Schattenblick → INFOPOOL → MEDIEN → FAKTEN


INTERNATIONAL/233: Kubaner*innen fordern günstigere Internetraten (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Kubaner*innen fordern günstigere Internetraten

Von Alberto C. Toppin


(Havanna, 31. März 2020, Cosecha Roja) - In Kuba findet das Leben draußen auf den Plätzen statt: Wie überlebt man die Isolation auf der Insel, wenn eine Stunde Netflix so viel kostet wie ein Liter Milch? Die User lancierten eine Hashtag-Kampagne #BajenLosPreciosDeInternet (Senkt die Internetgebühren).

Seit einer Weile nutzt Josuan Cabrera die öffentlichen Internet-Plätze nicht mehr - oder den Wifi-Park, wie man die vielen Wifi-Hotspots in Kuba nennt. Auf dem Weg zu einem seiner vielen Jobs in Havanna durchquert er lediglich einige davon. "Das Virus ist kein Spiel", sagt er und meint das Coronavirus, das 71 Tage brauchte, bis es in Kuba zum ersten Mal festgestellt worden ist.

Josuan versucht jetzt, Menschenansammlungen zu meiden. Aber in Havanna verhalten sich nicht alle so. In den Wifi-Parks in Centro Habana und Plaza de la Revolución, zwei Stadtteilen der kubanischen Hauptstadt, verlassen die User*innen immer noch ihre Häuser, um ins Internet zu kommen. Weniger, aber es gibt sie. Josuan schätzt, wenn es früher auf den öffentlichen Plätzen hundert Personen waren, dann sind es jetzt zwischen 10 und 50. Die meisten sind jung und das wundert Josuan nicht. Auf Photos zu posieren und etwas in den sozialen Medien zu posten ist unter den Jugendlichen momentan ziemlich in Mode: "Mir war klar, dass sie weiterhin in den Parks rumhängen würden, um ihren 'Status' beizubehalten."

Dass eine Gruppe Jugendlicher im Park rumhängt, ist jetzt ein Verstoß gegen die Maßnahmen, die die kubanische Regierung im Kampf gegen das Virus ergriffen hat. Mehr als eine Woche nachdem die ersten Fälle des Coronavirus in Kuba, nämlich drei italienische Tourist*innen, gemeldet wurden, versuchen die Behörden, Menschenansammlungen so weit wie möglich zu verhindern. Reisen und Unterricht fallen aus, Freizeit und Arbeit werden alternativ gestaltet, so dass keine physische Anwesenheit erforderlich ist, sondern nur noch eine virtuelle. Obwohl sich die Netzpreise für das Internet nicht veränderten, wurde Telearbeit zur Gesundheitsprävention empfohlen.


Die Regierung empfiehlt: Telearbeit

Genau das macht Jorge Noris Martinez: Von seinem Haus in San Miguel del Padrón in Havannas Osten macht er Telearbeit für die Software-Welt. "Ich arbeite mit mobilen Daten, denn da ich in einem staatlichen Unternehmen, Desoft, arbeite, bekomme ich sechs Gigabyte Datenvolumen im Monat zur Verfügung. Wenn ich es gut einteile, mit einigen Einschränkungen und ein paar Tricks, hat es bisher gereicht", schreibt er über den Messenger-Dienst Telegram.

Jorge Noris' Situation ist anders als die der mehr als drei Millionen Kubaner*innen, die heute alle theoretisch über Wifi ins Netz gehen können - in Kuba laut dem Ministerium für Kommunikation [1] die verbreitetste Art, ins Internet zu gehen. Aber sechs Gigabyte zu erwerben bedeutet zum Beispiel, keine sieben Kilogramm Milchpulver zu kaufen oder auf fast einen durchschnittlichen Monatslohn zu verzichten. Das günstigste Datenpaket für einen Monat für etwa fünf Dollar zu kaufen bedeutet, auf einen Liter Milch zu verzichten: Und das reicht dann gerade Mal für eine Stunde Netflix in Standardqualität.


Surfen in den Wifi-Parks bleibt am Billigsten

Das erklärt, weshalb einige User*innen weiterhin in die Wifi-Parks gehen. Denn dort können sie für diese fünf Dollar des günstigsten Datenpakets mehr als sieben Stunden ohne Limit surfen. "Das größte Problem bei der Telearbeit ist die Verbindung, und damit meine ich nicht unbedingt den direkten Zugang zum Internet. Schon mit einem Intranet-Zugang wäre effektive Telearbeit möglich", glaubt Josuan.

Laut Inventario [2], einer journalistischen Datenrecherche, hat nach der Ankündigung einer Einreisesperre für Tourist*innen nach Kuba am Freitag, den 20. März, die Zahl der Tweets und Retweets unter dem Hashtag #BajenLosPreciosDeInternet im Vergleich zu den Monaten Januar und Februar erheblich zugenommen. Der Hashtag war bereits im Juni 2019 getrendet und wurde von einigen User*innen mehrfach eingesetzt.


Userfreundliche Entscheidungen in El Salvador, Kolumbien und Ecuador

Diesmal fällt diese Forderung mit Angebotsänderungen für das Internet in einigen von der Pandemie betroffenen Ländern zusammen. So kündigte der Präsident von El Salvador, Nayib Bukele, unter anderem auch eine Aussetzung aller Internetgebühren für drei Monate an. Zwei Telefonanbieter in Kolumbien setzten ebenfalls Vorgaben ihrer Regierung um und in Ecuador wurde die Einstellung des Services aufgrund von Zahlungsrückständen verboten.

Bislang hat die einzige Telefongesellschaft in Kuba, Etecsa, lediglich mitgeteilt, sie arbeite "an Maßnahmen gegen COVID-19" und werde "zu gegebener Zeit darüber informieren". So teilte man es dem User Gabriel Guerra Bianchini Ende März über eine Messenger-Nachricht mit.


Anmerkungen:
[1] http://mesaredonda.cubadebate.cu/mesa-redonda/temas-nacionales/2020/02/20/ministro-de-comunicaciones-el-reto-esta-en-crear-una-cultura-en-el-uso-y-desarrollo-de-las-tics/
[2] https://twitter.com/invntario/status/1242305912322191360?s=21


URL des Artikels:
https://www.npla.de/thema/urbanes-leben/kubanerinnen-fordern-guenstigere-internetraten/


Der Text ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/

*

Quelle:
poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen
Herausgeber: Nachrichtenpool Lateinamerika e.V.
Köpenicker Straße 187/188, 10997 Berlin
Telefon: 030/789 913 61
E-Mail: poonal@npla.de
Internet: http://www.npla.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2020

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang