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NEUROLOGIE/708: Klinische Neurophysiologen geben Tipps für Epilepsiepatientinnen mit Kinderwunsch (DGKN)


Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) - 30. August 2012

Klinische Neurophysiologen warnen vor Fehlbildungsgefahr

Worauf Epilepsiepatientinnen mit Kinderwunsch achten sollten



Darmstadt - Epilepsie ist eine der häufigsten Erkrankungen des zentralen Nervensystems, etwa 800 000 Menschen in Deutschland leiden darunter. Bei Frauen greift die neurologische Störung auch in den Hormonhaushalt ein - sie sind daher weniger fruchtbar als gesunde Frauen. Vor allem aber können Epilepsie-Medikamente den Stoffwechsel von Mutter und ungeborenem Kind beeinflussen. Worauf Epileptikerinnen mit Kinderwunsch achten sollten, um das Risiko von Fehlbildungen zu mindern, erklärt Professor Dr. med. Soheyl Noachtar, Experte der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN).

Heftige epileptische Krampfanfälle können während der Schwangerschaft das Kindeswohl gefährden. Umso wichtiger ist es, die Anfälle bei werdenden Müttern durch die Behandlung mit speziellen Medikamente zu verhindern. Allerdings können Epilepsiemedikamente dem ungeborenen Leben auch schaden: Neugeborene können ein geringeres Geburtsgewicht haben und das Risiko für Fehlbildungen verdoppelt sich im Vergleich zu Kindern gesunder Mütter. Nahmen die Mütter das Antiepileptikum Valproinsäure, so hatte ihr Kind im Alter von drei Jahren einen um neun Punkte niedrigeren IQ als Kinder, die dem nicht ausgesetzt waren. "Vorsichtsmaßnahmen vor und während der Schwangerschaft können diese Risiken minimieren", betont Professor Noachtar. Der Neurologe vom Münchener Universitätsklinikum Großhadern erklärt, wie Epilepsiepatientinnen bei einer geplanten Schwangerschaft auf Nummer sicher gehen können.

Zuverlässige Verhütungsmethoden wählen

Manche Epilepsiemedikamente beeinträchtigen die Wirksamkeit der Anti-Baby-Pille. So steigt die Zahl der ungewollten Schwangerschaften bei Epilepsiepatientinnen, die mit der Pille verhüten, auf das Doppelte. "Auch hormonhaltige Vaginalringe oder Hormonpflaster wirken nicht zuverlässig ", berichtet Noachtar. Unproblematisch hingegen seien Kupferspiralen, weil sie nicht mit den Medikamenten wechselwirken. Einige Epilepsiepräparate nehmen keinen Einfluss auf orale Verhütungsmittel (Infokasten). "Epilepsiepatientinnen mit Kinderwunsch sollten ihren Arzt ansprechen, ob sie die Medikation umstellen können", rät der DGKN-Experte.

Bei Kinderwunsch täglich Folsäure nehmen

Vor einer Schwangerschaft sollten Epilepsiepatientinnen täglich fünf Milligramm Folsäure einnehmen, um Neuralrohrdefekte wie einen offenen Rücken beim Kind zu verhindern. "Wir empfehlen, diese Einnahme während des gesamten ersten Schwangerschaftsdrittels beizubehalten", so Noachtar.

Epilepsie-Medikamente vor der Schwangerschaft umstellen

Vor allem die Kombination von zwei oder mehr Antiepileptika erhöht das Risiko einer Fehlbildung. Ärzte sollten werdende Mütter daher auf die niedrigste wirksame Dosis möglichst nur eines Medikaments einstellen. "Dafür ist es wichtig, frühzeitig den Medikamentenspiegel zu bestimmen", erklärt der DGKN-Experte. Entscheidend ist, bei Kinderwunsch rechtzeitig auf geeignete Medikamente umzustellen. Eine Valproinsäure-Therapie sollte, wenn möglich, vermieden werden.

Im Schwerpunkt-Krankenhaus entbinden

Zur Entbindung sucht die werdende Mutter am besten ein Krankenhaus mit Kliniken für Geburtshilfe, Neurologie und Kinderheilkunde auf. "Von einer Hausgeburt raten wir ab", sagt Noachtar. Gegen eine natürliche Entbindung ist nichts einzuwenden. Jedoch empfehlen Experten der DGKN bei häufig auftretenden heftigen Anfällen zu einem Kaiserschnitt.

Infokasten "Epilepsie-Medikamente, die Vehütungsmittel nicht beeinflussen"
www.dgkn.de/Epilepsie


Quellen:

Pirker S. "Frauen mit Epilepsie: 7 wichtige Aspekte", Klinische Neurophysiol 2012; 43: 138-143

Sabine Weil, Charlotte Deppe, Soheyl Noachtar: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 107, Heft 45, 12. November 2010


Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) ist die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft für Ärzte und Wissenschaftler in Deutschland, die auf dem Gebiet der klinischen und experimentellen Neurophysiologie tätig sind. Anliegen der DGKN ist es, die Forschung auf diesem Gebiet zu fördern sowie eine qualitätsgesicherte Aus-, Weiter- und Fortbildung zu garantieren. Zu diesem Zweck richtet die DGKN wissenschaftliche Tagungen, Symposien und Fortbildungsveranstaltungen aus. Sie erarbeitet Richtlinien und Empfehlungen für die Anwendung von Methoden wie EEK, EMG oder Ultraschall. Darüber hinaus setzt sich die DGKN für den wissenschaftlichen Nachwuchs ein, indem sie etwa Stipendien und Preise vor allem für junge Forscher vergibt. Die Methoden der klinischen Neurophysiologie kommen Patienten bei der Diagnose und Therapie von neurologischen Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer, Migräne, Epilepsie, Schlaganfall oder Multiple Sklerose zu Gute.

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Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. August 2012