umwelt · medizin · gesellschaft - 2/2009
Humanökologie - soziale Verantwortung - globales Überleben
Feinstaub ist ein hohes Gesundheitsrisiko
Von Karl F. Ross
Luftschadstoffe sind in Deutschland ein hohes Gesundheitsrisiko. Das gilt insbesondere für Feinstaub. Der folgende Beitrag gibt einen knappen Überblick über Messwerte, Gesundheitsschäden und Minderungsmöglichkeiten. Als Fazit kann festgehalten werden, dass es wirksame Maßnahmen zur Verringerung der Feinstaubbelastung gibt. Dort, wo lokal eine Absenkung nicht möglich ist, z.B. im Nahbereich von sehr stark befahrenen Strassen, muss die Eignung dieser Standorte für Wohnzwecke generell in Frage gestellt werden.
Feinstaub wird verursacht
Feinstaub entsteht auf natürliche Weise bei Vulkanausbrüchen, Windverwehungen von Sanden und Pollen usw.. Natürliche Vorgänge treten jedoch vergleichsweise kurzzeitig oder saisonal auf. Technisch entstehender Feinstaub ist meist gefährlicher. Er entsteht kontinuierlich durch Verbrennungsvorgänge oder Abrieb. Im Verkehr, an Kreuzungen bei Stau oder Stop-and-Go-Verkehr sind die Emissionen am höchsten. Je Lkw entstehen durch Abrieb und Aufwirbelung 0,49-1,83 mg, beim Abgas 0,4 mg. Beim Pkw betragen die Werte 0,1-0,19 mg, beim Abgas 0,02 mg (je m Fahrstrecke) (FRIEDRICH & KÜHNE 2006, LOHMEYER et al. 2006).
Messungen und Messwerte
Etwa 420 Messstellen messen in Deutschland öffentlich den Feinstaub (AG des BMU 2006). Gemessen wird die Masse in µg/m3 als PM10. PM10 ist der Staub, dessen Teilchen überwiegend einen Durchmesser von maximal 10µm haben. Derzeit messen weniger als 20 Messstellen zusätzlich Staubteilchen mit Durchmesser bis maximal 2,5µm (PM2,5. Gemäß EG-RL 1999/30-Anhang 6 sollte ein Messpunkt mindestens 25 m von Kreuzungen entfernt und 4 m hoch sein. Oftmals wird allerdings sehr viel weiter entfernt gemessen, auch dann, wenn Menschen näher zur nächsten Ampel wohnen. Bei trockenem Wetter (mindestens 2 Tage ohne Niederschlag) sind bei Extremverkehr in Straßenschluchten (z. B. 35 m zu Ampelkreuzungen) Grenzwerte typischerweise überschritten (Tabelle 1). Nur selten werden auch Partikelzahlen gemessen. Messgeräte hierfür sind teurer, bedienungsaufwendiger und nicht für den Dauerbetrieb geeignet. Die meisten Partikel gehören zu den Ultrafeinstäuben (= UFP) (GSF 2005). Die Feinstaubmasse verringert sich seit 10 Jahren. Die Partikelzahl nimmt hingegen zu. In neuen Anlagen und Motoren werden Kraftstoffe feiner verdüst und verbrannt (kleinere Tropfen ergeben kleinere Partikel).
Feinstauberzeuger/Auftreten
|
Pm10 in µg/m3
|
Nachweis
|
Partikel/cm3
|
Nachweis
|
Bei 25.000 Pkw und 1000 Lkw
(35 m von Ampelkreuzung) |
je Tag 40 im Jahres-
durchschnitt und an über 106 Tagen >50 |
ANKE et al. 2005
|
k. A.
|
-
|
In 1 Stunde: Ab 1228 Pkw
und 142 Lkw (2 % Steigung, 35 m von Ampelkreuzung) |
100
|
[berechnet von
ROSS 2008 aus ANKE et al. 2003] |
1 Mio. bei
Extremverkehr |
GSF 2005
|
In 1 Stunde: 126 Pkw & 4 Lkw
(35 m von Ampelkreuzung), ohne Hintergrundbelastung |
10
|
[berechnet von ROSS
2008 [18] aus ANKE et al. 2003[2]] |
Durchschnitt
unter 9000 |
ROSS 2008
|
Bundesdurchschnitt im Jahr
|
25 (15µg/m3 bei PM2,5)
|
GSF 2005
|
k. A.
|
-
|
ländlich im Jahr
|
10-18
|
GSF 2005
|
6000
|
TSI 2007
|
ländlich nach 10 mm Regen
|
Bis 3
|
[berechnet von ROSS
2008 aus ANKE et al.2003] |
Bis 3000
|
ROSS 2008
|
Südpol für Ruß
|
0,005-0,05
|
GIV 2006
|
k. A.
|
-
|
Intensiv-Rauchen
|
Bis 14.000
|
ROSS 2008
|
Über 30 Mio.
|
[berechnet von
ROSS 2008] |
Dieselmotoren vor Filter
|
Bis 250.000
|
WEIDHOFER 2001
|
10,6 Mio.
|
WEIDHOFER 2001
|
Industrieschornsteine
|
Bis 20.000 (TA Luft)
|
|
k. A.
|
-
|
Schweißen in engen Räumen
|
60.000
Mittelwert der WHO |
BUNDESMINISTERIUM
FÜR ARBEIT 2006 |
Bis 40 Mio.
|
MÖHLMANN 2000
|
Tab. 1: Feinstaub typische Konzentrationen von PM10.
Spalten 2 und 3 sind nur orientierend vergleichbar. PM10 und Partikel sind nicht gleichzeitig gemessen
Abkürzungen: k.A. = keine Angaben, µ = Millionstel, 1 mg = 1000 µg
Feinstaub macht krank
Bei gleicher Masse wirken Ultrafeinstäube (max. 0,1 µm) etwa 2,5x stärker als solche mit 0,09 - 0,2 µm Durchmesser und 8x stärker als PM10 (POTT & ROLLER 2003). Durchschnittlich werden täglich z. B. extrem verkehrsnah beim Erwachsenen jede der etwa 300 Millionen Alveolen von über 1.000 Partikel durchströmt. Davon werden 40 % deponiert (GSF 2005). Die lungenreinigenden Makrophagen sind stetig überreizt. Deren Clearance (Reinigungsfähigkeit) ist gestört (WARDENBACH 2007). Viele Erkrankungen werden dadurch initiiert (Tabelle 2). Die Wirkungen werden bei Älteren (über 50 Jahre), Kindern (unter 15 Jahre) und Immungeschwächten besonders bemerkt. Ultrafeine Partikel erreichen über die Blutbahn auch lungenferne Organe, z. B. das Hirn. Je mehr und je länger die Immunabwehr durch Partikel beansprucht ist, desto schlechter kann sie auch gegen Mikroorganismen ankämpfen. Die Behandlung Feinstaub-Erkrankter kostet je Jahr über 3.000 € (ROSS 2008). Für Deutschland werden jährlich geschätzt z. B. 65.000 vorzeitigeTote, 83 Mio. Tage mit Atemwegserkrankungen (LAHL 2006). Medikamente können Partikel übrigens nicht auflösen.
Erkrankung
|
Zunahme
|
Bemerkung
|
Nachweis
|
Akute Atembeschwerden
|
Ja
|
Auftreten in 10 Min. bei
30.000 Ölofen-Partikel/cm3 bei 3-Jährigem Jungen |
TSI 2007
|
Allergien
|
Ja
|
z.B. Heuschnupfen
|
GSF 2005
|
Arteriosklerose
|
Ja
|
Arterien werden
unelastischer, enger |
GSF 2005
|
Atemwegserkrankungen
|
79 %
|
im 100-m-Bereich stark
befahrener Str. gegenüber weniger belasteter |
ELL 2006
|
Bronchitis
|
Ja: 30 %
|
Bei Schulkindern, wenn
PM10 um 30µg/m3 höher |
GSF 2005
|
Chronische obstruktive
Atemwegserkrankungen (COPD) |
33 %
79 % |
bei Zunahme PM10 um
7µg/m3 im 100-m-Bereich stark befahrener Str. gegenüber weniger belasteten |
ELL 2006
WICHMANN 2008 |
Kardiopulmonale Sterblichkeit
|
95 %
|
Ältere Personen in Niederlande
|
WICHMANN 2008
|
Krebse (auch durch andere
verkehrsverursachten Stoffe) |
3,1 - 16fach
|
Verkehrsbereiche >10.000
zu <500 Kfz/Tag |
UPI 1997
|
Lebenszeitverkürzung
(je 10µg/m3) |
6 Mon. - 1,11 Jahre,
(PM2,5 : 8 Monate) |
1,11 Jahr bei 25jährigem
aus Niederlanden |
AG des BMU 2006
|
Lungenbläschen vernarben
|
Möglich
|
Alveolargewebe wird abgebaut
|
GSF 2005
|
Myocardial-Infarkt
|
(Akut ab 100µg/m3)
|
Ab 1-Stunden-Einwirkung
|
MURAKAMI & ONO 2006
|
Verkalkung Herzkranzgefäße
|
63 %
|
Erwachsene im Ruhrgebiet, wenn
weniger als 50 m von Straße wohnend |
WICHMANN 2008
|
Tab. 2: Höhere Feinstaubmengen bewirken mehr Erkrankungen: eine Übersicht
Minderung und Vermeidung
Es gibt zahlreiche Minderungsmöglichkeiten: als erstes sei hier das Nichtrauchen genannt mit der größten Wirkung auf den Einzelnen.
Ein großer Abstand zur Staubquelle sollte eingehalten werden. Bereits bei 100 m Abstand zur Straße sinkt die Partikelzahl auf 1/3 ab (WICHMANN 2008)). Die in vielen Städten neu eingerichteten Umweltzonen können helfen, wenn sie denn auch entsprechend überwacht und die Ausnahmen gering gehalten werden (WICHMANN 2008). Der reine Durchgangsverkehr von LKWs ab 2,8 t durch Städte sollte generell untersagt werden. Die sog. "Grüne Welle" hilft gegen Stau. Moderne Heizungsanlagen wie Wärmepumpe, Gas- oder Fernheizung statt rußender Feststoffheizung reduzieren die öffentliche Belastung. Die Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften wie Lüftung und Laserdrucker in getrennten Räumen senkt die individuelle Belastung (ROSS 2008). Teppichböden aus Industriefasern und moderne Staubsauger mit mindestens HEPA-10-Filter senken die Partikelzahlen im Wohnraum. Jeder kann darüber hinaus sein Immunsystem erhalten durch Bewegung in staubarmen Gebieten und z.B. Impfungen gegen lungenschädigende Erreger (Grippe, Pneumokokken) usw.
Recht
Zugelassen sind in Deutschland bzw. der Europäischen Union (EU-RL 1999/30/EG usw.) derzeit (ab 01.01.2005) maximal 40 µg/m3 PM10 im Jahresdurchschnitt, an 35 Tagen sind Überschreitungen bis 50 µg/m3 PM10 zugelassen. Geplant waren zunächst ab 01.01.2010 als obere Grenzwerte 20 µg/m3 PM10 mit Überschreitungen bis 50 µg/m3 an 7 Tagen (BMA 2006). Die zunächst geplanten Grenzwerte wurden insbesondere von Kommunalpolitikern als zu niedrig und nicht einhaltbar bezeichnet und letztlich auf EU-Ebene revidiert. Hingegen sind in der Schweiz die niedrigeren künftigen Grenzwerte weitgehend erreicht. Die Immissionswerte sind im übrigen am Ort höchster Exposition einzuhalten (REHBERGER 2006). Bürger können konkrete Maßnahmen einklagen (Urteil des Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, AZ: 7C36/07), was auch der EuGH bestätigt hat. Die bereits oben genannten Umweltzonen sind eine Reaktion hierauf.
Folgerungen
Partikelkonzentrationen sind absenkbar. Dort, wo lokal eine Absenkung Strassen, muss die Eignung dieser Standorte für Wohnzwecke generell in nicht möglich ist, z. B. im Nahbereich von sehr stark befahrenen Frage gestellt werden.
Nachweise
AG des BMU (2006): Immissionsbelastung durch PM10. In: LASKUS et al.: DIN/ KRdL, Feinstaub und Stickstoffdioxid, Beuth, Berlin: 17-68.
ANKE K. et al. (2003): Screeningverfahren zur Auswertung von PM10-Langzeitmessungen. VDI. Gefahrstoffe, Reinhaltung der Luft 63: 201-208.
ANKE K. et al. (2005): Intensität meteorologische Einflussfaktoren auf PM10-Konzentrationen. VDI. Gefahrstoffe, Reinhaltung der Luft 65: 41-48.
BECKERS J. et al. (2005): Großes Netzwerk für kleine Teilchen. Aerosolforschung in der GSF. Neuherberg.
BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT (2006): Bekanntmachung Schweißrauche. Bundesarbeitsblatt 2006-10: 48-50.
ELL R. (2006): Wenn die Straße krank macht. VDI-Nachrichten 29.6.2006: 6.
FRIEDRICH U, KÜHNE M. (2006): Erste Erfahrungen bei der Erstellung von Luftreinhalteplänen. In: LASKUS et al. (Hrsg.): DIN/ KRdL, Feinstaub und Stickstoffdioxid, Beuth. Berlin: 217-229.
GIV GmbH (2006): Innovative Umweltmesstechnik. Breuberg: 1-138
GSF (2005): Großes Netzwerk für kleine Teilchen. Aerosolforschung in der GSF. Neuherberg.
GSF (2007): Kinder, Kranke und Sensible - umweltbezogener Gesundheitsschutz, Seminar am 26.7.2007. Frankfurt.
LAHL U. (2006): Umsetzung der 22. BImSchV. In: LASKUS et al. (Hrsg.): DIN/ KRdL, Feinstaub und Stickstoffdioxid, Beuth, Berlin: 195-211, 17-68.
LOHMEYER et al. (2006): Luftreinhalteplan für Ludwigsburg,
Ingenieurbüro Lohmeyer. Karlsruhe.
MÖHLMANN, C. (2000): Vorkommen UFPs. BIA. St. Augustin.
MURAKAMI, Y., ONO, M. (2006): Myocardial infection deaths afer high level exposure to particulate matter, J. Epid. Com. Health. Vol 60: 262-266.
POTT F., ROLLER M. (2003): Untersuchungen zur Kanzerogenität granulärer Stäube an Ratten. BauA. Dortmund.
REHBERGER E. (2006): Rechtsfragen zu Luftreinhalteplänen. In: LASKUS et al. (Hrsg.): DIN/ KRdL, Feinstaub und Stickstoffdioxid, Beuth, Berlin: 213-216.
RÖDELSPERGER K et al. (2005): Teilchenkonzentrationsmessungen zur Umweltbelastung durch Feinstaub. Gefahrstoffe - RdL 65: 463-467.
ROSS, K.F. (2008): Eigene Messungen, orientierende Berechnungen, Befragung von Betroffenen in Selbsthilfegruppe. Würzburg. 1991-2008, unveröff.
TSI (2007): Fallschilderung 1 Wohnraumuntersuchung. TSI GmbH, www.tsi.com.
UPI(1997): Krebsrisiko durch Feinstaub an Str. Bericht 44, UPI e.V., Heidelberg, www.upi-institut.de
WARDENBACH, P. (2007): Mündliche Mitteilung. BauA. Dortmund. 8.2007.
WEIDHOFER, J. (2001): Untersuchungen zu Dieselmotoremissionen. VDI Gefahrstoffe, Reinhaltung der Luft 61: 441-445.
WICHMANN, H.-E. et al. (2001): Gesundheitliche Wirkungen von Feinstaub, eco- med, Landsberg.
(24) WICHMANN H.-E. (2008): Schützen Umweltzonen ... sind sie unwirksam? Umweltmed ForschPrax 13(1): 7-10.
Kontakt:
Karl F. Ross, Dipl.-Ing. (Univ.)
Assoziierter Beisitzer der DGUHT
Salvatorstr. 2
97074 Würzburg
info@dguht.de
*
Quelle:
umwelt · medizin · gesellschaft Nr. 2/2009, (Juni 2009) S. 163-165
22. Jahrgang
Verlag: UMG Verlagsgesellschaft mbH
Frielinger Str. 31, 28215 Bremen
Chefredaktion (V.i.S.d.P.): Erik Petersen
Tel.: 0421/498 42 51; Fax: 0421/498 42 52
E-Mail: umg-verlag@t-online.de
Internet: www.umwelt-medizin-gesellschaft.de
Erscheinungsweise: vierteljährig
Bezugspreis: Für Mitglieder der Umweltmedizinischen Verbände dbu, DGUHT, DGUZ, IGUMED
und Ökologischer Ärztebund sowie der weiteren beteiligten Verbände
DGMCS und VHUE ist der Bezug der Zeitschrift im Jahresbeitrag enthalten.
Das Abonnement kostet ansonsten jährlich 38,- Euro frei Haus, Ausland 45,- Euro.
Einzelheft: 10,- Euro
veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2009