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VORWÄRTS/1002: Afrikas Homophobie


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr.9/10 vom 14. März 2014

Afrikas Homophobie

Von Michi Stegmaier



Die Hetze und Lynchjustiz gegen Homosexuelle ist um ein Kapitel reicher. So unterzeichnete der ugandische Präsident Musenveni zur grossen Empörung der Internationalen Gemeinschaft am 24. Februar 2014 ein Gesetz, welches für praktizierende Homosexuelle lebenslänglichen Knast vorsieht.


Zwar wurden Homosexuelle in vielen tief religiös geprägten Teilen Afrikas schon immer diskriminiert und marginalisiert, doch blieb es früher bei Spötteleien und Verachtung. Auch wenn Homosexuelle nie gleichberechtigt waren, blieben physische Übergriffe aus, und in vielen Ländern galt die Regel "Nicht fragen, nichts sagen". Doch das änderte sich alles schlagartig im Jahr 2004. Vorausgegangen war damals eine heftige Debatte innerhalb der evangelikalen Kirchen in den USA und Grossbritannien und endete mit der Ernennung des ersten (offen) schwulen Bischofs in der Geschichte der evangelikalen Kirche. Dieser Konflikt wurde schliesslich 2007 durch den US-Hassprediger Scott Lively nach Afrika exportiert und dort zu einem öffentlichen Thema gemacht. Seither rollt eine Welle der staatlichen Repression und Gewalt durch den afrikanischen Kontinent. Umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass in vielen afrikanischen Gesellschaften homosexuelle Subkulturen in der Vergangenheit durchaus ihren Platz hatten. Egal, ob es sich dabei um eine muslimisch oder christlich geprägte Gesellschaft handelte.


Die Angst vor dem Mob

Seither wurde die Hetze gegen Homosexuelle immer mörderischer und fand mit der Ermordung des international bekannten ugandischen Schwulenaktivisten David Kato am 26. Januar 2011 ihren Höhepunkt. Er wurde zu Hause in seinem Bett mit einem Hammer erschlagen. Zuvor publizierte eine ugandische Boulevard-Zeitung die Fotos, Namen und Adressen von bekannten homosexuellen AktivistInnen mit der unmissverständlichen Aufforderung: "Hängt sie!" Erst durch massiven Druck der internationalen Gemeinschaft auf Uganda, konnte die Einführung der Todesstrafe - auch bekannt als "Kill the gays bill" - für Homosexualität überhaupt verhindert werden.

Aber auch das neue Gesetz spottet jeglicher zivilisatorischen Errungenschaft. Selbst Familienangehörige und Bekannte, die nicht denunzieren, müssen mit einer hohen Gefängnisstrafe rechnen. Aber auch HIV-Positiven droht auf Grund der neuen Gesetzgebung lebenslängliche Haft. Musenveni begründete diesen Schritt mit der Verteidigung des afrikanischen Erbes vor den unmoralisch-dekadenten Einflüssen des Westens. Doch weitaus mehr als das neue Gesetz fürchten die homosexuellen AktivistInnen den Mob. "Die Leute nehmen das Gesetz nun in die eigene Hand", befürchtet die ugandische Menschenrechtsaktivistin Kasha Nabagesera. Und diese Ängste sind alles andere als unbegründet. So publizierte die ugandische Zeitung "The Red Pepper" unter dem Titel "Entblösst" schon am Tag nachdem das "Anti-Homo-Gesetz" in Kraft getreten war, eine Liste mit 200 Personen, die der Homosexualität verdächtigt wurden.


Geldmaschine Religion

Was dabei oft vergessen wird: Es handelte sich bei der Gesetzesinitiative nicht um einen plötzlichen Ausbruch afrikanischer Homophobie, sondern um das Resultat langjähriger missionarischer Hetze durch Teile der evangelikalen Kirchen aus den USA. Dieser Frage geht auch der Oscar-Gewinner und Schwulenaktivist Roger Ross Williams in seinem aktuellen Film "God Loves Uganda" nach. Er zeigt minutiös die Verbindungen zwischen den amerikanischen Ultrakonservativen und ugandischen Scharfmachern auf, die das Land derzeit immer wieder in die Schlagzeilen katapultieren. Williams erklärt, dass viele US-amerikanische Evangelikale das Gefühl haben, den "Kulturkrieg" in den USA verloren zu haben. Sie glauben deshalb, dass sie in Amerika verlieren, aber im globalen Süden gewinnen werden.

Unter dem brutalen Despoten Idi Amin war die evangelikale Kirche in Uganda verboten. Dieses Vakuum wurde nach Amins Sturz sehr rasch und mit grossen finanziellen Mitteln durch fundamentalistisch-christliche Gruppen ausgefüllt, denn schliesslich galt es Uganda als christliches Land zurückzuerobern. Und gerade in Afrika bedeutet Religion Geld. Die Kinder wollen daher nicht etwa Arzt oder Anwalt werden, sondern Pastor. Schliesslich sind es auch die Pfaffen, die die grössten Häuser, dicksten Autos und den grössten Reichtum haben. Ganz nach dem Motto: "Bete genug und du wirst reich. Sieh mich nur an!" So erzählt etwa David Bahati, Urheber des ugandischen Anti-Homo-Gesetzes, im Dokfilm von Williams freimütig, dass sich die Spenden aus den USA verdreifachten, als das Gesetz vorgeschlagen wurde. Dem ugandischen Ableger der evangelikalen Sekte "The Family", zu der auch der ugandische Präsident Musenveni gehört, wurde plötzlich klar, welche Goldmine sie entdeckt hatten.

Etwas differenzierter sieht es Franziska Ulm-Düsterhöft von Amnesty International Deutschland. In ihrem Bericht weist sie darauf hin, dass viele Gesetze gegen Homosexualität oder gleichgeschlechtliche Handlungen ein Erbe des Kolonialismus sind. Während die Kolonialmächte sich zurückzogen und die afrikanischen Länder ihre Unabhängigkeit erlangten, blieben die alten Gesetze aus der Kolonialzeit bestehen. Sie sind das heutige Fundament für Verfolgung und Diskriminierung von LGBT-Personen (Lesben, Schwule und Transgender).


Fortschrittliche Gesetze alleine genügen nicht

Dass gesetzliche Gleichstellung und ein in der Verfassung verankertes Diskriminierungsverbot an LGBT-Personen nicht immer die Bilder in den Köpfen brechen können, zeigt aber das Beispiel Südafrika. Obwohl das ehemalige Apartheidsland der erste Staat weltweit war, der gleichgeschlechtliche Ehen legalisierte und eine der fortschrittlichsten Gesetzgebungen für LGBT-Personen kennt, gehört das Land bis heute zu den Staaten mit den meisten Übergriffen und Morden an Homosexuellen. So sind etwa "korrektive Vergewaltigungen" gegen Lesben bis heute eine weit verbreitete, traurige Realität.

Ob und inwiefern Druck aus dem Westen etwas an der oft lebensbedrohlichen Situation für Homosexuelle ändern kann, ist selbst in Fachkreisen umstritten. So kommt Amnesty International Deutschland zum Schluss, dass westliche Kritik und Drohungen oft kontraproduktiv sind. Je öffentlicher und aggressiver sich westliche Regierungen und NGO's äussern, desto stärker ist die Gegenreaktion in der lokalen Presse der kritisierten Länder, was abermals zu einem erhöhten Risiko für lokale LGBT-AktivistInnen führt. Solange Homosexualität unter dem Deckel blieb, war der Burgfrieden gewahrt, doch dieser Frieden ist gebrochen. Und einmal mehr sind es die Religionen, die Nächstenliebe predigen und den Hass säen.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 9/10 - 70. Jahrgang - 14. März 2014 , S. 7
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2014