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DIAGNOSTIK/401: Neuer Mukoviszidose-Test bietet Chance auf frühzeitige Behandlung (idw)


Universitätsklinikum Heidelberg - 16.02.2011

Neuer Mukoviszidose-Test bietet Chance auf frühzeitige Behandlung

- Erfolgreiche Heidelberger Studie zeigt Alternative zur Gendiagnostik
- Dietmar Hopp Stiftung finanziert Projekt mit 330.000 Euro


Je früher die Erbkrankheit Mukoviszidose diagnostiziert und behandelt wird, desto höher sind die Chancen der Betroffenen, eine vergleichsweise hohe Lebensqualität und ein fast normales Lebensalter zu erreichen. Eine Studie am Mukoviszidose-Zentrum Heidelberg (Leiter: Professor Dr. Marcus Mall) zeigt, dass mit Hilfe eines neu entwickelten Screeningtests Mukoviszidose bereits bei Neugeborenen erfolgreich entdeckt werden kann. Die Studie, die seit 2008 bisher mehr als 100.000 Neugeborene aus dem Südwesten Deutschlands umfasst, wird von der Dietmar Hopp Stiftung mit rund 330.000 Euro finanziert.

Der neue Screeningtest ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einem regulären Mukoviszidose-Neugeborenenscreening in Deutschland, das allen Kindern erstmals eine frühzeitige Diagnose und Therapie ermöglichen würde. Der biochemische Test könnte nämlich eine Genanalyse überflüssig machen, die bislang zur endgültigen Diagnose auffälliger Kinder notwendig aber aufgrund der strengen Vorschriften des deutschen Gendiagnostikgesetzes umstritten ist. Dies ist auch der Grund, weshalb es in Deutschland - im Gegensatz zu vielen anderen Ländern - bis heute kein reguläres Neugeborenenscreening auf Mukoviszidose gibt.

Herkömmliche Tests sind aufwändig und rechtlich umstritten

Die Mukoviszidose gehört zu den häufigsten Erbkrankheiten in Deutschland. Jährlich werden etwa 300 bis 400 Kinder mit dieser Erkrankung geboren, die auch Cystische Fibrose (CF) genannt wird. Sie führt zu schweren Funktionsstörungen der Lunge, betrifft jedoch auch andere Organe wie die Bauchspeicheldrüse, den Darm oder die Leber. Bis heute kann die Mukoviszidose nicht geheilt werden. Je früher die Diagnose erfolgt, desto besser können die Patienten jedoch behandelt werden. Starben sie früher meistens noch als Kind, erreichen heute bereits viele Betroffene das vierzigste Lebensjahr.

Bislang ist die Mukoviszidose-Diagnose sehr aufwändig. Im Rahmen des regulären Neugeborenenscreenings auf Stoffwechselerkrankungen kann im selben Blutstropfen untersucht werden, ob der Wert eines bestimmten Eiweißstoffes erhöht ist. Ein erhöhter Wert des immunreaktiven Trypsins, der IRT-Wert, ist allerdings noch nicht spezifisch genug. Die klinisch gesicherte Diagnose einer Mukoviszidose erfolgt erst über einen Schweißtest. Dabei wird nach Stimulation der Haut mit einer schweißauslösenden Substanz der Kochsalzgehalt im Schweiß gemessen, der bei Kindern mit Mukoviszidose deutlich erhöht ist. Der Test wird ergänzt durch die gendiagnostische Suche nach einer Mutation im CFTR-Gen ("Cystis Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator"-Gen), der Ursache einer Mukoviszidose. Aber auch hierdurch können nur 60 bis 70 Prozent der Betroffenen eindeutig identifiziert werden.

In die Kostenerstattung im Rahmen des regulären Neugeborenenscreenings ist diese Diagnoseform bisher noch nicht aufgenommen worden, weil sie sich nicht ohne weiteres mit dem Gendiagnostikgesetz vereinbaren lässt. Hiernach hat ein Patient sowohl ein Recht auf Kenntnis seiner Befunde als auch ein Recht auf Nichtwissen.

Diesen Wunsch kann ein Kind nicht ausdrücken. Außerdem gibt es relativ viele Kinder (etwa eins von 25), die ein gesundes und ein krankes CFTR-Gen aufweisen, also heterozygot sind. Äußerlich sind sie gesund, tragen aber die Anlagen in sich, Mukoviszidose an ihre Nachkommen zu vererben. Auch das würde beim gendiagnostischen Screening entdeckt.

Heidelberger Studie zeigt: Biochemischer Test so erfolgreich wie Gentest

Die Heidelberger Studie sucht im Blut von Kindern mit auffällig hohem IRT-Wert sowohl nach Genmutationen (DNA-Test) als auch nach dem pankreatisassoziierten Protein (PAP-Test), um die Aussagekraft beider Zweittests miteinander zu vergleichen. Das im August 2010 veröffentlichte Zwischenergebnis dieser Studie - in ihm waren bereits 73.759 Neugeborene erfasst - zeigt, dass beide Screeningsequenzen beim Aufspüren einer Mukoviszidose ähnliche Erfolgsraten haben.

In der Studie wurde bisher durch das Screening bei 19 Kindern kurz nach ihrer Geburt eine Mukoviszidose diagnostiziert. Dank frühzeitiger Therapie entwickeln sich die kleinen Patienten gut. Die Behandlung verschafft ihnen eine gute körperliche Konstitution, um sich - zusätzlich zu den notwendigen Therapien - gegen die Lungen-Infektionen, die mit der Mukoviszidose verbunden sind, zu wappnen.

Die Studie leistet nicht nur einen erheblichen Beitrag auf dem Weg zur Einführung eines regulären Mukoviszidose-Neugeborenenscreenings in Deutschland. Sie ist am Mukoviszidose-Zentrum Heidelberg auch ein wichtiger Baustein für die Untersuchung neuer, präventiver Therapiestrategien.


Ansprechpartner:
Professor Dr. Marcus Mall
Leiter der Sektion Pädiatrische Pneumologie und Allergologie
des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin
am Universitätsklinikum Heidelberg
E-Mail: Marcus.Mall@med.uni-heidelberg.de

Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
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Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten und renommiertesten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international bedeutsamen biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung neuer Therapien und ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 10.000 Mitarbeiter und sind aktiv in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 Departments, Kliniken und Fachabteilungen mit ca. 2.000 Betten werden jährlich rund 550.000 Patienten ambulant und stationär behandelt. Derzeit studieren ca. 3.600 angehende Ärzte in Heidelberg; das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland.
www.klinikum.uni-heidelberg.de



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Heidelberg, Dr. Annette Tuffs, 16.02.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Februar 2011