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VORWÄRTS/704: Stoppt das Massensterben


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 47/48/2011 vom 22. Dezember 2010

Stoppt das Massensterben!


tpd. Der Zustand der Welt ist dramatisch. Der Kapitalismus beutet und plündert nicht nur die Klasse der Lohnabhängigen auf der ganzen Welt aus. Auch die Natur wird systematisch zerstört. Inzwischen bedroht die kapitalistische Produktionsweise das Überleben der Menschheit.


Es ist alles bekannt: Tierarten sterben aus, Wälder werden gerodet, die Meere leer gefischt, die Luft verpestet, übergrosse Seen trocknen aus, das Klima verändert sich. Der Mensch glaubt allen Ernstes, sein Glück darin zu finden, immer das Neueste kaufen zu müssen. Die Warenflut muss verkauft werden, damit die Kapitalisten ihren Reichtum immer weiter steigern können. Inzwischen besitzen etwa 350 Milliardäre mehr, als die halbe Menschheit. Wir glauben der Propaganda unserer Ausbeuter und kaufen, kaufen, kaufen: das neue Fahrrad, das neue Motorrad, das neue Auto. Jeder Haushalt pustet über Schornsteine seinen Dreck in die Luft - drinnen wird es wohlig warm und draussen fallen die Vögel tot vom Baum.

Genüsslich beissen wir ins Fischsandwich und stellen uns dabei nicht die Frage, ob dieses zuvor industriell verformte "Etwas" womöglich an der Küste Afrikas mal ein lebendiger Fisch gewesen war. 90 Prozent der in der Schweiz verzehrten Fische werden importiert. Gefangen werden viele von übergrossen Kuttern der Europäischen Union, eben auch vor den Küsten Afrikas. Und während viele Fischerfamilien in diesen Regionen hungern, erfreuen wir uns Tage später am "Geschmackserlebnis" Tiefkühlfisch aus Migros, Coop, Denner, Lidl, Aldi und wie die Ausbeuterorganisationen alle heissen.


Zerstörung

"Aggressive Fangmethoden und Aquakulturen liefern die Gründe für aussterbende Arten und Überfischung", so die Hamburger Morgenpost. 80 Prozent der Fischbestände der EU werden so stark befischt, dass ihre Nachkommenschaft nicht gesichert ist. Allein in der Nordsee gibt es jetzt schon fünf Mal weniger geschlechtsreifen Kabeljau als vor 20 Jahren. Einer der Hauptgründe dafür ist die Grundschleppnetz-Fischerei - sie zerstört bis in 2000 Meter Tiefe ganze Ökosysteme. Tonnenschwere Grundschleppnetze nehmen alles mit, was sich ihnen auf dem Meeresboden in den Weg stellt. Die Folge: bis zu 80 Prozent "Beifang". Neben den kommerziell verwertbaren Fischen hängen hauptsächlich Jungfische, Haie, Wale, Schildkröten und so weiter in den Netzen - und werden wieder über Bord geworfen.

Was der Mensch braucht, geben die Meere nicht mehr her. Deshalb liefern schon jetzt sogenannte "Aquakulturen" in künstlichen Aufzuchts-Farmen das, was fehlt. Das Problem: Viele Zuchtfische fressen Fisch - für ein Kilo gezüchteten Lachs müssen bis zu fünf Kilo wild gefangener Fisch verfüttert werden. Ein Teufelskreis. Wer hungrig in einen Döner Kebab beisst, wundert sich, warum bei immer teureren Preisen die Qualität des Fleisches immer schlechter wird.

Oder, liebe Lesende: Ich "empfehle" euch eine Reise nach Amerika. Was es allein an zivilisationsgefährdender Atomenergie kostet, ein Passagierflugzeug zu bauen, wie viel es beim Fliegen verbraucht, und welcher Aufwand betrieben werden muss, um es zu warten, muss ich euch nicht erzählen. Geht in einen Supermarkt in den USA, greift im elektrisch betriebenen Kühlregal zu einer Flasche Mineralwasser. Dort habt ihr mindestens die Wahl zwischen: US-Wasser, französischem "Perrier" und deutschem "Gerolsteiner". Mineralwasser wird auf Ozeanen hin- und herverschippert, damit Waren Häuser füllen und wir den Eindruck bekommen, im Paradies zu leben. Der Preis für die freie Verfügbarkeit von allem zu jeder Zeit und überall ist hoch. Zu hoch. Eine mittelgrosse Coop-Filiale schmeisst nach Auskunft eines Angestellten jeden Tag Waren im geschätzten Wert von 500 Franken weg. Liebe Lesende: Rechnet das bitte auf jede Filiale der Schweiz hoch. Für jeden Supermarkt! Rechnet es hoch auf Deutschland, ganz Europa, die USA, die ganze Welt. Diese Wirtschaft ist Wahnsinn! Allein die Stadt Wien produziert jeden Tag Überschüsse an Brot, die die Stadt Linz täglich ernähren könnten.


Das Leben verabschiedet sich

Die Zahl der Hungertoten in der so genannten Dritten Welt wird steigen. Kriege um Wasser und Nahrung werden die Zukunft sein. Chinesen, Inder, Brasilianer, die es aus der bittersten Armut geschafft haben, werden vermehrt konsumieren wollen: Kühlschränke, Waschmaschinen, Autos, TV-Geräte, Computer. Alles, was der Mensch inzwischen hervorgebracht hat, scheint unser Leben zu verbessern. In Wirklichkeit gefährden wir die Existenz der Menschheit durch die Art und Weise, wie wir Ökonomie betreiben. Seit etwa fünfzig Jahren sinkt die Artenvielfalt im Tier- und Pflanzenbereich rapide. Eine von drei Amphibienarten, ein Viertel aller Säugetier- und Nadelbaumarten sowie jede achte Vogelart sind vom Aussterben gefährdet. Die Geschichte der Zerstörung der tropischen Regenwälder ist eine eigene. Sie begann vor etwa 500 Jahren, Stichwort: Kolonialisierung. Pro Minute geht eine Fläche von 19 Fussballfeldern tropischen Regenwaldes verloren. Er lässt sich nicht erneuern. Ist das Netz der gegenseitigen Abhängigkeiten zerschnitten, haben Tiere und Pflanzen keine Chance mehr, ihre kompliziert aufgebauten Lebensgemeinschaften zu reparieren. Auch das Aussterben von Arten ist unumkehrbar. Das Leben verabschiedet sich. Stoppt diesen Wahnsinn!


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 47/48/2010 - 66. Jahrgang - 22. Dezember 2010
Sonderbeilage Ökologie, S. 9
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2011