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OFFENER BRIEF/009: Die Telenovela Morales Reloaded - Offener Brief von Milagro Sala (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Nachricht vom 3. Mai 2016

Die Telenovela Morales Reloaded: Offener Brief von Milagro Sala


Buenos Aires, Argentinien / Pressenza Berlin - 03.05.2016. Aus dem Frauengefängnis von Alto Comedero in der argentinischen Provinz Jujuy hat die Abgeordnete des Parlasur und Leiterin der Organisation Tupac Amari, Milagro Sala, politische Gefangene seit 16. Januar, einen neuen offenen Brief verfasst:


Die Telenovela Morales Reloaded

Ich bin von der Telenovela "Morales Reloaded", Drehbuch von Gerardo persönlich, Produktion von Cambiemos und mit Schauspielern niedrigen Niveaus und hoher Bezahlung, inzwischen abhängig geworden. Sie hat großen Erfolg in den Medien und verdrängt in den Zuschauerquoten andere Filme, die vom wahren Terror erzählen, den wir heute in der Provinz Jujuy erleben (Gerardo Morales ist der Gouverneur von Jujuy und Cambiemos heißt die Koalition, die die letzten Wahlen in Argentinien gewonnen hat, Anm. d. Übers.).

Ich möchte einige Daten zitieren: 20.000 Arbeitslose mehr; 5.000 neue Bedürftige in den Notunterkünften; 800 Entlassungen in der Mina Pirquitas (Abbauzentrum, Anm. d. Übers.); Erhöhung des Lohnes von Herrn Morales auf über 140.000 Pesos (ca. 8.500 Euro, Anm. d. poonal-Red.), das gleiche für seine Verwandten und Funktionäre; 22% Erhöhung für staatliche Schulen (22% sind in diesem Moment in Argentinien weit unter der Inflationsrate; Anm. d. Übers.) und explodierende Lebenshaltungskosten; Verschuldung der Provinz bei 5.000 Millionen Pesos (ca. 305 Millionen Euro, Anm. d. Red.); 32 Ölfördertürme, die weiterhin den Nationalpark Calilegua verschmutzen; eine Dengue-Fieber-Epidemie; die Kündigung von Aceros Zapla, Kündigungen bei Ingenio la Esperanza, Polizeistaat und Repressionen ohnegleichen sowie politische Verhaftungen.

Ich möchte die Zuschauer daran erinnern, dass in den vorangegangenen Episoden der Telenovela folgende "Themen" vorkamen: Tupac Amaru und sein Parallelstaat, die Waffen von Milagro Sala, Tupac Amaru und seine paramilitäre Organisation. Die Saga hat unter ihren Fans sogar die Innenministerin Patricia Bullrich, die, im Glauben es handele sich um die Realität, eine Delegation von Polizisten nach Jujuy schickte, um angesichts des beklagenswerten Unfalls, der 13 unschuldige Menschenleben forderte, die Bösen zu bändigen (Bezug auf einen Verkehrsunfall, bei dem die zitierten Polizisten umgekommen sind, Anm. d. Übers.). Es scheint nicht, dass die Produzenten sich darum scheren.

Ich möchte darauf hinweisen, dass einige Inhalte die Quoten mit Sicherheit erhöht hätten, aber von der Produktion zensiert worden sind, da sie zu nahe an die Realität kommen. Ich zähle sie im Folgenden auf, denn ich verliere nicht die Hoffnung, dass sie eines Tages gesehen werden: die Kooperativen der sozialen Organisationen, zweitgrößter Arbeitgeber der Region; die von Tupac Amaru geschaffenen Bürgerzentren, die zu geringeren Kosten und schneller erbaut wurden, als die von privaten Baufirmen und die viermal mehr Arbeitsplätze geschaffen haben; die 23 Sportzentren mit Schwimmbädern und Spielplätzen; die Zentren für kostenfreie medizinische Versorgung inklusive der Zentren für die Betreuung von Drogenabhängigen; die Grund- und Sekundärschulen; weiterführende Schulen, das Zentrum für Behinderte, das jetzt geschlossen wurde; die Fabriken, die öffentlichen Parks, die Feierlichkeiten zum Tag der Kindheit, der Marsch für die Vielfalt und für die Würde der Bedürftigen.

Zuletzt möchte ich noch die Fans dieser Telenovela darauf aufmerksam machen, dass die Inhalte, die die Medienfirmen ausstrahlen, zur Abhängigkeit führen und schwere Nebenwirkungen hervorrufen können wie den Verlust der Fähigkeit, zwischen Realität und Fantasie unterscheiden zu können.

PS: ich hoffe, sie verzeihen mir meine Ironie; aber ich weiß nicht mehr, wie ich sonst meine Unfähigkeit zum Handeln, zu der ich verdammt wurde, und meine Empörung ausdrücken soll, die mir solche Schuftigkeit bereitet.

Sie können uns verfolgen, uns ins Gefängnis werfen, uns diffamieren. Wir aber werden weiterhin dem Beispiel der Madres de Plaza de Mayo folgen, ohne Rache und ohne Gewalt. Früher oder später wird die Wahrheit ans Licht kommen.

Wir werden niemals schweigen, niemals in die Knie gehen, niemals den Kopf senken.

Aus dem Frauengefängnis von Alto Comedero, 25. April 2016.

Milagro Sala


Übersetzung aus dem Italienischen von Evelyn Rottengatter


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Johanna Heuveling
E-Mail: johanna.heuveling@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Mai 2016

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