von Simon Sebag Montefiore (S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2007) gelesen hat, weiß, daß von einem "Vorläufer" bei zwei einander so diametral entgegengesetzten Persönlichkeiten keine Rede sein kann. Der vermeintliche "Nachfolger" konnte nur ein völlig neues Konzept vorlegen.

Was den prominenten DDR-Historiker Wolfgang Ruge und mich - seinen älteren Bruder - betrifft, sei dahingestellt, ob wir uns immer so "einig" waren wie Gott Vater, Gott Sohn und der Heilige Geist.

Walter Ruge

Unser Potsdamer Autor verstarb am 10. November 2011 im hohen Alter von 96 Jahren.

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Dimitroff contra Göring

Als die Faschisten im Reichstagsbrandprozeß den kürzeren zogen

Es gibt Ereignisse, welche den Geschichtsverlauf prägen und als Weichenstellung dienen. Dazu gehören der Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 und der Reichstagsbrandprozeß, der vom 21. September bis 23. Dezember 1933 stattfand.

Georgi Dimitroff und einige Mitangeklagte waren beschuldigt worden, den Brand gelegt zu haben. Der furchtlose Kampf des bulgarischen Kommunisten vor dem Nazi-Gericht gehört zu den ruhmvollsten Kapiteln des antifaschistischen Widerstandes gegen Hitlerdeutschland. Die Frage, wer die wirklichen Luntenleger waren und worum es tatsächlich ging, beschäftigte nicht nur die Leipziger Richter, sondern ist auch nach wie vor Gegenstand kontroverser Geschichtsschreibung.

In Paris war schon 1934 das "Braunbuch II. Dimitroff contra Göring. Enthüllungen über die wahren Brandstifter" herausgekommen. Die Faschisten hatten ihrerseits den Anschlag auf das Parlamentsgebäude zum "kommunistischen Fanal" erklärt, das einen Aufstand auslösen sollte.

Die Rolle des seinerzeitigen Reichstagspräsidenten Hermann Göring bei der Brandstiftung wie bei der sofort danach einsetzenden Terrorwelle ist inzwischen unverrückbar belegt, zuletzt im Buch Alexander Bahars und Wilfried Kugels "Der Reichstagsbrand. Wie Geschichte gemacht wird". Nach der Methode "Haltet den Dieb!" wollten die Auftraggeber des Verbrechens um Göring selbst ihre Schuld auf die Kommunisten abwälzen. Bis heute gibt es Versuche, dem durch die Nazis unter Drogen gesetzten und schließlich ermordeten Holländer Marinus van der Lubbe die Täterschaft als Brandstifter zu unterstellen.

Der Angeklagte, der zum "Helden von Leipzig" wurde, war Georgi Dimitroff, der im Auftrag der Kommunistischen Internationale in Berlin politische Arbeit geleistet hatte. Der gestandene Revolutionär äußerte später über seine Prozeßstrategie, er habe die Reaktionen der bürgerlichen Presse auf den Prozeßverlauf genau analysiert. Sein Antrag, Minister der Reichsregierung als "Zeugen" zu laden, sei gestellt worden, um die faschistische Politik öffentlich entlarven zu können. Höhepunkt war Dimitroffs verbale Auseinandersetzung mit Göring, den die Anklage als ihren Zeugen benannt hatte. Die Inszenierung wurde nun zum Debakel. Dimitroff drehte den Spieß um. Der Angeklagte übernahm die Rolle des Anklägers. Göring steigerte sich in seiner Wut zu Aussagen, die ihn politisch bloßstellten und zur lächerlichen Gestalt werden ließen. Als er (inzwischen preußischer Ministerpräsident) behauptete, der Kommunismus sei eine verbrecherische Weltanschauung, reagierte Dimitroff mit einer Frage: "Ist dem Herrn Ministerpräsidenten bekannt, daß diese verbrecherische Weltanschauung den sechsten Teil der Erde regiert, nämlich die Sowjetunion?"

Diese souveräne Reaktion des Kommunisten provozierte Göring derart, daß er in einem neuerlichen Wutausbruch das Visier gänzlich herunterklappte: "Ich will Ihnen sagen, was im deutschen Volk bekannt ist. Bekannt ist dem deutschen Volk, daß Sie sich hier unverschämt benehmen, daß Sie hierher gelaufen sind, um den Reichstag anzustecken. Sie sind in meinen Augen ein Gauner, der direkt an den Galgen gehört." Der Vorsitzende Richter - ein Mann namens Bünger - rief nicht Göring, sondern Dimitroff zur Ordnung: "Ich untersage Ihnen diese Propaganda auf das strengste. Sie haben rein sachliche Fragen zu stellen."

Dennoch gelang es dem Angeklagten, den Satz nachzuschieben: "Ich bin sehr zufrieden mit der Antwort des Herrn Ministerpräsidenten." Bevor ihm endgültig das Wort entzogen wurde, fragte Dimitroff den eigentlichen Urheber des Reichstagsbrandes: "Sie haben wohl Angst vor meinen Fragen, Herr Ministerpräsident?"

Im Prozeß vor dem Leipziger Reichsgericht ging es keineswegs um den Nachweis der Schuld Dimitroffs, der objektiv nicht erbracht werden konnte, sondern um eine antikommunistische Verleumdungskampagne übelster Art. Hinter diesem Rauchvorhang wurde der Terror gegen alle demokratischen Kräfte, vor allem aber die Mitglieder der KPD, entfesselt.

In seinem Schlußplädoyer sagte Georgi Dimitroff: "Ich verteidige meine eigene Person als angeklagter Kommunist. Ich verteidige meine eigene kommunistische, revolutionäre Ehre. Ich verteidige meine Ideen, meine kommunistische Gesinnung. Ich verteidige den Sinn und den Inhalt meines Lebens."

Unvergessen ist auch, wie der Angeklagte Goethe zitierte:

"Lerne zeitig klüger sein.
Auf des Glückes großer Waage
Steht die Zunge selten ein;
Du mußt steigen oder sinken,
Du mußt herrschen und gewinnen
Oder dienen und verlieren,
Leiden oder triumphieren,
Amboß oder Hammer sein."

Genosse Dimitroff - inzwischen Generalsekretär der Kommunistischen Internationale - gab mit seiner Faschismus-Definition auf dem VII. Weltkongreß der Komintern, der 1935 in Moskau stattfand, der weltweiten Bewegung jener, welche gegen Kreaturen wie Hitler, Mussolini und die kaiserlich-japanische Kamerilla kämpften, eine klare Orientierung. Trotz veränderter nationaler und internationaler Bedingungen hat sie ihre Aktualität bis heute nicht verloren.

Prof. Dr. Horst Schneider


Wir machen unsere Leser auf die 2012 im Verlag Wiljo Heinen Berlin/Böklund erschienene Textsammlung "Streitbar" aufmerksam. Das 414 Seiten umfassende Werk enthält Arbeiten Prof. Dr. Horst Schneiders aus fünf Jahrzehnten. Es ist für 16 Euro unter ISBN 978-3-95514-001-4 zu beziehen.

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Ein Richter namens Richter

Am 2. November 1922 wurde ich in Leipzig-Lindenau geboren. Meine Mutter arbeitete damals als Küchenhilfe in einer Nervenklinik und war nach meiner Geburt nicht mehr berufstätig. Mein Vater versah die Aufgaben eines Kanzleiassistenten im Ortsamt für Kriegerfürsorge. Im November 1918 hatte ein Durchschuß zur Zertrümmerung des Oberschenkelkopfes geführt, so daß er bis 1922 in einem Cottbuser Krankenhaus bleiben mußte. Er war politisch sehr aktiv und trat bereits 1920 der KPD bei. Trotz starker Gehbehinderung nahm er an allen Demonstrationen teil, wobei ich oft mitgenommen wurde.

Im Leipziger Ortsteil Leutzsch verfügte die KPD damals über nicht wenige Genossen, von denen ich etliche durch meinen Vater kennenlernte. Ein großer Teil von ihnen wurde später wegen antifaschistischer Tätigkeit durch die Nazijustiz verurteilt.

Ich erinnere mich, daß eines Tages etwa zehn junge Berliner Genossen vor unserer Wohnungstür standen. Es handelte sich um Teilnehmer eines Reichsjugendtreffens der KPD, das in Leipzig stattfand. Sie alle übernachteten bei uns. Tisch und Stühle wurden beiseitegeräumt, der Fußboden diente als Bett. Da sie Hunger hatten, reichte das von meiner Mutter aufgeschnittene Brot nicht aus, so daß sie noch zusätzliche Einkäufe tätigen mußte. Unmittelbar nach dem 30. Januar 1933 holten bewaffnete SA-Leute ihnen namentlich bekannte Kommunisten, Sozialdemokraten und andere Antifaschisten aus Wohnungen und von Arbeitsstellen ab. So sah ich z. B. den Leiter des Konsumgeschäfts, das SPD-Mitglied Arnold, in deren Händen. Die Verhafteten kamen zunächst in das provisorische KZ Schloß Colditz, das während des Zweiten Weltkrieges als Lager für gefangene Offiziere der westlichen Alliierten diente - unter ihnen General de Gaulle, der von dort entkommen konnte.

Im März 1933, bei der letzten Reichstagswahl, hingen in unserem Häuserblock an der Lauchstädter Straße fast aus jedem Fenster rote Fahnen. Unter den in die Illegalität Gegangenen befand sich auch mein Vater. Nach seiner Festnahme wurde er wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" vor das Oberlandesgericht Dresden gestellt. Er erhielt ein Jahr und sechs Monate Gefängnis. Die Strafe verbüßte er in der als "Gelbes Elend" bezeichneten Bautzener Vollzugsanstalt. Obwohl ich aus einer derart abgestempelten Familie kam, wurde ich zunächst zum Arbeitsdienst und im Oktober 1941 zu einer Luftnachrichtenkompanie der Hitlerwehrmacht eingezogen. Nach der Niederlage des deutschen Faschismus konnte ich Jura studieren und 1952 das Staatsexamen ablegen. Bei einem Kadergespräch wurde ich als Mitarbeiter für das Ministerium für Staatssicherheit geworben. Im Mai 1952 nahm ich eine Tätigkeit bei der Bezirksverwaltung Leipzig auf. Anfang 1956 versetzte man mich an die Hochschule für Justiz des MfS in Potsdam-Eiche. Da dort aber zunächst keine Wohnungen zur Verfügung standen, mußte ich an Wochenenden zwischen meinem Arbeitsort und Leipzig pendeln. So bat ich aus persönlichen Gründen um meine Entpflichtung. Nach kurzer Mitarbeit bei der "Leipziger Volkszeitung" bemühte ich mich um eine meinen Kenntnissen entsprechende Tätigkeit. Das Ministerium für Justiz stellte mich zunächst als Pressereferenten ein. Im Januar 1962 wurde ich dann an das Kreisgericht Leipzig-Mitte versetzt. Das Richteramt füllte mich aus, war aber oftmals auch mit Konfliktsituationen verbunden. Wenn es erforderlich war, bei sehr schweren Delikten hohe Strafen aussprechen zu müssen, verbrachte ich Nächte fast ohne Schlaf. Schließlich mußte man ja in jedem Täter auch den Menschen sehen. Dieser Devise folgte ich stets. Dabei durfte niemand in meine Arbeit hineinreden oder mir Vorschriften machen, wie ein Verfahren durchzuführen oder welche Sanktionen auszusprechen seien. Das lag allein in der Kompetenz des Richters und der ihm gleichgestellten Schöffen. Als einzig verbindlicher Maßstab galten die Gesetze der DDR und die für eine Einheitlichkeit der Rechtsprechung sorgenden Richtlinien ihres Obersten Gerichts.

Die Ereignisse des Jahres 1989, bei denen es sich um eine klassische Konterrevolution handelte, hatten auch für mich ernste Auswirkungen. Ich geriet in die Mühlen der "rechtsstaatlichen Justiz". Gegen mich wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung eingeleitet. Das Verfahren zog sich jahrelang hin. Erst 1993 erhielt ich eine Vorladung der Staatsanwaltschaft. Nicht vor Ende 1994 wurde mir eine Anklageschrift im Umfang von 392 Seiten zugestellt. Dort listete man in 32 Strafverfahren ergangene Urteile gegen 34 Personen auf. Im Eröffnungsbeschluß des Gerichts war dann allerdings nur noch von vier Verfahren mit sechs Angeklagten die Rede. Im Juli 1997 verurteilte man mich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Sie wurde zur Bewährung ausgesetzt. Gegen diese Entscheidung habe ich durch meinen Verteidiger beim Bundesgerichtshof Revision einlegen lassen. Doch das vom Landgericht in erster Instanz ausgesprochene Urteil blieb rechtskräftig. Das gesamte Verfahren kostete mich mehr als 20.000 DM.

Die Tatsache, daß ich vor Gericht gestellt und verurteilt wurde, weil ich zum Schutz meines Staates tätig gewesen war, ist ein empörender Vorgang. Ich habe immer nach den in der DDR gültigen Gesetzen gehandelt und empfinde deshalb weder Schuld noch Reue, sondern betrachte mich als Opfer des damaligen Justizministers Kinkel und seiner Devise, die DDR wie deren Institutionen zu delegitimieren.

Nach den in vielen Jahren gesammelten Erfahrungen im "wiedervereinigten" Deutschland bin ich sehr froh, 40 Jahre DDR erlebt zu haben. Daher werde ich trotz meiner infolge des Alters schwächer werdenden Kräfte an der Seite meiner Genossen den Kampf um eine bessere Welt fortsetzen.

Rolf Richter, Leipzig

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Menschenrechtsverweigerer in der Toga von Menschenrechtsanwälten

Ich will mein Menschenrecht!" Das könnte heute der letzte verzweifelte Schrei eines durch die Kugeln westlicher "Freiheitsbringer" Sterbenden in Syrien oder im Gazastreifen sein. "Wo ist mein Menschenrecht?", fragt auch ein vom sozialen Leben ausgeschlossener Arbeits- oder Obdachloser im Kapitalismus. "Wo ist mein Menschenrecht?" stöhnen die zum Skelett Abgemagerten fast überall in der dritten Welt, die von imperialistischen Gläubigerländern ausgesaugt wird.

Das Wort "Menschenrechte" ist leicht dahingesprochen, doch schwer durchsetzbar. Wenn wir davon ausgehen, daß Menschenrechte fundamentale persönliche Lebensbedürfnisse mit tiefen sozialen, philosophischen und historischen Wurzeln ausdrücken, dann muß heute das Verlangen nach ihnen vor allem mit der Frage verknüpft sein: Bringen sie uns einen dauerhaften Frieden näher, dienen sie der Abrüstung, nützen sie den Betroffenen oder nicht? Ohne eine solche Substanz ist jede Menschenrechts-Phraseologie keinen Cent wert.

Werfen wir einen kurzen Blick in die Geschichte: Als die Bourgeoisie - damals noch als revolutionäre Klasse - in den Kampf gegen die Feudalherren zog, tat sie das unter dem Banner der Bürger- und Menschenrechte. Doch schon bald ließ sie dieses sinken. Denn solcherlei Rechte galten nach ihrem Machtantritt vor allem für die eigene Klasse, die durch Kapitalkonzentration zwar immer reicher, aber zahlenmäßig auch immer kleiner wurde. Proletariern, kleinen Bauern und anderen Werktätigen blieb nur noch das Recht, dem Kapital ihre Arbeitskraft als Quelle des Mehrwerts zu verkaufen, auf dem Acker einen krummen Buckel zu bekommen und auf Kasernenhöfen strammzustehen.

Wo blieb der Ruf nach Menschenrechten seitens der Eroberer, als von den Kolonialisierern ganze Völker ausgerottet, die Indianer samt ihrer Büffelherden niedergemacht, im Ersten Weltkrieg mehr als zehn Millionen Soldaten des Profits wegen durch den Fleischwolf der Materialschlachten gedreht, im Zweiten Weltkrieg weit über 20 Millionen Sowjetbürger abgeschlachtet, sechs Millionen europäische Juden vergast sowie Zehntausende deutsche Antifaschisten, mehrheitlich Kommunisten, enthauptet oder stranguliert wurden? Wo bleibt die Forderung nach Einhaltung der Menschenrechte in den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens oder auf dem afrikanischen Kontinent, in denen die Waffen sprechen, Städte in Schutt und Asche gelegt werden? Verhallt nicht auch hier der Ruf nach einem menschenwürdigen Leben nahezu ungehört? Wer hat die getöteten oder verstümmelten Kinder, Frauen und Männer in Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien oder Mali gezählt?

Nachdem die Bourgeoisie die Menschenrechte aufgegeben hatte, wurde die weltweite Arbeiterbewegung mit ihren revolutionären, vom Marxismus inspirierten Parteien zu deren Bannerträger. So war es nur logisch, daß mit dem Sieg der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution in Rußland nicht nur zum ersten Mal die politische Herrschaft der Arbeiter und Bauern errichtet, sondern zugleich auch den Menschenrechten zum Durchbruch verholfen wurde. Es waren die UdSSR und später die Länder der sozialistischen Gemeinschaft, die - ungeachtet ihrer Defizite - die Menschenrechte Schritt für Schritt zu verwirklichen begannen. Von ihnen gingen immer neue Abrüstungsinitiativen aus, um dem Wettlauf in der Waffenproduktion ein Ende zu bereiten.

Der Imperialismus und die NATO als dessen Speerspitze bieten da ein völlig anderes Bild. Noch heute befinden sich in der Alt-BRD ganze Arsenale von US-Raketen mit atomaren Sprengköpfen. Wann wird die Merkel-Regierung endlich von Washington fordern, diese Mordinstrumente von deutschem Boden abzuziehen? Sie tut nichts dergleichen, sondern beschirmt und stärkt die Waffenproduzenten und -händler ihres Landes, die inzwischen den dritten Platz unter den Rüstungsexporteuren der Welt einnehmen. Durch deutsche Waffen sterben unablässig Kinder, Frauen und Männer im Bomben- und Granathagel. Sie, die sinnlos Umgebrachten, hatten ein Menschenrecht auf Leben!

Waffen bringen jedoch erst dann Maximalprofit, wenn sie eingesetzt und die Arsenale ständig neu gefüllt werden.

Meine Generation - ich bin jetzt 91 - hat in den sozialistischen Ländern den Versuch unternommen, eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Krieg aufzubauen. Wir wissen, daß dieses Bestreben aus objektiven wie subjektiven Gründen beim ersten Anlauf nicht von Bestand war. Doch der Kampf für die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung geht weiter. Vor dieser gewaltigen Aufgabe stehen jene Generationen, welche uns folgen werden. Bert Brecht verweist in seinem Appell "An die Nachgeborenen" auf diese niemals abreißende Stafette und richtet sein Wort an die künftigen Erbauer einer besseren Welt:

"Ihr aber, wenn es soweit sein wird
Daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist
Gedenkt unsrer
Mit Nachsicht."

Marlis Helmschrott, Schöneiche


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

"Menschenrechtsanwälte": Major Müller (Kongo) und Oberst - jetzt General - Klein (Kundus)

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Unter dem Damoklesschwert einer großen Koalition

Peer kommt an "Mutti" nicht vorbei

Aus der Dreifaltigkeit von Gabriel, Steinmeier und dem Schröder-Klon Steinbrück ist der Kanzlerkandidat hervorgegangen. Und nachdem Helmut Schmidt ihm den Heiligenschein poliert hatte, ist - völlig unerwartet - Peer Steinbrück vor Monaten auf den Parteiolymp gefahren und tritt gegen Merkel an. So scharen sich nicht nur die Rechten in der SPD hinter der neuen Lichtgestalt, sondern auch die SPD-Linke gehört ab sofort zu jenen, welchen das Jubeln verordnet worden ist. Denn in der SPD zählt nur noch eine Parole: Zurück ans Ruder! Dem müssen sich alle unterordnen.

Wer in der SPD gehofft hatte, daß die "Linken" der Partei den gnadenlosen Vollstrecker der Agenda 2010 in eine etwas gemäßigtere Bahn drängen könnten, hat sich geirrt. Alle, die sich von der Hoffnung leiten ließen, daß fortan eine "Allee der politischen und sozialen Korrekturen" durch Deutschland gebaut würde, mußten erkennen, daß Gerhard Schröders antisozialer Amoklauf weitergeht. Dafür hat sich ja der Kandidat bekanntlich die nötige "Beinfreiheit" ausbedungen. Die aber wird der Honorarkönig auch dringend brauchen, will er die Vorgaben der Finanzoligarchie durchsetzen.

Und so stellte er unter Beweis, daß er die Kunst des Verschleierns und der Wählertäuschung perfekt beherrscht. Auf die Frage, warum er seine Nebeneinkünfte eigentlich nicht offengelegt habe, antwortete Peer, er müsse schließlich seine Frau schützen, mit der er zusammen steuerlich veranlagt sei. Was sich dem Zuhörer als ehrenhaftes Handeln darstellen sollte, ist indes purer Dummenfang. Die Honorare aus Vorträgen sind nämlich als Nebeneinkünfte in der Anlage S der Steuererklärung zu deklarieren, die jeder Ehepartner getrennt ausfüllen muß. Peer Steinbrücks karger "Zusatzverdienst" tauchte demnach bei seiner Frau überhaupt nicht auf. Da fällt einem doch gleich Kanzler Kohl wieder ein, der im CDU-Spendenskandal das Grundgesetz brechen zu müssen vorgab, weil er den Wohltätern ja sein "Ehrenwort" gegeben hatte.

In diesem Zusammenhang wird man auch an die Schnorrerbriefe erinnert, welche der beinfreie Bundesfinanzminister mit Briefkopf seines Amtes an Post und Telekom geschickt hatte, um Geld für ein Schachturnier im Jahre 2006 aufzutreiben. Dabei ging es um die Lappalie von 950.000 Euro für seinen Freund, den Schach-Promotor Josef Resch. Steinbrück hatte "zufällig" ganz aus den Augen verloren, daß größter Aktionär beider Unternehmen der Bund ist, wobei er selbst als stellvertretender Chef des Verwaltungsrates diesen vorstand.

Versteht sich, daß Steinbrück solche Zufälligkeiten als Kleinkram abgehakt wissen möchte. Als 1993 Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann zurücktreten mußte, weil er mit dem Briefkopf seines Ministeriums einen neuen Chip für Supermarkt-Einkaufswagen beworben hatte, standen die SPD-"Volksvertreter" in der vordersten Linie, um Moral und Steuergelder zu schützen. Die alte Sache: Wenn zwei das gleiche tun, ist es dennoch nicht dasselbe. Und daß gerade SPD-Politiker mit Steuergeldern ganz besonders sorgsam umgehen, zeigen uns doch Leute wie Kurt Beck, Klaus Wowereit und Matthias Platzek. Die beiden Letztgenannten haben sich ja beim zügigen und verlustarmen Bau des Berliner Großflughafens in jüngster Zeit ganz besondere Meriten erworben.

Und dann ist da ja noch ein anderes, viel größeres Schreckensszenario, das wie ein Damoklesschwert über uns hängt: Nehmen wir mal an, daß Steinbrück ein gutes Ergebnis holt, die CDU/CSU aber - ganz ohne die FDP - stärkste Partei wird. Mit den Grünen allein kann der wackere Peer "Mutti" jedoch nicht ablösen. Und so einigt man sich eben auf eine große Koalition. In diese will Steinbrück ja persönlich nicht eintreten, was bedeuten würde, daß Gabriel und Steinmeier an seine Stelle treten müßten. Das sind natürlich auch Machtmenschen, vielleicht aber nicht ganz so gierig wie Steinbrück, so daß sie auch mit etwas weniger zufrieden wären: einem Vizekanzlerposten zum Beispiel.

Eine große Koalition würde weitere vier Jahre Politikstillstand mit unzähligen Kompromissen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner bedeuten, natürlich immer zugunsten der Finanzhaie.

Deswegen möchte ich mich ganz entschieden gegen Bestrebungen in meiner Partei Die Linke und ihrer jetzigen Führung wenden, uns wie Bisky bei der SPD anzubiedern und um ein kleines Stück "Machtbeteiligung" zu betteln. Wir würden dadurch nur zu Steigbügelhaltern für Leute wie Steinbrück herabsinken und unser soziales Gewissen verleugnen. Bei einem solchen Spiel können wir nur verlieren!

Haben wir denn schon ganz und gar vergessen, daß wir das geistige Erbe von Leuten wie Karl Marx, Clara Zetkin, Rosa Luxemburg oder Karl Liebknecht verwalten und deren Werk fortsetzen wollen und müssen?

Wenn wir nicht daran zu denken aufhören, mit ROT/GRÜN in Deutschland etwas verändern zu können, verraten wir nicht nur unsere geistigen Führungspersönlichkeiten und unser gültiges Parteiprogramm. Wir würden auch das einbüßen, was uns kilometerweit von allen anderen Bundestagsparteien unterscheidet und uns zum Hoffnungsträger gemacht hat: unsere Glaubwürdigkeit.

Joachim Augustin


Unser Autor ist Mitglied des Kreisvorstandes Friesland der Partei Die Linke und gehört deren Kommunistischer Plattform an.

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Mein Vater war SPD-Delegierter des Vereinigungsparteitages im April 1946

Marx stand beim Händedruck Pate

Der 20. und 21. April 1946 waren in der Erinnerung meines Vater, der 1904 geboren wurde, die wohl wichtigsten Tage seines politischen Lebens. Damals verwirklichte sich ein jahrzehntelanger Traum: der Zusammenschluß von SPD und KPD auf marxistischer Grundlage. In jener Zeit konnte ja auch die SPD noch als Arbeiterpartei gelten. Die Fundamente für das, was an jenen zwei Frühlingstagen geschah, wurden im antifaschistischen Widerstandskampf und in den Konzentrationslagern gelegt.

Mein Vater war seit 1922 in Berlin ansässig, wo er an der Arbeiteruniversität im Abendstudium sein Abitur ablegte. Politisch betätigte er sich in der damaligen SAJ. Im Stadtbezirk Neukölln war er deren Vorsitzender. 1928 schloß sich seiner Gruppe auch die gerade 18jährige Helga Nydahl an, deren Vater - ein Reformpädagoge - später sozialdemokratischer Bürgermeister im Berliner Bezirk Tempelhof wurde. Helga studierte Medizin. Zu DDR-Zeiten war sie unter dem Namen Wittbrodt Ärztliche Direktorin des Regierungskrankenhauses. Ihr zweiter Mann Dr. Hans Wittbrodt, ein Sohn des Rektors der angesehenen Neuköllner Rütli-Schule, machte sich als Direktor der Forschungsstelle für kosmische Elektronik an der DDR-Akademie der Wissenschaften ebenfalls einen Namen. Durch ihn waren damals junge Sozialdemokraten zu antifaschistischen Widerstandsgruppen gestoßen, in denen auch Kommunisten wirkten.

Mein Vater und dessen Mitstreiter hatten es sich zum Ziel gesetzt, das den Antifaschisten 1933 zum Verhängnis gewordene Fehlen der Einheit der Arbeiterbewegung zu überwinden. Das bedurfte nicht nur hartnäckiger organisatorischer Anstrengungen, sondern erforderte auch ein gerüttelt Maß an Überzeugungsarbeit. Die Feinde der Einheit gruppierten sich vor allem um den SPD-Politiker Kurt Schumacher, der seine antikommunistische Gesinnung nicht einmal im KZ aufgegeben hatte. 1946 schwadronierte er in Hannover noch vom Sozialismus als "Tagesaufgabe", während er längst mit den westlichen Besatzungsmächten konspirierte.

Demgegenüber nahm mein Vater als SPD-Delegierter und Mitglied der Redaktionskommission am Vereinigungsparteitag teil. Jahrzehnte danach - 1994 - ging es in Mecklenburg-Vorpommern, wo ich dann lebte, um Einheit - allerdings unter umgekehrten Vorzeichen, nämlich von SPD und PDS. Im Wahlkampf hatte die dortige SPD der PDS ein Vierpunktepapier "Notwendige Klarstellungen" unterbreitet. Darin spielten Vokabeln wie "Zwangsvereinigung", "Arbeiteraufstand vom 17. Juni" und "Mauerbau" eine dominierende Rolle. Marxistisch eingestellte Mitarbeiter der PDS/LL-Bundestagsgruppe - unter ihnen Ekkehard Lieberam sowie Doris und George Pumphrey - verfaßten daraufhin das Papier "Wider eine neue Einseitigkeit in der Geschichtsbetrachtung" und übergaben es als Pressemitteilung der Öffentlichkeit. Das löste nicht überall Freude aus, zumal die SPD dazu aufgefordert wurde, sich öffentlich für alle Schandtaten seit Bewilligung der Kriegskredite im Herbst 1914 über ihre Verweigerung der Einheitsfront gegen Hitler, die Berufsverbote und den Radikalenerlaß bis zur Ausgrenzung früherer SED-Mitglieder nach 1989 zu entschuldigen.

Zweifellos ging es diesmal nicht um die Vereinigung zweier Arbeiterparteien, da die SPD dieses Attribut seit Godesberg nicht mehr für sich beansprucht, während die PDS eine solche Klassenposition nie eingenommen hat.

Es kam damals nicht zu einer Koalition aus SPD und PDS. Um diese ging es erst Jahre später, als die PDS auf ein erneutes Werben der SPD ihr Jawort gab. Beim PDS-Landesparteitag stimmten damals nur drei Genossen gegen eine solche Verbindung. Helmut Holter hatte seine Führung fest im Griff. So nahm das Verhängnis seinen Lauf. Die PDS unterwarf sich den Vorgaben des SPD-Regierungschefs Harald Ringstorff, während Helmut Holter vom Moskauer Parteischul-Absolventen zum durchgestylten "linken" Antikommunisten mutierte.

Inzwischen ist die PDL tief gespalten. Reformisten, die den Apparat weitgehend kontrollieren, stehen am Marxismus festhaltenden Genossen gegenüber. Es wird ein Geheimnis bleiben, warum erklärte Linke meinen, es gäbe rechnerisch eine "Mehrheit links von der Mitte". Sie können doch wohl nicht ernsthaft die SPD Steinbrücks, Gabriels und Steinmeiers dabei einbeziehen wollen, deren Führung ganz überwiegend antikommunistisch ist und Kriege des deutschen Imperialismus unterstützt. Es scheint noch immer geglaubt zu werden, unter den Mitgliedern der Partei Die Linke gäbe es eine Mehrheit für wirklich gesellschaftsverändernde Ziele. Schließlich sind ja bestimmte Führer der PDL, besonders in ostdeutschen Landesverbänden, nicht vom Himmel gefallen, sondern durch Mitglieder- oder Delegiertenmehrheiten in ihren jeweiligen Positionen bestätigt worden.

Trotz meiner Bedenken werde ich bei den Bundestagswahlen im September der Partei Die Linke aus Erwägungen politischer Vernunft meine Zweitstimme nicht verweigern, wobei ich mir durchaus dessen bewußt bin, daß diese Entscheidung nicht nur die einzige antifaschistische Friedenspartei im Parlament unterstützt, sondern vor allem auch zur Wahl von Abgeordneten aus der reformistischen Führungsmehrheit beiträgt. Hier handelt es sich zweifellos um einen Kompromiß, den man eingehen muß, da weiterführende antiimperialistische Optionen, realistisch betrachtet, nicht zur Debatte stehen.

Die Partei Die Linke besitzt aus meiner Sicht keinen parlamentarischen Partner in der BRD. Jene, welche um jeden Preis mit der SPD in ein gemeinsames Regierungsbett streben, optieren damit nicht für August Bebel und Wilhelm Liebknecht, sondern für Schumacher, Schröder und Steinbrück.

Deshalb sollten wir zielstrebiger denn je für die Zusammenführung von Kommunisten, Sozialisten und linken Sozialdemokraten mit und ohne Parteibuch auf konsequent antikapitalistischer Grundlage kämpfen. Mir selbst steht dabei stets das Beispiel meines Vaters vor Augen, der sich vor 67 Jahren für die Arbeitereinheit entschied.

Konstantin Brandt

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Als das "Ohr an der Masse" taub wurde

Über fremde Knüppel und eigene Fallstricke

Die "Unangepaßten Überlegungen" Günter Glantes aus Gera ("RotFuchs" Nr. 180) kann ich nachvollziehen und finde sie gar nicht unangepaßt. Es wäre allerdings manches hinzuzufügen, wenn man nach den Ursachen unserer Niederlage fragt. So wurde die Diskrepanz zwischen der von den Bürgern erlebten Realität und in den Medien einseitig dargestellten Erfolgen bei der Planerfüllung immer größer.

Die sich daraus ergebende Unzufriedenheit der Bevölkerung verstärkte sich begreiflicherweise. Die Parteiführung nahm die Mißstimmung entweder nicht wahr, verdrängte sie oder stellte sie sogar in Abrede.

Das berühmte "Ohr an der Masse" war weitgehend taub geworden. Enttäuscht, fühlten sich viele hintergangen und suchten zunehmend Antworten auf ihre Fragen bei westlichen Medien, deren Einfluß auf das Denken vieler DDR-Bürger beträchtlich wuchs. Bekanntlich hatte deren sich negativ entwickelnde Einstellung zu ihrem Staat dramatische Folgen.

Unterdessen war der Umgang mit Andersdenkenden, die anfangs nur kritische Fragen stellten und mehr Ehrlichkeit einforderten, von wachsender Intoleranz geprägt. So zeugten wir in gewisser Weise unsere inneren Feinde selbst.

In der Wirtschaft hatte Günter Mittags autoritärer und administrativer Führungsstil mehr und mehr um sich gegriffen, wobei das von ihm ausgehende Kommandosystem keineswegs nur auf seinen unmittelbaren Verantwortungsbereich in Führungsgremien der Partei beschränkt blieb. Es wurde von ihm auch im Wirtschaftsausschuß der Volkskammer, dessen Vorsitz er innehatte, auf unerträgliche Weise praktiziert.

Ein ähnlicher Stil war durch den 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin Günter Schabowski eingeführt worden. Später befiel ihn bekanntlich eine rasch fortschreitende Amnesie, die in erstaunlichen Kapriolen gipfelte.

Die sozialistische Demokratie wurde immer häufiger außer Kraft gesetzt und entartete schließlich zu einer Weisungspolitik, die dem programmatischen Wollen der Partei diametral entgegenstand. Diese Steilvorlage nutzten antisozialistische Kräfte im Lande selbst, vor allem aber die westlichen Medien in ihrer gegen die DDR gerichteten Stimmungsmache weidlich aus.

Während es in den ersten Jahrzehnten des Bestehens der DDR eine offene Atmosphäre in der Partei und eine lebendige Suche nach Lösungsvarianten für anstehende Probleme gegeben hatte, was eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Parlament und Regierung bewirkte, reduzierte sich der ursprünglich kritische Geist im Umgang miteinander schließlich auf die nichtssagende Formel, man müsse "in Ordnung bringen, was noch nicht in Ordnung" sei. Dabei blieb offen, um was es tatsächlich ging.

Einen schweren Schlag erlitt der politische Einfluß der Partei nicht zuletzt auch durch die in den 80er Jahren praktizierte Art der Vergabe von Wohnungen. In Berlin errichtete man große Neubaubezirke, in denen der Mieteranteil von SED-Mitgliedern und gesellschaftlich aktiven Kräften aus anderen Blockparteien sehr hoch war, während der Einfluß der Partei in den Altbaugebieten gleichzeitig dramatisch sank.

Ein übertriebenes Sicherheitsbedürfnis führte zu ungesunder Einengung des Wirkungskreises führender Genossen, was ihre politische Ausstrahlungskraft erheblich einschränkte Die auf einen Umsturz in der DDR hinarbeitenden Kräfte hatten durch all das am Ende leichtes Spiel, wobei wir zu ihnen leider auch manche rechneten, die dort weder hingehörten noch hätten eingeordnet werden dürfen.

Nach der Konterrevolution begegneten mir etliche als "Bürgerrechtler" negativ bewertete Persönlichkeiten, die sich keineswegs als Sieger empfanden, sondern die eingetretene Situation sogar eher bedauerten. Mit ihnen hätte rechtzeitig ein freimütiger und vertrauensvoller Dialog geführt werden müssen, statt sie vorschnell als Feinde abzustempeln. Ich möchte als Beispiel Stefan Heym erwähnen, der zu DDR-Zeiten mißtrauisch beäugt wurde, dann aber in hohem Alter als Mitglied der PDS-Fraktion des Bundestages für eine gerechte Gesellschaftsordnung stritt. Trotz mancher Blessuren hatte der Schriftsteller in Interviews mit westlichen Medien aufnehmbare Signale seiner Loyalität gegenüber der DDR ausgesandt, die leider überhört oder nicht verstanden worden waren.

Alles in allem: In der DDR vollzog sich ein Prozeß teilweiser Diskreditierung einer großartigen Idee, bei deren Umsetzung wir trotz objektiver Schwierigkeiten und zahlloser Knüppel, die uns von den "Brüdern und Schwestern" im Westen zwischen die Beine geworfen wurden, schon weit vorangekommen waren.

Wenn wir eigene Fehler ehrlich benennen und die Vergangenheit in selbstkritischer Redlichkeit aufarbeiten, dürfen wir unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Es gilt, energisch gegen jede Diffamierung der konsequent antifaschistischen Politik der DDR, ihres Wirkens für Friedenserhaltung und soziale Gerechtigkeit Front zu machen, gleich, woher die Attacken auch kommen mögen - ob von geschichtsklitternden Knaben in Hohenschönhausen oder von Anpassern in sich als linksorientiert betrachtenden Parteien.

Rudolf Krause, Berlin

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Eine Ostmark war 24 Westmark wert

An einem kalten Januarmorgen dieses Jahres warteten wir und andere "Kunden" auf einen Zug der Berliner S-Bahn. An der Anzeigetafel lief ununterbrochen das Band "Der Zugverkehr ist unregelmäßig". Die Stimmung war so frostig wie der eisige Wind, der über den Bahnsteig fegte. Ein untersetzter älterer Mann knurrte laut vor sich hin: "In der DDR ist die S-Bahn für 20 Pfennig sogar im Winter pünktlich gefahren." Einige Umstehende nickten, nur ein Jugendlicher, 15 oder 16 Jahre alt, drehte sich zu dem "Meckerer" um und sagte: "20 Pfennig, dat kann nich stimmen!" Eine Frau mischte sich mit den Worten ein: "Das war aber so!"

Nun zog der Junge eines dieser modischen Handys aus seiner Anoraktasche und tippte etwas an, wobei er mit diesem Gerät auch rechnen konnte. Er betrachtete das Ergebnis, schüttelte abermals mit dem Kopf und begann erneut zu tippen. Plötzlich sagte er: "Na, dann wäre ja eine Ostmark 24 Westmark wert gewesen." Nun guckten die Umstehenden doch etwas verdutzt, und der Junge verkündete abermals: "20 Pfennig - dat kann nich sein!"

Plötzlich sagte er: "Mal zum Mitschreiben, Leute ..., 20 Pfennig Ost und eine heutige S-Bahnkarte für 2,40 Euro ... Für eine Ostmark hätte man also fünf Fahrscheine bekommen, heute zahlt man dafür 12 Euro. Das Ganze muß man aber noch verdoppeln, denn für zwei D-Mark bekam man ja beim Umtausch nur einen Euro. Alles macht zusammen 24 Westmark. In der Schule haben sie uns aber beigebracht, daß eine Ostmark so gut wie nichts wert war ... höchstens 20 Pfennige."

Da sagten der Mann und die Frau fast gleichzeitig: "Soviel aber kostete wirklich ein Ticket im Osten."

Darauf der Junge: "Dann werden wir aber, wenn es um die DDR geht, megagigantisch verarscht!"

"Wo er recht hat, da hat er recht", meinte der Mann.

Soweit die selbsterlebte kleine Episode.

Bernd Freygang, Berlin

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Mordinstrumente Made in Germany

Merkels Mär von der "restriktiven Handhabung des Rüstungsexports"

Joachim Gauck möchte, daß wir stolz darauf sind, Bürger der BRD zu sein. Ja, er möchte sogar, daß wir sie lieben und bereit sind, für dieses Land unser Leben zu opfern. Wenn Staatsoberhäupter solches von ihren Bürgern fordern, ist es meist ein Indiz dafür, daß sich vermeintliche Vaterlandsliebe und Opferbereitschaft bei den Untertanen nicht von allein einstellen wollen, wofür es gute Gründe gibt. Die salbungsvollen Predigten des Präsidentenpfarrers, der schon mal Großinquisitor der BRD war, sollen von den Leichen im Keller ablenken.

Wenn mich jemand fragen würde, warum sich mein Herz nicht für die Liebesaufforderungen des Herrn Gauck öffnen will, fallen mir sofort etliche Gründe ein. Einer davon ist die Tatsache, daß die BRD der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt ist. Dabei verfolgt die Bundesregierung neben der Wahrnehmung ökonomischer Interessen der in dieser Branche "engagierten" Konzerne vor allem strategische Ziele.

Natürlich wird ein Rauchschleier gelegt, um das eigentliche Ziel zu tarnen: "Der Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern wird restriktiv gehandhabt", formuliert das Merkel-Kabinett. Solche Heuchelei schlägt dem Faß den Boden aus! Seit 2005 hat die BRD ihren Anteil am weltweiten Waffenhandel mehr als verdoppelt. Inzwischen liegt dieser nach den USA (30 %) und Rußland (24 %) bereits bei 11 %.

Hauptexportschlager sind U-Boote, Panzer, Hubschrauber, Kriegsschiffe, Raketenwerfer, Maschinenpistolen, Sturmgewehre, aber auch Lizenzen zur Waffenproduktion und die Lieferung kompletter Rüstungsfabriken. Geregelt wird der offizielle Rüstungsexport durch das Außenwirtschaftsgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz der BRD. Es gehört zu den unzähligen Mythen dieses Staates, daß dessen Gesetze den Export von Waffen in Konfliktgebiete und in Staaten angeblich verhindern sollen, welche die Menschenrechte mißachten. Spätestens der Panzerdeal mit dem absolutistischen Feudalregime Saudi-Arabiens, das 600 bis 800 Leopard-2-Panzer kaufen will, hat diese Erfindung platzen lassen.

Der Slogan des Herstellers Krauss-Maffei lautet: "Überragende Kampfkraft mit einer optimalen Kombination aus Schutz, Führbarkeit und Feuerkraft". Übrigens steht auch das nicht minder feudalistisch-repressive Regime des Golfstaates Katar auf der Liste derer, die sich um "Leopard"-Panzer aus der BRD bemühen. Angeblich sind vorerst 200 von ihnen zur Niederschlagung der gegen diesen US-Satelliten rebellierenden Bevölkerung angedacht.

Die Erlaubnis für den Export von Waffen wird der Bundesregierung vom Bundessicherheitsrat erteilt, der unter Ausschluß der Öffentlichkeit tagt, keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegt und für Exportgenehmigungen nicht die Zustimmung des Bundestages benötigt. Einmal im Jahr muß die Regierung in einem Rüstungsexportbericht lediglich Zeugnis über den Stand des bundesdeutschen Waffenhandels ablegen.

In der Amtszeit der Pfarrerstochter und CDU-Vorsitzenden Angela Merkel stieg der Export von Tötungsinstrumenten geradezu sprunghaft an. Allein in der Einjahresspanne von 2009 bis 2010 erfolgte eine Steigerung um 50 Prozent! Wurden im Jahr 2009 noch Waffen für 1,34 Milliarden Euro ausgeführt, so waren es im Jahr darauf bereits rund zwei Milliarden. Überdies haben die deutschen Rüstungsschmieden bereits Verträge über 5 Milliarden Euro abgeschlossen.

Die Bundesregierung rechtfertigt ihre Waffenexporte in der Regel damit, daß sie in erster Linie in EU- und NATO-Staaten erfolgen. Kann es da aber Menschenrechtsverletzungen geben?

Zu den größten Abnehmern von Erzeugnissen deutscher Wertarbeit zur Begehung von Morden gehören aparterweise Griechenland und die Türkei. Während in Hellas durch die Quasidiktatur aus EU, IWF und EZB Arme geschröpft, Renten gekürzt und demokratische Rechte demontiert werden, ist solcherlei in unseren gleichgeschalteten Medien kaum der Erwähnung wert. Auch die Tatsache, daß sich das gebeutelte Land - gemessen an der Bevölkerungszahl - die mit 140.000 Soldaten und ca. 1600 Panzern bei 11 Millionen Einwohnern größte Armee des Kontinents leistet, wird verschwiegen. Kein anderes Land Europas hat - geht man vom Bruttosozialprodukt aus - einen höheren Militäretat!

Durch bereits abgeschlossene Verträge wird Griechenland gezwungen, weiterhin kostspielige deutsche Waffen zu erwerben. Noch im November 2011 drängten Kanzlerin Merkel und ihr damaliger Pariser Spezi Sarkozy den seinerzeitigen Premier Papandreou dazu, als Gegenleistung für weitere Stützungskredite lukrative Aufträge an deutsche und französische Rüstungskonzerne zu vergeben.

Auch die Türkei ist ein gern gesehener Kunde auf deutschen Waffenmessen. Daß diese Mordinstrumente des NATO-Mitgliedsstaates vor allem gegen Kurden eingesetzt werden, fällt dabei nicht weiter ins Gewicht. Zwischen 2000 und 2009 importierte Ankara deutsches Kriegsgerät im Wert von 18 Milliarden Euro! Wieviel Not hätte man mit diesen verschleuderten Unsummen lindern können!

Neben anderen EU- und NATO-Staaten stehen auf der Bezieherliste bundesdeutscher Waffenexporte auch Südkorea, Singapur, Pakistan, die Vereinigten Arabischen Emirate, Algerien, Angola, Indonesien, Israel und - wie bereits erwähnt - Saudi-Arabien. Man sieht also, wie sehr die Merkel-Regierung auf einen einwandfreien demokratischen Leumund deutscher Rüstungskunden bedacht ist. Darüber hinaus kann ja niemand den Weiterverkauf von Waffen aus BRD-Rüstungsschmieden kontrollieren. Zu deren größten zählen die Daimler AG, ThyssenKrupp, Krauss-Maffei-Wegmann und Heckler & Koch. Aber auch die Deutsche Bank greift durch Kredite, Anleihen und Beteiligungen gerade jenen Konzernen unter die Arme, die Streubomben, Uranmunition und andere Massenvernichtungsmittel produzieren. Allein die Waffen von Heckler & Koch haben seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nach Schätzungen von Experten etwa eine Million Menschen getötet.

Die hier genannten Beispiele können den unsäglichen Schmerz, den diese todbringenden Erzeugnisse mit dem Gütesiegel "Made in Germany" weltweit hervorrufen, nicht annähernd beschreiben. In jeder Minute stirbt irgendwo auf der Welt ein Mensch durch ein Geschoß. Das Land, das wir lieben und dem wir unser Leben verpfänden sollen, ist daran führend beteiligt. Die schmutzigsten und verachtenswertesten aller Geschäfte - die der Waffenhändler - liegen Merkel und Co. besonders am Herzen.

Darauf soll ich nach Auffassung von Herrn Gauck auch noch stolz sein? Im Gegenteil: Es ist ein entscheidender Grund, mich für dieses Land zu schämen!

Ulrich Guhl

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Zur doppelbödigen BRD-Rechtspflege in Sachen Doping

Justitias zwei Gesichter

Es ist landauf, landab bekannt: Die DDR und ihr Sport wurden nach 1990 kriminalisiert. Seinerzeit reisten Hunderte Ermittler und Juristen aus den alten Bundesländern nach Rostock, Schwerin, Neubrandenburg, Berlin, Magdeburg, Leipzig, Halle, Erfurt, Dresden, Jena, Oberhof und weiteren Zentren des DDR-Leistungssports.

Es wurde "angehört" und "vernommen", man durchsuchte - auch in Abwesenheit der Besitzer - zahlreiche Wohnungen, klagte an und verurteilte. Zwei politisch motivierte "Musterprozesse" wurden inszeniert: zunächst gegen sechs Trainer und Ärzte des SC Dynamo Berlin, von denen am letzten Verhandlungstag nur noch Dr. Pansold auf der Anklagebank saß; dann gegen den schon damals schwerkranken und nicht mehr verhandlungsfähigen Manfred Ewald, der an 21 Verhandlungstagen - auch nach Meinung eines Amtsarztes - keinen Satz zu formulieren imstande war. Doch das politische Ziel, den DDR-Sport zu diffamieren, hatte man erreicht.

Im anderen deutschen Staat - der BRD - wurde nach Auskünften Offizieller angeblich ohne deren Wissen gedopt. Tatsächlich bediente sich die BRD als selbsterklärter Rechtsnachfolger des Dritten Reiches der Dopingerfahrungen, die insbesondere bei der Vorbereitung der Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin gesammelt worden waren. Jene süße Schokolade, die auch den faschistischen Stuka-Piloten verabreicht wurde, diente bis 1954 als Dopingmittel für BRD-Leistungssportler.

Der Faden aus brauner Zeit war bereits 1950 weitergesponnen worden. Prof. Herbert Reindell und der Doktorand Oskar Wegener gehörten zu den ersten "Pionieren", die dem Doping in der BRD den Weg bahnten. Ausgerechnet derselbe Reindell war zwischen 1952 und 1972 dann Olympia-Arzt der BRD! Eine kürzlich erschienene Studie bewies, daß es vor 1989 in der BRD flächendeckendes Doping gegeben hat. Das entlarvende Dokument mußte schnellstens in den Tresoren verschwinden. Bis in die Gegenwart wird Doping aber - nicht nur im Radsport - weiter praktiziert. Prof. Hans Leck, der Sprinter Manfred Ommer, der langjährige Präsident des BRD-Leichtathletikverbandes Helmut Diegl und andere erhärteten diese Erkenntnisse. Mit dem Segen der Innenminister Genscher, Maihofer und Schäuble dopte man nach Strich und Faden. Angeblich wollen die BRD-Sportpräsidenten Weyer, Daume, von Richthofen und Bach davon nichts gewußt haben! Vielleicht besaßen sie auch keinen hinreichenden Überblick in bezug auf ihren Hochleistungssport.

Die Justiz der BRD hat niemals Anklage erhoben, obwohl fünf eigene Sportlerinnen und Sportler durch Doping zu Tode kamen. Zaghaft eingeleitete Ermittlungsverfahren verliefen im Sande. An einer ehrlichen Aufarbeitung bestand offenbar kein Interesse. So erlebten und erleben wir eine Rechtspflege mit zwei Gesichtern.

Will man aber mit gleichem Maß messen, was die Justiz ja tun sollte - dann muß die Rehabilitierung der verurteilten Repräsentanten des DDR-Sports schnellstens erfolgen. Alles spricht dafür, daß die maßgeblichen BRD-Politiker dazu keine Lust verspüren. Unter diesen Umständen bleibt unsere Forderung nach einer einheitlichen Rechtsprechung für alle Bürger dieses Landes weiterhin hochaktuell.

Erhard Richter

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Marxismus für Einsteiger - Bourgeoisie

Die Bourgeoisie ist die im Kapitalismus herrschende Klasse. Als Eigentümer der entscheidenden Produktionsmittel lebt sie von der Ausbeutung der Arbeiterklasse und anderer Teile der Gesellschaft. Im Kapitalismus der freien Konkurrenz noch revolutionär, hat sie mächtige Produktivkräfte und damit zugleich auch das Proletariat hervorgebracht, für bürgerliche Freiheiten, gegen Feudalismus und Reaktion gekämpft. Durch die Vergesellschaftung der Produktion und die Verschärfung der Ausbeutung ist sie zu einer reaktionären, historisch überlebten Klasse geworden, deren Interessen den Bedürfnissen der Menschheit entgegenstehen. In einigen ökonomisch unterentwickelten Regionen sind allerdings noch Reste ihrer früheren Potentiale zu erkennen.

Man darf Differenzierungen innerhalb der Bourgeoisie nicht übersehen und die Kleinund Mittelbourgeoisie nicht mit den Großkapitalisten in einen Topf werfen. Seit dem Übergang vom Kapitalismus der freien Konkurrenz zum Monopolkapitalismus dominiert das Finanzkapital. Dieser Teil der Bourgeoisie hat die Leitungsfunktionen in der materiellen Produktion fast vollständig abgegeben. Finanzkapital reduziert sich auf nackte Ausbeutung. Es trennt Kapitaleigentum und ursprüngliche Kapitalfunktion. Großbourgeois sind Großaktionäre geworden, d. h. sie sind zumeist reine Parasiten.

"Die Finanzaristokratie, in ihrer Erwerbsweise wie in ihren Genüssen", lesen wir bei Karl Marx, "ist nichts als die Wiedergeburt des Lumpenproletariats auf den Höhen der bürgerlichen Gesellschaft." (MEW, 7/15) Die Leitung der Produktion liegt heute überwiegend in den Händen von Managern, qualifizierten Angestellten der großen Kapitalisten. Diese in der Regel hochdotierten Leute werden allerdings häufig selbst Besitzer von Aktienpaketen und sind durch Lebensführung wie soziale Bindungen fest an ihre Auftraggeber gebunden.

Um den Übergang zum Sozialismus zu verhindern, unterstützt die Großbourgeoisie überall auf der Welt die Konterrevolution. Sie hat raffinierte Systeme geistiger Manipulierung entwickelt und setzt - vor allem in Krisenzeiten - auf autoritäre Herrschaftsformen und letztlich auf Krieg. Die schlimmste Variante ihrer Macht ist der Faschismus.

Ging es um die Abwehr der äußersten Reaktion, war es schon immer ein Fehler, zu verkennen, daß antiimperialistische und insbesondere antifaschistische Bündnisse durchaus auch mit Teilen der nichtmonopolistischen Bourgeoisie möglich und notwendig sind. Denn wirtschaftliche Krise und politische Instabilität gehen Hand in Hand nicht nur mit der Verschärfung der Ausbeutung, sondern stets auch mit systematischer Aushöhlung der bürgerlichen Demokratie. Das trifft auch beträchtliche Teile der Bourgeoisie.

Die Betonung der unbestreitbaren Tatsache, daß die Klasseninteressen von Bourgeoisie und Proletariat objektiv unvereinbar (antagonistisch) sind, darf in der Bündnispolitik nicht zu schädlichen sektiererischen Schlußfolgerungen führen, die potentielle Verbündete aus dem bürgerlichen Lager in die Fänge der äußersten Reaktion treiben. Man muß dabei allerdings im Auge haben, daß es sich auf Grund ihrer Klassenlage um schwankende oder auch nur um zeitweilige Verbündete handelt.

Heute hat sich der von Marx beschriebene gesetzmäßige Prozeß der Internationalisierung des Wirtschaftslebens und des gesamten gesellschaftlichen Geschehens bis auf jene Stufe gesteigert, die "Globalisierung" genannt wird. Wichtig ist zudem: Die von Lenin nachgewiesene ungleichmäßige ökonomische und politische Entwicklung des Monopolkapitalismus, von konkurrierenden imperialistischen Zentren, verläuft "sprunghaft" wie vor hundert Jahren. Der imperialistische Kampf um die Neuaufteilung der Welt wurde nach der Niederlage des Sozialismus in Europa keineswegs beendet oder durch Übereinkünfte gedämpft, wie es manche Zeitgenossen erträumen. Die Folgen sind absehbar. Es gilt, sie entschlossen einzudämmen.

Prof. Dr. Götz Dieckmann

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Auskünfte des populären Friedensfahrt-Reporters Heinz Florian Oertel

Die heißersehnte Stimme

Der Sportjournalist der Extraklasse Heinz Florian Oertel gewährte unserem Mitarbeiter Thomas Behlert aus Gotha - einem Vertreter der jüngeren Generation im RF-Autorenteam - ein Interview.


Wenn man den Sport in der DDR erwähnt, kommt man unweigerlich auf Heinz Florian Oertel zu sprechen. Er war von 1949 bis 1991 für den DDR-Rundfunk und ab 1955 für das Fernsehen der DDR dabei, wenn es um Plazierungen und Pokale ging. Sein Fach- und Detailwissen wie auch die Begeisterung für die jeweiligen Sportarten sind legendär. Unvergeßlich ist Oertels Ausspruch, als der Marathonläufer Waldemar Cierpinski 1980 bei der Moskauer Olympiade im Stadion eintraf: "Liebe junge Väter oder angehende, haben Sie Mut! Nennen Sie ihre Neuankömmlinge des heutigen Tages ruhig Waldemar! Waldemar ist da!" Der in Cottbus geborene Heinz Florian Oertel ist übrigens schon 85 Jahre alt.

Sie blicken auf ein erfülltes Leben zurück, haben bis 1990 mehr gesehen als die meisten DDR-Bürger. Gibt es da etwas zu bereuen, und was hätten Sie gerne noch unbedingt gemacht, moderiert oder gesehen?

HFO: Zu bereuen gibt es nichts. Alles, was ich tat und vor allem sprach, tat ich in meiner vollen Verantwortung. Dazu stehe ich bis heute. Alles, was ich mir wünschen konnte, hat sich erfüllt. Ich war bei acht Fußballweltmeisterschaften dabei, begleitete 17 Olympische Spiele und 17 Friedensfahrten als Reporter. Insgesamt blicke ich auf ein erfülltes und erfahrungsreiches Journalistenleben zurück, für das ich sehr, sehr dankbar bin.

Was würden Sie als Ihren größten Erfolg bezeichnen? Welche sportliche Veranstaltung wollen Sie nicht missen?

HFO: Meine ersten Olympischen Spiele waren die 1952 in Helsinki. Dort lernte ich den tschechoslowakischen Läufer Emil Zátopek kennen, der die 5000 m, die 10.000 m und den Marathon gewann. Das war eine einmalige Leistung, die nie mehr ein Mensch erreichen wird, zumal er diese drei Strecken innerhalb von zehn Tagen absolvierte.

In Sachen Sport hat sich viel verändert. Überall regiert das Geld, im Fußball ganz besonders. Welche Sportveranstaltungen lohnt es sich noch anzusehen?

HFO: Daß der Sport so versaut ist, überrascht mich nicht. Denn die Welt ringsherum ist ebenso versaut und heuchlerisch. Es geht nur noch um Geld, Geld, Geld. Wenn jemand etwas zu Recht kritisieren will, dann sollte er nicht zuerst den Sport nennen, sondern sich mit der Gesellschaft auseinandersetzen. Der Sport ist nur ein Teil der korrupten Gesellschaft.

Haben Sie am Anfang Ihrer Karriere auch nur vermutet, daß Sie so lange als Moderator unterwegs sein würden?

HFO: Vielleicht erträumte ich es mir, aber ich ahnte bestimmt nicht, daß ich so viele wunderbare Erlebnisse haben würde. Durch den Sport konnte ich die ganze Welt kennenlernen und so vielen herrlichen Menschen begegnen. Ich halte den Sport für etwas Besonderes, denn er ist Frieden und Freundschaft. Und für solche Dinge einzutreten, ist für mich als Reporter und Journalist eine große und wertvolle Aufgabe gewesen.

Wollten Sie schon immer Sportreporter werden?

HFO: Zum Sport bin ich durch Zufall gekommen. Begonnen habe ich als Schauspieler und Zeitungsreporter. Als in Cottbus ein Rundfunkstudio eingerichtet wurde, suchte man junge Leute. So konnte ich am 2. April 1949 meine erste Sportreportage bestreiten. Im Cottbuser "Stadion der Freundschaft" fand das Endspiel um die Brandenburgische Landesmeisterschaft im Frauenfeldhandball statt. Es spielte Luckenwalde gegen Spremberg. Luckenwalde gewann 1:0, durch ein Tor in der dritten Minute. Es war der größte Langweiler der Welt mit 30 Zuschauern und völlig ausgeglichenen Mannschaften. Ich mußte die letzten drei Spielminuten kommentieren, die eher an eine Beerdigung erinnerten.

Wird es jemals eine ostdeutsche Fußballmannschaft der Männer schaffen, in der höchsten Klasse erfolgreich zu spielen?

HFO: Hier entscheidet doch nur das Geld. Wer viel davon hat, kann sich die besten Spieler kaufen. Die anderen bekommen den Rest. Energie Cottbus zum Beispiel hat im Moment nur den Rest, macht aber das Beste daraus. Die Mannschaft gehört in der 2. Bundeliga zur Spitzenklasse und das ist toll.

Wenn die Sprache auf den Sport in der DDR kommt, wird gleich auf Doping umgeschwenkt. Echte Leistungen bei Weltmeisterschaften und Olympia werden fast nicht genannt. Spielt da Neid eine Rolle, und soll hier nicht auch alles negiert werden?

HFO: Das mag sicherlich auch eine gewisse Rolle spielen. Sich in dieser Richtung am DDR-Sport aufzuhängen ist eine Riesenheuchelei. Es wurde und wird immer in der ganzen Welt gedopt.

Nicht nur der Sport, auch die Politik hat es Ihnen angetan. Wen kann man wählen, und wie ist überhaupt Ihre Meinung zu Regierung, Parteien und dem Verhalten vieler Politiker?

HFO: Ich wähle Menschen, die sich auf der ganzen Welt tatsächlich für den Frieden einsetzen und den Krieg verabscheuen. Und vor allem bin ich für diejenigen, die gegen Waffen und Waffenhandel sind. Deutschland ist in der Welt der drittgrößte Waffenproduzent, nach den USA und Rußland. Für diese Bronzemedaille sollten sich das Land und die Politiker einfach nur schämen.

Nun gibt es ein Buch, in dem Sie locker und unverkrampft auf Fragen über den Sport, das Leben und die Welt im allgemeinen antworten. Warum haben Sie sich gerade Jan Hofer als Partner für das Interview-Buch "Ein Leben für den Sport" erwählt?

HFO: Ich kenne Jan Hofer schon seit vielen Jahren als freundlichen, aufgeschlossenen und vor allem korrekt arbeitenden Journalisten. Außerdem war er der erste, der sich bei mir meldete und über mich und mit mir etwas Längeres machen wollte. Daraus ist dann eben das Buch geworden.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Heinz Florian Oertel am 7. Mai 1954 als Reporter von der VII. Friedensfahrt mit dem polnischen Teilnehmer Wladimir Klebinski

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Goethes Wetterglas und das ZDF-Politbarometer

Lege den Finger auf jeden Posten ... Scheue dich nicht zu fragen, Genosse! ... Laß dir nichts einreden, sieh selber nach! Was du nicht selber weißt, weißt du nicht. Prüfe die Rechnung, du mußt sie bezahlen."

Brechts Aufforderung aus seinem "Lob des Lernens" ist eigentlich auch das Resümee eines Buches, das im bürgerlichen BRD-Literaturbetrieb als keineswegs alltäglich zu betrachten ist. Es handelt sich um Gerd Bosbachs und Jens Jürgen Korffs "Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden", das 2012 bei Heyne in München erschienen ist.

Beide Autoren stellen darin die Daseinsberechtigung der "Rechnung" - im untersuchten Fall der Statistik - keineswegs in Abrede. Sie sind vom Fach: Bosbach ist ein exzellenter Statistiker, der auf diesem Gebiet lehrt und auf eine mehrjährige Tätigkeit im Statistischen Bundesamt verweisen kann. Korff, der zweite Mann im Boot, ist Historiker und Politologe. Beide ermuntern uns zu kritischer Vernunft, fordern nicht weniger als den prüfenden Blick, der oftmals ab- und fehlgeleitet wird. Es gelingt den Autoren, ihre Leser sehr schnell mit an Bord zu nehmen.

Wir leben in einem scheinrationalen Zeitalter, in dem anhand von Zahlen und Diagrammen, die vom Wesen der Sache wegführen, zwar oftmals nichts bewiesen, aber vieles weisgemacht werden soll. Statt menschlicher Schicksale begegnen uns dürre Zahlenreihen - die "Poesie" wird in Verkaufsergebnissen bemessen. Selbst die Politik bewertet man nicht danach, ob sie uns betrifft oder berührt, sondern wie sie von ZDF-Politbarometern abgelesen wird, deren Skalen nicht annähernd die Meßgenauigkeit eines goetheschen Wetterglases besitzen.

Bosbach und Korff bringen Licht in die Frage, was von derlei Sonntagsumfragen zu halten ist. Was hat es mit den Stichproben auf sich, die man als schlagende Beweise präsentiert und bei denen alle wesentlichen Zusammenhänge außer acht gelassen werden? Das Wunder der Prozentrechnung wird untersucht, das zwar recht anschaulich aufgetischt werden kann, mit dem sich aber auch so wunderbar lügen läßt. Die Autoren stellen absolute und relative Zahlen auf den Prüfstand, auch ihren unbedingten, aber gern unterdrückten Zusammenhang.

Hier ist man keiner trockenen Lehrstunde ausgesetzt. Bosbach und Korff entlarven die Mär von den scheinbar explosiv steigenden Sozialausgaben. Wieviel Prozent des Wohlstandes der Deutschen entfallen tatsächlich auf staatliche Intervention zugunsten Schwächerer? Da ergibt sich eine fast konstante Quote über Jahre hinweg, die bei genauem Hinsehen sogar sinkt.

Bilder und Beispiele - in gut lesbarem Dialogstil angeboten - lassen uns lachen und staunen, vor allem aber erschrecken: Verflixt, da bin doch auch ich den statistischen Hütchenspielern auf den Leim gegangen! Besonders wirksam ist das, wenn mit Bildern und Grafiken operiert wird. Nüchterne Zahlenkolonnen werden eher überlesen und weggeschoben. So können bei geschickter Handhabung aus richtigen Zahlen falsche Eindrücke entstehen.

Bosbach und Korff enthüllen, wie Achsen abgeschnitten, Skalen auseinandergezogen, Flächen und Symbole im Vergleich verzerrt werden. Wie durch raffinierte Perspektiven und Farbgebung das Kleine groß und das Große klein erscheint. Angesetzte Pfeile suggerieren Trends, die statistisch keineswegs nachweisbar sind. Sie verleihen einem fiebrigen Auf und Ab der Krisen bisweilen einen perspektivischen Höhenflug.

Die Lüge mit absoluten Zahlen wird an einprägsamen Beispielen erklärt, derer es viele gibt. Die Story von der permanenten Kostenexplosion im Gesundheitswesen platzt seifenblasengleich. Einschränkungen begleiten diesen Propagandatrick. Unbarmherzig enthüllen die Autoren das Ammenmärchen von den "Sozialschmarotzern", das eindeutig auf Entsolidarisierung arbeitender oder an den Rand gedrängter Menschen zielt.

Ein erhellendes Kapitel beschäftigt sich mit der Magie der Prognose. Wie weit können wir tatsächlich Künftiges voraussehen? Zugegeben, auch der Verfasser dieser Zeilen hat sich zuweilen auf einen vom Ausguck her eingeschränkten Trip in die Zukunft begeben und dabei mehr für bare Münze genommen, als wirklich abschätzbar war. Natürlich sollen die Gefahren, die solche Prognosen heraufbeschwören, nicht kleingeredet werden, wobei der Rat zu Änderungen des menschlichen Lebensstils in den entwickelten Ländern - bei Strafe des Untergangs - unbedingt befolgt werden sollte. Aber können wir in der Tat zwanzig, ja fünfzig Jahre vorausschauen? Die Autoren empfehlen statt dessen, lieber fünfzig Jahre zurückzudenken und von dort aus das Heute zu betrachten.

Bei Bosbach und Korff werden nicht spektakuläre "Fälschungen" ausgeschlachtet - die Autoren fordern vielmehr kritische Distanz ein.

Nicht zuletzt geht es auch darum, von bewußtem oder unbewußtem Selbstbetrug wegzukommen. Machen wir uns doch nichts vor: Auch wir sind ihm nicht selten erlegen oder haben ihn sogar selbst praktiziert! In "Moritz Tassow" von Peter Hacks unterhalten sich zwei Funktionäre: "... Die Diagramme wachsen wie Pappeln nach dem Propagandaregen. Das Töpfchen raucht, die Arbeit ist getan", sagt Blasche. Und Mattukat erwidert: "Ist sie getan, die Arbeit? Also reden wir von der Arbeit, die zu tun ist ..."

Bernd Gutte

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Das Wunder von Vippachedelhausen

Als Eberhard Herr den Herren die Suppe versalzen half (6)

Hauptamtlicher Parteisekretär in der unseren Lesern bereits vertrauten LPG Vippachedelhausen bei Weimar, hat Eberhard Herr außer in Tagebuchnotizen den Weg seiner Genossenschaft auch in einer Broschüre festgehalten. Das folgende Material stützt sich auf diese authentischen Aussagen.

Im Jahr 1962 kamen wir gut voran. Notwendige Investitionen konnten in Angriff genommen werden. So erfolgten der Baubeginn beim Technikstützpunkt, die Zusammenfassung der Bullenmast und der Kälberaufzucht, der Ausbau der Getreidetrocknungsanlage, die Installation weiterer Heubelüftungsaggregate, die Winterfestmachung der Ställe, die Innenausbauten am Kultursaal und der Bau eines Gewächshauses. Zugleich ernteten wir mehr Getreide als jemals in Vippachedelhausen von den Feldern geholt worden war. Vieles gelang uns besser als im Jahr zuvor: die restlose und verlustarme Bergung der letzten Hackfrüchte, die termin- und qualitätsgerechte Herbstbestellung und das Ziehen der Winterfurche. Trotz einiger Ausfälle bei Milch und Schweinefleisch stimmte uns die Jahresbilanz optimistisch. Kampf und Mühen hatten erste Früchte getragen.

Erinnern wir uns noch einmal daran, wie schwer der Jahreswechsel 1961/62 war: Wir mußten auf den leeren Heuböden die abgefallenen Luzerneblätter durchsieben und sie gekocht an die Schweine verfüttern. Aus Weimar bekamen wir zweimal wöchentlich Küchenabfälle. Besonders montags fraßen unsere Schweine sie gern, weil vom Sonntagstisch der Weimarer etwas Hochwertigeres kam - selbst Kartoffelklöße. Wir verfügten damals noch über wenig Kraftfutter, nur 200 bis 300 g pro Mastschwein. Da sagte uns jemand: "Macht Euch doch selbst welches!" So fuhr Karl Schomburg mit dem Lkw alle zwei Wochen nach Wismar und holte von dort eine Ladung Futterfische. Daraus stellten wir dann Silage her.

Mit großem Elan gingen wir das Jahr 1963 an. Wie hatte sich doch die Situation gewandelt! Wir mußten uns nun die Köpfe darüber zerbrechen, wo wir die vielen Vorräte an Getreide, Futter, Kartoffeln, Rüben und Silage überhaupt lagern sollten. Zum Vergleich: Anfang 1962 verfügten wir über eine Reserve von 57 Dezitonnen Getreide, jetzt waren es 2700. Bei Futterkartoffeln waren aus 30 dt nun 3590 geworden, bei Futterrüben hatten sich 305 dt in 5226 verwandelt, und bei Silage waren gar aus 2140 dt inzwischen 18.144 geworden. Waren wir noch vor einem Jahr dem überschüssigen Heu in Nachbardörfern hinterhergejagt, so verfügten wir jetzt über eine solide Reserve von 1460 dt.

Mit Volldampf wurde am Kulturhaus gearbeitet. Es sollte am 30. April 1963 feierlich eingeweiht werden. Am Vorabend des 1. Mai herrschte im Dorf eine festliche Stimmung. Gäste und Gratulanten stellten sich ein. Die LPG bestand schon zehn Jahre, hatte aber erst in letzter Zeit einen solchen Aufschwung genommen.

Die Festansprache hielt der Vorsitzende des Rates des Kreises. "Möge das Kulturhaus eine Stätte des Lernens und des frohen Lebens für alle sein", sagte er. Es gab verschiedene Auszeichnungen, darunter auch Urkunde und Prämie für den 2. Platz in der Eierproduktion des Kreises. Nach dem anschließenden Kulturprogramm wurde tüchtig das Tanzbein geschwungen. Es war so voll, daß keine Stecknadel hätte zu Boden fallen können. Und niemand dachte mehr daran, daß das Parkett noch acht Wochen zuvor ein Teil des Waldes gewesen war.

Was hatten wir doch alles gemeinsam vollbracht! Nun war die LPG "Vereinte Kraft" zu einem echten Partner der bahnbrechenden Nachbargenossenschaft "Vorwärts" in Berlstedt geworden.

Schon bald wurden weitere Baumaßnahmen wie ein Futterhaus für die Schweinemastanlage und die Entenmastanlage in Angriff genommen. Dort sollten dann jährlich bis zu 45.000 Enten gemästet und zur Versorgung der Bevölkerung bereitgestellt werden.

Zur Jahresmitte stand dann die Ernte vor der Tür. Am 15. Juli 1963 waren 21 ha Raps gemäht, bald darauf lieferten wir 30 dt über den Plan. Am 13. August erfüllte Vippachedelhausen als zweite LPG des Kreises den Staatsplan bei Getreide, Eiern und Wolle.

Das Erntefest gipfelte 1963 in einem großen Umzug durch das Dorf. Mühevolle Arbeit hatte sich gelohnt, und die Genossenschaft konnte sich abermals höhere Ziele stellen. Die Einkünfte der Genossenschaftsmitglieder hatten sich weiter erhöht. Entfielen 1960 auf die Arbeitseinheit nicht mehr als 5,77 Mark und 1962 immerhin schon 8 Mark, so konnte man jetzt von 10 Mark ausgehen.

Und auch das sei erwähnt. In jenem Jahr wurden in Vippachedelhausen 3500 Bücher entliehen, darunter 119 Werke der landwirtschaftlichen Fachliteratur. Unter den Gewinnern eines literarischen Preisausschreibens befanden sich auch vier Einwohner unseres Dorfes. Als Künstler des Deutschen Nationaltheaters Weimar zur Preisverleihung ein festliches Programm gestalteten, fanden sich über 200 Interessierte ein.

Sehr günstig wirkte sich aus, daß die Feldbaubrigaden der drei benachbarten Genossenschaften, die jetzt auf hohem Niveau wirtschaften konnten, einen Erfahrungsaustausch organisierten. Dabei wurde über den Austausch von Fruchtarten zwischen den Betrieben im Interesse eines konzentrierten Anbaus sowie über die weitere Spezialisierung der Tierproduktion beraten.

1963 bekamen wir auch einen der ersten sowjetischen Raupentraktoren vom Typ S 100. Einmal mehr halfen uns die Traktorenbauer aus der UdSSR bei der Festigung unserer LPG.

Eberhard Herr, Herzberg (Elster)

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Niederbayerisches Plädoyer gegen "RotFuchs"-Diskriminierung

Ein Gewerkschafter zeigt Rückgrat

Im Januar nahm der MDR eine Veranstaltung der RF-Regionalgruppe Erfurt in korrekt gemieteten ver.di-Räumen mit Autoren zweier Bücher über das MfS zum Anlaß, Druck aufzubauen und die Gewerkschaft zur Verweigerung weiterer Nutzungsvereinbarungen mit dem RF-Förderverein zu bewegen.

Unser Leser Johann Weber aus Ruhstorf in Niederbayern richtete daraufhin ein Schreiben an seine ver.di-Kollegen, dessen Quintessenz in folgenden Feststellungen bestand:

Als ver.di-Mitglied war ich über die Nachricht des MDR zu unerfreulichen Vorgängen in Erfurt schockiert. Vor allem deshalb, weil der DGB nach dem hysterischen Aufschrei konservativer Politiker sofort einknickte und den "RotFuchs" vor die Tür setzte. Ich frage mich immer wieder, warum sich die Gewerkschaft schon seit Jahren konservativen Kreisen anbiedert. Das Paradebeispiel lieferte DGB-Chef Sommer. Man braucht sich nur die Fotos anzuschauen, auf denen er mit Merkel oder de Maizière abgebildet ist. Warum zeigt man denn kein Rückgrat gegenüber Politikern von CDU/CSU und FDP? Ich bin mir sicher, daß sich Gewerkschaftsmitglieder, die konservativ eingestellt sind, deutlich in der Minderzahl befinden.

Hat der DGB denn vergessen, wie viele Gewerkschafter in der Zeit von Adenauer und Strauß als Kommunisten verfolgt, angeklagt und eingesperrt wurden? Das gleiche praktiziert er jetzt mit ehemaligen Bürgern der DDR.

Ich bin seit 40 Jahren Mitglied von ÖTV und ver.di. 25 Jahre gehörte ich dem Personalrat an, davon acht Jahre als dessen freigestellter Vorsitzender. Von der Führungsriege wurde ich wie ein Aussätziger, im schlimmsten Fall sogar als Kommunist, behandelt! Ich mußte Rückgrat zeigen, damit Gewerkschaftsmitglieder überhaupt Zutritt zu unserer Firma erhielten. Ich mußte es gleichermaßen bei Warnstreiks vor dem Firmengebäude beweisen. Diese sollten - aus der Sicht der Führungsriege - auf keinen Fall stattfinden. Sie fanden dennoch statt. Ich mußte auch beim Aushang von Info-Blättern der Gewerkschaft am Schwarzen Brett Rückgrat zeigen. Sie wurden heruntergerissen, doch ich hängte sie wieder auf. Ich mußte es auch bei Personalratssitzungen unter Beweis stellen, wenn es dort um gewerkschaftliche Themen ging, denn 60 % der Mitglieder dieses Gremiums waren nicht im DGB organisiert.

Ich hätte mir mein Arbeitsleben auch leichter machen können, wenn ich vor 25 Jahren aus der ÖTV ausgetreten wäre. Ich tat es aber nicht, weil dann der Organisierungsgrad unter den Kollegen gleich bei null Prozent gelegen und ich selbst nicht mehr in den Spiegel zu schauen gewagt hätte.

Ich habe alle Ausgaben des "RotFuchs" gelesen und dabei viele Themen gefunden, deren Umsetzung Aufgabe der Gewerkschaften wäre. Leider stelle ich dort nur Funkstille fest. Wenn man sich aber den Konservativen anbiedert, kann man nicht für uns "Arbeitnehmer" wichtige Themen aufgreifen, weil gewisse Gewerkschaftler dann "Farbe" bekennen müßten. Da dies ausbleibt, wundert mich auch der dramatische Mitgliederschwund in den letzten 15 Jahren nicht.

Ich würde mich freuen, wenn der DGB den Entschluß, den "RotFuchs" aus den Erfurter Räumen von ver.di rauszuwerfen, rückgängig machen würde.

Um Zweifeln zu begegnen, zum Schluß noch ein Hinweis: Ich bin SPD-Mitglied und gehöre auch als Rentner nach wie vor zu ver.di. Meine Mitgliedsnummer lautet 55 10 57 13 09

Johann Weber, Ruhstorf


Kommentar eines Gewerkschaftsveteranen aus der DDR

Als Träger der mir von Frank Bsirske verliehenen ver.di-Ehrennadel für über 50jährige Mitgliedschaft - die langjährige Zugehörigkeit zur IG Druck und Papier des FDGB wurde mir korrekt angerechnet - möchte ich dem Standpunkt des niederbayerischen Kollegen Johann Weber beipflichten. Unser beider Gewerkschaft darf nicht zum Spielball arbeiterfeindlicher, rechtskonservativer und antikommunistischer Kreise im Dienste der herrschenden Klasse werden.

Klaus Steiniger, ver.di-Mitgliedsnummer 99 70 11 32 35

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[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

Der Menschen Feind (6)

von Rudi W. Berger

Leicht gekürzter exklusiver Vorabdruck aus
"Dran, dran, solang ihr Tag habt"
Schlachtfeld Literatur, Schlachtfeld Deutschland.
Essayistische Exkurse"

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Die Bankenrettung ist ein Job für Taschendiebe

Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren

Der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) wurde am 17. Oktober 2008 auf dem bisherigen Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise, der durch die Pleite der US-Bank Lehman Brothers eingeläutet worden war - ins Leben gerufen. Dazu beschloß die Regierung der großen Koalition mit Merkel und Steinbrück im Eilverfahren das sogenannte Finanzmarktstabilisierungsgesetz.

Verwaltet wird der Fonds von der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA), die unter Aufsicht des Finanzministers steht. Seine Einrichtung war notwendig geworden, um überschuldete Banken mit Steuergeldern zu stabilisieren und zu rekapitalisieren. Solche Geldinstitute wie Hypo Real Estate, Commerzbank, West LB u. a. hatten enorme Summen im weltweiten Finanz- und Investment-Roulette verzockt. Ihnen wurde nun durch den SoFFin unter die Arme gegriffen. Dieser Fonds ist ein Sondervermögen der Bundesrepublik, das den Regeln der Haushaltsplanung und damit der Entscheidungskompetenz des Bundestages entzogen ist. Entstehende Kosten und Verluste tragen zu 65 Prozent der Bund und zu 35 Prozent die Länder. Für diese erfolgte eine Deckelung auf maximal 7,7 Mrd. Euro. Die Existenzdauer des Fonds war ursprünglich bis Ende 2009 befristet. Er war ermächtigt, Kredite bis zu einer maximalen Höhe von 80 Mrd. Euro auszureichen, und Garantien für Schuldtitel und Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von 36 Monaten bis zu 400 Mrd. Euro zu gewähren.

Außerdem können Banken fragwürdige Wertpapiere oder ganze Geschäftsbereiche in sogenannte Bad Banks - zu deutsch: üble Banken - auslagern. Davon machten bisher die HRE (ca. 175 Mrd. €) und die West LB (ca.75 Mrd. €) Gebrauch. Der SoFFin hält Kapitalanteile in Höhe von 19,8 Milliarden Euro, davon an der Commerzbank 6,7 Mrd. Euro und an der HRE-Gruppe 9,8 Mrd. Euro. Die "Lebenszeit" für den SoFFin wurde mehrfach verlängert und sollte Ende 2012 auslaufen. Sein Weiterbestehen bis 2014 wird damit begründet, daß es im Rahmen der EU noch kein übergreifendes Bankenrettungssystem gebe. Es ist vorgesehen, daß - beginnend in diesem Jahr - die Banken insgesamt für Verluste und Bankenrettung durch eine Bankenabgabe aufkommen sollen, wobei die Altlasten des Fonds beim Steuerzahler verbleiben. Die Gesamtverluste des SoFFin betragen bisher 22,1 Mrd. Euro. Davon entfallen auf das Jahr 2010 "nur" 4,8 Mrd., während sich die Verluste 2011 bereits auf 13,1 Mrd. beliefen. Hauptursache dafür war der Schuldenerlaß für Griechenland. Der SoFFin ist ein Faß ohne Boden. Wann er endgültig geschlossen wird, steht in den Sternen.

Bis spätestens 2015 soll ihn ein EU-weites Bankenrettungssystem ersetzen. Dazu gibt es zwei Vorstellungen: Während die BRD für einen gesonderten Bankenrettungsfonds als Bestandteil eines Bankenrettungssystems die Trommel rührt, sind andere Staaten bestrebt, den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der im September 2012 für Staaten eingeführt wurde, auch auf Banken auszudehnen. Er wird mit Garantien in Höhe von 620 Mrd. Euro und 80 Mrd. Euro Eigenkapital ausgestattet. Die BRD-Steuerzahler haften dafür mit weiteren 190 Mrd. Euro.

Der Unter schied zwischen dem SoFFin und einem neuen EU-Bankenrettungssystem besteht lediglich darin, daß der nationale Rahmen der "Schuldenregulierung" für Banken verlassen und dauerhaft internationalisiert wird.

Das Finanzkapital operiert und spekuliert bereits in diesem Sinne. SoFFin wie EU-Bankenrettungsfonds stellen eine gigantische Umverteilung von Geldern zugunsten von Finanz- und Versicherungsunternehmen auf Kosten der Allgemeinheit dar. Während man die Bankenverluste "sozialisiert", werden die Profite aus Finanzgeschäften wie bisher privatisiert.

Die Finanz- und Währungskrise resultiert aus der Verselbständigung des von der Sphäre der materiellen Produktion inzwischen gänzlich abgekoppelten Finanz- und Währungssystems. Dem liegt das "freie Spiel" der Finanz- und Kapitalmärkte zugrunde. Mit Transaktionsabgaben auf Bankgeschäfte und verschärfter Bankenaufsicht im Rahmen der EU wird das Problem nicht zu lösen sein. Dazu bedürfte es eines generellen Verbots jeglicher Spekulationsgeschäfte, die nichts mit der Realwirtschaft zu tun haben. Dagegen aber legen die kapitalistische Finanz-"Elite" und deren Regierungsbeauftragte ein entschiedenes Veto ein.

Dr. Ulrich Sommerfeld, Berlin

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RF-Extra

Die DDR war keine Fußnote der deutschen Geschichte

Ein kleines Schwergewicht

Die Gründung der DDR war ein Höhepunkt in der wechselvollen Chronik der Arbeiterbewegung sowie aller fortschrittlichen Kräfte Deutschlands.

Als sie erfolgte, ging es noch um die Errichtung einer antifaschistischdemokratischen Ordnung. Erst drei Jahre später wurde der Aufbau des Sozialismus zum Staatsziel erklärt. Damit und durch ihre nachfolgende Entwicklung erwies sich die DDR als größte Errungenschaft in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung.

Diese These stellen wir allen Verleumdungen, Geschichtsfälschungen und Diskreditierungsversuchen entgegen, mit denen die DDR von den Verfechtern der bürgerlichen Ideologie und der imperialistischen Politik bis heute überschüttet wird. Die Gründung eines solchen Staates hatte ihre Vorgeschichte. Diese reicht vom Bund der Kommunisten zu Zeiten von Marx und Engels über die erste deutsche Arbeiterpartei unter August Bebel und Wilhelm Liebknecht, die Formierung der KPD durch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht bis zu Ernst Thälmann und den ungezählten Widerstandskämpfern in der finsteren Zeit des Faschismus.

Die am 7. Oktober 1949 erfolgte Konstituierung der DDR beruhte auf drei entscheidenden Voraussetzungen:

Erstens war die mächtigste europäische Kriegsmaschine, der kein kapitalistisches Land des Kontinents widerstanden hatte, von der Roten Armee der UdSSR zerschlagen worden. Damit wurde der Weg für eine neue Gesellschaftsgestaltung frei. Aber mehr als das: Sowjetische Kommandanturen, Politoffiziere, Kulturschaffende und Wissenschaftler in Uniform haben Unvergleichliches an politisch-ideologischer, administrativer und kultureller Hilfestellung geleistet. Mir ist noch in guter Erinnerung, wie der sowjetische Major Patent - ein Philosoph - in öffentlichen Podiumsdiskussionen an der wiedereröffneten Leipziger Universität dem Idealismus bürgerlicher Professoren marxistisches Denken entgegenstellte. Und ich war auch zugegen, als am 30. Juni 1947 unter Schirmherrschaft von Oberst Tjulpanow die Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion von Jürgen Kuczynski und Peter Alfons Steiniger gegründet wurde.

Die zweite Voraussetzung bestand darin, daß der jahrzehntelange Bruderzwist der beiden großen Arbeiterparteien überwunden und deren Vereinigung im Osten Deutschlands herbeigeführt werden konnte. Ich war damals als Hilfsarbeiter am Rande des völlig zerstörten Dresden in einer Gummifabrik beschäftigt. Bei uns gab es Betriebsgruppen von SPD und KPD. Da sich die kommunistischen Genossen intensiver mit mir befaßten, trat ich am 1. Januar 1946 der KPD bei. Seitdem bin ich - über alle Höhen und Tiefen hinweg - ohne Unterbrechung organisiert und gehöre heute zur Kommunistischen Plattform der Partei Die Linke. In unserer Dresdner Gummifabrik unterstützten beide Betriebsgruppen nicht nur die Vereinigung, sondern bereiteten sie auch konkret mit vor. Als auf dem Theaterplatz vor der zerstörten Semperoper Wilhelm Koenen und Otto Buchwitz im Frühjahr 1946 vor Zehntausenden Dresdnern die Notwendigkeit der Arbeitereinheit begründeten, war von "Zwangsvereinigung" absolut nichts zu spüren.

Die dritte Voraussetzung bestand darin, daß sich in der werktätigen Bevölkerung - insbesondere unter jüngeren Menschen - ein energischer Aufbauwille durchsetzte, der auf die Überwindung der Kriegsfolgen und die Gestaltung einer neuen Gesellschaft gerichtet war. Dazu gehörte, daß wir als erste Arbeiterstudenten - noch vor der Gründung von Arbeiter-und-Bauern-Fakultäten - eine SED-Parteigruppe bildeten und in harten Auseinandersetzungen mit damals noch einflußreichen rechten Kräften aus CDU und LDP die soziale Umgestaltung der Universität in Angriff nahmen.

Hervorzuheben ist, daß unser ganzes Handeln von tiefer Überzeugung durchdrungen war. Wir kannten weder Obrigkeitsdenken noch Dirigismus. Alles vollzog sich auf eine Weise, die wir heute als Basisdemokratie bezeichnen. Die Brechung des bürgerlichen Bildungsmonopols und die Öffnung der Tore zu Wissenschaft und Technik, Kunst und Kultur für alle Begabten gehören zu den größten politischen und zivilisatorischen Leistungen der DDR.

Ich äußere mich zu dieser Frühzeit nach dem Krieg und in den ersten Jahren der DDR keineswegs aus bloßer Nostalgie. Inzwischen ist es ja - mitunter selbst im linken Spektrum - Mode geworden, die Bewertung der DDR nur mit Blick auf ihre letzte Phase und anhand ihrer Defizite vorzunehmen. Doch wenn man ihre heroische Gründungszeit, ihren rasanten wirtschaftlichen Aufbau, ihre wissenschaftlich-kulturelle Entfaltung und ihr internationales Wirksamwerden nicht in die Betrachtung einbezieht, ist eine seriöse Bilanzierung unmöglich. Dabei darf man keineswegs übersehen, daß sich im Laufe der Jahre auch negative Aspekte herausbildeten und Defizite - nicht zuletzt in Fragen der Demokratie und Bürgernähe - entstanden.

Zu den großen Errungenschaften können wir die Bildende Kunst der DDR rechnen. Fritz Cremers Buchenwald-Denkmal kennt alle Welt. Das Bauernkriegspanorama Werner Tübkes in Bad Frankenhausen wurde seit seiner Fertigstellung 1987 von etwa zweieinhalb Millionen Interessierten in Augenschein genommen. Die lebensprallen Figuren Willi Sittes, die ausdrucksstarke Malerei Mattheuers und die realistischen Werke Walter Womackas brachten der DDR hohes Ansehen ein.

Auch ihre Literatur besaß starke Sogwirkung. Genannt seien hier nur "Das siebte Kreuz" von Anna Seghers, "Nackt unter Wölfen" von Bruno Apitz, "Professor Mamlock" von Friedrich Wolf und Hermann Kants "Die Aula". Das hohe Niveau von Kunst und Literatur der DDR kontrastiert scharf mit dem zunehmenden Kulturverfall in der BRD.

Zur Staatsdoktrin der DDR gehörten der proletarische Internationalismus und die internationale Solidarität mit allen um ihre Befreiung ringenden oder ihre Souveränität verteidigenden Völkern. Lange Zeit behinderte die Alleinvertretungsanmaßung der BRD - nach ihrem Urheber als Hallstein-Doktrin bezeichnet - die weltweiten Aktivitäten der DDR. Doch sie blieben auf Dauer nicht ohne Widerhall. Vor allem die Unterstützung schwach entwickelter Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika verschaffte der DDR hohes Ansehen. Eine Schlüsselrolle spielte dabei vor allem auch die Ausbildung von akademischem Nachwuchs und Fachkräften vieler Gebiete. In den 50er und 60er Jahren habe ich Studenten aus der Dritten Welt an der Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst in Wirtschaftswissenschaften unterrichtet und Doktoranden zur Promotion geführt, die dann in ihren Ländern angesehene Experten wurden.

Besonders in der Endphase des Bestehens der DDR kam es zu ernsten Komplikationen, die sich schon lange zuvor angedeutet hatten. Bestimmte Lücken im Warensortiment ließen sich nicht schließen. Die erbrachten sozialpolitischen Leistungen - darunter auch die kühn angegangene Lösung der Wohnungsfrage - überstiegen bei weitem die tatsächlich vorhandene Wirtschaftskraft der DDR. Erneuerung und Modernisierung der Produktion blieben dabei nicht selten auf der Strecke, was zu einem hohen Verschleiß industrieller Ausrüstungen und zum Verfall von Teilen der Infrastruktur führte. Eine von hehren Absichten bestimmte, aber ökonomisch nicht genügend untersetzte Großzügigkeit im Umgang mit Finanzen schwächte die Wirtschaftskraft der DDR.

Das alles ist bedauerlich, doch wir wissen auch, daß die Behauptung, der sozialistische deutsche Staat sei am Ende seiner Existenz bankrott und so gut wie zahlungsunfähig gewesen, nicht den Tatsachen entspricht. Ende 1989 betrug seine Nettoverschuldung 19,9 Mrd. Valuta-Mark, was 760 Dollar pro Einwohner entspricht. Im Vergleich zur heutigen Auslandsverschuldung vieler Industriestaaten einschließlich der BRD und der USA war dies eine volkswirtschaftlich beherrschbare Größe. Die Deutsche Bundesbank stellte in ihrem Jahresbericht 1989 fest, daß die DDR allein gegenüber der UdSSR offene Forderungen in Höhe von 3,1 Mrd. Valuta-Mark und gegenüber anderen RGW-Staaten von 6,1 Mrd. Valuta-Mark hatte.

Sämtliche noch ausstehenden Zahlungen für von den Werktätigen der DDR erarbeitete Werte wurden durch die Regierung des SPD-Kanzlers Schröder den inzwischen ebenfalls kapitalistischen Ländern erlassen. Die notorische Treuhand verschleuderte überdies DDR-Volksvermögen im Wert von - umgerechnet - etwa 320 Mrd. Euro zu absoluten Schnäppchenpreisen an westdeutsche Konzerne und Unternehmer. Selbst BRD-Wirtschaftsinstitute errechneten, daß auch von den für Investitionen und angebliche Wirtschaftsförderung im annektierten Osten ausgegebenen Geldern etwa 78 % in die Taschen westdeutscher Kapitaleigner zurückfließen.

Insgesamt ergab sich gegen Ende der DDR das Bild einer Volkswirtschaft, die zwar nicht gerade kerngesund, aber ebensowenig sterbenskrank gewesen ist.

Nach dem Abtreten unseres Staates von der Bühne zeitgenössischer Geschichte unternehmen alle früheren und derzeitigen Gegner der DDR enorme Anstrengungen, sie im Gedächtnis der deutschen und weltweiten Öffentlichkeit auszulöschen. Doch schon jetzt ist das Fiasko solcher Bemühungen erkennbar. Mehr als das: Ihre Bewertung in seriösen Analysen auch bürgerlicher Wissenschaftler gewinnt zunehmend an Objektivität.

Trotz der 1989/90 erlittenen Niederlage haben wir allen Grund, auf das damals Geleistete stolz zu sein. Die DDR war nicht, wie das die Medien der Bourgeoisie im zeitgeschichtlichen Bewußtsein verankert sehen möchten, nur eine Fußnote der Geschichte. Dieses kleine Schwergewicht war ein Paukenschlag in der Chronik des deutschen Volkes. Mehr noch: in der Geschichte Europas. Und wenn er auch inzwischen verhallt ist, haben wir ihn noch gut im Ohr und werden dafür sorgen, daß seine akustische Wahrnehmung auch künftige Generationen zu neuen revolutionären Taten anspornt.

Prof. Dr. Herbert Meißner


Unser Autor, ein ausgewiesener Ökonom, war Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR.

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Strategische Überlegungen in einer nichtrevolutionären Etappe

Lenins "Was tun?" aus heutiger Sicht

Lenin hat seine Schrift "Was tun?" zu brennenden Fragen der marxistischen Bewegung (Werke 5/354 ff.) mit Blick auf die Formierung einer revolutionären Sozialdemokratie geschrieben, die sich mit dem Übergang zum imperialistischen Weltsystem abzeichnete. "Wir schreiten als eng geschlossenes Häuflein, uns fest an den Händen haltend, auf steilem und mühevollem Weg dahin. Wir sind von allen Seiten von Feinden umgeben und müssen fast stets unter ihrem Feuer marschieren." Und: "Bevor man sich vereinigt und um sich zu vereinigen, muß man sich zuerst entschieden und bestimmt voneinander abgrenzen."

Ohne diese Marschrichtung hätte es keinen Roten Oktober gegeben. Der Sieg der Bolschewiki 1917 ist deshalb ohne Lenin undenkbar. Die Oktoberrevolution ist "eine herausragende, wenn nicht die bedeutsamste historische Begebenheit des 20. Jahrhunderts überhaupt." (Alexander Rabinowitsch) Sie öffnete das Tor dafür, daß der Sozialismus einen immensen Beitrag zu den zivilisatorischen und sozialen Wandlungen im 20. Jahrhundert leisten konnte. Sein Kampf um die Erhaltung des Weltfriedens und sein wesentlicher Anteil an der Zerschlagung des Faschismus im Zweiten Weltkrieg sind Ruhmesblätter in den Annalen der menschlichen Geschichte.

Für unsere Zeit ist eine welthistorisch weitergedachte Analogie erforderlich. "Natürlich wiederholt sich die Geschichte niemals in derselben Form. Aber man sollte aus ihr Lehren ziehen und Kraft schöpfen. Kraft und Mut für kommende Kämpfe." (Klaus Steiniger, "RotFuchs", Juli 2011, S. 1)

Begeben wir uns in medias res: Mit Lenins Schrift, in der er 1902 das Verhältnis von Arbeiterklasse und revolutionärer Arbeiterbewegung analysierte, kann man nicht schematischdogmatisch auf die Frage "Was tun?" in unserer Zeit antworten, obwohl viele substantielle welthistorische Kernaussagen ihre volle Gültigkeit behalten. Lenin kritisierte: "Die Sozialdemokratie soll aus einer Partei der sozialen Revolution zu einer demokratischen Partei der sozialen Reformen werden." Und dies bedeutete, daß somit "die Forderung nach einer entschiedenen Schwenkung von der revolutionären Sozialdemokratie zum bürgerlichen Sozialreformismus von einer nicht minder entschiedenen Schwenkung zur bürgerlichen Kritik an allen Grundideen des Marxismus begleitet" wurde. (Ebenda). Oder: "Die revolutionäre Sozialdemokratie hat den Kampf für Reformen stets in ihre Tätigkeit eingeschlossen und tut das auch heute." Weiter: "Ohne revolutionäre Theorie kann es auch keine revolutionäre Bewegung geben." Und: "In unserer Zeit kann nur die Partei zur Avantgarde der revolutionären Kräfte werden, die wirklich vom ganzen Volk ausgehende Enthüllungen organisiert."

Die Niederlage der internationalen kommunistischen Bewegung war kein gesetzmäßiges Ende, jedoch eine welthistorische Katastrophe, da sie die Dialektik des Zeitmaßes verdeutlichte. Einerseits hat sich durch die Destabilisierung des subjektiven Faktors das Zeitfenster für eine Überwindung des Kapitalismus in historischer Dimension angesichts der gegenwärtigen weltweiten Kräftekonstellation weiter geöffnet. Es könnte demnach länger dauern, als von uns angenommen wurde. Andererseits zeigt sich im Spätkapitalismus mit seiner permanenten Krise und deren zerstörerischen Nah- und Fernfolgen, daß der Menschheit eine Verkürzung dieses Zeitmaßes zur Lösung ihrer Überlebensprobleme bevorstehen müßte. So ist es ein geschichtliches Dilemma, daß - wahrscheinlich auf mehr oder weniger lange Sicht - nicht mit einer revolutionären Situation zu rechnen ist. Zum Grundgesetz der Revolution gehört nach Lenin: "Erst dann, wenn die 'Unterschichten' das Alte nicht mehr wollen und die 'Oberschichten' in der alten Weise nicht mehr können, erst dann kann die Revolution siegen. ... Die Revolution ist unmöglich ohne eine gesamtnationale (Ausgebeutete wie Ausbeuter erfassende) Krise." (Werke 31/71)

Niemand kann behaupten, daß die Mehrheit der Lohnabhängigen die Notwendigkeit eines revolutionären Umsturzes schon begriffen hätte und die herrschende Klasse eine solche Krise durchmacht, welche die rückständigsten Massen in die Politik hineinzieht und so den revolutionären Aufbruch ermöglicht. Natürlich ist das politische Grollen in Europa in Gestalt machtvoller Streiks und sozialer Protestbewegungen nicht zu überhören. Andererseits aber sitzen die Herrschenden noch fest im Sattel. Ein bestimmtes Maß an Bourgeois-Sozialismus korrumpiert große Teile des "gesellschaftlichen Gesamtarbeiters" (Marx). Der sozialen Widerstandsbewegung fehlt das übergreifende Projekt. Die marxistische Linke liegt noch weitgehend am Boden. Sicherlich zeigen sich Risse in der kapitalistischen Hegemonie; aber sie wankt noch nicht. Steiniger folgert hieraus: "Nun ohne die Macht, sind wir indes nicht ohnmächtig. Auch unsere Zeit wird wieder kommen. Der Geschichtsverlauf ist oft irregulär. Jähe Wendungen gehören dazu." (RF, Juli 2011)

"Was tun" in einer nichtrevolutionären Phase, in der es noch kein dialektisches Ineinandergreifen von objektiven und subjektiven Faktoren einer revolutionären Situation gibt? Fabulieren über eine künftige sozialistische Revolution, die in den Sternen steht? Jeder sollte seinen Möglichkeiten entsprechend einen politisch-ideologischen oder theoretischen Beitrag für die kommenden Kämpfe leisten. Eine der vordringlichsten Aufgaben sozialistischer Denker der älteren Generationen sollte es sein, zur Weiterentwicklung des Marxismus beizutragen. "Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche!", empfahl Che Guevara. Und das in einer Zeit, in der uns solche geistigen Führer wie Marx, Engels und Lenin sowie andere herausragende marxistische Köpfe fehlen!

Ohne Orientierung an deren Denkmethode ist dies nicht möglich. Die lebendige Seele des Marxismus, sein zentraler Ausgangspunkt ist nach Lenin "die Dialektik, die Lehre von der allseitigen und widerspruchsvollen historischen Entwicklung". (Werke, 17/23)

Ihr "Zusammenhang mit den bestimmten praktischen Aufgaben der Epoche, die sich bei jeder neuen Wendung der Geschichte ändern können", war für ihn das Alpha und Omega der Weiterentwicklung des Marxismus, der "unbedingt den auffallend schroffen Wechsel der Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens widerspiegeln (muß)". Das verlangt, niemals das Allerwichtigste zu umgehen: "die konkrete Analyse einer konkreten Situation". (Werke, 31/154)

Lenins Überlegungen in "Was tun?" mit dem Blick auf das Heute sind also mit seiner Forderung fortzuführen, "jede Frage von dem Standpunkt aus zu betrachten, wie eine bestimmte Erscheinung in der Geschichte entstanden ist, welche Hauptetappen diese Erscheinung in ihrer Entwicklung durchlaufen hat, und vom Standpunkt dieser Entwicklung aus zu untersuchen, was aus der betreffenden Sache jetzt geworden ist." (Werke, 29/463)

"Was tun?" wurde von Lenin am Beginn der imperialistischen Entwicklung des Kapitalismus geschrieben, die erst erfolgreiche sozialistische Umgestaltungen überhaupt möglich machte. Die offene Diktatur der Finanzmärkte zeigt, daß die Existenz der Menschheit angesichts des weiteren Abgleitens in die Barbarei auf dem Spiel steht. Dies signalisiert, daß die "historische Mission des Kapitalismus" ihre Zeit überschritten hat. Aber zugleich bleibt der Niedergang des imperialistischen Spätkapitalismus mit dem epochalen Übergang zum Sozialismus/Kommunismus verbunden, der als objektiver Prozeß besonderer historischer Art weitergeht, und zwar durch die gewaltige Vergesellschaftung der Produktion als Folge der digitalen Revolution. Sie enthält bereits eine sozialistisch/kommunistische Produktionsweise als Möglichkeit.

Wir können also davon ausgehen, daß sich trotz der Schwäche des subjektiven Faktors insofern der "naturhistorische Prozeß" (Marx) der gesellschaftlichen Evolution im Spätkapitalismus in Richtung Kommunismus mit zunehmender Geschwindigkeit fortsetzt. Es ist deshalb keine Paradoxie, heute bereits den weltweiten Übergang zum Kommunismus gedanklich vorzubereiten, ohne dabei den Boden der Wirklichkeit zu verlassen. Und deshalb gilt es, den Marxismus für das 21. Jahrhundert weiterzuentwickeln. Dies verlangt zunächst vor allem, über den Sozialismus heute nachzudenken und sich der Problematik eines Übergangsprogramms in den entwickelten kapitalistischen Ländern zu stellen, das den Ausbruch ermöglichen soll.

Der subjektive Faktor befindet sich nicht zuletzt als Folge der Niederlage des europäischen Sozialismus und der kommunistischen Weltbewegung in schlechter Verfassung. Das zeigt auch der Zustand der kommunistischen Bewegung in Deutschland. Die derzeit bestehenden Organisationen mit einem solchen Anspruch sind nur kleine Gruppen, die sich auf "eigene" Traditionen, "eigene" Erfahrungshorizonte und insofern auf eine "eigene Existenzberechtigung" berufen. Konfusion und Meinungsverschiedenheiten sind dabei nicht zu verkennen.

Auch die DKP ist als marxistische Partei ohne politischen Masseneinfluß. Sie ist verteidigenswert, da ihr Programm dem wissenschaftlichen Sozialismus Rechnung trägt, wodurch Revisionismus und Dogmatismus bestimmte Schranken gesetzt werden. Auf der Grundlage marxistischer Programmatik könnte sie in Präzisierung ihrer antimonopolistischen Strategie den revolutionären Ausbruch aus dem spätkapitalistisch-imperialistischen System erarbeiten.

Der "RotFuchs" hat im linken politischen Spektrum der BRD und darüber hinaus einen außergewöhnlichen Klärungsbeitrag geleistet. Hierzu ist auf das Interview mit Dr. Klaus Steiniger zu verweisen, das die "junge Welt" am 18./19. Februar 2012 veröffentlichte. Auch im "RotFuchs" leistete und leistet dessen Chefredakteur einen profunden Beitrag zu unserem Thema "Was tun heute?" Kommunisten, Sozialisten und andere Demokraten mit und ohne Parteibuch wurden durch eine Reihe von Leitartikeln zu schöpferischem Nachdenken angeregt und im Interesse unserer gemeinsamen sozialistischen Sache zum Handeln motiviert.

Lenin hat 1902 der bolschewistischen Partei mit "Was tun?" Grundlagen für eine progressive Nutzung der welthistorischen Situation geschaffen. Kern seines Denkens war die Formierung einer revolutionären marxistischen Partei, die sich theoretisch auf der Höhe ihrer Zeit befindet und zugleich allen Versuchen widersteht, auf die schiefen Bahnen des bürgerlichen Sozialreformismus und der Spontaneität zu geraten. Nicht kleinbürgerlicher, sondern wissenschaftl icher Sozialismus stand damals auf der Tagesordnung. Heute sind das für künftige Revolutionen nach wie vor lebenswichtige Anliegen - allerdings unter völlig anderen Bedingungen. In der jetzigen nichtrevolutionären Situation gilt es zunächst "Nägel mit Köpfen" zu machen. (RF, Oktober 2012)

Klaus Steiniger wendet sich nachdrücklich gegen "'linke' Revoluzzer, deren Sektierertum keine geringere Abweichung vom Marxismus darstellt als die rechtsopportunistische Preisgabe von Prinzipien". (RF, Februar 2011) Gerade in dieser "Preisgabe" zeigt sich heute abermals ein zunehmender Trend zur Spontaneität, verbunden mit einem Aufgeben der Parteitheorie von Marx, Engels und Lenin. Im RF wird darauf verwiesen, daß sich niemand einen Gefallen tut, "wenn er aufs hohe Roß eines Alleinvertretungsanspruchs innerhalb der Linken steigt, andere ignoriert und die reale Existenz mehrerer unterschiedlich profilierter kommunistischer Parteien von verschiedener Größe außer Betracht läßt". (RF, Mai 2012) Ja!

Hinzu kommt: Bei dem zumindest mittelfristigen Prozeß der abermaligen Herausbildung einer einflußreichen marxistischen Partei in Deutschland handelt es sich um einen komplizierten Marsch zwischen Skylla und Charybdis. Lenins Rat zu folgen heißt, auch hier ein gediegenes Maß an theoretischer und praktischer Vernunft walten zu lassen. Die bestehenden kommunistischen Organisationsformen sollten sich zunächst an einer politischen Blockbildung als Gegenmacht beteiligen, unabhängig von Differenzen, die hier an eine nachgeordnete Stelle rücken müssen und perspektivisch auf dem Boden der Klassiker bei Weiterentwicklung des Marxismus unter den Bedingungen unseres Jahrhunderts zu lösen sind. Die präzisierte Formulierung im Programm des RF-Fördervereins: "Einigung - mit dem Ziel der Vereinigung!" trägt diesem Gedanken Rechnung.

Prof. Dr. Ingo Wagner, Leipzig

Ende RF-Extra

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Zum Tode des großen venezolanischen Revolutionärs Hugo Chávez

Bolívars kühner Testamentsvollstrecker

Am 5. März ist Hugo Chávez, der seit etlichen Monaten schwerkranke und wiederholt von Kubas besten Chirurgen operierte Präsident Venezuelas, in Caracas seinem Krebsleiden erlegen. Millionen Venezolaner verbinden mit ihrer Trauer um diesen unerschrockenen Kämpfer und bedeutenden antiimperialistischen Staatsmann, der sich seit geraumer Zeit vor allem in der Klassenfrage marxistischen Positionen immer stärker zu nähern begann, einen Schwur: die Entschlossenheit, den nun zu erwartenden massiven Ansturm innerer wie äußerer Feinde der Bolivarianischen Revolution im Sinne von Chávez mit geballter Kraft zurückzuschlagen. Sie scharen sich dabei um den zur rechten Zeit mit der Führung der Staatsgeschäfte als Amtierender Präsident beauftragten Chávez-Vertrauten Nicolás Maduro. In die Steuerkunst des einstigen Busfahrers setzen nicht allein die Anhänger der von Chávez begründeten Sozialistischen Einheitspartei Venezuelas (PSUV) - einer revolutionären Massenbewegung mit Millionen eingetragenen Anhängern - Hoffnungen und Erwartungen. Auch die traditionsreiche, seit fast einem Jahrhundert in der Arbeiterklasse des Landes verwurzelte Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) trauert um den verstorbenen Comandante, der zu Recht als Testamentsvollstrecker des Befreiers und Staatsgründers Símon Bolívar gilt und zu ihr ein zwar nicht immer konfliktfreies, jedoch von Vertrauen und Kameradschaft geprägtes Verhältnis unterhielt. Als nach der PSUV zweitstärkste politische Formation des Lagers der Chávistas schlug die PCV seinerzeit die Einladung des Präsidenten aus, in der PSUV aufzugehen. Sie nahm dabei den politisch korrekten Standpunkt ein, das venezolanische Proletariat und mit ihm verbündete Klassen und Schichten bedürften generell, um so mehr aber in einem noch nicht zum Sieg geführten revolutionären Prozeß, einer eigenständigen marxistisch-leninistischen Vorhutpartei. Zugleich unterstützte die PCV alle antiimperialistischen, zukunftsweisenden und revolutionären Maßnahmen des kühnen Präsidenten der Republik. Das betraf vor allem grandiose Fortschritte im Erziehungs-und Gesundheitswesen sowie auf sozialem und arbeitsrechtlichem Gebiet, wobei die Hilfe von Kuba entsandter Ärzte und Lehrer ebenso unverzichtbar war wie die Solidarität, die Caracas - beispielsweise durch Erdöllieferungen zu günstigen Konditionen - dem Land von Fidel und Raúl Castro, mit denen Chávez auf das engste befreundet war, erwiesen.

Andererseits vermochte die Bolivarianische Revolution - wie 1974/75 Portugals Aprilrevolution - die Frage der politischen Macht bisher nicht zugunsten der arbeitenden Klassen zu entscheiden, auch wenn sich parallele Strukturen herauszubilden begannen. Noch immer verfügt die vom Imperialismus instrumentalisierte venezolanische Großbourgeoisie über die einflußreichsten Sender und Zeitungen des Landes, das Gros industrieller Produktionsmittel und wichtige Positionen in Staat und Gesellschaft.

In dieser Hinsicht konnte nach dem klaren Sieg von Hugo Chávez über Henrique Capriles - den Kandidaten der Oligarchie und des Imperialismus - bei den Präsidentschaftswahlen vom 7. Oktober 2012 am 16. Dezember, als Gouverneurs- und Regionalwahlen stattfanden, erfolgreich nachgelegt werden. Erstmals gingen 20 von 23 Gouverneursposten an die von PSUV, PCV und anderen Volkskräften unterstützten Bewerber des Chávez-Lagers. Nur drei Gouverneursposten fielen an die Rechte. Obwohl Capriles mit deutlich verringerter Stimmenzahl in seinem Bundesstaat Miranda, östlich von Caracas, als Gouverneur wiedergewählt wurde, errang sein Klüngel im Legislativrat - dem regionalen Parlament - nur 8 von 15 Mandaten. Fünf maßgebliche Bundesstaaten, die zuvor an die rechte Opposition gefallen waren, wurden von den Chávistas zurückerobert. So konnte Hugo Chávez vor Beginn seiner Behandlung in Havanna bei der Verabschiedung von seinem Volk die Feststellung treffen: "Sie sollen sich nicht irren - wir besitzen ein Vaterland."

Dennoch wäre es voreilig, ginge man davon aus, daß die Würfel in Venezuela bereits endgültig gefallen seien. Noch ist die vom Imperialismus gestützte innere Reaktion stark genug, der Bolivarianischen Revolution unablässig Sand ins Getriebe zu streuen. Bei den durch die Chávez-Seite gewonnenen Wahlen für die Regionalparlamente waren 46 % der zum Votum Berechtigten nicht an die Urnen getreten. 4.849.143 Stimmen (55 %) gingen an die als Kraft der Revolution auftretende Linke, nicht weniger als 3.831.711 Stimmen (43%) fielen an die Reaktion. So ist damit zu rechnen, daß diese nach dem Tod des Revolutionsführers noch mehr als bisher alle Register der politischen, ideologischen und ökonomischen Aggression ziehen wird. Andererseits könnte auch ein mit dem Schmerz der Massen um das Ableben ihres Vorbilds verbundener "Trauerbonus" die Linke bei der Wahl eines neuen Staatsoberhauptes begünstigen.

Die revolutionären Kräfte sollten einen übersteigerten Triumphalismus ablegen, die Neigung zur Bürokratisierung zurückdrängen und eine höhere Effektivität beim Regieren anstreben, zitierte Kubas "Granma" aus einer Kolumne des erfahrenen Politikers José Vicente Rangel in der Zeitung "El Espejo".

Nicolás Maduro, auf dem jetzt die Last der Verantwortung für die Weiterführung des Bolivarianischen Prozesses ruht, geißelte seinerseits "den schon an Wahnsinn grenzenden Hochmut" der Gegner eines freien und unabhängigen Venezuela. "Ich glaube, sie haben gar nicht gemerkt, daß 20 Gouverneursämter mehr sind als drei", sagte er. Das Volk habe den sogenannten Tisch der Demokratischen Einheit - den Pakt der Gestrigen - aufgelöst.

RF, gestützt auf "Granma Internacional", Havanna

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Von Wilhelms Bagdad-Bahn zu Angelas Abschußrampen

Klassische Kolonialistenträume

Im Oktober 1903 erfolgte der erste Spatenstich für die Bagdad-Bahn. Wie das Organ des deutschen Großkapitals, die "Frankfurter Allgemeine", treffend bemerkte, sollte dieses Projekt dem Deutschen Reich "die Türkei und den Nahen Osten erschließen". Unter Federführung der Deutschen Bank war schon 1888 die Anatolische Eisenbahngesellschaft ins Leben gerufen worden.

Sie leitete auch die Finanzierung des Vorhabens in die Wege. Und wiederum war es die Deutsche Bank, welche die Verträge unterzeichnete, auf deren Grundlage im März 1903 dann den kaiserlich-deutschen Bewerbern die Konzession erteilt wurde. Das Projekt erfuhr durch Wilhelm II. persönlich allseitige Förderung. Der Monarch unternahm zwischen 1889 und 1917 mehrere Orientreisen und verwandte sich dabei nachdrücklich für den Bau einer "Eisenbahnverbindung Berlin - Basra".

Das Gesamtprojekt sah auf dem Territorium des seinerzeitigen Osmanischen Reiches einschließlich der Nebenstrecken in Syrien und Irak eine Gesamtlänge von über 3200 Bahn-Kilometern vor. Bis zum Endpunkt Basra wurde der in Normalspur verlegte Schienenstrang allerdings erst 1940 - nun indes unter Briten - fertiggestellt.

In den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts hatte das deutsche Monopolkapital massive Anstrengungen unternommen, in den Nahen und Mittleren Osten vorzustoßen. Gegenüber seinen britischen und französischen Konkurrenten sah es erheblichen "Nachholbedarf". Seine tonangebenden Kreise hofften so, im Vorderen Orient Kolonialbesitz ergattern zu können. Das im Verfall befindliche Osmanische Reich sollte - mit besonderem Blick auf dessen ressourcenreiche arabische Gebiete - in eine Halbkolonie des Deutschen Kaiserreichs verwandelt werden. Neben günstigen Absatzmöglichkeiten und Rohstoffquellen, die wie das irakische Erdöl durch die neue Eisenbahnlinie direkt erreicht werden konnten, hätte dieser Raum für den deutschen Imperialismus auch ein außerordentliches strategisches Gewicht erlangt: Von hier aus konnten dem britischen Kolonialreich an seinen verwundbarsten Stellen - in Ägypten und Indien - wirkungsvolle Schläge versetzt werden. Der Nahe Osten sollte zur Ausgangsbasis für den Kampf um eine Neuaufteilung der Welt werden. Die Bagdad-Bahn hätte dabei den Weg in Richtung Persisch-Arabischer Golf/Indien erschlossen und mit ihrem westlichen Strang - der Hidschas-Bahn - in Richtung zum Suezkanal geführt. Der Ausgang des Ersten Weltkrieges ließ jedoch die orientalischen Blütenträume der Deutschen Bank und ihres Anhangs platzen.

Es fällt schwer, nicht an diese osmanischen Erfahrungen zu erinnern, wenn wir heute erleben, wie bundesdeutsches Militär mit modernster Waffentechnik einen ersten Brückenkopf in der Türkei bezieht, um am Ansturm auf das in einen mörderischen Bürgerkrieg gestoßene Syrien wenigstens teilzuhaben.

Es sollte nicht vergessen werden, wie sich die BRD-Verantwortlichen in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der NATO auf beschämende Weise nach diesem Waffeneinsatz gedrängt haben. In der Allianz der "Freunde Syriens" gebärden sich die Interessenverwalter des deutschen Großkapitals auf Regierungsebene - allen voran der den Part des Außenministers gebende Herr Westerwelle - als Vorreiter der Interventen. Diese Allianz ist darauf bedacht, das souveräne Syrien zu destabilisieren und zu zerstören, wie dies bereits in Irak und Libyen mit verheerenden Auswirkungen erreicht worden ist.

Eigene BRD-Initiativen zielen darauf ab, unter Einsatz deutschen Kapitals dazu beizutragen, proimperialistische militärische und zivile Verwaltungsstrukturen nach der Art des von den "Freunden Syriens" favorisierten "Militärrates" aufzubauen. Dieser soll unter dem Kommando jener berüchtigten "Koalition" stehen, die im Herbst 2012 in Katars Hauptstadt Doha zusammengezimmert wurde. Gemeinsam mit einem von den gleichen Geburtshelfern aus der Taufe gehobenen "Nationalen Sicherheitsrat" will die "Koalition" Syrien auf einen dem Westen genehmen Kurs bringen. Dabei koordiniert die "Task Force Syrien" nach einer Verlautbarung des Berliner Auswärtigen Amtes alle den Kampf gegen Damaskus betreffenden deutschen Regierungsaktivitäten. Erste Erfahrungen erwarben die BRD-Kolonialexperten bereits mit ihren "Transformationsteams", die 2011 von der Bundesregierung erfunden wurden. Sie sollen jene Erwartungen und Begierden der deutschen Wirtschaft umsetzen, die das Aufbegehren in den arabischen Ländern erzeugt hat. Die "Transformationsteams" aus "außen- und entwicklungspolitischen Experten" werden über den Etat des Bundesentwicklungsministeriums unter Leitung des auf kolonialistische "Hilfe" spezialisierten Herrn Niebel finanziert. Die Teams verfügen über Fonds, mit denen "wirtschaftliche Strukturen aufgebaut" und "befreundete politische Gruppierungen gefördert" werden. Ein gesonderter Fonds für "Demokratisierung" gehört zum Szenarium.

Dieses Einmischungsinstrument sollte zuerst in Ägypten zum Einsatz kommen. Eine wichtige Rolle war dabei der CDU-getragenen Konrad-Adenauer-Stiftung zugedacht. Von deren langjährigen Kontakten mit den Moslembrüdern versprach man sich günstige Ausgangspositionen für die Durchsetzung bundesdeutscher Ambitionen, weshalb die Machtübernahme durch Mursis ultraislamistische "Freiheits- und Gerechtigkeitspartei" in Berlin begrüßt wurde. Im Falle Syriens erweiterte man diese "friedlichen" Instrumente des Kolonialismus von Anbeginn durch eine militärische Komponente. Deshalb konnte es mit der Stationierung von "Patriot"-Raketen und eines sie "betreuenden" Bundeswehrkontingents in der Türkei gar nicht schnell genug gehen.

Die Einbindung in NATO und EU bietet den BRD-Expansionsgelüsten im Vergleich zu früheren Unternehmen im Osmanischen Reich einen europäischen und internationalen Rahmen. So kann Westerwelle mit Blick auf die Intervention in Mali ganz unbekümmert davon schwadronieren, alles spiele sich "vor unserer Haustür" ab. Und der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr Klaus Naumann erklärt vorsorglich den gesamten afrikanischen Kontinent zu "Europas Vorfeld". Daher müsse "im Falle von Gefahr" unverzüglich gehandelt werden. Das hört sich sehr nach Abstreifen des neokolonialistischen Tarnanzugs und Rückkehr zum klassischen Kolonialismus an!

Bernd Fischer

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Pristina, Kabul, Bagdad, Tripolis, Damaskus, Bamako ...

Die Büchse der Pandora

In Mali kämpfe "das Gute" gegen "das Böse", wird behauptet. "Das Böse" seien die Islamisten und die Tuareg. "Wir" müßten die "Guten" - unsere französischen NATO-Freunde - dabei unterstützen. Diese stünden in einem "heroischen Kampf gegen den Islamismus" und für "Europa", das in diesem Falle in Afrika liegt. So irreführend lautet die Erklärung des smarten Berliner Außenamtschefs Westerwelle (FDP), mit der er die militärische Unterstützung der BRD für Frankreichs kolonialistisches Abenteuer in Mali dem deutschen Publikum per Mattscheibe vermittelte. Es gehe darum, "die Afrikaner" zu befähigen, sich der Terroristen zu erwehren und sie zu besiegen. Aber auch der ebenso groteske Nachhilfeminister Niebel (FDP) weiß Bescheid: "Die Islamisten ... zielen auf die liberale Lebensweise des Westens", verkündete er mit herbem Charme. Nicht minder unsinnig ist die Behauptung, die Eskalation der Auseinandersetzungen in Nord- und Westafrika sei auf den "Zusammenbruch Libyens" zurückzuführen. So quillt es - die Dinge arg vereinfachend - aus Kanälen der zumindest "regierungsnahen" Stiftung Wissenschaft und Politik.

Doch die Ursachen des Konflikts liegen tiefer. Als der klassische Kolonialismus in Afrika zusammenbrach, wurden die betroffenen Völker von den imperialistischen Mächten bei willkürlicher Grenzziehung "in die "Unabhängigkeit entlassen".

Mali hat sich niemals von der politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeit gegenüber Frankreich befreien können. Seit 1960 herrscht in dem Vielvölkerstaat mit mehr als 30 Ethnien eine ebenso dünne wie korrupte frankophile Oberschicht. Während 90 % der Bevölkerung einer milden Variante des sunnitischen Islam anhängen, machen Katholiken und Protestanten nur etwa zwei Prozent der Bevölkerung des Landes aus, das zu den ärmsten der Welt zählt.

Übrigens gibt es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen der durch NATO-Mächte vollzogenen militärischen Zerschlagung der politischen Machtstrukturen Libyens und heutigen Geschehnissen in Mali. Viele Angehörige des halbnomadischen Berbervolkes der Tuaregs hatten auf Grund ihrer Verfolgung anderswo in der libyschen Armee gedient, da ihnen Gaddafi Schutz und Hilfe angedeihen ließ. Nach dessen Sturz, der sie ihres Einkommens beraubte, sind sie erneut über die Sahelzone und andere Regionen verstreut.

In Mali drängte die 1960 ans Ruder gelangte schwarze Oberschicht im Bunde mit Frankreich die unerwünschten Tuareg an den sozialen Rand und in besonders unwirtliche Gegenden ab. Das führte wiederholt zu Aufständen gegen die Einschränkung ihres Lebensraums und ihrer Existenzbedingungen. Die jüngste Rebellion erfolgte, nachdem der Machtkonflikt innerhalb der zerstrittenen Führungselite Bamakos am 21. März 2012 zu einem Militärputsch geführt hatte. Als Reaktion auf diese Entwicklung wurde schon am 6. April der Tuareg-Staat Azabad im Norden Malis ausgerufen.

Zum Islamisten-Lager gehören unterschiedliche Kräfte, darunter die Gruppe Ansar Dine (Verteidiger des Islam), und die Nationale Bewegung für die Befreiung von Azabad (MNLA). Sie führte den jüngsten Aufstand nach dem Coup in Bamako an und eroberte rasch weite Gebiete im Norden. Zugleich wurden die Tuareg von radikalen Kräften unterwandert. Dazu gehören in erster Linie Al Kaida im islamischen Maghreb (AOMI) und die "Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika" (MUJAO). Sie streben die Errichtung eines islamistischen "Gottesstaates" an. Makabrerweise waren es die USA und deren Verbündete, die während der NATO-Intervention zum Sturz Gaddafis gerade auch solche Extremisten bewaffnet, beraten und ausgebildet haben. Das bestätigte die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton.

Demnach betreibt Washington ein Doppelspiel. Wurde Frankreich etwa vorsätzlich provoziert, um militärisch einzugreifen? Zumindest deutete der Pariser Ruf nach Unterstützung durch die "internationale Gemeinschaft" eher auf eine langfristige Schwächung der Rolle der "Grande Nation" in der Region hin. Als Paris in Mali am 11. Januar 2013 militärisch intervenierte, wirkte das wie ein Ziehen der Notbremse. Augenscheinlich fürchtet Frankreich, seinen Einfluß in den früheren Kolonien zu verlieren. Vor allem geht es um Uran für seine Kernreaktoren und Atomwaffenarsenale, aber auch um Gold, Kupfer, Phosphate, Kaolin, Bauxid, Eisenerz, Diamanten und Erdöl.

Der Pariser Kriegseinsatz verlief - mit Unterstützung der NATO-Waffenbrüder aus der BRD - natürlich "siegreich". Nach der "Befriedung" des Unruheherdes soll nun die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) den Fortbestand der frankophilen Regierung in Bamako absichern. Für diese Mission müssen 455 Millionen Dollar lockergemacht werden. Die BRD ist vorerst nur mit 15 Millionen Euro dabei - als kleine Zugabe allerdings drei Transall-Maschinen, eine stattliche Zahl militärischer Ausbilder, Luftbetankung französischer Kampfflugzeuge, Waffenlieferungen und so manches mehr.

Das Pariser "Engagement" mit NATO-Hintergrund und afrikanischer Satellitenbeteiligung wird Malis Probleme wohl kaum lösen können. Nach Kosovo, Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien wurde nun die Unheil bergende "Büchse der Pandora" ein weiteres Mal geöffnet.

Dr. Ulrich Sommerfeld, Berlin

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Warum drei Kurdinnen in Paris massakriert wurden

Die Blutspur führt nach Ankara

Am 9. Januar - nur Stunden nach Bekanntwerden von Friedensgesprächen zwischen der Türkei und dem seit 14 Jahren in Haft befindlichen Kurdenführer Abdullah Öcalan - ereignete sich in Paris ein Mord an Frauen dreier Generationen. In den Räumen des Kurdischen Kulturzentrums starben die Mitbegründerin der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Sakine Cansiz sowie Fidan Dogan, Mitglied des Kurdischen Nationalkongresses, und die mit diplomatischen Aufgaben betraute junge Leyla Soylemez unter den Kugeln eines nur wenig später identifizierten Täters.

Obwohl die türkische Regierung schon unmittelbar nach der Bluttat mitzuteilen wußte, es habe sich um gewaltsam ausgetragene interne Streitigkeiten unter Mitgliedern der durch Ankara geächteten PKK gehandelt, ließen sich die wahren Zusammenhänge nicht verschleiern. Der am 19. Januar durch die französische Polizei festgenommene Mörder Ömar Günay - er ist übrigens Staatsbürger der BRD - stand seit langem auf der Gehaltsliste des türkischen Geheimdienstes MIT und erfüllte "delikate Aufträge" der Pariser Residentur seiner Zentrale. So gibt es keinen Zweifel daran, wo die Hintermänner der dreifachen Bluttat zu suchen sind.

Warum aber werden etwa 40 Millionen über vier Staaten - die Türkei, Irak, Iran und Syrien - ungleich verstreute Kurden derart diskriminiert und verfolgt? Die Angehörigen eines der ältesten Kulturvölker Mittelasiens und des Nahen Ostens werden nicht nur an der Errichtung eines eigenen Nationalstaates gehindert, sondern von der rechtsislamistischen AKP-Regierung des NATO-Staates Türkei mit äußerster Brutalität unterdrückt.

Das aktuelle Geschehen hat tiefe Wurzeln in der Geschichte der Region. Die Grenzen der vier heutigen Staaten, in denen es kurdische Minderheiten gibt, wurden nach dem Ersten Weltkrieg, dessen Ausgang auch den Zusammenbruch des Ottomanischen Reiches zur Folge hatte, von imperialistischen Mächten willkürlich gezogen. So sind die Kurden in ihren derzeitigen Siedlungsgebieten trotz ihres gemeinsamen historischen Erbes seit dem 20. Jahrhundert sehr unterschiedliche Wege gegangen. Während sie in ihrer nordirakischen Autonomen Region ein relativ hohes Maß an Selbstbestimmung erringen konnten, werden ihren etwa 26 Millionen Landsleuten in der Türkei elementare Menschenrechte vorenthalten. Vor nicht allzulanger Zeit bezeichnete sie Ankara in Verleugnung ihrer Eigenständigkeit noch als "Gebirgstürken". Gegen dieses Maß nationaler Unterdrückung und Diskriminierung führt die vor einigen Jahrzehnten durch den in türkischer Verbannungshaft befindlichen Abdullah Öcalan, den Millionen Kurden als Führer ihrer Nation betrachten, und andere Patrioten gegründete PKK einen entschiedenen politischen Kampf, der durch fortschrittliche türkische Organisationen solidarische Unterstützung erfährt.

Die in Ankara regierende reaktionäre AKP Erdogans ist wie ihre Vorgänger bisher brutal gegen die Kurden vorgegangen. Mit der Repression in der Türkei steht auch der dreifache Mord an der Seine im Zusammenhang. Der Repressionsapparat schreckt vor keinem Mittel zurück. Die auf den Index gesetzten kurdischen Vereinigungen werden als "terroristisch" diffamiert, ihre in Parlamente gewählten Politiker sowie Journalisten und Anwälte drangsaliert. Erst unlängst hat ein 60tägiger Hungerstreik kurdischer politischer Gefangener erneut grelle Schlaglichter auf die Situation in Ankaras Zwingburgen geworfen. Mehr als 3000 kurdische Dörfer mit 178.000 Einwohnern wurden in den letzten Jahrzehnten bei Strafexpeditionen der türkischen Armee und Polizei zerstört. Vor einigen Monaten fielen einem neuerlichen Massaker 34 kurdische Zivilisten, darunter 19 Kinder, zum Opfer.

Die in Syrien lebenden etwa drei Millionen Kurden, die sich gegen heftige Widerstände eine gewisse Autonomie und Selbstverwaltung erkämpft haben, werden durch die von türkischem Gebiet unternommenen NATO-Aggressionsvorbereitungen gegen Damaskus nun auch von außen bedroht.

Da die kurdischen Organisationen generell - im Kontrast zu den in der Türkei und anderen Staaten dieses Raumes tonangebenden Islamisten - in der Regel von säkularen Vorstellungen ausgehen, hat die Kurdenfrage auch einen ideologischen Aspekt. Die massive Unterdrückung der Kurden in der Türkei ist nur möglich, weil die NATO-Mächte Ankara dabei den Rücken freihalten. Der Europarat hat die PKK nicht zufällig auf die Liste angeblich terroristischer Zusammenschlüsse gesetzt, auf der sich neben palästinensischen Organisationen auch Al Quaida befindet, während rechtsextremistische Mordbanden vom Kaliber der türkischen Grauen Wölfe dort fehlen. Diese Liste dient der Justiz in den NATO-Staaten zur Kriminalisierung politischer Bewegungen - darunter auch jener Organisationen, die den jahrhundertealten Kampf des kurdischen Volkes und seiner PKK für Selbstbestimmung unterstützen. Die BRD spielt hier eine Vorreiterrolle.

Eine solche Haltung hat den Schüssen im Pariser Kulturzentrum der Kurden den Boden bereitet. Angesichts solcher Geschehnisse muß die Solidarität aller linken, demokratischen und antifaschistischen Kräfte mit dem gerechten Kampf der Kurden um volle Anerkennung als Nation weiter verstärkt werden.

RF, gestützt auf "The New Worker", London, und "Solidaire", Brüssel

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Eine Wiener Ordensschwester, die jeden Orden verdient hätte

Sr. Restituta starb unter Hitlers Fallbeil

Nicht alle Tage gedenkt man in einer durch marxistische Atheisten herausgegebenen Zeitschrift katholischer Märtyrer. Doch heute verneigen wir uns vor dem Andenken einer Wiener Ordensfrau und Operationsschwester - der am 18. Februar 1942 durch die Gestapo an ihrem Arbeitsplatz festgenommenen, am 29. Oktober 1942 durch den faschistischen Volksgerichtshof zum Tode verurteilten, am 30. März 1943 unter dem Fallbeil gestorbenen und 1998 durch den Vatikan seliggesprochenen Helene Kafka, die den Ordensnamen Sr. Restituta trug.

Die 1894 im mährischen Brno Geborene hatte nicht am organisierten Widerstand gegen die aus Hitlerdeutschland nach Österreich eingefallenen Nazihorden und deren einheimische Komplizen teilgenommen, sich aber dennoch als couragierte Antifaschistin erwiesen. Im Dezember 1941, als die Mehrheit der Österreicher noch den Propagandaparolen der Anschlußbefürworter folgte, hatte die Schwester im Spital Abschriften eines die Nazis verhöhnenden Spottgedichts von einer Sekretärin anfertigen lassen. Die Blaupause des Textes geriet in die Hände des SS-Arztes Dr. Stumfohl, der Schwester Helene unverzüglich bei der Gestapo denunzierte. Sie wurde verhaftet und in das Gefängnis des Landesgerichts Wien eingeliefert. Nachdem der Ermittlungsrichter eine Anklageerhebung wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" beantragt und das Verfahren an Freislers Volksgerichtshof abgegeben hatte, waren die Würfel gefallen. Diese pseudojuristische Mordzentrale des Nazireichs urteilte in erster und letzter Instanz, was die Einlegung von Rechtsmitteln generell ausschloß.

In seiner am 4. Juni 1942 erhobenen Anklage bezichtigte der faschistische Oberreichsanwalt Sr. Restituta der "Vervielfältigung von Haßpropaganda", wodurch der Tatbestand der Wehrkraftzersetzung erfüllt worden sei. Sie habe das von ihr abgeschriebene "Soldatenlied" im Beisein zweier weiterer Ordensschwestern und einer Angestellten verlesen.

Beim Prozeß, der im Gebäude des Landesgerichts Wien stattfand, hatte man die Öffentlichkeit bewußt nicht ausgeschlossen, damit etliche Ordensschwestern und mehrere Geistliche Zeugen des juristisch verbrämten Terrors werden konnten. Offiziell behaupteten die Faschisten natürlich, kirchliche Kreise sollten sich vom "korrekten Verlauf des Verfahrens" überzeugen.

Die glühende Katholikin Helene Kafka wurde wegen "landesverräterischer Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat" zum Tode verurteilt. In der Begründung des richterlichen Exekutionsbefehls hieß es, sie habe "im schwersten Schicksalskampf des deutschen Volkes" Hand in Hand mit den Feinden für dessen Vernichtung gearbeitet und dadurch "das Recht verwirkt, innerhalb der Gemeinschaft zu leben".

Erst im November 1997 hob die österreichische Justiz auf Antrag Verwandter und der Ordensgemeinschaft das gegen Sr. Restituta ergangene Mordurteil der deutschen Faschisten auf. Die hingerichtete Ordensschwester könne postum als nicht bestraft betrachten werden, hieß es in der Entscheidung.

Im "Restituta-Forum" des österreichischen "Vereins zur Förderung des Einsatzes für Menschenwürde und Menschenrechte im Sinne der seligen Krankenschwester Maria Restituta-Helene Kafka" wurde auch über den Lebensweg der im Oktober 2011 mit dem Goldenen Verdienstzeichen der Republik Österreich dekorierten Wiener Antifaschistin Katharina Sasso berichtet. Sie hatte sich für Erhalt und Pflege der 2001 von Schleifung durch das österreichische Innenministerium bedrohten Gräber der "Gruppe der 40" eingesetzt. Bei den dort Bestatteten handelte es sich um Widerstandskämpfer und andere Nazigegner, die - wie Sr. Restituta - ohne Ausnahme durch das Wiener Landesgericht dem Henker übergeben worden waren.

Katharina Sasso alarmierte die österreichische Öffentlichkeit von der geplanten Grabschändung. Auf ihre Initiative konnten die beschädigte Beisetzungsstätte mit einer Spende der Wiener Arbeiterkammer restauriert und überdies ein Gedenkstein aufgestellt werden.

Katharina Sasso, die mit Mädchennamen Smudits hieß, kämpfte wie die Katholikin Helene Kafka gegen die faschistische Annexion Österreichs, wenn auch in den Reihen einer anderen Formation der Résistance. Schon als Kind durch ihre linksstehenden Eltern mit politischen Fragen vertraut gemacht, entschied sich die 16jährige nach dem frühen Tod der Mutter für den kommunistischen Widerstand. Sie sammelte Geld für die Rote Hilfe und beteiligte sich an der Herstellung antifaschistischer Flugblätter, die in etliche Betriebe geschmuggelt und dort verteilt wurden. In der Anklageschrift gegen Katharina Smudits, die im August 1942 verhaftet und im Dezember 1943 vor Gericht gestellt wurde, lastete ihr die faschistische Staatsanwaltschaft an, als Kurier der KPÖ an illegalen Treffs teilgenommen zu haben. Im April 1944 wurde sie zu einem Jahr und sechs Monaten Jugendgefängnis verurteilt. Kurz nach ihrer Überstellung in das Gestapo-Gefängnis am Berliner Alexanderplatz verbrachte man sie in das KZ Ravensbrück, wo ihr im April 1945 die Flucht gelang.

Zwei österreichische Frauenschicksale sehr unterschiedlicher Art zeugen vom Mut und der Opferbereitschaft der Besten ihres Landes. Der einen wie der anderen gebührt unser uneingeschränkter Respekt.

RF, gestützt auf "Restituta-Forum", Wien

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Späte Verneigung vor Oscar Niemeyer

Der bereits am 5. Dezember 2012 im Alter von 104 Jahren verstorbene große Baumeister Oscar Niemeyer sei ein Titan der Architektur, schrieb Kubas "Granma Internacional". "Er machte aus seinem Brasilien ein Land der Träume und aus Lateinamerika sein Reich." Die Konturen von ihm entworfener Bauten seien ein beachtlicher Teil der nationalen Identität seines Landes und des ganzen Kontinents. 1966 wurde Oscar Niemeyer zur Schaffung seines die Zeiten überdauernden größten Werkes eingeladen: der architektonischen Gestaltung von Brasília - der neuen Bundeshauptstadt des größten und bevölkerungsreichsten Staates von Lateinamerika. Sein dabei entwickelter Baustil katapultierte ihn an die Spitze einer modernen Architektur bisher ungekannter Dimensionen.

Er selbst prägte den Satz: "Wenn sich das Elend vervielfacht und die Hoffnung aus den Herzen der Menschen schwindet, dann bleibt nur die Revolution."

Folgerichtig wurde Niemeyer Kommunist und gründete gemeinsam mit dem Luis Carlos Prestes - dem "Ritter der Hoffnung" - die KP Brasiliens. Als 1964 in seiner Heimat eine faschistoide Militärdiktatur errichtet wurde, begab er sich unter massivem Druck und de facto seiner Arbeitsmöglichkeiten beraubt ins Exil. Neue Werke entstanden dort. In Paris schuf er u. a. das Gebäude des ZK der FKP. Erst zu Beginn der 80er Jahre kehrte Niemeyer nach Brasilien zurück.

Mit Fidel Castro verband ihn eine Freundschaft besonderer Art. Kuba blieb ihm heilig. So gehört ein Monument gegen die über den Inselstaat verhängte Wirtschaftsblockade zu seinen letzten Arbeiten. Die Skulptur zeigt ein Monster mit offenem Maul und einen Kubaner, der sich ihm mit erhobener Flagge entgegenstellt - den Kampf Davids gegen Goliath symbolisierend.

RF, gestützt auf "Granma Internacional", Havanna

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"Études Marxistes" - Theorieorgan der PTB

Im Januar erschien in Brüssel - zehn Jahre nach der Startausgabe - die Nr. 100 von "Études Marxistes" (Marxistische Studien). Die Zeitschrift ist das theoretische Organ der Partei der Arbeit Belgiens (PTB/PvdA) - der derzeit am schnellsten wachsenden kommunistischen Partei im Westen Europas. Neben der vierteljährlich erscheinenden "É. M." bringt die PTB ihre hervorragend gemachte Wochenzeitung "Solidaire" heraus, dessen außenpolitische Beiträge der RF wegen ihres hohen Informationswertes häufig zu Rate zieht.

Unlängst beantwortete "É. M."-Chefredakteur Herwig Lerouge Fragen zur Geschichte und den Aufgaben seiner Zeitschrift. Den Herausgebern gehe es nicht allein um die Gewinnung von Kommunisten und marxistische Orientierung Suchenden, sondern auch um andere interessierte Leser. Er unterstrich das Bemühen der Redaktion um ein Höchstmaß an Verständlichkeit auch für theoretisch weniger Vorbereitete. "Wir wollen kein elitäres Blatt sein, dessen Sprache nur von Spezialisten verstanden wird", sagte Lerouge. "É. M." wende sich zwar besonders an Mitglieder und Sympathisanten der PTB, wolle aber auch all jene erreichen, "welche die Welt verändern möchten". Dabei würden vor allem Gewerkschafter und Dritte-Welt-Aktivisten in Betracht gezogen. Die Entwicklung der Zeitschrift, deren Ausgaben übrigens regelmäßig in "Le Monde Diplomatique" rezensiert werden, sei durch drei unterschiedliche Phasen geprägt worden. In der ersten Etappe habe man sich vor allem mit theoretischen Fragen der belgischen und internationalen kommunistischen Bewegung beschäftigt. In der zweiten hätten die Ausgaben oft nur einen Schwerpunkt behandelt, z. B. das Kommunistische Manifest von Marx und Engels, Entwicklungen in China, die Ursprünge des Faschismus und das in Belgien besonders akute Phänomen des flämischen Ultranationalismus. Jetzt befasse sich "É. M." mit einer Vielfalt von Themen verschiedener Genres, darunter marxistischer Analysen des aktuellen Geschehens in Belgien und der Welt. Die Autoren, die man dazu einlade, müßten nicht zwangsläufig Marxisten sein. Man wolle in den Spalten der Zeitschrift theoretische Debatten führen und andere anspruchsvolle Rubriken einrichten.

Erfreulicherweise nehme die Zahl der "É. M."-Abonnenten ständig zu.

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel

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Havanna: Doktorhut für deutschen Marxisten

Der frühere Tischler Tobias Kriele aus der BRD, der 2003 in der Absicht nach Kuba ging, dort zwei Semester Philosophie zu studieren und dann auf der Insel blieb, hat an der Universität von Havanna mit großem Erfolg seine Doktorarbeit verteidigt.

Die Promotion fand im großen Saal der Fragua Martiniana statt. Dort hatte sich einstmals ein Steinbruch befunden, in dem Kubas Nationalheld José Martí vor anderthalb Jahrhunderten als 17jähriger unter der spanischen Kolonialmacht Zwangsarbeit hatte verrichten müssen. Im Laufe der vierstündigen Aussprache über Krieles Thesen wurden zahlreiche Fragen an ihn gerichtet. Sein kubanischer Betreuer Dr. phil. Carlos J. Delgado würdigte die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem deutschen Doktoranden, der Kuba für die ihm erwiesene Gastfreundschaft herzlich dankte.

Hatten früher Qualifizierung suchende Kubaner in der DDR studiert und promoviert, so konnte jetzt erstmals ein junger deutscher Marxist auf der Insel der Freiheit akademischen Lorbeer erringen.

RF, gestützt auf "Granma Internacional", Havanna

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Der Echte Deutsche als solcher. Ein Versuch

von Dietrich Kittner

Der Rotfuchs veröffentlicht diesen Text zum Gedenken und in Erinnerung an Dietrich Kittner, der am 15. Februar 2013 verstorben ist.

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Erasmus Schöfers "Die Kinder des Sisyfos"

Literarische Positionen eines unbeirrbar Linken aus der Alt-BRD

In vier Romanen "Die Kinder des Sisyfos" erzählt Erasmus Schöfer die Geschichte Linker in der alten Bundesrepublik zwischen 1968 und 1989. Deren Kampf um soziale Gerechtigkeit, belebt und gestärkt durch die studentische Protestbewegung gegen das reaktionäre "Establishment", gerät in den 70ern in schwierige Phasen. Nach dem "Deutschen Herbst" und dem "Radikalenerlaß" sehen sich die Handelnden Rückschlägen und Niederlagen gegenüber, die tief in ihr persönliches Leben eingreifen. Als die Akteure dann zur Silvesterfeier 1989/90 zusammenkommen, fühlen und wissen sie, daß die unendlichen Mühen nun unter veränderten Bedingungen neu beginnen werden. "Winterdämmerung" heißt deshalb der abschließende Teil der Romantetralogie.

Schöfers Romanwerk könnte Literaturliebhabern aus der DDR eine ihnen bis 1989 weitgehend verschlossen gebliebene Erlebnisund Erfahrungswelt eröffnen. Einen tiefen Einschnitt bezeichnet der Beginn des neunten Jahrzehnts im Leben derer, die sich bewußt zu DDR bekannt hatten. Erasmus Schöfer erzählt von den Anstrengungen der Männer und Frauen in der alten Bundesrepublik, jenen, die Verbündete im antiimperialistischen Kampf hätten sein sollen. Doch die Entfremdung zwischen Linken in der DDR und Teilen von ihr in der BRD scheint noch immer folgenschwer fortzuwirken, Verständigung zu erschweren, Bündnisse zu verhindern. Einblick in die so anderen Kampfbedingungen der Westdeutschen zu gewinnen - allein deshalb lohnt es sich für uns ältere und jüngere Leser aus der DDR, dem heutigen Osten der BRD, sich in "Winterdämmerung" zu vertiefen. Daraus könnte eine selbstbestimmte Vereinigung der Menschen erwachsen!

Hier schreibt ein Dabeigewesener mit dichterischer Berufung und dem Wissen rückblickender Erfahrung, aber konsequent aus der Innensicht der damals Handelnden, zu denen er ja selbst gehörte. Das Bild des Titelhelden Sisyfos, jenes zum ewigen Hinaufwälzen des Felsbrockens Verdammten aus der griechischen Mythologie, unterscheidet sich deutlich vom geschichtlich sieghaften Aufbau-Optimismus mancher DDR-Romane.

Wie muß eine sozialistische Literatur beschaffen sein, die sich der ernüchternden Erfahrung von 1989/90 stellt? Die realistisch-konkrete Annäherung an die tatsächlichen gesellschaftlichen Verhältnisse, die illusionslose, aber hoffnungsgestärkte Schilderung der widerständigen Menschen und deren stets entschiedene Parteinahme für die Kämpfenden, Schwachen und Unterdrückten in Schöfers Romanen könnte dafür ein Beispiel sein. Ich selbst habe beim atemlosen Lesen dieser Bücher Spannung, Entdeckerfreude und Genuß empfunden.

Erasmus Schöfer erhellt das irrtumsgefährdete, doch unbeirrbar opfer- und lernbereite Arbeiten an einer unabschließbaren Aufgabe: Kämpfen für eine menschenfreundlichere, gerechtere Welt.

Konjunkturell wenig effektiv und kaum preis- oder saläreinträglich, erklärt der Dichter damit das Liebknechtsche "Trotz alledem!" auf zeitgenössische Art. Jeder der vier Bände ist ein in sich abgeschlossener Roman, erfahrbar im ersten das bewegende Jahr 1968, im zweiten die Ungewißheiten und Zerreißproben der 70er Jahre, im dritten der Rückzug eines der Helden ins griechische Exil, schließlich im vierten die 80er Jahre mit den widrigen Erscheinungen eines aufdämmernden kontinentalen Wandels, der ab 1989 in der DDR und dem, was dann aus ihr wurde, als "Wende" ausgegeben worden ist. Eine Wende gar zum Guten? Als die der Gegenwart am nächsten gelegene Zeitspanne bietet die "Winterdämmerung" der 80er Jahre vielleicht das breiteste literarische Angebot für jene, welche ihr Leben und Wirken innerhalb der DDR-Wirklichkeit an der damaligen bundesdeutschen Realität spiegeln möchten. Was taten die klassenkämpferisch Verbündeten damals in der BRD? Wie ging es ihnen Ende 1989 mit dem "einstürzenden Staudamm vor dem scheiternden Sozialismus"?

"Der Betriebsrat Manfred Anklam (...) besetzt mit seinen Kollegen die Villa Hügel der Krupp-Famile. Der verhinderte Lehrer Viktor Bliss kämpft gegen seine Feuerverletzungen (...), der Journalist Armin Kolenda erlebt das schreckliche Verbrechen eines Freundes. Lena Bliss und Malina Stotz machen ernst mit ihrer Befreiung (...) und spielen ihr eigenes Leben. Die überraschend aus den USA auftauchende Ann zeigt (...) ihrem Großvater Bliss, daß die Kämpfe für eine humanere Gesellschaft sich auch in anderer Form fortsetzen können."

Das Zitat aus dem Klappentext der 2008er Ausgabe des Berliner Dittrich-Verlages mag die vielschichtige, verzweigte Handlung mit sieben Hauptpersonen in "Winterdämmerung" umreißen. Es ist ein hochpolitisches Buch und ein Roman, in dem die innersten, intimsten menschlichen Dinge verhandelt werden. Manfred Anklam läuft nach seinem Arbeitsplatzverlust zeitweilig ins Unternehmerlager über. Viktor Bliss, DKP-Mitglied und per Radikalenerlaß um seine berufliche Existenz betrogen, gerät als schwer Brandverletzter bis an den äußersten Rand des Daseins und der Gesellschaft. Und als er in seiner Partei für mehr Realitätsbewußtsein eintritt, scheint dies vergebens. Armin Kolenda muß seine Abkunft von einem nazibelasteten, prügelnden Vater verkraften und aufklären, während er mit den Startbahngegnern bei Mörfelden Polizeiknüppel und das endgültige Aus seiner großen Liebe erträgt. Tödlich trifft es seinen Freund, den DGB-Kulturarbeiter Hannes Sonnefeld, der unrettbar in einen Triebmordfall verstrickt wird. Lena Bliss und Malina Stotz wählen ihren Weg in konsequenter Selbstbestimmung und verlassen ihre Männer. Und die zwanzigjährige Ann schließlich hat sich von der in den USA wohlstandskorrumpierten Mutter gelöst, findet ihren versehrten Großvater und verbindet sich ihm wahlverwandt. Sie offenbart einen unverstellten, gleichwohl besorgten Blick auf die Zukunft.

"Winterdämmerung" ist keine Tragödie. Das Thema: Die Triebkräfte der Geschichte und die wohl stärkste im Menschenleben. Schöfers handlungstragende Personen sind keine politischen Missionare, denn sie erleben und machen Politik als sinnlich-erotisch Verlangende, als Liebende und Verletzliche.

Marianne Walz

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Ein Bild, das mich nicht losläßt

Gerhard Schöppleins "Mädchen mit dem Tod"

In meiner Wohnung hängt ein Bild des Plauener Malers Gerhard Schöpplein. Er hat es "Nie wieder Krieg!" genannt. Man sieht ein abgemagertes, kränkelndes kleines Mädchen, das sich mit einem Kopftuch gegen die Kälte zu schützen sucht. Hinter ihm steht der Tod. Er trägt einen Stahlhelm und will das Kind in ein Leichentuch hüllen. Sein Blick ist von kalter Erbarmungslosigkeit, Häme und Gier. Die schutzlose Kleine wirkt gehetzt und verzweifelt. Tief sind die Spuren, welche die Schrecken des allgegenwärtigen Krieges in ihr Gesicht gegraben haben.

Dieses Bild entstand 1965 - in meinem Geburtsjahr. Damals waren gerade zwei Jahrzehnte seit dem Ende des großen Völkermordens vergangen. Die DDR, in die ich hineingeboren wurde, zählte erst 16 Jahre. Das Thema des Bildes war für diesen meinen Staat keine Worthülse, sondern wichtigster Inhalt allen Handelns. In meiner Kindheit galt Krieg als ein Thema für den Geschichtsunterricht, war etwas räumlich und zeitlich schon weit Entrücktes, über das mir Eltern und Großeltern berichteten, während ich ihnen staunend und erschaudernd lauschte.

Gerhard Schöpplein wurde 1930 in der Vogtland-Metropole geboren. Dort erlebte er in seinen Kinderjahren den Krieg. Als dieser zu Ende war, nahm Schöpplein zunächst eine Lehre als Dekorations- und Schriftenmaler auf. Später belegte er Kurse an der Kunsthochschule in Schneeberg und studierte an der Hochschule für Bildende Kunst in Dresden. 1968 wurde er Mitglied des Verbandes Bildender Künstler der DDR. 1999 starb er in seiner Geburtsstadt. Heute ist er - wie manch anderes DDR-Talent - fast vergessen.

Warum hängt ein so düsteres Bild in meiner Wohnung? Vor allem wohl deshalb, weil es mir unablässig die Schrecken des Krieges vor Augen führt und mich zugleich ständig daran erinnert, welches Privileg ich hatte, im Frieden aufwachsen zu können. Das verdankte ich meiner Heimat DDR.

Schöppleins Bild läßt mich zugleich an meinen Vater denken, dem es ganz anders erging. Für ihn war Frieden keine Selbstverständlichkeit. Ob man so oder so leben kann oder sterben muß, hängt nicht von Ort und Jahr der Geburt, von Weisheit oder Skrupellosigkeit der Politiker, sondern von den gesellschaftlichen Verhältnissen im eigenen Land und in der Welt ab. Schöpplein ruft mir ins Gedächtnis, daß dieses Kind, hätten die Dinge anders gelegen, auch ich sein könnte. Der Krieg ist noch immer so grausam, wie ihn der Künstler empfunden hat. Als dieser 1965 vor seiner Staffelei stand, hoffte er wohl, daß sich seine Vision dauerhaften Friedens erfüllen könnte.

Solche Hoffnungen wurden nach 1990 jedoch bitter enttäuscht. Heutige Geschichtsbücher sind voller Lügen über Krieg und Frieden. Und der Krieg ist aus der preußisch-deutschen Vergangenheit in die bundesdeutsche Gegenwart zurückgekehrt. Heute schäme ich mich, in einem Deutschland leben zu müssen, das wie der Tod auf Schöppleins Bild erneut sein Leichentuch über Menschen fremder Völker und eigene Soldaten ausbreitet.

Das Mädchen mit dem Kopftuch könnte auch ein afghanisches Kind sein - vielleicht eines der Opfer von Kundus. Dem Sensenmann hinter ihm werden auch im deutschen Namen wieder Schlachtopfer zugetrieben. Die Gründe dafür sind immer dieselben: Profitgier und Machtrausch.

Im Tod, wie ihn der Maler empfindet, erkenne ich Heckler & Koch, Krauss-Maffei und die Deutsche Bank sowie deren Willensvollstrecker auf Kabinettsebene. Mich erschüttert zutiefst, daß die Hoffnung des Künstlers und der Schwur von Buchenwald keine Erfüllung gefunden haben.

Schöppleins Bild hängt vor allem auch deshalb in meiner Wohnung, weil ich mich nicht damit abfinden will, daß es so bleibt. Vielleicht erlebe ich es als einer aus der jüngeren Generation ja noch, daß der Visage des Todes das Grinsen vergeht und den für Kriege Verantwortlichen das Handwerk gelegt wird. Das Bild an meiner Wand motiviert mich, immer dafür zu streiten.

Ulrich Guhl

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Griff in die literarische Schatztruhe (6)

Einst erfolgreiche DDR-Autoren dem Vergessen entreißen

Benno Voelkner war selbst nie in der Landwirtschaft tätig gewesen, sondern stets Industriearbeiter, obwohl sein Vater aus dem Dorf Karvenbruch stammte. Voelkner vertiefte sich in das Dorfleben durch sein Mitwirken beim Vollzug der Bodenreform und als Bürgermeister des bei Güstrow gelegenen Städtchens Krakow am See. Sein bereits 1938 verfaßtes Manuskript "Jakob Ow", das vom Bauernkrieg in einem Schwarzwaldort handelte, erschien 1951. In dem ein Jahr später herausgebrachten Roman "Die Tage werden länger" setzte sich Voelkner mit den letzten Kriegstagen in Danzig auseinander. Lebensecht gestaltete er die Umsiedlung von Landarbeiterfamilien nach Mecklenburg und deren Kampf gegen scheinbar unüberwindliche Schwierigkeiten jener Zeit. Erzählungen über Menschen und Tiere trugen den Titel "Zinneck und Lulu" (1954). Es folgten seine Erfolgsromane "Die Leute von Karvenbruch" (1955) und "Die Bauern von Karvenbruch" (1959). In dieser zweibändigen Dorfchronik gestaltete der Autor den Zeitraum von der Jahrhundertwende bis in die 50er Jahre. Im ersten Buch schilderte er, wie sich die Menschen mit den sich ändernden gesellschaftlichen Verhältnissen selbst zu wandeln begannen und ihr Zusammengehörigkeitsgefühl allmählich wuchs. Im zweiten Buch beschrieb am Beispiel Karvenbruchs das Geschehen auf dem Lande in den ersten Jahren nach der demokratischen Bodenreform. Voelkner verdeutlichte, wie aus den Leuten von Karvenbruch die Bauern von Karvenbruch wurden. Sie besaßen nun jenes Land, welches sie schon immer hatten bearbeiten müssen. Voelkners Roman "Die Liebe der Gerda Hellstedt" (1957) war ein mutiger Versuch, die etwas herbe Dorfthematik durch Schilderung erotischer Erlebnisse eines Umsiedlermädchens aufzulockern. Gerda wurde von einem Großbauern als dessen Magd schamlos ausgebeutet und heiratete dann einen Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft, der sich um eine Neubauernstelle bemühte. Voelkners Bücher erreichten hohe Auflagen und wurden wiederholt ausgezeichnet. Der Schriftsteller starb am 21. Januar 1974 in Schwerin.

Johannes Tralow war zunächst Chefredakteur der in seiner Geburtsstadt erscheinenden "Lübecker Zeitung" und leitete später in Berlin einen Theaterverlag. Er wirkte von 1915 bis 1933 an Bühnen in Halle, Köln, Kassel, Nürnberg und Hamburg als Schauspieler, Oberspielleiter, Regisseur und Intendant. Der renommierter Dramatiker, Erzähler, Romancier und Publizist bekannte in seinem Roman "Cromwell": "Wer sich im Gewesenen nicht zu erkennen vermag, bleibt blind für das Kommende."

Tralows Lebenswerk umfaßt insgesamt sieben Dramen, 50 Erzählungen, fast 20 Romane und eine Biographie sowie eine Vielzahl publizistischer Arbeiten. Kernstück seines epischen Schaffens war die Osmanische Tetralogie mit den Bänden "Malchatun", "Roxelane", "Irene von Trapezunt" und "Der Eunuch", die auch seine meistgelesenen und beliebtesten Bücher wurden. Nach 1945 setzte sich Tralow als Oberster Richter der Ersten Spruchkammer in Starnberg für die Verurteilung der faschistischen Kriegsverbrecher ein, mußte sein Amt aber bald niederlegen. Als Präsident des deutschen PEN-Clubs Ost und West besaß sein Wort internationales Gewicht. Adenauers BRD boykottierte und diffamierte den Schriftsteller, was ihn zur Übersiedlung in die DDR bewog. Seit 1952 erschienen seine Bücher als "Ausgewählte Werke in Einzelausgaben" beim Berliner Verlag der Nation. Seinen literarischen Nachlaß übereignete Tralow 1967 der Deutschen Staatsbibliothek zu Berlin, die anläßlich seines 85. Geburtstages eine Ausstellung über Leben und Schaffen des bedeutenden Literaten zeigte.

Johannes Tralow, der 1968 starb, fand seine letzte Ruhestätte auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin.

Dieter Fechner

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Über die Gans Auguste und das Schlachten des Frankfurter Kleist-Theaters

Zwölf Monate wird Jahr für Jahr aus vollen Rohren gegen die 1990 untergegangene DDR geschossen. Handelt es sich hierbei um ein mediales Gefecht mit einem Phantom? Selbst 1980 Geborene dürften kaum noch genauere Erinnerungen an den ersten Arbeiter-und-Bauern-Staat auf deutschem Boden haben. Und dennoch nehmen die verbalen Attacken sogar weiter an Schärfe zu. Offensichtlich wird da Sperrfeuer geschossen, um von der kapitalistischen Systemkrise und dem Dauerthema der EU-Konflikte abzulenken.

Doch manchmal spucken sich einige Sender selbst in die Suppe. Das ist z. B. alljährlich der Fall, wenn sie zu gegebener Zeit den schon legendären Streifen "Die Weihnachtsgans Auguste" (Regie: Bodo Fürneisen, 1983) nach einer Erzählung Friedrich Wolfs servieren. Das erweist sich dann jedesmal als ein gekonntes Selbsttor. Denn abseits der amüsanten Geschichte um ein sprach- und reimbegabtes Federvieh verraten die Szenen weit mehr über den am Ende der 80er Jahre in der DDR erreichten Lebensstandard, als es manchem heutigen Programmgestalter lieb sein dürfte.

Die Bilder machen das seit mehr als zwei Jahrzehnten anhaltende Gerede von Dauermangel, Stasi, Diktatur und Stacheldraht - um einmal in der Sprache des politischen Gegners zu bleiben - zu reiner Makulatur. Das erinnert aber auch an die im Herbst 1989 gen Westen gereisten DDR-Bürger, die sich nach Erreichen der heißersehnten Reisefreiheit vor die Kameras des BRD-Fernsehens schieben ließen, um ihrer schier unbändigen Freude über zu ihrem Empfang servierte Marmeladenbrötchen und Eintopfschüsseln Ausdruck zu verleihen. Sie taten dabei so, als ob sie derlei Dinge noch nie in ihrem Leben auf dem Tisch gehabt hätten. Mit ihrem schäbiguntertänigen Verhalten drückten sie dem Staat, der für ihre unentgeltliche Ausbildung und vieles mehr gesorgt hatte, den Stempel eines Dritte-Welt-Landes auf und lieferten so eine Steilvorlage für die bis heute verfolgte Desinformationslinie der professionellen DDR-Verteufler.

Doch zurück zu Auguste. Obwohl der Film vor allem in Dresden angesiedelt ist, hat er auch für Frankfurt (Oder) eine ganz besondere Bedeutung. Denn die darin gezeigten Sequenzen aus der Oper "Der Freischütz" von Carl Maria von Weber stammen aus einer Inszenierung des Kleist-Theaters unserer Stadt, das im Juli 2000 nach 158jährigem Bestehen seine Pforten für immer schließen mußte. Man sollte es sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Das Haus überstand das autoritäre Deutsche Kaiserreich, die auf schwankendem Boden stehende Weimarer Republik und die Schreckensherrschaft der Nazis. In der von ihren politischen Gegnern unablässig geschmähten DDR aber gelangte es zu echter Blüte.

Doch dann kam die kapitalistische BRD mit aller Strahlkraft ihres auch die Ärmsten blendenden Reichtums und machte dem Kleist-Theater den Garaus. Kultur muß sich rechnen, hieß es jetzt. Das Ensemble zerstreute sich in alle Winde, das Gebäude wurde dem Verfall preisgegeben und bietet inzwischen ein Bild des Jammers. Ersetzt wurde es in dem ungeachtet dessen zur Kleist-Stadt erklärten Frankfurt (Oder) durch das moderne Multifunktionsgebäude des Kleist-Forums. Dort gehen neben Gastspielen auswärtiger Ensembles auch Konzerte, Bälle, Kongresse und Messen über die Bühne - das alles in einem steril wirkenden Bau ohne die typische Seele eines Theaters.

Zu DDR-Zeiten wurde demgegenüber ein breit gefächertes kulturelles Leben durch umfangreiche Subventionen garantiert. Diese staatlichen Zuschüsse ermöglichten es einerseits den Kulturschaffenden, Inszenierungen von oftmals sehr hoher Qualität anzubieten, während andererseits breiten Bevölkerungsschichten durch die äußerst niedrigen Eintrittspreise solche Erlebnisse überhaupt ermöglicht wurden. Um nur ein Beispiel zu nennen: Allein für den Staatszirkus der DDR betrug die finanzielle Unterstützung im Jahr 1989 nicht weniger als 11,5 Millionen Mark - ein Thema, über das heutzutage natürlich der Mantel des Schweigens ausgebreitet wird. Übrigens gehört der für die Schließung des Frankfurter Kleist-Theaters hauptverantwortliche Oberbürgermeister Wolfgang Pohl inzwischen - offenbar unter Berücksichtigung seiner "herausragenden" kulturpolitischen Leistungen - zur SPD-Fraktion des Brandenburger Landtags.

Rico Jalowietzki, Frankfurt (Oder)

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Aus Eddas Blickwinkel: Geprellte Spieler

"Wer gegen alle Warnung halsstarrig ist, der wird plötzlich verderben ohne alle Hilfe." (Sprüche Salomos)

Nach dem Anschluß der DDR an die BRD schossen Finanzberater Pilzen gleichend aus der Erde, überzogen das Land und trieben uns wie Schafe in windige Geschäfte. Wir setzten auf Dax, Steuervorteil, Rendite, fetten Gewinn. Verträge aller Art wurden abgeschlossen, Eigentumswohnungen gekauft, Häuser gebaut, Bürgschaften unterschrieben.

Regina warnte niemand. Sie fragte auch nichts und glaubte, im Scharaffenland gelandet zu sein. Hätte sie nur auf die Pokerspieler gehört, niemals alles auf eine Karte zu setzen! Wäre sie doch deren Regel gefolgt: Stell dich auf deine Gegner ein und hab deinen Körper - einschließlich des Verstandes - voll im Griff!

Als ihr abgewickelter Betrieb für'n Appel und 'n Ei an den früheren Konkurrenten verhökert worden war, verlor auch sie selbst ihre Arbeit. Die Schulden aber blieben ihr weiter auf den Fersen. Das Geld, das sie eingesetzt hatte, wurde von Finanzhaien geschluckt, verspielt. Eigentlich hätten die Spekulanten laut Salomo daran ersticken müssen. Heißt es da doch: "So geht es jedem, der darauf brennt, sich an fremdem Hab und Gut zu bereichern. Er wird dabei umkommen."

Das sind sie aber nicht. Sie haben sich statt dessen vollgesaugt, weil ja die Banken mit dem Geld der Steuerzahler gerettet wurden. Regina ist unter den geprellten Spielern, hat dankbar zu sein, wenn sie nicht ganz gefressen wird. Ihren Lebenstraum, das eigene Haus, hat die Bank geschluckt. Sie ist tief gefallen, lebt in einer kleinen Wohnung mit Sozialhilfe. Von der Brücke ist sie aber nicht gesprungen.

Salomo, du und deine Sprüche! Sie mochten lange vor dieser Zeit gelten. Doch heute weht ein rauher Wind.

Wir wurden von Hochstaplern hinters Licht geführt - von Personen, die mehr scheinen wollten, als sie sind. Sie täuschten einen hohen gesellschaftlichen Rang vor - eine besondere Position im Beruf, großes Wissen. Hinter den Fassaden erblicken wir ebenso großspurige wie unfähige Politiker mit erschlichenen Doktortiteln, verlogene Billigangebote einer unersättlichen "Elite". Marktwirtschaft ist "in", Planwirtschaft "out"!

Die Fragen, die Brigitte Zimmermann im ND-Flattersatz Ende Januar aufwarf, sind sehr zupackend und ergreifen auch von mir Besitz:

Warum konnte die S-Bahn bis 1990 Winter um Winter für zwanzig Pfennige problemlos fahren?
Warum stürzt die Antenne bis heute nicht vom Fernsehturm?
Warum wackelt der Kölner Dom, wenn die neue U-Bahn vorbeifährt?
Warum wurden die Bauherren von Holzpfählen unter der Staatsoper überrascht?
Warum wird der neue Flughafen nicht fertig?
Was erwartet uns als Nächstes?

"Die Weisheit kommt vor dem Verderben", sagt Salomo. Hoffentlich kommt sie nicht zu spät!

Edda Winkel

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Als Archie an den Erlkönig dachte

Im Vormonat konnte Archie das ärztlicherseits ins Auge gefaßte Krankenhaus nicht erreichen. Eines abends hatte seine ständige Atemnot plötzlich extrem zugenommen. Ein herbeigerufener Notarzt erklärte, der Patient müsse sofort stationär eingewiesen werden. Dabei stehe nur die Kardiologie der Charité oder das DRK-Krankenhaus in Berlin-Köpenick, wo sich Archies sämtliche Unterlagen seit einer 2003 erfolgten Herz-OP mit Klappenersatz befinden, zur Debatte. Von Köpenick aus war er anschließend zur Reha in das Krankenhaus Rüdersdorf geschickt worden. Dort begegnete er Dr. Dovifat, bei dessen Großvater er in den 50er Jahren an der FU zwei Semester Politische Publizistik belegt hatte. Daran erinnerte sich Archie, als ihn die Fahrer des Krankenwagens in ein völlig anderes Hospital beförderten.

Der alte Dovifat war ein erzkonservativer Journalist, der sich zur Verächtlichmachung der DDR Einspielungen aus Fernsehsendungen und Kommentaren des profilierten TV-Mannes Karl-Eduard von Schnitzler bediente. Allerdings schien der Hochschullehrer des "freien Westens" der Argumentationsdichte Schnitzlers nicht gewachsen zu sein, was er selbst aber natürlich nicht so sah. Prof. Dovifat war stets dunkel gekleidet, wobei seine Gesinnung noch weitaus schwärzer als der Anzug war. Vor allem aber beschäftigte er sich mit dem Auseinanderpflücken des "Schwarzen Kanals". Als er Kurt Tucholsky gelegentlich einen vaterlandslosen Gesellen nannte, der es nicht einmal zu einer ordentlichen Familie gebracht habe, war der halbe Hörsaal auf einmal leer. Viele Studenten verließen unter Protest die Vorlesung, während der Professor hinter ihnen her zeterte.

Der Enkel, dem ich in Rüdersdorf begegnet war, gab zu, sein Großvater sei ohne Zweifel ein ziemliches Original gewesen und habe die Meinungen polarisiert. Er selbst - ein promovierter und anerkannter Kardiologe - gab sich im Unterschied dazu ganz locker und antwortete auf Archies Frage nach der Haltbarkeit seiner Herzklappe: "Glauben Sie bloß nicht alles, was Ihnen die Ärzte sagen, und vertrauen Sie vor allem nicht auf eine allzu lange Lebensdauer Ihrer Herzklappe. Gehen Sie mal von acht Jahren aus, möglicherweise auch etwas mehr."

Inzwischen waren bereits neun Jahre vergangen und Archie hatte ein flaues Gefühl in der Magengrube, als ihm die Prophezeiung des Arztes bewußt wurde. Überdies brachte man ihn - wie bereits gesagt - in ein Krankenhaus, das gar nicht auf Kardiologie spezialisiert war. Nach der Entlassung stellten sich die schmerzhaften Beschwerden im Brustraum wieder ein. Auch dieses Mal hatte der Notarzt die Charité oder auch Köpenick im Auge. Doch erneut erschienen Leute vom Krankentransport mit der strikten Order, ihn in das nächstgelegene Hospital zu bringen - nach St. Urban in Neukölln. Nichts gegen dieses Krankenhaus, doch der einweisende Arzt Dr. Weber hatte ausdrücklich auf Charité oder Köpenick bestanden. Der wußte, daß Archie schon einmal fehlgeleitet worden war. Er werde "oben" anrufen, versprach Dr. Weber beim Weggehen.

Die beiden Zwei-Meter-Männer, die eine Stunde später mit dem Tragestuhl erschienen, um Archie in ihr Fahrzeug zu hieven, ließen sich davon nicht beeindrucken. Sie polterten durch die Gegend und wollten zunächst die blaß aussehende Frau des Hauses mitnehmen, der sie im Korridor begegneten. Nach ihrem Eindruck sah sie weit "kränker" als Archie aus. Sie riefen: "Auf nach Sankt Urban - und zwar auf dem kürzesten Weg!" Als der tatsächliche Patient - nämlich Archie - erklärte, er sei der Kranke, und nur über seine Leiche lasse er sich ins "Urban" bringen, kam es zu einem heftigen Wortwechsel. Der Jüngere von beiden wurde dabei recht ausfallend. Er untersagte der Frau des Hauses das Rauchen, nachdem sie gestreßt in die Küche geflohen war und sich dort aus Nervosität eine Zigarette angezündet hatte. Auch der Fahrer wurde immer lauter. Archie geriet noch stärker in Atemnot, so daß ihm am Ende die Stimme versagte. Schließlich gab der Jüngere Archie das Telefon mit der Aufforderung in die Hand: "Erklären Sie die Sache meinem Chef!" Dieser sorgte dafür, daß der Schwerstkranke unverzüglich nach Köpenick gefahren wurde.

Die Szene erinnerte Archie an absurdes Theater. Im Krankenhaus wurde dann ein Blutdruck von 200:100 und ein rasender Puls gemessen. Als ihm der Arzt sagte, diesmal sei es "fünf vor 12" gewesen, mußte der geschockte Patient, der nun sofort in die "Mangel" genommen wurde, unwillkürlich an den Erlkönig denken: ... erreicht den Hof mit Müh' und Not ...

So ist das heutzutage mit dem ultramodernen und technisch hochgerüsteten kapitalistischen Gesundheitsbetrieb: Der Mensch steht hintenan, zuerst kommt der Profit.

Manfred Hocke

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Leserbriefe an RotFuchs

Heute bin ich auf die Spur der Zeitschrift "RotFuchs" geraten. Sie trägt im Kopf die Losung "Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!", die mich seit langem motiviert. Von 1969 bis 1976 lebte ich in der DDR. Nach einer Berufsausbildung auf der Warnow-Werft studierte ich an der Schiffbauingenieurschule in Stralsund. Ich habe die DDR noch immer sehr, sehr gern.
Was die Zeitschrift betrifft, deren Printausgabe ich beziehen möchte, bin ich daran interessiert, durch sie Material in die Hand zu bekommen, das meine derzeitige Lektüre - Werke von Marx und Engels sowie anderer Marxisten - ergänzen könnte. Ich lebe im Nordosten Brasiliens. Dort unterstütze ich ab und zu, soviel ich vermag und man es von mir verlangt, die Bewegung der Landlosen MST, welche eine Agrarreform anstrebt.

Clodualdo de Oliviera Lima, Aracaju-Sergipe, Brasilien


Eine Bemerkung zum Leserbrief von Wilfried Steinfath im RF 181. Der Beitrag erinnerte mich an eine Äußerung des Schriftellers Rudolf Leonhard in seinem Buch "Unsere Republik", das er mir 1951 zu Weihnachten schenkte.
Wenn Wilfried Steinfath schreibt, ein Alt-Nazi sei genauso ein Faschist wie ein Neonazi, dann formulierte Leonhard das schon 1950 nicht anders, als er schrieb: "Seit einiger Zeit ist es üblich geworden, Bewegungen, Organisationen, Gruppen, Parteien in Deutschland, Italien und anderswo 'neofaschistisch' zu nennen. Warum 'neofaschistisch'? Warum denn 'neo'?
Was ist da 'neo', was ist da neu? Wir kennen die Weise, wir kennen den Text, wir kennen auch die Verfasser; gerade die erkennen wir recht gut wieder. Es sind die alten Handlanger und die alten Drahtzieher, die sich da wieder zusammengefunden haben."

Beate Bölsche, Brielow


In seinem beeindruckenden Februar-Leitartikel urteilte Klaus Steiniger: "Beide deutsche Staaten unterschieden sich in ihrer Haltung zu Faschismus und Antifaschismus von Beginn an wie Feuer und Wasser. Prüfstein war dabei die Haltung zum Potsdamer Abkommen." Ich stimme ihm zu, möchte indes ergänzend bemerken: Bonner Politiker und Publizisten wußten durchaus um die Autorität, die sich die DDR weltweit, nicht zuletzt in der UNO, gerade mit ihrer antifaschistischen Politik erworben hatte. Deshalb verordneten sie der DDR nach dem Anschluß den Begriff "verordneter Antifaschismus". Der damalige Innenminister Schäuble erließ schon im Oktober 1990 einen "Text zur inneren Führung", in dem es u. a. hieß: "Jahrelang hat der DDR ihr 'antifaschistischer' Charakter als Legitimation ihrer Staatlichkeit gedient." Sieben Professoren befaßten sich damit, das antifaschistische Image der DDR zu demontieren. Einer von ihnen war Manfred Wilke, der dafür eine Professur an der von seinen antifaschistischen "Kollegen" gesäuberten Humboldt-Universität erhielt.

Prof. Dr. Horst Schneider, Dresden


Mit dem Plädoyer für "verordneten" Antifaschismus bin ich sehr einverstanden. Wir dürfen dabei aber auch die beiden DDR-Verfassungen von 1949 und 1968 nicht außer acht lassen. Bereits zuvor gab es das Kontrollratsgesetz Nr. 10 und die Kontrollratsdirektiven Nr. 24 und 38.
In der sowjetischen Besatzungszone galt der SMADBefehl Nr. 201, der die Beschlüsse der Alliierten umsetzen sollte. Dabei wurden verbrecherische Naziaktivisten von nominellen Mitgliedern der Hitlerpartei streng unterschieden. Diese hatten zwar die Faschisten als "Millionenmasse" gestützt, wurden aber für den Aufbau eines friedlichen Deutschlands sowie zur Überwindung von Not und Elend gebraucht. Wenn in bezug auf die SBZ/DDR geringschätzig vom "verordneten Antifaschismus" die Rede ist, bleibt dabei völlig außer Betracht, daß alle vier Alliierten mit ihren bereits erwähnten Bestimmungen diesem Antifaschismus die Grundlage gaben. In den Westzonen galt z. B. das Gesetz Nr. 104 vom 5. März 1946, das als "Befreiungsgesetz" bezeichnet wurde.
Für die Ausführung des erwähnten Befehls Nr. 201 vom 16. August 1947 wurde die Deutsche Verwaltung des Innern (DVdI) verantwortlich gemacht, deren Kriminalpolizei-Dezernat K 5 sich als Vorläufer des späteren MfS dieser Aufgabe widmete.

Rechtsanwalt Dr. Klaus Emmerich, Edertal-Hessen


Mit besonderer Aufmerksamkeit habe ich den Februar-Leitartikel über "verordneten Antifaschismus" mit seiner klaren Darstellung der Positionen von DDR und BRD gelesen. Er entspricht voll und ganz der von mir hierzu vertretenen Auffassung. Herausstellen möchte ich auch den klugen Artikel von Brigitte Wackernagel zu den "hinkenden Vergleichen". Sie macht den scheinbaren Widerspruch zwischen dem Lebensniveau in DDR und BRD deutlich und entlarvt die verleumderische Politik von Medien und Politikern der Bourgeoisie in dieser Frage.
Danke für die mutige Gestaltung Eures "RotFuchs"!

Klaus Remmler, Eisenach


Habt Dank für die vielen wertvollen Beiträge im Februar-RF! Besonders interessant fand ich die Artikel Klaus Steinigers "Für verordneten Antifaschismus!", "Macht's in Andorra die Post?" und "Informationen für den 'großen Bruder'". Genauso aufschlußreich sind die Artikel von Ulrich Guhl (Schluß mit dem Duckmäusertum!), Bernd Gutte (Wer im Glashaus sitzt ...), Dr. Peter Looß (Als Miet-Haie noch Exoten waren) und Erhard Richter (Kein Gedanke an ein Auseinanderlaufen), um nur einige zu nennen. Mich bewegte besonders die Würdigung der Arbeit der einstigen Tschekisten der DDR, die immer noch von einer Strafrente leben müssen.

Herbert Heßmann, Saßnitz


Ich habe mal 'ne Frage: In meinem baden-württembergischen Umfeld - ich selbst bin 27 - gibt es mehrere junge Leute, die sich für den Kommunismus interessieren. Sie haben etwas Grundkenntnisse vom Hörensagen und von dem, was halt die Linkspartei dazu meint. Aber sie haben nicht wirklich Ahnung davon, was Marx, Engels, Lenin und andere schrieben. Zwar arbeite ich mit dem Internet und versuche, Texte herunterzuladen, aber Bücher sind griffiger. Mein Ziel ist es, eine Linke Bibliothek aufzubauen und Einfluß auf Jugendliche zu nehmen, die solcher Politik gegenüber offen sind. Im Westen ist es ein wenig schwerer, an Literatur heranzukommen als in der früheren DDR. Deshalb würden wir uns freuen, wenn es Genossen gäbe, die uns Bücher über Marx, Engels, Lenin, aber auch über Stalin, Mao, Ulbricht oder Fidel Castro schenken könnten. Materialien zu Themen des antifaschistischen Widerstandes oder Romane (z. B. "Wie der Stahl gehärtet wurde") wären ebenfalls sehr willkommen. Wer uns etwas spenden möchte, kann das an Markus Zieger, Bahnhofstraße 5, 71111 Waldenbuch, senden.
Unser Motto lautet: Wissen ist Macht und Macht ist Wissen!

Markus Zieger, Waldenbuch


Ich finde den Beitrag über die Aufklärer der HVA im Februar-RF einmalig und Rainer Rupp einfach Spitze. Dieser Mann hat den Friedensnobelpreis absolut verdient. Ich selbst war mal Angehöriger der Schutz- und Sicherheitsorgane der DDR, worauf ich nach wie vor stolz bin.

Frank Sterzinger, Potsdam


Nachdem ich den RF 181 von A bis Z gelesen habe, möchte ich Euch wissen lassen, daß neben der "jungen Welt", "Ossietzky" und bestimmten Internet-Quellen der "RotFuchs" zu jenen Veröffentlichungen zählt, aus welchen ich am meisten darüber lerne, was und wie "gespielt" wird. Viele RF-Beiträge füllen bei mir Aufklärungslücken über das Leben in der DDR und die Biographien von Sozialisten. Spontan denke ich an die Artikel über Thomas Sankara, Jenny Marx und "Hinkende Vergleiche". Gut angekommen sind auch wieder Lektüre-Empfehlungen: "Die Ästhetik des Widerstands" von Peter Weiss und Jutta Ditfurths "Zeit des Zorns". Beide Bücher werde ich als nächstes lesen. Danke!

Dr. Manfred Lotze, Hamburg


Wir Genossen aus Marzahn-Hellersdorf waren - seit 1995 bei jeder Landtags- und Bundestagswahl aktiv beteiligt - diesmal bei unseren Genossen der Partei Die Linke in Niedersachsen. Beim überwiegenden Teil unserer Gesprächspartner stießen wir hinsichtlich des Ziels der Partei, gemeinsam mit SPD und Grünen die Landesregierung bilden zu wollen, auf Ablehnung. Wir wählen doch nicht "Die Linke", um bei den Kriegsparteien zu landen, wurde uns häufig entgegnet. Steinbrück steht für den Überfall auf Jugoslawien, Hartz IV, Steuergeschenke an die Vermögenden und Spekulanten, Leiharbeit. Darauf sollten seine Genossen stolz sein, forderte er beim SPD-Zukunftskongreß 2012. Bei der Lektüre des ND erinnerte ich mich eines Interviews, das Lothar Bisky am 31. 8. 2011 dem "Tagesspiegel" gegeben hatte: "Die Älteren sollten den Hut nehmen", lautete der Titel. Mir machte eine Antwort Biskys Hoffnung. Er sagte nämlich: "Ich lebe seit ein paar Jahren in Schildau in Sachsen. Ich stehe nicht im Zentrum des Geschehens. Die Schildbürgerperspektive gefällt mir ganz gut."
Ich nahm das für bare Münze und täuschte mich. Jetzt stellt er die Frage: Steinbrück, warum denn nicht?

Herbert Rubisch, Berlin


Ich bin Betreiberin der kleinen Hotel-Pension Weiser in 02923 Hähnichen, Heinrichswalde 7, Telefon 03 58 94/3 04 70. Ich gehöre zu ISOR und bin Leserin des RF. Viele rieten mir ab, meine marxistische Weltanschauung allzu offen vor den Urlaubern zu vertreten. In der Pensionsbücherei liegt viel Literatur zur DDR-Geschichte aus, auf Abendveranstaltungen empfehle ich den Gästen neue Bücher. Ich möchte sie zum Nachdenken anregen, ist es doch erschreckend, wie sich ein großer Teil der Bevölkerung einlullen läßt und immer mehr vergißt, das eigene Gehirn zu gebrauchen. Um die Sache auf den Punkt zu bringen: Ich hätte gerne mehr uns unterstützende Urlauber unter meinen Gästen, vor allem auch solche, die sich darüber freuen, daß in jedem unserer Gästezimmer der "RotFuchs" ausliegt.

Sabine Weiser, Hähnichen/Lausitz


Hallo, manchmal hat die Hetze gegen alles, was auch nur nach DDR riecht, einen positiven Aspekt. Denn so bin ich auf Euch aufmerksam geworden. Ich möchte den RF mit einer kleinen Spende unterstützen, die ich in den nächsten Tagen überweisen werde.

Günter Langguth, Leimbach


Die reichsten 10 % besitzen in Deutschland ein Drittel des gesamten Barvermögens. Das ist mehr, als der Staat Schulden hat. Man müßte diese 10 % nur ein Jahrzehnt lang mit 5 % ihres Vermögens besteuern, was sie gar nicht merken würden. Auf solche Weise wäre die Schuldenkrise zu bewältigen. Wenn ich mich frage, warum in der BRD keine Politik betrieben wird, von der 90 % der Bevölkerung profitieren könnten, dann weiß ich darauf nur eine Antwort: Wir werden im Auftrag der 10 % regiert, welche verständlicherweise keine Teilhabe der 90 % am Reichtum wollen.

Jim Höhl, E-Mail


Meine Genossen und Freunde sind inzwischen fast alle beim "RotFuchs" gelandet. Ich selbst bin von Anfang an dabei und sende jeden Monat die Ausgaben in mehrere Himmelsrichtungen. Dank des RF blieb ich unbeirrt links und damit meinen Jugendidealen treu. Als Agitator, Literaturpropagandist und Gesprächspartner stehe ich für Jugendliche und Studenten immer auf der Matte.

Walter Grenzebach, Berlin


Selbstmord ist nicht gleich Selbstmord, wenn es sich bei dem durch eigene Hand Getöteten um ein gejagtes und schuldloses Opfer handelt, dem kein anderer Ausweg mehr blieb.
Herr Gauck hat einem Journalisten geantwortet, er hätte nur selten von Selbstmorden der durch ihn Gehetzten gehört. Pastor Schorlemmer hielt die Grabrede für den zum Suizid getriebenen Prof. Dr. med. Eckhard Ulrich, wobei er die Forderung erhob, die "Stasi"-Akten endlich zu verbrennen.
Die Zahl der in den Freitod Getriebenen stieg während der frühen 90er Jahre im Osten sprunghaft an. Genaue Statistiken darüber gibt es aus politischen Gründen nicht. Pastor Gauck hatte wegen seiner Vorteilsnahme im Umgang mit dem MfS übrigens keinerlei Nachteile, obwohl er nach dem "Stasi"-Unterlagengesetz dessen "Begünstigter" war.

Dr. Horst Schulz, Schulzendorf


An jenem Tage, an dem die Nazis vor 80 Jahren vom Kapital in Deutschland an die Macht gebracht wurden, fanden im Bundestag und in den Länderparlamenten Gedenkstunden mit Zeitzeugen statt.
Im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern blieb die rechtsradikale NPD-Fraktion dieser Veranstaltung demonstrativ fern. Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die BRD, daß Faschisten dort sitzen dürfen.
Andererseits werden Gegner von Naziaufmärschen abgedrängt und durch die Polizei eingekesselt, um den Faschisten ihr "verfassungsmäßiges Recht auf Demonstrationsfreiheit" zu gewährleisten.
In Halbe befand ich mich vor einigen Jahren selbst in einem solchen Kessel. Stundenlang durften wir den uns von der Polizei angewiesenen Raum nicht verlassen, damit die Nazis ungehindert zum Soldatenfriedhof marschieren konnten.
Eines steht fest: Die Zeit des Dritten Reiches ist in der BRD noch lange nicht "aufgearbeitet".

Wilfried Steinfath, Berlin


Der DGB als - seiner Aufgabe nach - arbeiterfreundliche Vereinigung untersagte dem "RotFuchs" weitere Veranstaltungen in einem gewerkschaftseigenen Erfurter Raum, der seit etwa zwei Jahren immer wieder gemietet worden war. Die für diese Entscheidung verantwortlichen Kollegen - offenbar sitzen sie in Frankfurt am Main - sollten ruhig einmal die Satzung des RF lesen und unsere Zeitschrift abonnieren, um sich ein Bild davon zu machen, wie sich der "RotFuchs" für die Anliegen der Arbeiter und gegen die Interessen des Kapitals engagiert. Das im Grundgesetz verankerte Recht auf Redefreiheit gilt offensichtlich nicht für ehemalige Mitarbeiter des MfS. Wenn Medien wie der MDR auf eine solche Diskriminierung anspringen, ist das ihre Sache. Der DGB aber sollte sich da raushalten.

Winfried Freundt, Jena


DGB-Chef Sommer und "Verteidigungsminister" de Maizière gaben nach ihrem Treffen eine Erklärung ab, die niemand zu Gesicht bekam. Das ist in meinen Augen - ich bin langjähriges Gewerkschaftsmitglied - ein unglaublicher Vorgang. In einer so entscheidenden Angelegenheit wurde jegliche Transparenz vermieden. Das Zusammenspiel des DGB-Chefs mit dem Kriegsminister ist ein Schlag ins Gesicht aller Gewerkschafter, die eine friedfertige Außenpolitik dieses Landes fordern. Offenbar soll die Bundeswehr jetzt auch mit dem Segen des DGB in alle Welt geschickt werden. Dagegen erhebe ich schärfsten Protest.

Raimon Brete, Chemnitz


Mein lieber Ulrich Guhl, schön, wie Du Deine Gedanken und Gefühle zu Papier bringst! Ich habe Deine Artikel einige Male gelesen - ja, genauso ist das Lebenstempo unseres 21. Jahrhunderts, ist die Wahrheit.
Auch für mich ist der Verlust der DDR schwer zu verstehen, waren doch diese 40 Jahre der Beginn der Verwirklichung einer gerechten Idee. Wie Du schreibst, spüren immer mehr Menschen, daß es so nicht weitergehen kann. "Seit die DDR 'tot' ist, vergeht kein Tag, an dem sie nicht als 'Unrechtsstaat' hingestellt wird", schreibt mir ein Freund aus Dresden. "Wir hatten nicht alles, aber viel."
Ich selbst war beim Zusammenbruch der DDR schwankend geworden, wurde mir aber immer mehr dessen bewußt, daß der Kapitalismus nur ein "Sieger auf Zeit" sein kann. Ich bin stolz, ein "gerechter Linker" zu sein und mich öffentlich als solcher zu bekennen, nicht aber anderen nach dem Munde zu reden. Wie Du, lieber Ulrich Guhl, in Deinem Artikel sagst, gilt es, Kleinmut und Duckmäusertum die Stirn zu bieten.

Gerhard Kmoch, Aachen


Ulrich Guhls Artikel "Schluß mit dem Duckmäusertum!" fand ich großartig. Rühmen wir uns dessen, was wir und unsere Vorgänger geleistet haben, auch wenn oder gerade weil es den Gegner in Rage bringt! In diese Richtung geht auch die Rezension des Losurdo-Buches über Stalin. Was der Artikel diesem mit Recht zugute hält, die "Zerschlagung des Hitlerfaschismus" und - auch als Voraussetzung dafür - das "Herausführen Rußlands aus seiner ökonomisch-kulturellen Zurückgebliebenheit" waren die entscheidenden Menschheitsaufgaben im zweiten Viertel des 20. Jahrhunderts. Stalin hat diese Aufgabe 1929 so benannt: "den Rückstand von 100 Jahren in 10 Jahren aufholen oder zermalmt werden".

Fritz Dittmar, Hamburg


Seit dem vergangenen Jahr läßt mich eine Pressemeldung nicht mehr los. Als im Januar 2012 Sozialisten, Kommunisten und andere Demokraten einmal mehr an den Gräbern von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht vorbeizogen, erschien im hiesigen "Nordkurier" fast zeitgleich ein Leserbrief, dessen Verfasserin die Ermordung der beiden Vorkämpfer der Arbeiterbewegung ausdrücklich begrüßte. Sie behauptete, dadurch sei eine "von Lenin befohlene blutige kommunistische Diktatur verhindert worden".
In diesem Falle griff die interne Zensur der Zeitung nicht ein. Das Beispiel zeigt, wie das Geschichtsbild vieler Deutscher bereits bis zur Unkenntlichkeit verzerrt worden ist.

Dr. med. Gerd Machalett, Siedenbollentin


Schabowski hatte einst von sich und anderen gesagt: "Wir waren alle Arschlöcher!" Für seine Person ist dieser Erkenntnis nicht zu widersprechen. Nun hat der RF Hans-Dieter Schütt einen "Nachruf" verpaßt, der bei aller verständlichen Enttäuschung und Empörung über das Ziel hinausschießt. Schütt ist nicht der erste, der sich von "Geglaubtem, Gesagtem und Gemachtem" verabschiedete, das Kind quasi mit dem Bade ausschüttete. Wir standen 1989 doch mehr oder weniger alle sprach- und ratlos vor den Trümmern der DDR und der sozialistischen Staaten Europas, hatten Mühe, uns in der neuen Situation zurechtzufinden. Es gab und gibt nur relativ wenige, die bei aller Kritik am Vergangenen in der Sache prinzipienfest geblieben sind. Hans-Dieter Schütt gehört, wie wir nun wissen, nicht dazu. Ich erinnere jedoch daran, daß er ein Kind der DDR und ihrer Kaderpolitik war und seine Karriere dort stattgefunden hat. Meine liebe Frau pflegt in solchen Fällen immer fassungslos zu fragen: Was hat die DDR da nur herangezogen?
Schütt hat sich entschieden. Wozu, gefällt uns nicht. Ihn und andere aber "karrieristische Schmeißfliegen" zu nennen, ist Verunglimpfung und keine Kritik. Etwas mehr Sachlichkeit und ein kühler Kopf wären da angebracht gewesen.

Heinz Ehrenfeld, Berlin


Edda Winkel hat in "Berlin aus meinem Blickwinkel" den Nagel auf dem Kopf getroffen. Die gerade entstehende Lückenbebauung zwischen Fernsehturm und Rathauspassagen ist sicher ein weiterer Beleg dafür, daß man eine Stadt auch unattraktiver machen kann, obwohl man in Berlin noch froh sein sollte, daß überhaupt etwas geschieht. ... Wenn ich da so auf unser Frankfurt schaue, wo es ja nur noch bergab geht, wird mir ganz schlecht.

Rico Jalowietzki, Frankfurt (Oder)


Ich möchte meine Freude vor allem über zwei Artikel zum Ausdruck bringen, die im RF 181 veröffentlicht wurden. Ich halte sie für besonders bedeutsam. Gemeint sind die Beiträge von Ulrich Guhl und Erik Höhne.
Meine Hochachtung für Guhls "Schluß mit dem Duckmäusertum!" Ein Satz bringt die Dinge für uns Kommunisten auf den Punkt: "Wenn wir wirklich eine bessere Welt anstreben, dann müssen wir uns erhobenen Hauptes zu unseren geistigen Wurzeln und den Erfolgen unserer Bewegung bekennen." Mit Genugtuung nahm ich auch Höhnes "Geschichte historisch betrachten!" auf, zumal ich das Buch Losurdos sehr intensiv gelesen habe. Es bestätigte einmal mehr meine eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse als Kommunist. Dieses Buch sollte wirklich jeder zur Hand nehmen.

Harald Holtz, Rostock


Aufmerksam und nachdenklich habe ich mir den Februar-"RotFuchs" reingezogen. Danke für Neues, danke aber auch für Euer Durchhalten!
Bitte grüßt Gertrud Zucker sehr herzlich von mir und laßt sie wissen, daß wir einige ihrer Grafiken, die wir gerne besäßen, auch bei einer Verkaufsausstellung in der Pommerschen Marktscheune, Pasewalk zeigen würden.

Jürgen Schossow, Eggesin


Der "RotFuchs" ist für mich wie ein Stück Heimat. In der heutigen Zeit versuche ich, für mich und meine Familie das Bestmögliche zu erreichen, aber so wie in der DDR kann ich mich mit der jetzigen Gesellschaft keinesfalls identifizieren. Darum freue ich mich immer, wenn der "RotFuchs" kommt. Ich danke für Eure Initiative, diese Zeitschrift herauszugeben.

Gerda Huberty, Neundorf


Seit ein paar Monaten erhalte ich von einem ehemaligen Kollegen, der einst zu den Lesern der durch mich über 30 Jahre geleiteten Gewerkschaftsbibliothek unseres Betriebes zählte, den "RotFuchs". Im vergangenen Jahr rief besonders das Porträt Erwin Strittmatters und der Artikel über die Vernichtung von Büchern der DDR mein Interesse hervor. Von den über 25 000 Bänden unserer Betriebsbibliothek habe ich einige Hundert gerettet und einen Teil davon an Leser verschenkt. Es war ja eine Kulturschande ohnegleichen, was seit 1990 mit dieser Literatur geschah. Heute erscheinen wunderschöne Kinderbücher von DDR-Autoren und -Illustratoren, die ein Vielfaches ihres früheren Preises kosten.
Aktueller Anlaß für diese Zeilen ist jedoch die gut gemachte Reihe "Griff in die literarische Schatztruhe" von Dieter Fechner. Selbst hervorragend ausgebildete Bibliothekare erfahren dort manches Neue über die jeweiligen Autoren. Ich freue mich schon auf weitere Porträts und sende Dieter Fechner ein herzliches Glückauf!

Diplom-Bibliothekar Heinz Tröger, Zwickau


Eben flatterte die Februar-Ausgabe des RF mit Ulrich Guhls Artikel "Schluß mit dem Duckmäusertum!" auf meinen Schreibtisch. Ich stimme allem, was er dort schreibt, uneingeschränkt zu und empfinde ebenso. Hinzufügen möchte ich, daß die Partei Die Linke sehr wohl über Mitglieder verfügt, die dazu in der Lage sind, richtige Einschätzungen zu treffen und entsprechende Schlüsse zu ziehen. Entscheidend ist nur, wie sie die linken Kräfte erreichen und mobilisieren.
Ein Wort zu mir selbst. Ich diente 30 Jahre in den Reihen der Deutschen Volkspolizei Berlin und gehöre jetzt zur TIG Strausberg von ISOR. Natürlich bin ich auch Mitglied des "RotFuchs"-Fördervereins.

Hans-Joachim Friedrich, Hoppegarten


Wie ernst die Lage in Deutschland ist, zeigt nicht zuletzt auch das beängstigende Ergebnis der Niedersachsen-Wahl: 10 % für die FDP, doch nur 3 % für die Linkspartei! Ist die Ignoranz der Leute noch steigerbar?
Das Ganze müßte natürlich schon im Bildungswesen ansetzen. Doch gerade auf diesem Gebiet sind die unseren Generationen von DDR-Bürgern im Osten Folgenden doch wieder im tiefsten Mittelalter angekommen!

Volker Büst, Vienau


Würde sich Frankreich so "uneigennützig" für "das Volk" in Mali einsetzen, wenn es dort keine strategischen Rohstoffe zu holen gäbe? Und auch die BRD ist ja nur aus Erwägungen "aufrichtiger Solidarität" an dieser "Hilfsaktion" beteiligt! In der "Sächsischen Zeitung" las ich, Berlin schicke keine Soldaten nach Mali und wolle Frankreich lediglich mit Transportmaschinen der Bundesluftwaffe beistehen. Doch schon kurz darauf war davon die Rede, daß die Bundeswehr sich nun doch beteilige und in Zukunft etliche Kampfdrohnen brauche. Offensichtlich hält die Regierung diese unbemannten Flugkörper nach den in Afghanistan gesammelten Erfahrungen für "unverzichtbar". Und Kriegsminister de Maizière setzt noch eins drauf: "Flugzeuge dürfen Waffen tragen, warum unbemannte Flugsysteme nicht?" Aufgrund der "Gnade der späten Geburt" hat dieser Mann ja keine Bombenangriffe erlebt. Ich aber weiß aus eigener Erfahrung, wovon ich schreibe und würde solche Kriegsbefürworter sofort in die vorderste Linie schicken!

Marianne Wuschko, Hoyerswerda


Immer wieder - so auch im RF 180 - wird suggeriert, das Ignorieren der Hinweise Richard Sorges an die sowjetische Führung über den bevorstehenden Angriff Hitlers belege, daß die UdSSR den Faschisten gegenüber zu leichtgläubig gewesen sei. In Domenico Losurdos Buch über Stalin wird detailliert belegt, unter welchem Desinformationsdruck die sowjetischen Behörden standen und daß sie die Zeit des Nichtangriffspaktes der UdSSR mit Hitlerdeutschland konsequent genutzt haben, um sich durch Verlagerung von Industrien und andere Maßnahmen auf Krieg und Sieg vorzubereiten.
Übrigens ist es gut, daß der RF den manchen Publikationen beigelegten "Buchempfehlungen" eins auf den Deckel gehauen hat. Ich habe mir seinerzeit deren weitere Zusendung verbeten, nachdem das Sarrazin-Machwerk dort beworben worden war.

Dr. Walter Lambrecht, Zingst


In dem Beitrag "Wird Mali zu einem neuen Afghanistan?" greift der RF in Nr. 181 einen Gedanken auf, der mich schon jahrelang beschäftigt: die Nutzung der Sonnenenergie in Afrikas heißen Zonen. Der aus ihr gewonnene Strom sollte aus meiner Sicht allerdings für die Afrikaner gedacht sein, die ihn nötiger brauchen als die Europäer. Lenin hat zu Recht festgestellt: "Kommunismus ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes". Eine ebenso geniale wie überzeugende Aussage! Zugleich wird deutlich, wie sehr die Gesellschaftsordnung über die Gemeinnützigkeit des wissenschaftlich-technischen Fortschritts entscheidet.
Die Produktivkraft Wissenschaft und Technik wird in den Händen der Monopole immer ein profitmaximierender Faktor sein, nicht aber wirklich Bedürftigen dienen. Also kommt es darauf an, die Gesellschaftsordnung zu ändern.

Peter Pöschmann, Döbeln


Es war eine gute Idee, den Beitrag von Almos Csongár aus dem Mai 1990 erneut zu veröffentlichen. Die einseitige Darstellung des Verhältnisses von Rosa Luxemburg zu Lenin hat bis heute kein Ende gefunden, sondern sich eher noch verstärkt. Manche Schreiber suchen sich jene Stellen aus Rosas Schriften heraus, die ihren jeweiligen Vorstellungen entsprechen. Heute wird sie allerdings seltener zitiert. Selbst ihre Aussage von der Freiheit des Andersdenkenden paßt angesichts der Überwachungspraktiken des Verfassungsschutzes nicht mehr so recht in die Landschaft.
Almos Csongár zitiert auch Rosa Luxemburgs Stellung zur Oktoberrevolution, die für sie "das gewaltigste Faktum des Weltkrieges" war. Das gilt bis heute, obwohl - auch von manchen Linken - alles getan wird, um die russische Revolution in Vergessenheit geraten zu lassen.

Dr. Kurt Laser, Berlin


In einer sich als linksorientiert verstehenden Publikation lese ich immer mal wieder, daß der "RotFuchs" "DDR-Nostalgie" verbreite. Da ich aber selbst ein Nostalgiker bin, wollte ich die Zeitschrift gerne kennenlernen. Seit August 2012 bin ich ihr Bezieher. Sie gefällt mir sehr, sind doch alle Artikel - auch jene von sehr gebildeten Menschen - einfach und verständlich geschrieben. Zum Leitartikel im RF 180 möchte ich etwas ergänzen. Dort wird das Transparent einer Gruppe von PDS-Abgeordneten erwähnt, welches US-Präsident Bush bei seinem Auftritt im Bundestag entgegengehalten wurde. Man muß aber hinzufügen, daß diese Aktion von der PDS-Führung nicht gebilligt worden ist und daß sich Roland Claus sofort im Namen der Fraktion bei Bush untertänigst entschuldigt hat.
Diese Bemerkung zur Linkspartei veranlaßt mich nicht dazu, allen anständigen Genossinnen und Genossen aus ihren Reihen wie deren Einsatz für die Sache meinen Respekt zu verweigern.

Bernd Kornau, Dresden


Als ich für das Herzmedikament Cuversum, bei dem ich zuvor fünf Euro zuzahlen mußte, auf einmal 68 Euro auf den Tisch zu legen hatte, wandte ich mich an den "Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten". Frau Anna Wittchen antwortete mir im Auftrag ihres Chefs Wolfgang Zöller u. a.: "Ist ein Arzneimittel teurer als der Festbetrag, zahlen die Versicherten die Differenz als Aufzahlung. Dieser Betrag ist zusätzlich zur gesetzlichen Zuzahlung zu leisten. Die Zuzahlung beträgt 10 % des Preises, mindestens 5 Euro und höchstens 10 Euro, jedoch nicht mehr als die Kosten des Arzneimittels. Bei Überschreitung der gesetzlichen Belastungsgrenze besteht Anspruch auf Befreiung von der Zuzahlung. Keine Befreiung ist möglich von einer Aufzahlung wegen Festbetrags-Überschreitung." Ganz abgesehen von diesem Amtsdeutsch, stelle man sich eine solche Auskunft zu Zeiten der DDR einmal vor!

Lutz Dieter Schaup, Sabel


Die im RF veröffentlichte Studie zur Darstellung der "Ossis" in überregionalen bundesdeutschen Medien durch eine britische Wissenschaftlerin der Universität Leipzig trifft den Nagel auf den Kopf.

Dipl.-Ing. Hermann Ziegenbalg, Riesa-Weida


Berufspolitiker meiden das "gefährliche Wissen", hält es sie doch von ihrer Arbeit ab oder macht diese sogar unmöglich. Die kritische Wahrnehmung der uns umgebenden und unser Denken zersetzenden medialen Manipulations- und Kontrolltechniken würde einen radikalen Bruch mit Vermittlung und Präsentation des Scheins von Politik ermöglichen. Erst das Eingeständnis, daß der jetzige gesellschaftliche Zustand (in Ökonomie und Kultur sowie in den sozialen Beziehungen) sowie die globalen Kriege Ergebnisse dieser jahrelangen Wirkung belegbarer Manipulations- und Kontrolltechniken sind, erlaubt uns den Bruch mit der herrschenden Politikroutine. Diese ist oftmals nur ein Widerschein ihrer eigenen betrügerischen Darstellung. Unter diesen Voraussetzungen eine aktive linke Bewegung sein zu wollen, hieße, die Manipulationsabsichten und Methoden (also die Produktionsweisen) der kapital- und parteiengesteuerten Massenmedien anzuprangern und deren Produkte nicht passiv zu erdulden oder lediglich zu kritisieren, sondern aktiv zurückzuweisen. Diese Gegenbewegung unterstützt die investigative Recherche von Volksreportern oder Bürgerjournalisten, legt kriminelle Zustände, Abläufe in Behörden und Verwaltungen offen, berichtet über Mobbing und Repressionen am Arbeitsplatz, stellt machtbesessene Politiker und Amtsinhaber bloß.
Es gibt also Möglichkeiten, wirklich zu handeln und so das "gefährliche Wissen" konstruktiv zu nutzen.

Thomas Barth, Wittenberg


Die kürzlich verstorbene Käthe Reichel zitiert in ihrem Buch "Windbriefe an den Herrn b. b." auch Heiner Müllers Worte, das Vergessen sei von großem Schaden, "denn die ganze Technologie drängt auf Auslöschen von Erinnerungen". Diese aber seien "die letzte Bastion des Subjekts, denn jetzt geht es um den Untergang des Subjekts selbst ­...". Was man brauche, seien "die Zukunft und die Vergangenheit". Darum müsse man die Toten ausgraben, wieder und wieder, "denn nur aus ihnen kann man Zukunft beziehen".
Mitunter hören wir recht kritische Bemerkungen zum "RotFuchs", die ihm Nostalgie, Ostalgie, Rückwärtsgewandtheit, Schönfärberei und noch üblere Dinge andichten. Erst dieser Tage vernahm ich, wie sich jemand darüber aufregte, im "RotFuchs" werde nur geschrieben, wie wunderbar alles in der DDR gewesen sei. Ich kann das anhand einer thematischen und inhaltlichen Durchsicht der letzten Ausgaben allerdings keineswegs nachvollziehen. Natürlich gab es darin auch Aussagen zu DDR-Problemen, die in den Medien der Bourgeoisie so nicht vorkommen dürfen.
Ich weiß nicht, was daran falsch und verwerflich sein sollte, wenn wir im Sinne Heiner Müllers die Erinnerungen nicht auslöschen und Zukunft aus der Vergangenheit schöpfen.

Roland Winkler, Aue


Erich Honecker hat sich in dem einzigen durch ihn autorisierten Text der Jahre 1989/91, den er unter kompliziertesten Bedingungen verfaßte, um eine realistische Bewertung der erlittenen Niederlage und eine Analyse ihrer objektiven wie subjektiven Ursachen bemüht. Dabei scheute er auch nicht vor schonungsloser Selbstkritik zurück. Seine Schrift - zuerst vom Hamburger Verleger und "RotFuchs"-Freund Wolfgang Runge herausgebracht und dann 2012 von Wiljo Heinen neu verlegt - erschien unter dem Titel "Zu dramatischen Ereignissen". Man mag zu Erich Honecker stehen, wie man will (und gewiß haben wir unter seiner Führung sehr vieles falsch gemacht), doch die aufrechte Haltung dieses im antifaschistischen Kampf gestählten und auch vor der Konterrevolution nicht einknickenden Kommunisten verdient Respekt und Anerkennung. Was für ein Kontrast zwischen solchem Bekennermut und dem plötzlichen "Paradigmenwechsel" - der Preisgabe aller zuvor vertretenen Positionen - durch die kleinen und größeren Schabowskis!

Dr. Ernst Heinz, Berlin

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Entschuldigung
Durch ein redaktionelles Versehen wurde in der Glückwunsch-Rubrik unserer März-Ausgabe der Name eines verdienten Jubilars falsch geschrieben. Die Gratulation zum 75. Geburtstag galt Genossen Rolf Proß aus Artern. Wir bitten unseren treuen Mitstreiter um Nachsicht. RF

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RF-Bezugsbedingungen

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Er ist folgendermaßen erreichbar.
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Der RotFuchs wird ausschließlich aus Spenden und nach eigenem Ermessen jedes einzelnen finanziert.
Einen festen Preis gibt es nicht. Die Zeitschrift kommt jeweils am letzten Werktag eines Monats zum Versand.


IMPRESSUM

Der im Februar 1998 gegründete "RotFuchs" ist eine von Parteien unabhängige kommunistisch-sozialistische Zeitschrift.

HERAUSGEBER: "RotFuchs"-Förderverein e. V.

CHEFREDAKTEUR: Dr. Klaus Steiniger, (V.i.S.d.P.)
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(Redaktionsadresse)

SEKRÄTERIN: Karin Großmann

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UND AKUSTISCHE AUSGABE (für Sehbehinderte):
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Redaktionsschluß für die übernächste Ausgabe ist der 20. eines Monats.

AUTORENKREIS:
Dr. Matin Baraki
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Rolf Berthold
Konstantin Brandt
Dr. Vera Butler (Melbourne)
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Prof. Dr. Götz Dieckmann
Dr. Rudolf Dix
Ralph Dobrawa
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Bernd Fischer
Peter Franz
Günter Freyer
Prof. Dr. Georg Grasnick
Ulrich Guhl
Bernd Gutte
Dr. Ernst Heinz
Jürgen Heiser
Helmuth Hellge
Dr. Dieter Hillebrenner
Manfred Hocke
Erik Höhne
Rico Jalowietzki
Rudi Kurz
Wolfgang Mäder
Bruno Mahlow
Dr. Bernhard Majorow
Prof. Dr. Herbert Meißner
Wolfgang Metzger
Jobst-Heinrich Müller
Horst Neumann
Cornelia Noack
Erhard Richter
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2013