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BERICHT/190: Was beim Nutzer ankommt (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 08.03.2011

Was beim Nutzer ankommt


Holger Schramm ist seit diesem Wintersemester Professor für Medien- und Wirtschaftskommunikation am Institut Mensch-Computer-Medien der Universität Würzburg. Die Spannbreite seiner Themen ist groß: Sie reicht vom Fußball über Musik bis zur Werbung.

Wollen Sie wissen, wieso der Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft die Aktienkurse eines Landes beflügeln kann? Oder interessiert sie eher die Frage, weshalb viele Menschen todtraurige Filme wie beispielsweise "Schindlers Liste" so gerne ansehen? Vielleicht fragen Sie sich aber auch schon seit geraumer Zeit, wann das klassische Radio wohl ausstirbt - wo doch Jugendliche heutzutage Musik nur noch digital konsumieren? Oder grübeln sie lieber über dem Problem, weshalb der aktuelle Werbefilm eines schwäbischen Automobilproduzenten vor allem im Internet so gut ankommt, während sein Vorgänger genau dort total floppte?

Wie auch immer - Holger Schramm kann Ihnen auf all diese Fragen Antworten geben. Schramm ist seit diesem Wintersemester Professor für Medien- und Wirtschaftskommunikation am Institut Mensch-Computer-Medien der Universität Würzburg. In seinem Schwerpunkt "Wirtschaftskommunikation" untersucht er Fragen wie die nach dem Erfolg von Werbung, Sponsoring und Kampagnen; Sport, Musik und Unterhaltungsphänomene fallen hingegen in den Bereich der Medienkommunikation. Beiden Bereichen ist gemein: Der Nutzer steht immer im Mittelpunkt.


Wie Werbung wirkt

"Wenn ein Unternehmen eine Werbekampagne durchführt, interessiert mich die Frage, wie diese Werbung beim Adressaten ankommt", sagt Schramm. Wie hoch darf die Informationsdichte maximal sein, bevor die Nutzer überfordert sind? Wie hoch muss sie mindestens sein, damit keine Langeweile auftritt? Was bleibt am Ende in den Köpfen der Betrachter hängen? Und welche Rolle spielen Emotionen dabei? Diese Fragen erforscht Schramm - auch vor dem Hintergrund einer Welt, in der die Medien immer zahlreicher und spezialisierter werden und die Nutzergruppen sich immer stärker ausdifferenzieren.

"Früher war die Sache überschaubar: Es gab nur wenige Fernsehsender, den öffentlichen Rundfunk und eine Handvoll wichtiger Zeitschriften und Zeitungen", so Schramm. Heute drängen sich in den Regalen der Kioske für jedes Hobby, für jede Altersgruppe und für jedes Geschlecht Dutzende von Titeln und buhlen um die Gunst der Leser und der Anzeigenkunden. Und das Internet lockt mit der Möglichkeit, jeden Nutzer mit maßgeschneiderter Werbung, ganz an seinen speziellen Interessen ausgerichtet, zu versehen. Wie das abläuft und ob das funktioniert, erforscht der Kommunikationswissenschaftler.


Wie Sport die Stimmung beeinflusst

Als die Schweiz bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 überraschend bis ins Achtelfinale vorgedrungen und dort ebenso überraschend wie höchst dramatisch ausgeschieden war, hat sich Schramm dafür interessiert, wie sich dadurch die Stimmung in der Gesellschaft veränderte. Tatsächlich musste er einen deutlichen Stimmungseinbruch feststellen, der weit über den Sport hinaus ging: "Die Zufriedenheit mit der Regierung ließ plötzlich nach. Außerdem wurde die wirtschaftliche Lage deutlich schlechter eingeschätzt als zuvor", zeigte seine Untersuchung.

Der entgegengesetzte Effekt macht sich hingegen bemerkbar, wenn eine Mannschaft überraschend gewinnt: Dann steige in der Bevölkerung das Selbstvertrauen, die Menschen blicken optimistischer in die Zukunft, die wirtschaftliche Lage werde besser eingeschätzt, so Schramm. Das habe Einfluss auf das Investitionsverhalten und führe damit möglicherweise sogar zu einem Aktienboom.


Heute hört man Musik ganz anders

"Wie hat sich der Konsum von Musik verändert, seit es MP3, iTunes und soziale Netzwerke im Internet gibt?": Auch diese Frage erforscht Holger Schramm. Ein Befund sei eindeutig: "Das Radio hat in der Gruppe der Jugendlichen am deutlichsten gelitten." Die so genannten "Digital Natives" - also die Generation, die mit dem Internet aufgewachsen ist - brechen in der Radionutzung komplett weg.

Wer nun glaubt, damit sinke das Interesse an Musik allgemein, hat sich getäuscht: Die Jugendlichen von heute hören mehr und intensiver Musik als frühere Generationen. Gleichzeitig ist ihr Wissen über diese Musik deutlich besser. Kein Wunder: Informationen über Bands, Lieder, Liedtexte sind im Internet nur wenige Klicks vom aktuellen Videoclip oder dem neusten Interview mit der Leadsängerin entfernt. Dies ist das Ergebnis einer Studie, für die Schramm 1000 Jugendliche befragt hatte.


Viele Grüße an den Nachrichtensprecher

"Emotionale Phänomene bei der Mediennutzung" lautet die Überschrift zu Schramms viertem Forschungsbereich. Dazu gehört beispielsweise das "Sad Film"-Paradoxon, also die Frage, wieso Menschen tieftraurige Filme genießen können, obwohl sie dabei mehrere Taschentücher klatschnass heulen. "Die psychologischen Mechanismen, die dabei ablaufen, sind denen ähnlich, die bei Fans von Horrorfilmen zu beobachten sind", sagt Schramm. Auch die verspüren eine Art Genuss, obwohl sie sich bisweilen am liebsten hinter dem Kinosessel verkriechen möchten.

Ein anderes "emotionales Phänomen der Mediennutzung" ist dort zu beobachten, wo Menschen sich mit Moderatoren, Nachrichtensprechern oder Schauspielern so stark identifizieren, dass sie am Ende glauben, es bestünde eine Art freundschaftliches Verhältnis zwischen ihnen. Das beginnt bei dem Zuschauer, der dem Tagesschausprecher ebenfalls einen "Guten Abend" wünscht, und endet beim Stalker, der davon überzeugt ist, der ideale Partner für eine Schauspielerin zu sein. Schramm untersucht unter anderem, welche Menschen besonders anfällig für solche Identifikationsprozesse sind und welche Faktoren diese Prozesse begünstigen.


Holger Schramms Lebenslauf

Holger Schramm, geboren 1973, ist in der Nähe von Hannover aufgewachsen. Am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung (IJK) der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover sowie am College of Communication der University of Texas at Austin (USA) hat er Medienmanagement mit den Fächern Medien- und Kommunikationswissenschaft, Kommunikationsforschung und Rechtswissenschaft studiert.

2003 wurde er in der Kommunikationswissenschaft promoviert. Von 2003 bis 2010 war Schramm Oberassistent am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich mit Unterbrechungen als Gastprofessor am Institut für Sportpublizistik der Deutschen Sporthochschule Köln und als Vertretungsprofessor am IJK Hannover. 2010 wurde er in der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft habilitiert. Seit Oktober 2010 ist er Professor für Medien- und Wirtschaftskommunikation am Institut Mensch-Computer-Medien der Universität Würzburg.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution99


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Gunnar Bartsch, 08.03.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. März 2011