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ALTERNATIVMEDIZIN/232: Gegenwartsformen schamanischen Heilens in der Eifel (idw)


Johannes Gutenberg-Universität Mainz - 16.04.2013

Gegenwartsschamanismus in der Eifel

DFG-gefördertes Forschungsprojekt in der Kulturanthropologie/Volkskunde untersucht Gegenwartsformen schamanischen Heilens im deutsch-belgischen Grenzgebiet



Schamanismus ist in Deutschland ein relativ junges und recht uneinheitliches Phänomen. Es ist in den 1950er Jahren aufgekommen und hat sich seitdem als eine Form des sogenannten geistigen Heilens verbreitet. Im Westen Deutschlands liegen im Gebiet der Eifel günstige Voraussetzungen vor, um Schamanismus als Praxis der Gesundheitsfürsorge oder zur Bewältigung von Lebenskrisen zu erforschen. In einem DFG-geförderten Forschungsprojekt untersucht der Kulturanthropologe Mirko Uhlig von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), welche Vorstellungen und Praktiken schamanisch Tätige und ihre Klientel leiten. Er konzentriert sich dabei auf die Eifel als grenzüberschreitende Region, um Befunde für die deutsche und die deutschsprachige belgische Seite vergleichen zu können.

Schamanismus wird gemeinhin als Praxis verstanden, bei der Menschen mit einer Geisterwelt kommunizieren. Er gilt nicht eigentlich als Religion, sondern wird eher als die Auseinandersetzung mit einem Jenseits beschrieben, um heilende Kräfte zu mobilisieren. "Auf jeden Fall aber herrscht ein starker Seelenglauben vor, auch bei unterschiedlichen Ausprägungen des Schamanismus", erklärt Uhlig. Ursprüngliche Verbreitungsgebiete sind Sibirien und Südamerika. Erste Kenntnisse davon kamen verstärkt zum Ende des 17. Jahrhundert mit Reiseberichten aus Sibirien nach Europa, und schon bald rückte die ambivalente Figur des Schamanen ins Bewusstsein der westeuropäischen Bildungsschichten. Die ökologisch-spirituelle Komponente der Schamanenfigur greift der Künstler Joseph Beuys in den 1970er Jahren auf und verbreitet sie.

Wie weit schamanisch geprägte Konzepte heute in Mitteleuropa verbreitet sind oder wie viele Anhänger sie haben, lässt sich laut Uhlig nicht erschöpfend beziffern. Uhlig untersucht in dem DFG-Projekt "Sinnentwürfe in prekären Lebenslagen der Gegenwart: Eine transnationale Ethnographie geistigen Heilens im ländlichen Raum (Eifel)" insbesondere, was die Menschen eigentlich dazu bewegt, einen "Schamanen" aufzusuchen. Unzufriedenheit mit dem bestehenden Gesundheitssystem und die Suche nach alternativen Heilungsansätzen mögen eine Ursache sein, weshalb sich Menschen dem Schamanismus mit seinen Praktiken wie Schwitzhüttenzeremonie, schamanischer Reise oder Hopi-Herzheilung zuwenden. Sinnsuche oder Sehnsucht nach Spiritualität, gerade auch in kritischen Lebenssituationen, können ebenso Motive sein wie Bemühungen um ein naturverbundenes, ökologisch ausgerichtetes Leben.

Aufgrund der bisher geführten Interviews steht für den Volkskundler fest, dass es sich bei dem modernen Schamanismus um ein vielschichtiges Phänomen handelt, das Klienten aus allen Bildungsschichten anspricht und keineswegs abergläubische Außenseiter. Im Rahmen seiner Doktorarbeit wird Uhlig weitere Interviews mit schamanisch Praktizierenden führen und auswerten. Durch die mikroskopische Analyse, so heißt es in einem Bericht für die Zeitschrift Volkskunde in Rheinland-Pfalz, versucht das Vorhaben u.a. einen lebensnahen Beitrag zur kulturwissenschaftlichen Deutung von Spiritualität zu liefern und auf diesem Wege einen Beitrag zur Erforschung individueller Gegenwartsreligiosität zu leisten.


Veröffentlichung:
Mirko Uhlig, Michael Simon
Sinnentwürfe in prekären Lebenslagen der Gegenwart: Eine transnationale Ethnographie geistigen Heilens im ländlichen Raum (Eifel) - ein Projektbericht
Volkskunde in Rheinland-Pfalz 27, 2012

Weitere Informationen:
Mirko Uhlig, M.A.
Kulturanthropologie/Volkskunde
Institut für Film-, Theater- und empirische Kulturwissenschaft
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
D 55099 Mainz
E-Mail: uhlig@uni-mainz.de
http://www.kulturtheaterfilm.uni-mainz.de/273.php

Weitere Links:
http://www.kulturanthropologie.uni-mainz.de/index.php

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
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Bunt bestückter Schwitzhüttenaltar

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Petra Giegerich, 16.04.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2013