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VORWÄRTS/965: Krüppeln beim Shoppen


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr.37/38 vom 25. Oktober 2013

Krüppeln beim Shoppen

Von David Hunziger



Schweizer Supermärkte führen die Selbstbedienungskasse ein. Die neuen Apparate verlagern die Arbeit der KassiererInnen auf die KundInnen, die diese kostenlos übernehmen. Eine gelungene "Modernisierung" kann man den Vorgang vorerst aber noch nicht nennen.


Von Marx wissen wir, dass die Einführung von Maschinen im Kapitalismus für die Arbeiterschaft nichts Gutes bedeuten kann. Gleiches müssen wir auch für die Selbstbedienungskassen vermuten, die in Schweizer Supermärkten - die Migros-Filiale im Hauptbahnhof oder die Coop-Filiale im Einkaufscentrum Sihlcity sind Beispiele dafür - vermehrt zum Einsatz kommen.

Zwar bestreitet Migros-Sprecher Urs Peter Naef gegenüber einer Schweizer Sonntagszeitung, dass die Einführung der Automaten die Reduktion von Personalkosten zum Ziel habe. Zweifel an dieser Behauptung sind jedoch angebracht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Selbstbedienungskassen so viele Personalkosten einsparen, dass sie ihre eigene Anschaffung und zusätzlich die dadurch offensichtlich erleichterten Diebstähle kompensieren.

Wenn die Maschine auf die Bühne der Produktion tritt, wird sie für die Arbeitenden nicht etwa zur Entlastung - dies hatte John Stuart Mill noch von ihr erwartet - sondern zur Konkurrenz. Die Bedingung für den Einsatz der Maschine ist die Zergliederung und Standardisierung des Produktionsprozesses: Je mehr einfache Arbeiten Teil der Produktion sind, desto mehr von ihr kann durch die Maschinerie ersetzt werden.


Einfache Arbeit den Maschinen

Die Selbstbedienungskasse nimmt den KassiererInnen die Arbeit streng genommen nicht ab, sondern verlagert sie auf die Kunden. Technisch gesehen enthält eine Selbstbedienungskasse nicht mehr Elemente als eine herkömmliche. Die etwas andere Form zeigt nur die Verschiebung in der Funktion an. Die Arbeit des Einlesens der Produkte wird vom Management offenbar als so einfach angesehen, dass dazu keine geschulten ArbeiterInnen mehr nötig sind und die Kunden es gleich selbst erledigen können. In deren Freude über die kurze Schlange vor der Kasse geht derweil die Erkenntnis unter, dass ihre Gratisarbeit gerade dem Verwertungsprozess des Supermarkts einverleibt wird.

Coop hat die Selbstbedienungskasse übrigens zweistufig eingeführt, indem die Kunden mit dem "System Passabene" schon einmal schrittweise daran gewöhnt wurden, dass sie die Arbeit an der Kasse in Zukunft selbst ausführen müssen.

Ein Journalist des Wall Street Journal Deutschland hat jedoch schön gezeigt, wieso es ein Irrtum ist, die Arbeit der KassiererInnen für derart einfach und damit ersetzbar zu halten. Die Kenntnis über die Produkte ermöglicht diesen nämlich ein schnelles Arbeiten, wo sich Kunden hingegen immer wieder neu orientieren müssen. Eine für geübte KassiererInnen einfache Arbeit wird in eine für ungeübte Kunden kompliziertere umgewandelt. Einige der Angestellten müssen nun die Arbeit von AssistentInnen übernehmen, die den Kunden bei der Arbeit helfen. Aus eigener Erfahrung in NewYork City kann der Schreibende jedenfalls berichten: Die Zahl der Angestellten konnte dort nicht reduziert werden.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 37/38 - 69. Jahrgang - 25. Oktober 2013, S. 2
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. November 2013