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INTERNATIONAL/059: Uruguay - Montevideo wird regionales Internet-Zentrum (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. April 2012

Uruguay: Montevideo wird regionales Internet-Zentrum - Sechs Organisationen unter einem Dach

von Alvaro Queiruga



Montevideo, 18. April (IPS) - In der uruguayischen Hauptstadt Montevideo ist das 'Internethaus Lateinamerikas und der Karibik' eingeweiht worden. Sechs regionale Organisationen, die sich mit dem Internet befassen, sind somit in einem Gebäude vereint. Experten betonten bei der Eröffnung am 17. April, ein frei zugängliches und stabiles Internet sei eine wichtige Voraussetzung für den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt der Region.

"Auf der Welt gibt es keine andere Stadt, in der so viele Organisationen dieses Sektors vertreten sind", sagte Raúl Echeberría, der Präsident der 'Internet Society' (ISOC) und Exekutivdirektor des Registers der Internet-Adressen in Lateinamerika und der Karibik (Lacnic).

An dem neuen Sitz in Montevideo unterhält unter anderem die uruguayische Sektion von ISOC ein Büro. Die internationale Non-Profit-Organisation engagiert sich seit ihrer Gründung 1992 für die Entwicklung und die freie Zugänglichkeit des Internets. Lacnic verwaltet die regionalen Internet-Adressen.

Unter demselben Dach befinden sich außerdem das Lateinamerikanische Kooperationsnetz für fortgeschrittene Netzwerke (RedCLARA) und die Lateinamerikanische und karibische Vereinigung der Top-Level-Domains (LACTLD). Letzterer Organisation gehören die Verwalter von Internet-Domains aus der Region und anderen Teilen der Welt an, die Beziehungen zu Lateinamerika unterhalten.

Das Lateinamerikanische und karibische Bündnis für Internet und elektronischen Geschäftsverkehr will den Handel über das Internet sowie die Entwicklung von Informations- und Telekommunikationstechnologien fördern. Die Lateinamerikanische und karibische Vereinigung der Betreiber von Internet-Knoten wiederum wurde 2011 gegründet, um die Internetverbindungen in der Region auszubauen.

Die Konzentration der Organisationen an einem Ort "verbessert die Koordination" und "stärkt die institutionelle Zuständigkeit des Sektors und seine Fähigkeit, die Entwicklungsprozesse des Internets zu unterstützen", heißt es in einer Mitteilung von Lacnic.


Schlüssel für wirtschaftliche und soziale Entwicklung

"Der Zugang zum Breitband-Internet ist ein Schlüssel für wirtschaftliche Entwicklung und soziale Gleichheit in der Region", sagte der uruguayische Industrieminister Roberto Kreimerman, der gemeinsam mit Staatschef José Mujica an der Einweihungszeremonie für das Internet-Zentrum teilnahm.

Auf dem sechsten Amerika-Gipfel am 14. und 15. April in der kolumbianischen Stadt Cartagena de las Indias stimmten die 34 Teilnehmerländer darin überein, dass der Zugang zum Breitband-Internet zusammen mit der Konsolidierung der regionalen Integration und einer Erhöhung des Mehrwerts der Technologie bei der Produktion wesentlich zur Verringerung der sozialen Ungleichheit beiträgt.

Kreimerman erwähnte auch die Bemühungen der Union Südamerikanischer Staaten (Unasur) beim Ausbau der Glasfasernetze, der die regionale Vernetzung verbessern und preisgünstiger machen soll.

Von den etwa 600 Millionen Einwohnern Lateinamerikas und der Karibik haben derzeit 40 Prozent Zugang zum Internet. Echeberría schätzt, dass der Anteil bis Ende 2015 auf 60 Prozent ansteigen wird. Die Region befinde sich "in einem in ihrer Geschichte bisher einzigartigen Wachstumsprozess", erklärte er. "Dies ist das Jahrzehnt Lateinamerikas. Um weiter zu wachsen, brauchen wir ein starkes, stabiles, sicheres und frei zugängliches Internet, zusammen mit Modellen partizipativer Verwaltung und der Einbeziehung aller Akteure."

Nach Erhebungen der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) ist die Armutsrate in der Region zwischen 2002 und 2011‍ ‍von 44 auf 31 Prozent zurückgegangen. Die Arbeitslosenrate liegt derzeit bei 6,6 Prozent. Dennoch ist die Kluft zwischen Arm und Reich noch größer als anderswo in der Welt.


CEPAL-Chefin: Breitband-Zugang muss öffentliches Gut werden

Die Exekutivsekretärin von CEPAL, Alicia Bárcena, betrachtet einen guten Zugang zum Internet als so wichtig für die Entwicklung, dass Breitbandverbindungen weltweit oder regional ein öffentliches Gut werden müssten. "Das heißt nicht, dass es kostenfrei werden muss. Alle sollten aber Zugang dazu erhalten."

Eine Bäuerin in einer entlegenen Region Boliviens müsse beispielsweise einen langen Weg bis zur nächsten Stadt zurücklegen, um sich über Preise informieren zu können, erläuterte Bárcena. Solche Informationen seien auch für mittelständische Unternehmen wichtig, die bisher viel Geld für Reisen, Schriftverkehr und andere Formen der Kommunikation ausgeben müssten.

In dem Andenstaat koste ein Breitband-Internetanschluss mit einer Kapazität von zwei Megabyte monatlich umgerechnet 300 US-Dollar, sagte sie. Dies entspreche 17 Prozent des Durchschnittsnationaleinkommens pro Person. "Der Internetzugang in Bolivien ist damit fast 40 Mal teurer als in Frankreich und etwa 100 Mal teurer als in Südkorea."

Echeberría sieht es angesichts solcher Missverhältnisse als entscheidend, die Zahl der Nutzer in Lateinamerika und im Karibikraum zu erhöhen. Ein offen zugängliches Internet könnte eine "Plattform für die Entwicklung unserer Bevölkerung" werden und den Respekt für die Menschenrechte weiter fördern.

Uruguay, wo zurzeit 60 Prozent der Bevölkerung das Internet nutzen, wurde laut Echeberría als Sitz des neuen Internet-Zentrums ausgewählt, weil internationale Nichtregierungsorganisationen dort unter günstigen rechtlichen Voraussetzungen arbeiten können und vom Staat Steuervorteile erhalten. (Ende/IPS/ck/2012)

Links:
http://lacnic.net/sp/
http://www.redclara.net/
http://www.lactld.org/es/
http://www.ecomlac.org/
http://lac-ix.org/index/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100578

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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2012