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SPORTMEDIZIN/213: Uniklinikum Freiburg - Doping-Untersuchungskommission legt Abschlußbericht vor (idw)


Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau - 13.05.2009

Doping-Untersuchungskommission des Universitätsklinikums legt Abschlussbericht vor


Die vom Vorstand des Universitätsklinikums in Abstimmung mit dem Rektor der Universität berufene externe Untersuchungskommission hat ihren Abschlussbericht vorgelegt und heute bei einer Pressekonferenz präsentiert. Da die Universitäts- und Klinikumsleitung der Kommission freigestellt haben, den Abschlussbericht zu veröffentlichen, wird die Kommission ihren Bericht über das Internet frei zugänglich machen. Damit wird die rigorose Aufklärungspolitik von Universität und Klinikum fortgesetzt, die sofort nach Bekanntwerden von ersten Dopingvorwürfen Ende April 2007 handelten: Unter dem Druck von Klinikumsvorstand und Rektor der Universität hatten die Mediziner Prof. Dr. Andreas Schmid und Dr. Lothar Heinrich am 23. Mai 2007 zugegeben, sich am Doping aktiv beteiligt zu haben, woraufhin sich die Universität mit sofortiger Wirkung von den beiden Medizinern trennte. Dr. Georg Huber räumte am 29. Mai 2007 bei einer Befragung durch den Klinikumsvorstand ein, in der Zeit von 1980 bis 1990 einzelnen U23-Straßenradfahrern Testosteron verabreicht zu haben. Huber wurde daraufhin suspendiert.

Innerhalb weniger Tage richteten Universität und Klinikum eine externe Untersuchungskommission ein, die durch den Klinikumsvorsitzenden den Auftrag erhielt, alle Fakten im Zusammenhang mit Vorwürfen gegen Freiburger Sportmediziner zu ermitteln. Gleichzeitig setzte der Klinikumsvorstand die Betreuung von allen Leistungssportlern zunächst aus und gab einzelne Bereiche erst nach einem Bescheid der Untersuchungs-Kommission wieder frei.

Die Kommission arbeitete seither mit Hochdruck an der Aufklärung aller Vorwürfe. Zusätzlich hatte der Rektor der Universität eine unabhängige externe Kommission mit hochrangigen Gutachtern zur Evaluierung der Freiburger Sportmedizin eingesetzt.

Die Kommission, der der Jurist Dr. Hans Joachim Schäfer, der Biochemiker Professor Wilhelm Schänzer und der Pharmakologe Professor Ulrich Schwabe angehören, konnte ermitteln, dass die Dopingpraktiken der Ärzte Prof. Andreas Schmid und Dr. Lothar Heinrich in sachlichem und zeitlichem Umfang deutlich über das von ihnen eingeräumte Maß hinausgehen.

Dr. Heinrich war fristlos gekündigt worden. Hiergegen hatte er eine Kündigungsschutzklage erhoben, die er Mitte Oktober 2008 zurückgenommen hat. Damit ist die fristlose Kündigung vom 30.05.2007 bestandskräftig. Auch Prof. Schmid wurde im Mai 2007 fristlos gekündigt. Am 16. September 2008 hat das Arbeitsgericht Freiburg die Kündigungsschutzklage von Herrn Prof. Schmid gegen diese fristlose Kündigung abgewiesen. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Vorfälle dem Ansehen des Universitätsklinikums erheblich geschadet hätten und Prof. Schmid keine Umstände zu seiner Entlastung vorgetragen habe. Prof. Schmid hat gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt.

Ein Ergebnis des Kommissionsberichts ist, dass die maßgeblich für die Betreuung von Profiradsportlern verantwortlichen Ärzte ohne Kenntnis und ohne Nebentätigkeitsgenehmigung des Universitätsklinikums zusätzliche persönliche Einkünfte erzielten. Gegen Dr. Heinrich und Prof. Schmid wurden vom Universitätsklinikum Freiburg bereits Klagen beim Arbeitsgericht Freiburg auf Auskunft und Erstattung von unrechtmäßigen Einnahmen erhoben. Drei weitere Ärzte haben ebenfalls solche Zahlungen erhalten. Bei allen drei Ärzten konnte aber eine dopingrelevante Verwicklung nach Ausschöpfung der vorhandenen Beweismittel nicht festgestellt werden. Sie haben sich inzwischen zur Erstattung der erlangten Beträge verpflichtet.

Nach dem Urteil der Untersuchungskommission liegen keine Erkenntnisse vor, dass weitere Ärzte Zahlungen erhalten haben, die über Aufwandspauschalen, wie sie in verbandsärztlicher Tätigkeit üblich sind, hinausgehen.

Die Untersuchungskommission hat ermittelt, dass im Team Telekom/Team T-Mobile von 1995 bis 2006 durch die beiden Ärzte Dr. Heinrich und Prof. Schmid systematisch gedopt wurde.

Dafür sprechen nicht nur die zusätzliche Vergütung von Ärzten, sondern auch die vom Universitätsklinikum Anfang Dezember 2007 aufgedeckten Datenmanipulationen durch Anlage "fiktiver" Patienten. Solche Namen der angeblich 2005 im Universitätsklinikum behandelten Patienten sind z.B. "Maier, Ulrich, geboren am 02.12.1937" und "Mayer, Alexander, geboren am 02.07.1943". Die Tour de France 2005 begann am 2. Juli 2005. Insbesondere durch Zeugenaussagen ist belegt, dass Radrennfahrer der Teams Telekom und T-Mobile auch noch in den Jahren 2000 - 2006 von beiden Ärzten EPO, Cortisonpräparate und Wachstumshormon und im Jahr 2006 Transfusionen mit Eigenblut zu Dopingzwecken erhalten haben. Auch aus einer Langzeitanalyse von im Zeitraum 1995 bis einschließlich 2006 gemessenen Laborwerten von mehreren tausend Blutproben, die auf Bitte der Untersuchungskommission vom Universitätsklinikum mit großem Aufwand durchgeführt wurde, zieht sie den Rückschluss auf Doping mit EPO-Präparaten oder Eigenblut bei einer Reihe von Telekom-/T-Mobile-Radrennfahrern.

Der Abschlussbericht kommt zu dem Schluss, dass neben dem geständigen Fahrer Patrik Sinkewitz während der Tour de France 2006 zumindest zwei weitere Radfahrer mit Hilfe der beiden Ärzte Eigenblutdoping betrieben haben: Matthias Kessler und Andreas Klöden.

Bei einem Radrennfahrer musste eine Bluttransfusion durch Prof. Schmid zweimal abgebrochen werden, weil das Blut in zwei Blutbeuteln geklumpt hatte. Die Entlassung dieses Fahrers aus ärztlicher Obhut ohne jegliche weitere Überwachung ist nach Ansicht der Kommission ein grober Verstoß des Arztes gegen seine ärztlichen Pflichten und entspreche in keiner Weise den nach dem Transfusionsgesetz erforderlichen Maßnahmen bei derartigen Transfusionszwischenfällen. Der Abschlussbericht stellt klar, das die Apotheke des Universitätsklinikums zu keiner Zeit in die Beschaffung von Dopingmitteln durch die beiden Ärzte involviert war. Vielmehr konnte aus Sicht der Kommission eine Apotheke in Elzach als eine der Haupt-Lieferanten ermittelt werden.

Die Kommission schreibt in ihrem Bericht, dass die fehlende Kontrolle der Abläufe in der Abteilung unter Prof. Dr. Josef Keul damals die Dopingaktivitäten von Schmid und Heinrich mit ermöglicht und begünstigt habe.

Nach der umfassenden Aufarbeitung von unkorrekten Abrechnungen der von Prof. Keul eingeworbenen Gelder durch die Verwaltung des Universitätsklinikums und durch Keuls kommissarischen Nachfolger Prof. Berg im Jahr 2001 konnte Prof. Dr. Hans-Hermann Dickhuth nach Übernahme der Abteilung insoweit ein laut Kommission "wohlbestalltes Haus" übernehmen.

Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung von eingeworbenen Geldern seien danach nicht mehr vorgekommen. Auch für eine Verstrickung des Ärztlichen Direktors der Abteilung Rehabilitative und Präventive Sportmedizin, Prof. Dickhuth, oder weiterer Mitarbeiter der Abteilung in Dopingaktivitäten hat die Kommission keinerlei Anhaltspunkte gefunden.

Die Kommission hält fest, dass die Abteilung seit Amtsantritt von Prof. Dickhuth in Drittmittelverwaltung und Organisation Maßnahmen für einen beanstandungsfreien Ablauf getroffen hatte, auch wenn dadurch die Dopingaktivitäten der beiden Ärzte nicht gestoppt werden konnte. Der Rektor der Universität, Professor Dr. Hans-Jochen Schiewer, und der Vorsitzende des Universitätsklinikums, Professor Dr. Wolfgang Holzgreve, dankten den Mitgliedern der Kommission für ihre engagierte und zeitaufwändige Arbeit. Ziel der Universität und des Universitätsklinikums sei es seit Anfang an gewesen, die Dopingpraktiken vollständig und rückhaltlos aufzuklären.

Mit dem Abschlussbericht stehe nun fest, dass die Sportmedizin in Freiburg nach einem schmerzhaften Aufklärungsprozess ihre Arbeit zum Wohl der jährlich mehr als 5.000 Patienten aus Breiten- und Leistungssport, aber auch Patienten, die zu spezifischen Beschwerdebildern beraten und behandelt werden, unter Berücksichtigung der von Universitätsklinikum zwischenzeitlich getroffenen organisatorischen Maßnahmen fortführen könne.

Schiewer und Holzgreve gaben ihrer Hoffnung Ausdruck, dass auch andere Institutionen dem Freiburger Beispiel der uneingeschränkten Aufklärung folgen werden.


Der Abschlussbericht ist im Internet unter der Homepage der Untersuchungskommission veröffentlicht:
www.dopingkommission-freiburg.de

Weitere Informationen finden Sie unter:
http://www.dopingkommission-freiburg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution69


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
Rudolf-Werner Dreier, 13.05.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2009