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VORWÄRTS/1003: Braune Allianzen für das "Familienglück"


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr.9/10 vom 14. März 2014

Braune Allianzen für das "Familienglück"

Von Michi Stegmaier



Nicht nur in Afrika leben Homosexuelle immer gefährlicher. Auch die TeilnehmerInnen der "Open Games" in Moskau, einem schwul-lesbischen Gegenpol zur Olympiade in Sotchi, haben erlebnisreiche Tage hinter sich. Doch auch in der Schweiz und in anderen westeuropäischen Ländern formieren sich neue Allianzen.


Die ersten "Open Games" in Moskau gingen nach fünf aufregenden Tagen für rund 330 Teilnehmende mit gemischter Bilanz zu Ende. Zwar war die Stimmung toll und es gab viele intensive Kontakte, doch von einem reibungslosen Ablauf des Turniers konnte keine Rede sein. Immer wieder wurden sehr kurzfristig Hallen gekündigt, Anlagen sabotiert oder Bombendrohungen als Vorwand genommen, um einzelne Sportveranstaltungen durch Sondereinheiten des russischen Geheimdienstes stürmen zu lassen. Zwar war man seitens der OrganisatorInnen auf einiges gefasst, doch die grosse Repression hat letztendlich alle überrascht und geschockt. Hintergrund der homophoben Grundstimmung während der queerigen Mini-Olympiade war das von Präsident Putin im Juni 2013 verabschiedetet "Propagandagesetz" gegen die schwul-lesbische Community.


Demo für alle

Schon seit Juni 2013 kommt es in Frankreich zu Massendemos gegen die Einführung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Unter dem Slogan "Demo für alle" beteiligen sich Hunderttausende an den Kundgebungen und wütenden Aufmärschen. Zwar hat die Bewegung unterdessen etwas an Elan verloren, doch gelang ihr zuvor das Unvorstellbare, nämlich mittels Homophobie und Antisemitismus Kräfte zu sammeln, die sich ansonsten zu tiefst verachten und bekämpfen. Und gerade in jüngster Zeit hat sich die Bewegung weiter radikalisiert. So folgten Zehntausende einem Aufruf der neofaschistischen Bewegung der Identitären, beteiligten sich am "Tag des Zorns" (sic!) und forderten den Rücktritt von Präsident Hollande, da durch die Verabschiedung des Gesetzes zur Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe Frankreich nun zu einer sozialistischen Diktatur geworden sei und die Regierung deshalb gestürzt werden müsse.


"Rot-Grün will den Volkstod"

Auch in Baden-Württemberg entbrannte in den vergangenen Wochen eine heftige Debatte rund um die Petition "Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens". Unterdessen haben knapp 200.000 Menschen die Petition unterschrieben und eine unheilige Allianz aus christlichen FundamentalistInnen, der "Alternative für Deutschland", VerschwörungsspinnerInnen, Pius-Brüdern, Russisch-Orthodoxen und esoterischen Kreisen versucht eine Bewegung nach dem französischen Vorbild zu initiieren. So gehören bei den Demos gegen die sexuelle Aufklärung an Schulen Schilder mit Aufschriften wie: "Rot-Grün will den Volkstod", "Pädagogik statt Pädo-Logik" oder "Toleranz wird zum Verbrechen, wenn sie dem Bösen gilt" zum gruseligen Repertoire.

Doch auch in der Schweiz stösst ein Vorstoss der CVP in der LGBT-Community für Empörung. Hinter einem Vorschlag der Partei, der Steuerungleichheit, unter der verheiratete Paare leiden, ein Ende zu setzen, werden andere Absichten vermutet. Dabei soll in der Verfassung ein Satz aufgenommen werden, der die Ehe als gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau definiert. Verschiedene LGBT-Organisationen kritisieren, dass zwei voneinander unabhängige Themen zu einem gemacht werden. Sie werfen der CVP und christlich-konservativen Kreisen vor, so eine Debatte über eine Öffnung der Ehe für alle im Keim zu ersticken und jeglichen Wandel in der Gesellschaft zu verhindern.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 9/10 - 70. Jahrgang - 14. März 2014 , S. 7
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. April 2014