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INTERNATIONAL/050: Kolumbien - UN-Menschenrechtsbericht kritisiert fortgesetzte Lauschangriffe (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. Februar 2012

Kolumbien: UN-Menschenrechtsbericht kritisiert fortgesetzte Lauschangriffe auf Aktivisten und Journalisten

von Constanza Vieira


Bogotá, 29. Februar (IPS) - In Kolumbien werden auch nach dem großen Abhörskandal von 2009 Menschenrechtsaktivisten und Journalisten weiter bespitzelt. Dies geht aus einem neuen Bericht des UN-Menschenrechtshochkommissariats (OHCHR) über die Menschenrechtslage in Kolumbien 2011 hervor, demzufolge es der Staat an der nötigen Prävention, Aufklärung und Bestrafung der Verantwortlichen vermissen lässt.

Innenminister Germán Vargas wies die Vorwürfe hingegen als "falsch" zurück. "Es kommt zu keinen illegalen Abhöraktionen mehr", versicherte er nach der Veröffentlichung des Berichts in Bogotá am 27. Februar. Die in dem Bericht erhobenen Anschuldigungen seien viel zu allgemein und müssten präzisiert werden.

Vor zwei Jahren hatte der kolumbianische Geheimdienst DAS Richter, Regierungskritiker, Menschenrechtler und Medienberichterstatter illegal abgehört. Nach weiteren Skandalen während der Regierungszeit von Álvaro Uribe (2002-2010) entschloss sich Staatspräsident Juan Manuel Santos im Oktober 2011 schließlich dazu, den von Paramilitärs unterwanderten DAS aufzulösen.

Einen Monat zuvor war der damalige DAS-Chef Jorge Noguera wegen seiner Beteiligung an dem Mord an einem prominenten Soziologen durch ultrarechte Paramilitärs zu 25 Jahren Haft verurteilt worden. Zudem sind Verfahren gegen 40 ehemalige DAS-Mitarbeiter und etliche hochrangige Vertreter der Uribe-Administration wegen illegaler Lauschangriffe und Belästigung anhängig.


Alte Forderungen

Bereits seit 1997 empfehlen UN-Berichte über Kolumbien, die von den Geheimdiensten im Zusammenhang mit Menschenrechten gesammelten Daten zu löschen. Der neue OHCHR-Report ist keine Ausnahme und fordert konkrete Maßnahmen zum Schutz des Personenrechts. Außerdem müssten die militärischen Geheimdienste stärker kontrolliert und rechenschaftspflichtig gemacht werden.

Der neue OHCHR-Bericht, der an die UN-Menschenrechtskommission in Genf weitergeleitet wurde, erkennt zwar an, dass beim Schutz von E-Mails Fortschritte erzielt wurden. Doch nach Ansicht des Vizedirektors des OHCHR-Kolumbien-Büros, Juan Carlos Monge, "reichen sie nicht aus, um uns wirklich zufrieden zu stellen".

Als größten Erfolg gegen die illegalen Machenschaften der Geheimdienste nannte die UN-Organisation die Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes Mitte 2011, an dem sie mitgewirkt hatte, um die Kompatibilität der nationalen Rechtsprechung mit internationalen Menschenrechtsstandards zu gewährleisten.

Das Gesetz schränkt die Geheimdienstaktivitäten mit Blick auf Menschenrechte ein und schreibt die Gründung zweier Kommissionen vor. Aufgabe des einen Gremiums ist es, den Prozess zu überwachen und menschenrechtsrelevante Daten aus den Geheimdienstakten zu entfernen. Dem Parlamentsausschuss obliegt die Beobachtung der Geheimdienstaktivitäten. Doch dem Bericht zufolge stößt das Gesetz aufgrund des schwachen Mandats des Parlamentsausschusses und fehlender wirksamer Kontrollmechanismen an seine Grenzen.

Die Menschenrechtshochkommissarin Navi Pillay forderte die Staatsanwaltschaft des Landes auf, den Druck auf die Geheimdienste zu erhöhen, um sicherzustellen, dass die diskriminierenden DAS-Geheimdienstinformationen gelöscht werden. Die Archive des DAS fallen seit dessen Auflösung in den Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft.


Geheimdienstreformen angemahnt

Der OHCHR-Bericht empfiehlt zudem eine umfassende Reform der Geheimdienste und Maßnahmen gegen eine institutionelle Kultur, die Menschenrechtsverbrechen möglich macht. Ebenso unterstreicht er die Notwendigkeit, auch Staatsbedienstete, die über Menschenrechtsverletzungen berichten, unter besonderen Schutz zu stellen.

Die Spähangriffe durch den DAS, der Ex-Präsident Uribe direkt unterstand, richteten sich auch gegen Bürger anderer Länder. Für diesen Zweck wurden offenbar britische und US-amerikanische Militärhilfsgelder zweckentfremdet. Im Mai 2011 forderte der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments Kolumbien auf, den Bespitzelungsvorwürfen gegen den DAS nachzugehen und diejenigen aufzuspüren, die Europäer abgehört haben.

Der US-Kongress wiederum rief das US-Außenministerium auf, die Verwendung der an Kolumbien geleisteten US-Militärhilfe der letzten zehn Jahre genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Militärhilfe im Rahmen des sogenannten 'Plan Colombia' belief sich auf insgesamt acht Milliarden Dollar und diente militärischen Zwecken und der Bekämpfung der Guerilla. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://www.hchr.org.co/documentoseinformes/informes/altocomisionado/report2011.pdf
http://www.ohchr.org/EN/Pages/WelcomePage.aspx
http://www.hchr.org.co/default.php3
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100241
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106884

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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. März 2012