Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) - 18. Mai 2015
Alternativer Drogen- und Suchtbericht: BtMG grundlegend erneuern
Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) verfehlt sein Ziel, Menschen und die Gesellschaft vor den Folgen von Sucht zu schützen, und richtet massive Schäden an. An die Stelle der gescheiterten Verbotspolitik muss endlich eine wirksame staatliche Regulierung treten.
Berlin, 18.5.2015 - Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) ist dringend reformbedürftig. Darauf weisen zivilgesellschaftliche Organisationen und Fachleute aus Wissenschaft und Drogenhilfe im 2. Alternativen Drogen- und Suchtbericht hin, der heute in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Längst ist offenkundig: Verbotspolitik und Repression sind gescheitert. Das BtMG verfehlt nicht nur sein Ziel, Drogenkonsum und dessen schädliche Folgen für Individuen und Gesellschaft zu verhindern, sondern es bringt diese Schäden selbst mit hervor. Prävention, Schadensbegrenzung und Therapie behindert das Gesetz massiv und kostet damit viele Menschen ihre Gesundheit, manche ihr Leben.
"Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel. Wir brauchen jetzt den Schritt vom erfolglosen Verbot zu einer wirkungsvollen Regulierung", sagt Prof. Dr. Heino Stöver, Vorstandsvorsitzender von akzept e.V. und Direktor des Instituts für Suchtforschung der Frankfurt University of Applied Sciences. "Wir wissen längst, welche Maßnahmen wirken. Mit einer staatlich kontrollierten Abgabe von Drogen können wir viele Probleme lösen. Jugend- und Verbraucherschutz würden damit massiv gestärkt."
Strafverfolgung und Repression sind Mittel einer längst gescheiterten Drogenpolitik. Mittlerweile ist erwiesen: Drogenverbote verhindern Drogenkonsum und -handel nicht, sondern verdrängen das Geschehen lediglich ins Verborgene, wo man kaum darauf einwirken kann. Die Strafverfolgung, die im BtMG verankert ist, hat dabei massive schädliche Auswirkungen:
"Die Kollateralschäden der Prohibition sind mittlerweile unübersehbar", sagt Dr. Gerrit Kamphausen, Soziologe und Kriminologe an der Universität Frankfurt. "In seiner aktuellen Form schadet das BtMG statt zu nützen. Es gilt jetzt, die Scheuklappen abzulegen und wissenschaftliche Erkenntnisse in eine wirkungsvolle Drogenpolitik zu übersetzen."
Silke Klumb, Geschäftsführerin der Deutschen AIDS-Hilfe erläutert: "30 Jahre HIV-Prävention zeigen: Nicht Zwang und Strafe führen zu gesundheitsbewusstem Verhalten, sondern Unterstützung und Respekt. Die Zahl der HIV-Infektionen bei Drogenkonsumenten ist enorm zurückgegangen. Doch noch immer nimmt eine restriktive Drogenpolitik sogar vermeidbare Todesfälle in Kauf. Dabei gibt es gut erforschte Alternativen ohne Risiken und Nebenwirkungen. Gute Drogenpolitik nützt allen!"
Marco Jesse, Vorstand vom JES Bundesverband - Junkies, Ehemalige und Substituierte erklärt: "Verfolgung hat noch niemandem geholfen. Sie treibt Menschen nur ins Elend und in die Kriminalität. Wir brauchen individuelle, suchtakzeptierende Hilfsangebote, die Drogen gebrauchende Menschen nicht schwach, sondern stark machen."
Und Maximilian Plenert, ADHS-Patient, sagt: "Seit vielen Jahren kämpfen Patienten dafür, ein wirksames Medikament einnehmen zu dürfen - ohne sich damit zum Straftäter zu machen. Nur 400 Menschen in Deutschland dürfen, wie ich, ihre Präparate legal erwerben. Es ist Zeit, ideologische Barrieren endlich fallen zu lassen und Cannabisprodukte als Medizin anzuerkennen."
Dass das BtMG anachronistisch ist und auf den Prüfstand gehört, ist in Fachkreisen mittlerweile Konsens. "Die strafrechtliche Drogenprohibition ist gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch" - diesen Satz hat in einer Resolution bereits mehr als die Hälfte der deutschen Strafrechtsprofessoren unterschrieben. Auch der Bund deutscher Kriminalbeamter (BDK) will Konsumierende nicht weiter kriminalisieren und das BtMG evaluieren.(Der Vorsitzende André Schulz gehört zu den Autoren des Alternativen Drogen- und Suchtberichts ("Drogenpolitik neu denken!", S.158) Sogar der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU, Joachim Pfeiffer, tritt mittlerweile für eine staatlich regulierte Freigabe von Cannabis ein. International gilt der "War on drugs" schon seit Jahren als gescheitert.
Wo einst Abstinenz oberstes Gebot war, steht in einer zeitgemäßen Drogenpolitik das Ziel an erster Stelle, das Leben der Abhängigen und ihre Gesundheit zu schützen (Prinzip der Schadensminimierung). Dafür gilt es zu akzeptieren, dass manche Menschen Drogen konsumieren. Entsprechende Ergänzungen des Betäubungsmittelgesetzes sind bislang nur Stückwerk, weil Strafe das leitende Prinzip geblieben ist.
Das BtMG muss dringend nach wissenschaftlichen Kriterien neu bewertet werden. Folgende Maßnahmen sollten durch Bund und Länder so schnell wie möglich umgesetzt werden:
Der Alternative Drogen- und Suchtbericht wird seit 2014 jährlich herausgegeben von akzept e.V. - Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik, der Deutschen AIDS-Hilfe und dem Selbsthilfe-Netzwerk JES Bundesverband. Er behandelt ein breites Themenspektrum von Alkohol und Tabak bis Heroin und soll helfen, Irrtümer in der Drogenpolitik zu korrigieren und Erkenntnisse der Sucht- und Präventionsforschung in dauerhaft erfolgreiche Maßnahmen zu übersetzen.
www.alternativer-drogenbericht.de
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in Deutschland.
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Quelle:
Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2015
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