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VORWÄRTS/1210: Kafi Klick - Gegen die Vereinzelung


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 27/28 vom 15. Juli 2016

Kafi Klick: Gegen die Vereinzelung

Von Stephan Hochuli


Das Kafi Klick existiert seit 2009 als kostenloses Internetkaffee für Armutsbetroffene. Der Treffpunkt an der Gutstrasse 162 in Zürich eröffnet auch die Möglichkeit, bei einem Kaffee über die gegenwärtige politische Misere nachzudenken und sich zu fragen, wie die lähmende Vereinzelung armutsbetroffener Menschen zu durchbrechen ist.


Das Kafi Klick ist der Treffpunkt der IG Sozialhilfe für Armutsbetroffene. Es ist ein Treffpunkt mit Internet. Das klingt zuerst einmal banal. Aber der Treffpunkt, den das Kafi Klick in Zürich verkörpert, geht über die blosse Nutzung einer Stunde kostenlosen Internetzugang und den Genuss einer warmen Suppe hinaus. Es mag vielleicht erstaunen, dass über tausend Menschen monatlich diesen Ort besuchen. Diese Besuche erfolgen jeweils von Menschen mit den unterschiedlichsten Biografien, Anliegen und Hintergründen: Manche wollen ungestört eine bestimmte Zeitung am Computerbildschirm lesen oder die Zusammenfassung der vergangenen Fussballspiele verfolgen. Natürlich sind auch Stellenbewerbungen und die Wohnungssuche sehr häufige Ziele der Internetrecherchen im Kafi Klick. Anders als in anderen Institutionen sind solche Recherchen aber nicht Bedingung für die Computernutzung. Denn das Menschenrecht auf Information ist im 21. Jahrhundert ohne den Zugang zum Internet nicht denkbar. In dieser Hinsicht hilft das Kafi Klick mit, armutsbetroffenen Menschen dieses Recht zu gewähren. Die BesucherInnen haben die Möglichkeit, während einer Stunde am Computer Bildung und Informationszugang nach eigenen Interessen zu gestalten.

Aber nicht nur wegen der Internetnutzung gehen Menschen ins Kafi Klick: Viele BesucherInnen trinken bloss einen Kaffee oder diskutieren über steigende Krankenkassenprämien und Arbeitsbedingungen, welche manchmal jeder Beschreibung spotten. Auch sind manche auf der Suche nach kostenlosen Kleidern, um das schmale Budget einigermassen zu entlasten. Und nicht zuletzt stehen den BesucherInnen eine kostenlose Suppe und Getränke zur Verfügung. Bei Bedarf und Möglichkeit wird individuelle Hilfe in sozialen und administrativen Fragen angeboten und auch Veranstaltungen sowie Filmabende finden in diesen Räumlichkeiten statt: Etwa mit spanischsprechenden Reinigungsangestellten über die Frage, wie man sich am Arbeitsplatz organisieren kann. Die Vielfalt der Nutzungen und die unterschiedlichen BesucherInnen an diesem Ort bilden das Abbild einer proletarischen Bevölkerung, die durch Krise, Migration und prekäre Bedingungen laufend neu zusammengesetzt wird. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Lebensrealitäten sind hier sicht- und erkennbar. Das Kafi Klick trägt zum Zusammenkommen bei und ist auch deshalb äusserst notwendig und wertvoll.


Der Vereinzelung entgegenwirken

Der BesucherInnenandrang und besonders der enorme Anstieg in den letzten Jahren zeigen praktisch auf, was beim Lesen der Zeitungen als leblose Zahlen und Fakten vermittelt wird. Nämlich dass sich die ökonomische und politische Krise verschärft - und dass dies weltweit passiert. Die Folgen davon sind Krieg, Flucht, Arbeitslosigkeit, Isolation, prekäre Arbeits-, Wohn- und Aufenthaltsbedingungen. Das alles sind Zustände, die bei den Menschen psychische und physische Spuren hinterlassen. Die Schweiz stellt hinsichtlich der Krise offenkundig keinen Sonderfall dar. Besonders ist darin höchstens der Schein, welcher dieses Land und insbesondere den Grossraum Zürich als reiche Metropole erstrahlen lässt. Menschen, die diesem Wohlstandsbild nicht entsprechen, suchen die Gründe dafür nicht selten, und getreu der neoliberalen Devise, bei sich selber. Sie werden gesellschaftlich an den Rand gedrängt. Das Kafi Klick zeigt durch die vielen BesucherInnen auf, dass Armut ein Massenphänomen und keine individuelle Einzelerscheinung darstellt, selbst in der reichen Schweiz nicht.


Von der Müller- an die Gutstrasse

Das solidarische Klima der Menschen untereinander ist ein wichtiger Aspekt im Kafi Klick: Dieser Betrieb steht auf der Seite von Armutsbetroffenen, er dient nicht dem Abwickeln des Sozialabbaus. Der Treffpunktcharakter des Kafi Klicks ist sehr wichtig und mit dem Umzug an die Gutstrasse 162 noch bedeutender geworden. So ist der neue Raum in Zürich-Wiedikon ein voller Gewinn für alle Beteiligten. Er bietet die Möglichkeit, in einem gemütlicheren Rahmen als zuvor zu verweilen. Zudem ist der Raum vielfältig nutzbar und hell. Klar ist aber auch: Das Kafi Klick ist darauf angewiesen, dass es finanziell unterstützt wird, denn anders kann es nicht überleben und unabhängig agieren. Daher danken wir im Voraus für Spenden! Aber auch Sachspenden nehmen wir gerne entgegen. So sind wir immer wieder auf der Suche nach Couverts, Kugelschreibern und anderem Büromaterial sowie nach saisongerechten Kleidern. Solidarische Menschen sind während unseren Öffnungszeiten immer herzlich willkommen; also kommt vorbei!

Kafi Klick, Gutstrasse 162, 8055 Zürich
www.kafiklick.ch
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 14 bis 18 Uhr

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 27/28 - 72. Jahrgang - 15. Juli 2016, S. 4
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: Vorwärts, Postfach 2469, 8026 Zürich
Telefon: 0041-(0)44/241 66 77,
E-Mail: redaktion@vorwaerts.ch
Internet: www.vorwaerts.ch
 
vorwärts erscheint 14-täglich,
Einzelnummer: Fr. 4.-
Jahresabo: Fr. 160.-, reduziert (AHV, Stud.) 110.-
Probeabo: 4 Ausgaben gratis


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2016

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