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HNO/285: Kopf-Hals-Tumoren - Zeit für neue Einblicke in die individualisierte Krebstherapie (idw)


Deutsches Krebsforschungszentrum - 30.08.2017

Kopf-Hals-Tumoren: Zeit für neue Einblicke in die individualisierte Krebstherapie


Die Bildgebungsmethode der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) mit dem radioaktiven Markerstoff FMISO ermöglicht es, die Wirkung der kombinierten Radio-Chemotherapie bei Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren vorherzusagen. Fällt die Prognose für den jeweiligen Patienten schlecht aus, könnte die Strahlenbehandlung künftig intensiviert werden, um die Heilungschancen zu verbessern. Ihre Forschungsergebnisse stellen Forscher des Dresdner OncoRay-Zentrums, des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf, des Deutschen Krebsforschungszentrums und des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung im Fachjournal Radiotherapy & Oncology vor.

FMISO-PET-Bildinformationen sind in hohem Maße zur Vorhersage des Therapieverlaufs bei Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren geeignet. Eine besondere Rolle spielt hierbei der Zeitpunkt der Untersuchung: In der zweiten Woche nach Beginn einer Radio-Chemotherapie sind die Aufnahmen am aussagekräftigsten, lässt sich aus ihnen das Ansprechen des Tumors auf die Behandlung am besten ablesen.

Diesen Zusammenhang konnten Wissenschaftler des OncoRay-Zentrums, der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie sowie der Klinik für Nuklearmedizin des Uniklinikums Dresden, des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) nun in einer Validierungsstudie belegen. Die Patienten mit lokal-fortgeschrittenen Kopf-Hals-Tumoren, das heißt Tumoren der Zunge, des Gaumens oder des Kehlkopfes, wurden an vier Zeitpunkten vor und während einer primären Radio-Chemotherapie mit der FMISO-PET-Methode untersucht. Mithilfe des modernen Bildgebungsverfahrens machten die Wissenschaftler den Sauerstoffgehalt im Tumor sichtbar: Das radioaktiv markierte Molekül [F-18]Fluormisonidazol, kurz FMISO, reichert sich in sauerstoffarmen, so genannten "hypoxischen" Tumorbereichen an. Eine PET-Kamera bildet die Anreicherung des radioaktiven Markerstoffs ab.

Wie hoch der Sauerstoffgehalt eines Tumors ist, spielt für die Behandlung eine wichtige Rolle. Denn Kopf-Hals-Tumoren mit großen hypoxischen Arealen sind deutlich widerstandsfähiger gegenüber einer Radio-Chemotherapie als sauerstoffreiche Tumoren. "Zu Beginn der Therapie kann sich der Sauerstoffgehalt im Tumor noch stark verändern, in der zweiten Woche ist die Aussagekraft der Bilddaten wesentlich höher. Zu diesem Zeitpunkt bleibt dann auch noch genügend Zeit, um die Behandlung anhand der Prognose anzupassen", erklärt Prof. Mechthild Krause, Direktorin des OncoRay-Zentrums, der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie sowie des HZDR-Instituts für Radioonkologie - OncoRay.

Mit einer höheren Strahlendosis lassen sich die widerstandsfähigen Tumoren zwar besser bekämpfen, zugleich steigt jedoch das Risiko für Nebenwirkungen und Spätschäden. Deshalb muss sorgfältig abgewogen werden, welche Patienten für eine intensivierte Behandlung infrage kommen. Hierfür bieten die FMISO-PET-Scans eine wichtige Grundlage.

Mit ihrer aktuellen Untersuchung bestätigen die Forscher die Ergebnisse einer bereits 2012 am Dresdner OncoRay-Zentrum erfolgten Explorationsstudie. Die gemeinsamen Ergebnisse beider Studien sollen nun genutzt werden, um die bisherige Standardtherapie bei Kopf-Hals-Tumoren individueller auf Patienten mit unterschiedlich guten Prognosen zuzuschneiden. In einer Folgestudie wollen die Wissenschaftler die Strahlentherapie bei Tumoren anpassen, für welche die PET-Bilder ein besonders schlechtes Ansprechen auf die Behandlung prognostizieren. "Diese Tumoren sollen mit einer zehn Prozent höheren Strahlendosis behandelt werden, als es die jetzige Standardtherapie vorsieht. So wollen wir die Heilungschancen der Patienten erhöhen", sagt Prof. Michael Baumann, Initiator der Studien und Wissenschaftlicher Vorstand des Deutschen Krebsforschungszentrums.


Publikationen:

Steffen Löck, Rosalind Perrin, Annekatrin Seidlitz, Anna Bandurska-Luque, Sebastian Zschaeck, Klaus Zöphel, Mechthild Krause, Jörg Steinbach, Jörg Kotzerke, Daniel Zips, Esther Troost, Michael Baumann: Residual tumour hypoxia in head-and-neck cancer patients undergoing primary radiochemotherapy, final results of a prospective trial on repeat FMISO-PET imaging. Radiotherapy & Oncology 2017, DOI: 10.1016/j.radonc.2017.08.010 (http://www.thegreenjournal.com/article/S0167-8140(17)32517-3/addons)

Daniel Zips, Klaus Zöphel, Nasreddin Abolmaali, Rosalind Perrin, Andrij Abramyuk, Robert Haase, Steffen Appold, Jörg Steinbach, Jörg Kotzerke, Michael Baumann: Exploratory prospective trial of hypoxia-specific PET imaging during radiochemotherapy in patients with locally advanced head-and-neck cancer. Radiotherapy and Oncology 2012, DOI: 10.1016/j.radonc.2012.08.019

- Das Dresdner OncoRay-Zentrum ist eine institutionenübergreifende Forschungsplattform mit einem besonderen Fokus auf Translationsforschung. Damit ist gemeint, dass Ergebnisse aus der Grundlagenforschung gezielt zum Wohle von Patienten weiterentwickelt und in klinischen Studien getestet werden sollen. Ziel ist es, die Behandlung von Krebserkrankungen durch eine biologisch individualisierte, technologisch optimale Strahlentherapie entscheidend zu verbessern. Hierfür bündelt OncoRay die Stärken der drei Trägerinstitutionen - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, TU Dresden und Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR).
Rund 80 Wissenschaftler aus aller Welt arbeiten am OncoRay in fachübergreifenden Programmen mit Forschungsschwerpunkten in den Bereichen Medizin, Physik, Biologie und Informationswissenschaften. Herzstück des OncoRay-Forschungsgebäudes ist die Protonenanlage. Den Wissenschaftlern bietet die Anlage die Möglichkeit, den Einsatz von Protonen in der Krebstherapie patientennah und jenseits kommerzieller Zwänge zu evaluieren und weiterzuentwickeln.

- Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
PD Dr. Steffen Löck
Gruppenleiter Modellierung und Biostatistik in der Radioonkologie OncoRay - Nationales Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie
Fetscherstr. 74, PF 41, 01307 Dresden
Besucheranschrift: Händelallee 26, Haus 130, 01309 Dresden
E-Mail: steffen.löck@oncoray.de
Internet: www.oncoray.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution386

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsches Krebsforschungszentrum, Dr. Sibylle Kohlstädt, 30.08.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2017

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