Schattenblick → INFOPOOL → MEDIEN → FAKTEN


FORSCHUNG/132: Wissenschaftler entwickeln Tools zur Untersuchung politischer Meinungsbildung in digitalen Medien (idw)


Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft - 27.03.2018

Wissenschaftler entwickeln Tools zur Untersuchung politischer Meinungsbildung in digitalen Medien

Gemeinschaftsprojekt von Hochschule Karlsruhe und TU Dresden


In einem interdisziplinären Projekt entwickelten Informatiker des Instituts für Ubiquitäre Mobilitätssysteme der Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft gemeinsam mit Kommunikationswissenschaftlern der TU Dresden unter Leitung von Prof. Dr. Lutz M. Hagen eine Software, die das Nutzungsverhalten in digitalen Medien erfassen kann. Die Inhalte im World Wide Web verändern sich zeitlich sehr schnell und werden häufig personalisiert zusammengestellt. Mit Hilfe der nun entwickelten computergestützten Methode lässt sich eine zuverlässige und unverfälschte Datengrundlage für verschiedenste kommunikationswissenschaftliche Forschungsfragen schaffen. In einer Feldstudie wurde hier speziell untersucht, wie sich algorithmische Selektionsmechanismen in digitalen Medien auf die politische Meinungsbildung auswirken. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit knapp 200.000 Euro gefördert und konnte nun erfolgreich abgeschlossen werden.

Im Vergleich zu klassischen Medien (Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen usw.) werden die Themen und Schwerpunkte in digitalen Medien nicht mehr ausschließlich von Journalisten ausgewählt und zusammengestellt. Die Inhalte von Online-Medien werden häufig gezielt auf Basis individueller Präferenzen und Gewohnheiten des Nutzers durch komplexe Algorithmen selektiert und bereitgestellt. Das bedeutet für die klassische Kommunikationswissenschaft, dass bewährte Methoden zur Erhebung des Mediennutzungsverhaltens an ihre Grenzen stoßen, da die Inhalte der Medienangebote sich zeitlich verändern und personalisiert wurden und so in dieser Form zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zugänglich sind.

Um diesen Problemen zu begegnen, wurde im Verbundprojekt "AlgStrOeff" (Algorithmischer Strukturwandel der Öffentlichkeit) ein Webbrowser Add-on entwickelt, das in Feldstudien die Inhalte und die Interaktionen mit den Webangeboten direkt an der Quelle erfasst. Die erhobenen Daten werden auf einem zentralen Server gesammelt, aufbereitet und analysiert. Dabei kommen verschiedene Verfahren der natürlichen Sprachverarbeitung, des maschinellen Lernens und der statistischen Analyse zum Einsatz.

Diese Verarbeitungsschritte bilden auch die Grundlage für eine weitere Besonderheit des Tracking-Tools: einer integrierten, situativen Befragung der User zu bestimmten Webinhalten. Mit dieser Befragung können zusätzliche Informationen zur Motivation des Nutzers in Erfahrung gebracht werden. Auf Basis der besuchten Webseiten und deren Inhalt sowie zuvor definierter Kriterien werden sogenannte Experience Sampling Method (ESM)-Fragen in Echtzeit im Webbrowser des Nutzers eingeblendet. Die so generierten Informationen sind essentiell, um Fragestellungen kommunikationswissenschaftlicher Studien besser beantworten zu können.

In einer zweiwöchigen Feldstudie wurde das im Verbundprojekt entwickelte Add-on in einer Methodenkombination mit Befragungen an der TU Dresden eingesetzt, um das Nutzungsverhalten von 82 Probanden zu erfassen. Die Daten geben Aufschluss über die Nachrichtennutzung im Internet und die Nutzung von Intermediären wie z. B. Facebook. Auf Basis der gewonnenen Daten konnten Handlungsempfehlungen für medienpolitische Akteure aus Politik, Medien und Wissenschaft abgeleitet werden, beispielsweise zur Nutzung von Online-Nachrichten zur Meinungsbildung und zum Stellenwert von Medienbildung und Medienkompetenz im Umgang mit Online-Informationsintermediären.



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution352

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft, Holger Gust M. A., 27.03.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang