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VORWÄRTS/597: Obama und die Putschgeister


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 27/28/09 vom 10. Juli 2009

Obama und die Putschgeister

Von Dieter Drüssel


Ist Washington so unschuldig am Putsch wie man uns glauben machen will, oder hat man hier die Fäden gezogen? Ein Versuch zur Einschätzung dieser Frage. Offenbar betrieb Washington die Ausbootung Zelayas, setzte aber eher auf nicht direkt militärische Mittel. Ein Hintergrundbericht.


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VertreterInnen der Obama-Administration sagten, sie seien vom Putsch in Honduras überrascht worden. Aber sie sagten auch, dass sie während mehrerer Wochen versucht haben, eine politische Krise in Honduras zu entschärfen, als die Konfrontation zwischen den Militärs und Mr. Zelaya wegen seiner Versuche eskalierte, die Limiten für seine Amtszeitbeschränkung aufzuheben. Das Weisse Haus und das State Department liessen in den Tagen vor dem Putsch den US-Botschafter in Honduras Mr. Llorens "mit den involvierten Parteien reden, um ihnen zu sagen, dass sie nichts ausserhalb ihrer Verfassung machen könne", wie hohe Funktionäre der Administration am Montag aussagten.

Dennoch, FunktionärInnen der Administration Obama erklärten, dass sie nicht erwartet hatten, dass die Militärs bis zu einem Putsch gehen würden. "Es war die Rede davon, wie sie den Präsidenten seines Amtes entheben könnten, wie er verhaftet werden könnte, mit wessen Autorität sie das tun könnten", erklärte die oder der FunktionärIn der Administration und fügte hinzu, dass sich die Spekulationen auf ein legales Manöver zur Amtsenthebung des Präsidenten gedreht hatten, nicht um einen Putsch. Dies alles ist in der New York Times vom 30. Juni 2009 im Artikel von Helen Cooper und Marc Lacey "In a Coup in Honduras, Ghosts of Past U.S. Policies" zu lesen. (http://www.nytimes.com/2009/06/30/world/ americas/30honduras.html)


Reaktionen aus dem Weissen Haus

Seit Längerem, belehrt uns das Blatt, haben Llorens und der im State Department für Lateinamerika zuständige Assistant Secretary of State, Thomas Shannon, versucht, in Tegucigalpa eine gütliche Lösung des Konflikts über die Verfassungsreform zu erzielen. "Aber amerikanische FunktionärInnen glaubten nicht, dass die Referendumspläne von Mr. Zelaya mit der Verfassung übereinstimmten und waren besorgt, dass dies die Spannungen mit den Militärs und anderen politischen Fraktionen weiter anfachen könnten", betonten AdministrationsvertreterInnen. Doch habe diese "schlechte Idee" (Referendum) keinen Putsch legitimiert. Das Problem sei jetzt: "Die Krise in Honduras (...) bewirkt, dass sich Mr. Obama an den Geistern der vergangenen amerikanischen Aussenpolitik in Lateinamerika messen muss. Die United States haben eine lange Geschichte (...) von Putschanstiftungen und RegierungsvertreterInnen befanden sich in den letzten Tagen in der Defensive und mussten wiederholte Anschuldigungen von Präsident Hugo Chávez von Venezuela dementieren, wonach die CIA ihre Hand hei der Amtsentfernung des Präsidenten im Spiel gehabt haben könnte." Eine delikate Lage, weiss die Times: "Die United States haben lange starke Beziehungen mit der honduranischen Armee gehabt und helfen bei der Ausbildung honduranischer Truppen."

Poor Barack. Jetzt kommt man ihm schon wieder mit solchen Ladenhütern! Dabei hatte er doch nach Möglichkeiten gesucht, sich Zelayas auf saubere Weise zu entledigen! Dabei ist seine Antwort auf den Putsch doch eine ganz andere als jene von Bush beim Staatsstreich in Venezuela gewesen, klagt die Times. Nur zu Recht weist Mark Weisbrot vom Center for Economic and Policy Research in Washington in einem am 1. Juli verteilten Artikel darauf hin, dass die erste Reaktion aus dem Weissen Haus nicht von einem Putsch sprach, dafür aber "alle AkteurInnen" zur Respektierung "demokratischer Normen" aufrief. Als es dann am Putschsonntag aus den lateinamerikanischen Hauptstädten scharfe Stellungsnahmen hagelte, liess sich auch Aussenministerin Hillary Clinton zu einer stärkeren Verurteilung bewegen, allerdings wieder ohne von Putsch oder von der Rückkehr Zelayas auf den Präsidentenstuhl zu reden. Es folgten die klaren Stellungsnahmen der OAS, der UNO-Vollversammlung und der Rio-Gruppe ("sofortige und bedingungslose Rückkehr" von Zelaya), bis Obama am Montag, 29. Juni sich weit zum Fenster herauslehnte: "Wir glauben, der Putsch war nicht legal und dass Präsident Zelaya der Präsident von Honduras bleibt." Das ist Neuland für einen US-Präsidenten und "radikaler" als die Stellungsnahme des Eidgenössischen Departement des Äusseren EDA ("Besorgnis" und dergleichen). Wie "radikal", verdeutlichte uns gleichentags Hillary Clinton. An ihrer Pressekonferenz redete sie von "Festnahme" und "Ausweisung" des honduranischen Präsidenten, worauf sie gefragt wurde, ob sie die Vorgänge formal rechtlich als Putsch betrachte, was einen automatischen Hilfestopp an das Land impliziere. Ihre Antwort: "Wir denken, dass sich das zu einem Coup entwickelt hat (...). Aber wir denken, dass dies eine sich schnell verändernde Situation ist, die unsere konstante Aufmerksamkeit erheischt." A rose is a rose is not a rose.

Was die NYT als Geister der Vergangenheit entsorgen will, ist natürlich noch höchst lebendig. Nicht zufällig weist die Washington Post auf Obamas Budgetantrag für 2010 hin, der auch 68 Millionen US-Dollar "Entwicklungs-" und Militärhilfe für Honduras beinhaltet. (Das sind partielle Angaben. 50 Millionen verteilt die USAID an hörige Organisationen zwecks Aufbau eines Anti-Zelaya-Lagers). "Die United States haben eine enge militärische Beziehung mit Honduras. Hunderte von honduranischen Armeeoffizieren nehmen jedes Jahr an US-Militärausbildungsprogrammen teil, mehr als aus den meisten Ländern der westlichen Hemisphäre," (Mary Beth Sheridan, 30. Juni 2009, U.S. Condemns Honduran Coup). Gemeint ist damit auch die alte US-Putsch- und Folterschule für Lateinamerika "School of the Assassins", damals offiziell "School of the Americas (SoA)", heute umgetauft in "Western Hemispheric Institute for Security Cooperation". Der honduranische Putschführer, Romeo Vásquez, besuchte in den 70er und 80er Jahren Kurse in der SoA und der Chef der Luftwaffe, Luis Javier Prince Suazo, tat dies im Jahr 1996.


If you can't beat them, join them!

Was am meisten gegen eine direkte Putschbeteiligung der Administration Obama spricht, ist die Überlegung, dass er in Lateinamerika angetreten ist, um die imperialistischen US-Interessen unter Anerkennung der neuen Realitäten im Kontinent zu vertreten. Am Amerikagipfel im April in Trinidad und Tobago versprach er ein Ende des unilateralen Power-"Plays", nachdem er zuvor die Embargobedingungen gegen Kuba etwas gelockert hatte. Am DAS-Gipfel anfangs Juni in Tegucigalpa mussten Clinton und Shannon der Wiederaufnahme Kubas in den Verein zustimmen. Als einflussreiche Kongressabgeordnete der US-Republikaner vor den Präsidentschaftswahlen in El Salvador die Karte der Erpressung mit den in die USA Ausgewanderten gegen den FMLN ausspielen wollten, dementierten die US-Botschaft und das State Department sec. In deutlichem Gegensatz zur Haltung des State Departments bei den Wahlen 2004, als führende Regierungsvertreter in dieses Horn bliesen.

Allerdings ist zu sagen: Noch in den letzten Monaten von 2008, also noch zu Zeiten von Bush, hatte die US-Botschaft in San Salvador wiederholt betont, aie werde das Wahlresultat anerkennen, wer auch immer gewinne - zum Entsetzen der Rechten im Land. Ein Teil zumindest des neuen Approachs (Annäherung) der Obama-Administration dürfte also so neu auch nicht sein, sondern mehr mit einem Umdenken des aussenpolitischen US-Establishments insgesamt zusammenhängen. If you can't beat them, join them (wenn du sie nicht schlagen kannst, schliesse dich ihnen an). Folgende Überlegungen und Fragen könnten zum Umdenken geführt haben: Wenn die Putsche in Venezuela, der mörderische Apartheidsezessionismus in Bolivien, die wirtschaftliche Erpressung via IWF in Argentinien oder Brasilien scheitern und zudem noch eine linke oder halblinke Regierung nach der andern Wahlen gewinnt (bisher), ist dann vielleicht etwas falsch an der alten Prügelstrategie? Wenn nach dem mit den USA koordinierten kolumbianischen Angriff auf ein FARC-Lager in Ecuador vom März letzten Jahres, nach dem Versuch also, den Krieg von Kolumbien auf die Andenregion auszudehnen, eine Reihe lateinamerikanischer Regierungen laut darüber nachdenken, eine eigene Sicherheitsorganisation ohne die USA und Kanada auf die Beine zu stellen, ist es dann nicht angesagt, die abgehalfterte OAS aufzuwerten und die Kubakröte zu schlucken? Und sich heute eben auch gegen den Putsch in Honduras zu stellen, zumindest irgendwie?


Das Putschmalheur als kleineres Übel

Würde die Obama-Administration der Putschautorenschaft überführt werden, könnte sie in Lateinamerika einpacken, und nicht nur in Caracas. Ihre neuen "Sprüche", Taktiken und Haltungen entspringen ja nicht einfach einer Gemütsverfassung des Ehepaars Obama, sondern den neuen Kräfterelationen im Südkontinent. Die von der NYT eingangs ausgedrückte Sorge, dass "Hugo Chávez" von einer US-Beteiligung am Putsch in Honduras profitieren könnte, ist natürlich zynisch, schlägt den Sack Chávez und meint den Esel lateinamerikanische Volkswut, findet sich aber in Erklärungen von US-PolitikerInnen und in den Mainstream-Medien auf Schritt und Tritt. Tatsächlich würde eine offene Putschverantwortung der USA die Konflikte polarisieren, nicht erstrebenswert für Washington und den Warlord of Pakistan. Die "Absorption" der USA in Irak und heute in Afghanistan und Pakistan führt zwar nicht zu Maos Diktum vom US-Imperialismus als Papiertiger, aber hält den Bewegungen in Lateinamerika und anderswo klar einen gewissen Raum frei.

Vielleicht gibt uns die Weltbank einen Hinweis darauf, dass für ein Mal die Administration in Washington nicht zentral an den Putschstrippen gezogen hat. Weltbank-Präsident Robert Zoellick sagte am Dienstag 30. Juni: "Wir haben praktisch eine Pause bei unseren Ausleihen an Honduras eingelegt" (World Bank Press Review, 1. Juli 2009). So vage die Rede von der "Pause" auch ist, zudem aus dem Mund eines hart gesottenen Neoliberalen und früheren Enron-Grande, sie bedeutet nicht ein durchgehendes Repeat (Wiederholung) der Situation von April 2002, als wenige Stunden nach dem Sturz von Chávez der IWF schon freudestrahlend der "neuen Regierung" seine Unterstützung anbot.

Spanien und Frankreich rufen ihre Botschafter zu Konsultationen ab und fordern die EU-Länder zum gleichen Verhalten auf. Das sind Hinweise darauf, dass dieser Putsch nicht genehm ist. Für Washington ist die Probe natürlich die sofortige Einstellung der Militärhilfe und die Abberufung seines Botschafters. Bisher ist Obama da grandios durchgefallen. Von der ohnehin sich aufdrängenden Schliessung der unheilvollen US-Militärbasis Soto Cano ganz zu schweigen.

Die Darstellung der Vorgänge durch Administrationsverantwortliche im eingangs erwähnten NYT-Artikel macht eigentlich mit aller wünschenswerten Deutlichkeit klar, dass "unterwegs" ein Malheur passiert ist. Offenbar war es zu wochenlangen Gesprächen der US-Botschaft und von Shannon mit den Führungen der Armee und Politfraktionen über die Frage gekommen, wie man Zelaya am besten los werde. Ganz im Einklang mit der anhand von Venezuela und Bolivien entwickelten Bush-Doktrin, dass es nicht genügt, demokratisch gewählt zu werden, sondern auch "demokratisch" regiert werden muss - "demokratisch" wird von den offiziellen US-Strategiepapieren unweigerlich als Funktion eines "freien Marktes" definiert. Vermutlich waren es die Handlungen von Zelaya, insbesondere sein Überraschungscoup, als er am Donnerstag, dem 25. Juni 09, begleitet von einigen hundert oder tausend AnhängerInnen, in das Hauptquartier der Luftwaffe "eindrang" und die Unterlagen für die Volksbefragung behändigte. Da dann das Anrollen der Volksbefragung tatsächlich eine nur schwer umkehrbare gesellschaftliche Dynamik für den Wandel auszulösen "drohte", sind offenbar die Sicherungen etwa der honduranischen Oligarchie durchgebrannt und die Gringos haben statt des gewünschten Impeachments einen unschönen Putsch.


US-Militärbasis, Propaganda und Putschverwertung

Das heisst beileibe nicht, dass nicht etwa aus Kreisen der US-Streitkräfte grünes Licht für den Putsch gegeben worden wäre. Die USA unterhalten immer noch ihre Soto-Cano-Militärbasis nahe von Tegucigalpa; es ist undenkbar, dass die honduranischen Gorillas gegen den Willen ihrer KollegInnen aus dem Norden gehandelt haben. Die Befehlszentrale Soto Cano ist für die US-Streitkräfte von strategischer Bedeutung über Honduras hinaus. Die USA haben dort Spezialeinheiten und 18 Kampfflieger fest stationiert. Gleichzeitig unterhält die honduranische Luftwaffe dort ihr operatives Zentrum. Über 650 SoldatInnen beider Länder leben auf der Basis zusammen. Letztes Jahr begann Zelaya die honduranische Verfassung verletzende US-Basis (keine fremden Militärs auf honduranischem Boden) "anzugreifen", indem er dort, 100 Kilometer von Tegucigalpa entfernt, mit ALBA-Geldern einen zivilen Flughafen zu errichten begann.

Die von den U.S.-Officials und der honduranischen Oligarchie mit ihren Gerichten und ihrem Parlament bis zum Schweizer Medium betriebene Darstellung der vorgesehenen Volksbefragung als Mittel zum alleinigen Zweck der Machtverewigung Zelayas ist selbst Teil jenes Ambiente, das den Putsch ermöglicht hat. Die Befragung sollte offiziell das Stimmungsbarometer zu einem eventuellen Referendum für Verfassungsänderungen ermitteln, faktisch natürlich möglichst dafür mobilisieren. Aber der Entscheid lag bei den Menschen. Das wird auch in dieser so referendumsstolzen Schweiz unter den Tisch gekehrt. Die möglicherweise angenommene Amtszeitverlängerung wäre ohnehin nicht schon, wie stets unterstellt, auf den nächsten Januar spruchreif geworden, den Termin also für die präsidiale Amtsübergabe. Zelaya und die ihn unterstützenden Kräfte aus der Gesellschaft hatten und haben Weitergehenderes im Sinn.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die bisherige Weigerung von Obama und Clinton, sich in Einklang mit der OAS, der UNO-Generalversammlung und der Rio-Gruppe zu bringen und eine "sofortige und bedingungslose Rückkehr" von Zelaya zu fordern. Wie Weisbrot in seinem erwähnten Artikel schreibt: "Eine offensichtliche Möglichkeit (für die erwähnte Weigerung) ist, dass Washington nicht mit diesem Ziel (der sofortigen und bedingungslosen Rückkehr) einverstanden ist. Die Coupführer haben keine internationale Unterstützung, aber sie könnten immernoch Erfolg haben, indem sie sich auf einen Wettlauf mit der Uhr einlassen - Zelaya verbleiben weniger als sechs Monate bis zum Ende seiner Amtszeit (...) Bedingungslos ist hier ein Schlüsselwort. Möglicherweise möchte die US-Administration Zelaya als Teil eines Deals für seine Rückkehr Konzessionen entreissen."


Zeit gewinnen, Bewegung zerschlagen

Die USA spielen auf Zeit und schützen so die Putschisten. Das fing an mit der Abreise ihres Botschafters just vor dem Putsch, der dann für öffentliche Stellungsnahmen oder ein Hilfegesuch etwa der bedrohten Aussenministerin Patricia Rodas nicht mehr erreichbar war. Das geht weiter mit den Stellungsnahmen aus dem Weissen Haus und dem State Department, die eine klare Doppelstrategie erkennen lassen: einerseits Ablehnung des Putsches, andererseits Unterstützung für seine treibenden Kräfte und deren Anliegen (keine Consulta, keine Reformen im Land). Die gerade bekannt gewordene Verschiebung um drei Tage der ursprünglich auf den 2. Juli geplanten Rückkehr Zelayas, begleitet von Rafael Correa (Ecuador), Cristina Fernández (Argentinien), Insulza (DAS) und Miguel d'Escoto (UNO-VV), könnte auf einen ähnlichen Einfluss zurückgehen. In der Zwischenzeit verstärkt das De-facto-Regime die Repression und geht vom nächtlichen Ausgangsverbot zum nächtlichen Ausnahmezustand über und zur Aufhebung der grundlegenden Rechte wie Schutz vor willkürlicher Verhaftung und Meinungsäusserungsfreiheit. Die Repression nimmt eindeutig zu, die Rede ist von Verschwundenen, die Armee betreibt in mehreren Departementen die Zwangsrekrutierung junger Campesinos, um ihren Unterdrückungsapparat auf der Höhe der "Anforderungen" zu halten.


Die Drohung des US-Botschafters

Als Hauptfeind der USA im Kontinent wird natürlich in allen Analysen ALBA ausgemacht. Als Honduras im August 2008 dem alternativen Staaten- und Völkerverbund beitrat, kamen prompt hartnäckige Putschgerüchte auf, damals wiedergegeben vom heutigen Putschführer Romeo Vásquez. Er erklärte am 21. September 2008, von nicht genannten "Personen" zum Putsch aufgefordert worden zu sein, was die verfassungstreue Armee aber weit von sich gewiesen habe. Schon als Zelaya sich erfrecht hatte, an der sandinistischen Revolutionsfeier vom 19. Juli 2007 in Managua teilzunehmen, stürzten die Beziehungen USA-Honduras ab. Der damalige US-Botschafter in Tegucigalpa, Charles Ford, sagte: "Ich glaube, dass die honduranische Regierung klar ihre Interessen definiert hat, sie hat die Personen definiert, mit denen sie zusammen sein will" (Radio La Primerísima, Nicaragua, 21. Juli 2009), nämlich mit den sandinistischen Parias. Wie nahe ALBA und Volkswiderstand sind, zeigt uns am Beispiel Honduras eine im Licht der aktuellen Ereignisse besonders beunruhigende Nachricht aus der mexikanischen Zeitung "La Jornada" vom 29. September 2008, zur Zeit also der aufkommenden Putschdrohungen. Zivile Polizisten waren am 10. September von GewerkschafterInnen in den Räumen ihrer Gewerkschaft Sitraunah, die Angestellte der Universität organisiert, festgehalten worden. Die Polizisten hatten Listen mit Namen von 135 GewerkschaftsaktivistInnen bei sich. In den Tagen zuvor war es zu mehreren Angriffen auf Gewerkschaften gekommen, am Schlimmsten war der Mord an Altagracia Fuentes Gómez, Generalsekretärin des Gewerkschaftsbundes CTH. Der Name der ermordeten Compañera figurierte auf der Liste der eingeschleusten Agenten. Im vergangenen April schliesslich kam Otto Reich, der Chef des mit Lügen befassten Propagandaapparates der Reagan-Administration, dem "Office for Public Police", einer der Strippenzieher beim Putsch gegen Chávez und Lateinamerika-Bevollmächtigter von Bush II, in Honduras zum Zug: Er beschuldigte Zelaya der Anstiftung für Schmiergeldzahlungen im honduranischen Fernmeldewesen. Riesenradau im Parlament und bei den "Kräften des Guten", internationales Medienecho, der ALBA-Präsident als Schieber. Doch die Klärungen, dass Reich ein wegen Korruption aus Honduras rausgeworfenes Telekomunternehmen vertrat, wurden "natürlich" nie gross publik.


Putsch gegen ALBA und für "geistiges Eigentum"

Wie stark ALBA die Macht- und Profitinteressen in Frage stellt und deshalb bekämpft werden "muss", zeigt etwa folgendes Beispiel aus dem Pharmabereich, wo sich Zelaya schon bei Amtsantritt mächtige Feinde geschaffen hatte. So hatte er eine jahrzehntelange Praxis beendet, in der ein einziges Unternehmen dem Staat Medikamente verdealte. Das "Observatorio Social Centroamericano" ist ein dem zentralamerikanischen Integrationssystem SICA angeschlossener zivilgesellschaftlicher Verbund, der aufgrund der neuen Machtverhältnisse auch im Isthmus in Honduras eine kohärente engagierte Position einnimmt. Das Observatorio wies in einer Mitteilung vom 2B. Juni 2009 auf die Möglichkeit hin, dass transnationale Pharmaunternehmen hinter dem Putsch stehen könnten. Die US- und europäischen Multis, darunter Novartis in Guatemala, liefern traditionell 8O Prozent der im Land benötigten Medikamente - und zwar schweineteuer. Anfangs Januar 2009 versuchte die Regierung Zelaya, gestützt auf ein Abkommen mit Kuba im Rahmen von ALBA, kubanische und billige Generika für die öffentlichen Spitäler zu erwerben, was an der Sabotage der "verfassungstreuen" Parlamentsmehrheit, also der Lobby der Multis, scheiterte. Als mutmasslichen Putschauslöser nennt das Observatorio dann den Entscheid der ALBA-Präsidenten vom vergangenen 24. Juni, "ein Modell der gesellschaftlichen Aneignung von Wissen zu fördern, welches es erlauben soll, die Hindernisse bei der Produktion der für das Leben fundamentalen Güter wie Nahrung und Gesundheit, zu überwinden". Binnen einem Monat sollte eine ALBA-"Arbeitsgruppe die Doktrin des geistigen Eigentums" revidieren (Alai, 1.7.2009: Intereses transnacionales farmacduticos implicados en golpe de estado a Zelaya, http://alainet.org/active/31360?=es). Das Beispiel mag weniger eine direkte Putschherleitung beinhalten, als das starke, nach Taten schreiende Interesse beleuchten, ALBA endlich erfolgreich anzugreifen. Auf solche "Zwänge" sind die US- und assortierten Gorillas bekanntlich stets sensibilisiert.


Zusammengefasst

Der konkrete Putsch dürfte nicht den Intentionen der Obama-Administration entsprechen, wird von ihr aber durchaus benutzt, um die ALBA-Position zu schwächen. Ziel ist es, Zeit zu gewinnen, Zelaya faktisch zu entmachten, ohne gleich offen als Gorilla aufzutreten. Die Widerstandsbewegung in Honduras soll in der Zwischenzeit mit Repression und Einbindung liquidiert werden - schon vernehmen wir erste Stimmen von "progressiven" Hilfswerken, welche in seelischem Zwiespalt sind: Der Putsch ist nicht recht, aber Zelaya war auch kein Verfassungshirsch. Unter dem angebotenen Handschuh von Obama steckt die alte Eisenfaust. Deshalb ist die Position der ALBA-Regierungen richtig, die auf schnelle und konkrete Taten gegen die Putschisten drängen. Schauen wir weniger auf die Statements, mehr auf die Taten der TäterInnen!


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung. Nr. 27/28/2009
65. Jahrgang - 10. Juli 2009, S. 5-7
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. August 2009