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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1319: Bosnien-Herzegowina - Streiks gegen politisch motiviertes Sparpaket


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 9 - September 2009
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Bosnien-Herzegowina
Streiks gegen politisch motiviertes Sparpaket
Notstand und Streiks gegen den Strukturanpassungsplan des IWF

Von Catherine Samary


Nachdem der IWF im März Serbien ein Darlehen von 3 Milliarden Euro gewährt hatte, garantierte er am 14. Mai einen 3%-Kredit für Bosnien-Herzegowina, aber nicht für Albanien. Denn Albanien hatte am Vorabend der Wahlen die Strukturanpassungsmaßnahmen, die Voraussetzung für den Kredit sind, abgelehnt. Albaniens Ministerpräsident Sali Berisha, dessen Mitte-Rechts-Partei erwartete, die Wahlen zu gewinnen, äußerte: "Der IWF schafft mehr Probleme, als er in einer schwierigen Zeit löst."

Alle Meinungsumfragen zeigen, dass die Bevölkerung in Albanien wie auch andernorts vor allem über die Erwerbslosigkeit und die Armut besorgt ist.

Die Regierung Bosnien-Herzegowinas hat sich für das größere Risiko entschieden, nämlich die Forderungen des IWF zu akzeptieren. Sie stand vor dem Problem, die Zahlungen an die öffentliche Verwaltung einstellen zu müssen, weil die Steuereinnahmen infolge der Rezession drastisch zurückgegangen sind. Die Regierung erhält in den nächsten drei Jahren ein Darlehen von 1,2 Mrd. Euro - zwei Drittel davon gehen an den kroatisch-bosnischen Teil, die sog. "Föderation", ein Drittel an die Republika Srpska, den serbischen Teil. Doch das Land befindet sich in einer rundum explosiven Lage.

Unter dem stärksten Druck des IWF steht die bosnisch-kroatische Föderation in Bosnien-Herzegowina, die aber auch mit einer größeren politischen und sozialen Protestbewegung konfrontiert ist. Deren Regierung hat dem IWF versprochen, ihre Haushaltsausgaben um 207 Millionen Euro zu kürzen, um die Subventionen zu erhalten - gegenüber Kürzungen von 73 Mio. im Haushalt der Republika Srpska und 20 Mio. Euro im nationalen Haushalt von Bosnien-Herzegowina. Dabei geht es um die Senkung der Lohnkosten im öffentlichen Dienst, der Pensionen und der Sozialleistungen vor allem für die Kriegsopfer und die Veteranen. In einem Land, das noch 100000 Tote aus den 90er Jahren betrauert und man mehr als Chauffeur einer internationalen Organisation verdient denn als Lehrer, klingen solche Sparmaßnahmen wie eine echte Provokation.

Was den serbischen Teil, die Republika Srpska (RS), betrifft, so wird ihr Ministerpräsident Milorad Dodik beschuldigt, 74 Mio. Euro unterschlagen zu haben. Dies trägt nicht gerade dazu bei, den größeren Konflikt um die Aufteilung der Verantwortlichkeiten zwischen den gewählten Institutionen der Landesteile und der Zentralregierung beizulegen, der noch durch die Konfrontation mit dem UN-Hochkommissar (OHR) überlagert wird.

Die einen wie die anderen berufen sich auf die Verfassung von Dayton von 1995, die aber, die einen Krieg ohne Sieger beendete, war außerordentlich widersprüchlich: Sie anerkannte ein "souveränes" Bosnien, aber auch autonome "Teile", die auf ethnischer Basis definiert wurden und ein Recht auf besondere Beziehungen zu den Nachbarländern haben. Und um das Ganze als ein "Ganzes" zu bewahren, stehen internationale Truppen im Land und es gibt einen von der UNO ernannten Hochkommissar. Dieses Amt sollte 2007 abgeschafft werden, weil aber immer noch die Gefahr besteht, dass das Land auseinanderbricht, wurde im März 2009 ein neuer OHR bestellt, der österreichische Diplomat Valentin Insko, der auch die EU repräsentiert.

Dieser Quasi-Prokonsul verfügt über die Vollmacht, gewählte Repräsentanten, die er für ungeeignet hält, ihres Amtes zu entheben (was er in der RS mehrfach getan hat) und Gesetze zu verändern.

Angesichts der Krise, aber auch mit Blick auf Verhandlungen mit der EU, die einen vereinigten Zentralstaat stärken würden, wurden alle (für einen Prokonsul vorstellbaren) Anstrengungen unternommen, nicht etwa dem Land einen sozialen Zusammenhalt zu verleihen, sondern um die Zuständigkeiten der Teilrepubliken zugunsten der Zentralregierung zu reduzieren - besonders in Bezug auf die Polizei. Die Versammlung der RS hat jedoch gegen den Verlust ihrer Vorrechte offen Widerstand geleistet - die Unabhängigkeit Kosovas hat die Spannungen noch angeheizt und die Drohungen mit einem Referendum über die Selbstbestimmung verstärkt.

Die Versammlung der RS verabschiedete am 13.Mai eine Entschließung, die den OHR aufforderte, mit der Entlassung lokaler Amtsträger und der Übergabe von Befugnissen an die Zentralbehörden aufzuhören.

Die Regierung von Bosnien hat den Notstand ausgerufen. Der Verband der unabhängigen Gewerkschaften Bosnien-Herzegowinas hat darauf geantwortet, indem er verschiedene internationale und europäische Gewerkschaftsverbände aufgerufen hat, Solidarität mit einer Reihe von Streiks zu üben, die zunehmend deutlicher auf den Sturz der aktuellen Regierung abzielen. Am 26.Juni fand ein allgemeiner Warnstreik statt; es scheint, dass er gut befolgt wurde.


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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 9, 24.Jg., September 2009, Seite 13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2009