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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2155: Trumps Politik im Nahen Osten


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 6 · Juni 2017
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Trumps Politik im Nahen Osten
Viel Geld für die Saudis und Deals mit der Türkei

von Harald Etzbach


Gibt es eine neue Trump-Doktrin für den Nahen Osten? Das vielleicht nicht, in jedem Fall aber ist sie brutaler als die seines Vorgängers.


"Wir werden sie in die Hölle bomben." In dieser martialischen Drohung gegenüber dem sogenannten Islamischen Staat im Irak und in Syrien schien sich Donald Trumps Konzeption der US-amerikanischen Nahostpolitik während seiner Wahlkampagne im letzten Jahr und nach seinem Amtsantritt im Januar zu erschöpfen. Mittlerweile sind gut vier Monate einer zum Teil chaotischen Präsidentschaft vergangen - Zeit genug für eine erste Einschätzung.

Lässt sich eine mehr oder weniger klare Linie in der Nahostpolitik der Regierung Trump, vielleicht sogar so etwas wie eine "Trump-Doktrin" für die Region erkennen? Oder verhält sich die neue US-Regierung hier genauso sprunghaft und unvorhersehbar wie in anderen Bereichen, anscheinend eher von den schnell wechselnden Befindlichkeiten des Präsidenten als durch Pläne oder Strategien bestimmt?

Klar erkennbar ist zunächst eine weitere deutliche Brutalisierung und Militarisierung der US-Nahostpolitik. Bereits im Januar wurden drei Provinzen des Jemen zu "Gebieten mit aktiven Feindseligkeiten" erklärt, in denen weniger strenge Regeln für militärische Einsätze gelten. Die Neuregelung führte unmittelbar zu einem Einsatz von US-Spezialeinheiten in der zentraljemenitischen Provinz Al-Baida, bei dem neben 14 al-Qaeda-Kämpfern auch mehrere Frauen und Kinder getötet wurden.

Anfang März intensivierten die USA ihrer Luftangriffe und Drohneneinsätze im Jemen. Innerhalb kürzester Zeit gab es über dreißig Angriffe auf militante Islamisten im Zentrum des Landes. Das entspricht etwa der Zahl der Angriffe, die im ganzen Jahr 2016 geflogen wurden. Auch hierbei kamen nicht nur islamistische Kämpfer, sondern auch zahlreiche Zivilisten ums Leben.

Nachdem die von den USA unterstützte und von Saudi-Arabien angeführte Allianz der Golfstaaten gegen die zum Teil vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen im Jemen letzten Oktober ein besonders grausames Massaker angerichtet hatte und bei einem Luftangriff über 100 Teilnehmer einer Beerdigung ums Leben gekommen waren, hatte die Obama-Regierung einige Begrenzungen bei Waffenlieferungen an die Länder der Koalition verhängt. Diese Restriktionen, insbesondere bei der Weitergabe von Informationen, der Aufklärung, der operationellen Planung und dem Verkauf von Präzisionsmunition, sollen nun wieder aufgehoben werden.

Ende März entschied US-Außenminister Tillerson zudem, alle humanitären Restriktionen bei der Lieferung von F16-Kampfjets an Bahrain aufzuheben. In Bahrain ist die Fünfte Flotte der US-Marine stationiert, die eine wichtige Rolle bei der Kontrolle des Persischen Golfs und in der Auseinandersetzung mit dem Iran spielt. Nach innen geht der Golfstaat äußerst repressiv gegen die demokratische Opposition und die schiitische Minderheit vor.


Die Einsätze im Irak

Eine Intensivierung der Angriffe gab es auch im Irak und in Syrien im Einsatz gegen den dort agierenden sogenannten Islamischen Staat. Und auch hier hat die Zahl der zivilen Todesopfer drastisch zugenommen. Im Irak liegt dies zum Teil daran, dass sich die Kämpfe vom locker bebauten Ostteil der Stadt Mossul in den dicht besiedelten Westteil verlagert haben. Wirklich entscheidend ist jedoch, dass die Trump-Regierung dem Militär größere Entscheidungsspielräume eingeräumt hat.

Nach Angaben der Organisation Airwars führten die Einsätze der von den USA geführten Anti-IS-Koalition im März zu 1800 zivilen Opfern, das ist mehr als das Dreifache der Zahl vom Januar. Besonders dramatische Ereignisse waren dabei das Massaker an 100 irakischen Zivilisten in Mossul am 17. März sowie in Syrien ein US-Luftangriff auf eine Moschee im Ort Al-Jina westlich von Aleppo, bei dem Mitte März 57 Menschen getötet wurden. Nur wenige Tage später starben bei einem weiteren US-Luftangriff über 30 Zivilisten, die in einer Schule in al Mansura in der Provinz Rakka Zuflucht gesucht hatten.

Die öffentliche Empörung über diese Ereignisse hielt sich merkwürdigerweise in Grenzen - ganz im Gegensatz zu den Reaktionen auf die Bombardierung des syrischen Militärflughafens Shayrat am 7. April als Reaktion auf das einige Tage zuvor vom syrischen Regime verübte Giftgasmassaker von Khan Sheikhoun. Dass es sich bei dieser Aktion um eine reine Symbolmaßnahme handelte, ist mittlerweile ganz offensichtlich, zumal es auch danach nur eine einzige weitere Konfrontation der USA mit syrischen Pro-Regime-Kräften gab, als Mitte Mai bei einem Angriff des amerikanischen Militärs auf eine Einheit der syrischen Armee und verbündeter Milizen im Süden Syriens acht Menschen getötet wurden. Die Truppen bewegten sich innerhalb einer sogenannten "Deeskalationszone". Genau wie die russische Regierung vor der Bombardierung des Militärflughafens war allerdings auch die Armeeinheit zuvor gewarnt worden - die zivilen Opfer von Mossul, Aleppo und Rakka hatten diese Chance natürlich nicht.


Die Haltung gegenüber den Kurden

Die Zahl der zivilen Opfer im Irak und in Syrien dürfte auch künftig mit der von der Trump-Regierung angekündigten neuen Strategie der "Vernichtung" des IS weiter steigen. Eingesetzt werden soll diese Strategie, bei der es den Jihadisten nicht mehr möglich sein soll zu fliehen, auch in der nun wohl unmittelbar bevorstehenden Schlacht um die syrische Stadt Rakka, in der sich noch etwa 100.000 Zivilisten aufhalten sollen. Hier wird die Bodenoffensive von den Demokratischen Kräften Syriens (SDF) getragen, deren militärisches Rückgrat von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) gebildet wird. Mit der direkten Lieferung von Waffen an die YPG geht Trump dabei deutlich über das Engagement seines Amtsvorgängers Obama hinaus, womit er wie dieser in einen Konflikt mit der Türkei gerät, die in der YPG eine Unterorganisation der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) sieht.

Gemessen an der Bedeutung, die die Regierung in Ankara der Frage beimisst, war die Reaktion allerdings verhalten, und der Besuch des türkischen Präsidenten Erdogan in Washington Mitte Mai wurde weder verschoben noch abgesagt. Welche Deals hinter den Kulissen beschlossen wurden, kann nur vermutet werden. Das Internet-Magazin al-Monitor spricht von Waffengeschäften, die der Türkei versprochen wurden, u.a. Hubschrauber, Drohnen und optische Geräte für den militärischen Gebrauch, die die Türkei vor allem im Kampf gegen die PKK einsetzen will. Al-Monitor hält es auch für möglich, dass die USA Informationen über kurdische Aktivitäten an der türkisch-irakischen Grenze und in den Kandil-Bergen, wo die PKK ihr Hauptquartier hat, an die Türkei weitergeben will. Sollten diese Vermutungen stimmen, dann dürfte Erdogan mit dem beruhigenden Wissen aus Washington abgereist sein, dass die Kooperation der USA mit den YPG-Milizen in Syrien eine höchst temporäre Angelegenheit ist, die sich nach der Niederschlagung des IS sehr schnell erledigt haben dürfte.


Eine "arabische NATO"

Eine Veränderung gegenüber der Politik von Barack Obama zeichnet sich in der Haltung der Trump-Regierung gegenüber den Regionalmächten im Nahen Osten ab. Setzte Obama vor allem mit dem Atomabkommen von 2015 auf eine Annäherung an den Iran, so ist Trumps Politik nun offen antiiranisch. Das ist die klare Botschaft, die von dem umfangreichen Waffendeal ausgeht, den die USA anlässlich des Riad-Besuchs von Trump Ende Mai mit Saudi-Arabien geschlossen haben. 110 Milliarden Dollar wollen die Saudis für Waffenkäufe in den USA ausgeben, 380 Milliarden sollen es im Lauf der nächsten zehn Jahre werden. Dieser größte Deal für Kriegsgerät, den die USA jemals abgeschlossen haben, solle Saudi-Arabien helfen, dem "schädlichen Einfluss des Iran" entgegenzuwirken, erklärte US-Außenminister Rex Tillerson. In die gleiche Richtung geht Trumps Vorschlag eines regionalen Bündnisses, einer "arabischen NATO", bestehend aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Jordanien und Ägypten. Besonders neu ist all dies jedoch trotz oftmals bombastischer Rhetorik nicht, denn im Grunde kehrt Trump hier in seiner Nahostpolitik zu einer Unterstützung der traditionellen Allianzen der USA zurück.

Zugleich herrscht aber auch Pragmatismus. Trotz klarer Orientierung gegen den Iran hat auch die Trump-Regierung Mitte Mai Sanktionen gegen den Iran aufgehoben, so wie es im Atomabkommen vereinbart ist. Und auch im Irak unterstützen die USA weiterhin die mit dem Iran verbündete schiitische Zentralregierung. Gibt es also eine neue "Trump-Doktrin" für den Nahen Osten? Wohl nicht, Trumps Nahostpolitik bewegt sich bisher in einem sehr konventionellen Rahmen, teilweise ist sie eine Brutalisierung der Politik der Vorgängerregierung. Was sie auszeichnet ist allerdings, wie unverhohlen und drastisch US-amerikanische Machtinteressen in der Region durchgesetzt werden.

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 6, 32. Jg., Juni 2017, S. 18
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2017

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