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VORWÄRTS/572: Den Rentenklau stoppen!


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 45/46/08 vom 19. Dezember 2008

Inland
Den Rentenklau stoppen!


sit. Das Parlament hat in der Wintersession die Senkung des Umwandlungssatzes der Pensionskasse beschlossen. Dies kommt einer Kürzung der Rente von 12 Prozent gleich. Der Beschluss fällt wenige Wochen nachdem der Bundesrat der UBS 68 Milliarden Steuergelder schenkte. Die PdAS ruft zum Widerstand auf und lanciert das Referendum gegen den Rentenklau.


Der Umwandlungssatz der Pensionskasse (Zweite Säule) legt in Prozenten den Betrag fest, der aus dem jeweiligen Altersguthaben bei der Pensionierung als jährliche Renten ausbezahlt wird. Bei einem Guthaben von 100.000 Franken, beträgt die jährliche Rente bei einem Umwandlungssatz von 7.3 Prozent 7.300 Franken, bei 6.4 Prozent 6.400 Franken. So einfach die Rechnung. Die nun beschlossene Senkung bedeutet deshalb für die rund 3.2 Millionen Versicherten einen Verlust von bis zu zwölf Prozent ihrer Rente!

Der Bundesrat hatte am 22. November 2006 dem National- und Ständerat vorgeschlagen, den Umwandlungssatz bei der Pensionskasse schrittweise bis 2011 von 7.2 auf 6.4 Prozent zu senken. Nachdem der Ständerat in erster Lesung die Gesetzesrevision noch abgelehnt hatte, ist er vergangene Woche ohne Opposition dem Nationalrat gefolgt und hat der Vorlage zugestimmt. Einzige Änderung: Die Kürzung erfolgt bis ins Jahr 2015 und nicht bis 2011. Gegen diesen Rentenklau hat die Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) das Referendum ergriffen. "Wir können es nicht zulassen, dass das Geld der Arbeitenden auf die Weise in die Tasche der Aktionäre gelangt", schreibt die PdAS in ihrer Medienmitteilung.


Der "Realität" gebeugt?

Die Senkung erfolgt auf Druck der Versicherungsgesellschaften. "Nur so kann gewährleistet werden, dass die Stabilität der zweiten Säule gewährleistet ist", schreibt der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) in seiner Stellungsnahme. Und der SVV hält weiter fest, dass "der technisch korrekte Umwandlungssatz bei 5,835 Prozent für Männer mit Alter 65 und 5,574 Prozent für 64-jährige Frauen" beträgt. Weitere Senkungen sind somit geplant. Gar einen Schritt weiter geht die SVP: In der Sozialkommission des Nationalrates fordertet ihr Vertreter Toni Bortoluzzi, dass der gesetzliche Umwandlungssatz ganz abgeschafft und "die berufliche Vorsorge stärker den Kräften des Marktes ausgesetzt werden soll". Die Pensionskassen sollen dann "die Rentenhöhe nach ihren Möglichkeiten festlegen". In der Sozialkommission blieb dieser Antrag chancenlos. Vorerst mal, doch es zeigt deutlich, wo die Reise in Zukunft hingehen soll und wird.

Das Parlament beugt sich dem Druck der Pensionskassen. Da kommt die aktuelle Krise wie gerufen, um sich dahinter zu verstecken. Die NZZ vom Freitag, 12. Dezember 2008 schreibt zum Entscheid des Ständerats: "Insbesondere die Finanzkrise bat die Situation der Pensionskassen derart verschlechtert, dass sich nun auch der Ständerat der Realität beugen musste". Die gleiche "Realität" hat nur wenigen Wochen den Bundesrat bewogen, der UBS ein Geschenk von 68 Milliarden Franken Steuergeldern frühzeitig unter den Weihnachtsbaum zu legen. Nun folgt jenes an die Pensionskassen. So hält der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) in seiner Jahresmedienkonferenz vom 4. Januar 2008 fest: "Die Vorlage des Bundesrates würde den Versicherern (Versicherungsgesellschaften) noch höhere Gewinne verschaffen." Und: "Da die Versicherer kaum Risiken tragen und insbesondere heute auch im Bereich der Altersleistungen - trotz behauptetem 'zu hohem Umwandlungssatz' - unanständig hohe Gewinne realisieren, kommt eine derartige Senkung zum heutigen Zeitpunkt für den SGB nicht in Frage". Colette Nova, geschäftsführende Sekretärin des SGB, doppelt in einem äusserst informativen Beitrag auf pk-netz.ch nach: "Es zeigt sich rasch, dass die Versicherer die grössten Nutzniesser einer weiteren Senkung des Umwandlungssatzes wären." Umso unverständlicher, dass laut aktuellem Informationsstand der SGB das von der PdA lancierte Referendum nicht unterstützen will.


Gewinne und hohe Eigenkapitalrendite

Sind die Pensionskassen wegen der Finanzkrise in Gefahr? Es ist korrekt, dass die Jahre 2007 und 2008 schlechte Erträge einbrachten. Wobei relativiert werden muss: "Aufgrund der sich verschlechternden Börsenlage halbierten sich die Kurs- und Wertgewinne auf Anlagen im Vorjahresvergleich auf 14,9 Milliarden Franken", berichtet der Tagesanzeiger am 6. Januar 2008. - Einen Gewinn von 14,9 Milliarden, wohlverstanden! Weiter heisst dies, dass im 2006 auf den Anlagen ein Gewinn von gut 30 Milliarden Franken eingefahren wurde. Auch die Jahre 2002 bis 2005 waren für die Pensionskassen höchst erfreulich: "Drei fette Jahre haben die Schweizer Pensionskassen erlebt. Drei Jahre, in denen die Gewinne auf den verwalteten Vermögen stetig gestiegen sind, um 2005 schliesslich in einer Rendite von 11 Prozent zu Gipfeln", hält die Handelszeitung am 3. Juli 2006 fest. Die Reserven erreichten laut provisorischen Ergebnissen per Ende 2007 einen Stand von 51,4 Milliarden Franken.

Aussagekräftig ist auch ein Blick auf die Eigenkapitalrendite der Pensionskassen. Angaben dazu liefert der Bericht des "Bundesamtes der Privatversicherer" (BPV) zur "Offenlegung der Betriebsrechnungen 2006". Der Anteil der Versicherer am "Überschuss" betrug 696 Millionen Franken. Das BPV verschweigt zwar, wie hoch das investierte Eigenkapital wirklich ist, liefert aber gewisse Indizien. Danach beträgt das Eigenkapital zwischen 5 und 10 Prozent. Bei 5 Prozent Eigenkapital ergibt sich eine Eigenkapitalrendite von 11.67 Prozent, bei 10 Prozent eine solche von 5.8 Prozent. Zieht man dies alles in betracht, fällt die Argumentation für die Senkung des Umwandlungssatzes wie ein Kartenhaus in sich zusammen, da sie offensichtlich nur auf der "Realität" der Finanzkrise basiert, wie die NZZ zugibt. Was vor der Krise geschah, scheint die grosse Mehrheit des Parlaments nicht mehr zu interessieren, da sonst die Rentenkürzung der Bevölkerung nur schwer zu erklären ist.


Die AHV stärken und ausbauen

Mit der Lancierung des Referendums befindet sich die PdA "in der paradoxen Situation, ein Rentensystem zu verteidigen, das nicht sozial ist", schreibt die Partei in ihrer Medienmitteilung. In der Tat ist die 2. Säule ein unsoziales Konstrukt. Die Rente ist stark vom Lohn abhängig und der Reichtum wird nicht umverteilt. Dies hat die PdA schon immer kritisiert.

So führt uns die Geschichte in die frühen 70er-Jahre zurück: Das aktuelle Rentensystem der drei Säulen (1. AHV, 2. Pensionskasse, 3. Privat) ist das Gegenmodel zur Einheitskasse basierend auf der AHV, welche die PdA durch eine 1968 lancierte Volksinitiative forderte. Die AHV ist ein so genanntes System der Unverteilung. Die Rentenbeiträge sind nicht vom verdienten Lohn abhängig. Sie können vielmehr nach sozialen Kriterien bestimmt werden, was eine Umverteilung des Reichtums erlaubt. Die Abstimmung für die Einführung der Pensions-Einheitskasse ging im Jahr 1972 deutlich verloren. Dies auch, weil die Führung der SP und des Gewerkschaftsbundes die Nein-Parole beschlossen. Über 606 Milliarden Franken beträgt die Bilanzsumme der Pensionskassen heute. Man stelle sich mal kurz vor wie schön es wäre, wenn auch "nur" die Hälfte davon in der Kasse der AHV wäre...

Zurück zur Gegenwart: Die Senkung des Umwandlungssatzes ist ein Angriff auf den Sozialstaat. Die PdA ruft daher "die Bevölkerung der Schweiz auf, Widerstand zu manifestieren". Der erste Schritt ist das Sammeln der nötigen 50.000 Unterschriften. Dies gemeinsam in Komitees mit Organisationen, die "den Werten der sozialen Gerechtigkeit und der Solidarität verpflichtet sind". Nötig ist und bleibt jedoch eine berufliche Vorsorge, die eine Umverteilung des Reichtums erlaubt. So ist die Forderung nach dem Ausbau der AHV so aktuell wie eh. Mehr noch: Die Stärkung der AHV als Rentensystems ist bitter notwendig, um die Renten der ArbeiterInnen nicht den Gefahren der "Realität" von weiteren, sicher kommenden Finanzkrisen auszusetzen.

Kontakt: pdas-sekretariat@pst.ch


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 45/46/2008 - 64. Jahrgang - 19. Dezember 2008, S. 3
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Januar 2009