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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1654: Tarifergebnis in der Metall- und Elektroindustrie


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 6 - Juni 2012
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Tarifergebnis in der Metall- und Elektroindustrie
Viel Spielräume, wenig Verbindlichkeit

Von Jochen Gester



Die Tarifrunde in der Metallindustrie ist zu Ende. Nach Angaben der IG Metall-Pressestelle haben sich bundesweit seit Ende der Friedenspflicht etwa 800.000 Beschäftigte der Branche an den Aktionen beteiligt. Hört man sich um, so ist die Einschätzung recht einhellig. Ein Mobilisierungsproblem gab es diesmal nicht.


Die Beteiligung war seit Jahren nicht mehr so gut. Hat dieser Schwung gereicht, auch ohne regulären Erzwingungsstreik zu einem respektablen Ergebnis zu kommen? Bekanntlich bestand das Forderungspaket der Gewerkschaft aus drei Teilen:

- eine die Inflation absichernde Einkommenserhöhung,
- Ausweitung der Mitbestimmung beim Einsatz von Leiharbeitern,
- Übernahme aller Auszubildenden nach Ende der Lehrzeit.

Schaut man sich den nun vorliegenden Vertragstext an, fällt ein Urteil zur erreichten Einkommenserhöhung am leichtesten. Bei einer Laufzeit von 13 Monaten und einem Monat Weiterbestand des alten Tarifs ergibt sich ein Plus von 3,69%, was die offizielle Inflationsrate ausgleicht. Die Einigung darauf wurde von beiden Seiten als die einfachste Aufgabe angesehen.

Etwas schwieriger zu beurteilen ist die praktische Reichweite der Vereinbarung zur Leiharbeit. Es war klar, dass Gesamtmetall keine für alle Mitgliedsunternehmen verbindliche Einschränkung des Zugriffs auf die Zeitarbeit per Tarifvertrag unterschreiben würde. Dies ginge am ehesten durch ein Gesetz, das die Regierung jedoch nur beschließen will, wenn es keine Einigung der Tarifparteien gibt. Vereinbart wurde nun eine Art "letter of intent", eine Absichtserklärung, worin die Grundregeln für den Einsatz von Leiharbeitern geregelt werden sollen.

Eine dieser Grundregeln besagt, dass die Arbeits- und Entgeltbedingungen der Stammbelegschaft nicht beeinträchtigt werden dürfen. Nach Angaben der IG Metall wurde vereinbart, dass der Einsatz der Leiharbeiter der Zustimmung des Betriebsrats bedarf und die Bedingungen für die Einstellung von Zeitpersonal enger reglementiert wird - an fehlende Qualifikationen in der Belegschaft, Krankheitsvertretung und Auftragsspitzen gebunden wird. Ferner kann auch die Höhe der Vergütung und die Höchstdauer des Einsatzes festgelegt werden.

Dabei sind beide Seiten offensichtlich übereingekommen, die Übernahme von Leiharbeitern nach 24 Monaten zur Pflicht zu machen. Dies ist für die Betriebe kein so großes Problem, die allermeisten Zeitarbeitnehmer sind kürzer beschäftigt. Dazu kommt, dass die Betriebsräte, nicht die IG Metall Vertragspartner sind. Letztere hat nur den tarifvertraglichen Rahmen für ihr Handeln ausgehandelt.

Die Last für die Durchsetzung wirklicher Verbesserungen per Betriebsvereinbarung liegt nun auf den Schultern der nicht streikfähigen Organe des Betriebsverfassungsgesetzes (d.i. der Betriebsräte). Wenn sie sich dem Konflikt mit ihrer Geschäftsleitung entziehen, stehen die betroffenen Leiharbeiter weiter im Regen. Diese können jedoch mit Verweis auf den "letter of intent" Unterstützung bei den organisierten Mitgliedern suchen.

Die Arbeitgeber werden diese Situation so nutzen, dass sie von der IG Metall Gegenleistungen im Sinne von Selbstbeschränkungen fordern. Das haben sie in dieser Vereinbarung an anderer Stelle schon getan. Die IG Metall hat als Gegenleistung den Flexibilitätsrahmen bei der Arbeitszeit deutlich erweitern müssen. Zukünftig sind 30% der Belegschaft, statt wie bisher 18%, von der 35-Stunden-Woche ausgenommen und bekommen die 40-Stunden-Woche als Normalarbeitszeit. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, hat ferner erklärt, jetzt müsse die Debatte über die Zeitarbeit ein Ende haben. Auch ein Gesetz sei überflüssig, da es ja jetzt die Einigung der Tarifpartner gäbe.

In der Frage der Übernahme der Auszubildenden wurde laut IG Metall vereinbart, dass Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam den Bedarf feststellen und dies auch in einer Betriebsvereinbarung niederlegen können. Wer zum Bedarf gehört, soll nach bestandener Prüfung unbefristet übernommen werden. Die über Bedarf Ausgebildeten erhalten einen 12-Monate-Vertrag. Das Handelsblatt kann eine gewerkschaftliche Einflussnahme durch eine solche Betriebsvereinbarung jedoch nicht erkennen. Auch wurden Einschränkungen von der Regel festgelegt, die der Arbeitgeber gut ausreizen kann.

Die Große Tarifkommission hat das Ergebnis als Erfolg bewertet. Mit einer endgültigen Annahme am 6. Juni ist zu rechnen.

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 6, 27.Jg., Juni 2012, Seite 8
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2012