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ERNÄHRUNG/1148: Verbesserungen in der Geflügelschlachthygiene sind erforderlich (BfR)


Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) - März 2012

Verbesserungen in der Geflügelschlachthygiene sind erforderlich

Protokoll eines Sachverständigengesprächs vom 11. Oktober 2011



Geflügelfleisch von Huhn oder Pute stehen beim Verbraucher hoch im Kurs. Verbraucher vertrauen darauf, dass das an den Fleischtheken oder in den Kühlregalen angebotene Geflügelfleisch hygienisch gewonnen und auch frei von krankheitserregenden Keimen ist. Denn Salmonellen und andere Mikroorganismen können beim Menschen zum Teil schwere Krankheiten auslösen. Nicht nur in Deutschland, sondern innerhalb der gesamten Europäischen Union gilt deshalb das Farm-to-Fork-Prinzip: Danach ist es auf allen Stufen der Herstellungs- und Vertriebskette erforderlich, Infektionen von Tieren und Kontaminationen der Schlachttierkörper und Lebensmittel mit solchen für den Menschen gefährlichen Keimen zu vermeiden. Nicht immer sind diese Anstrengungen erfolgreich. Allein in Deutschland wurden in der Vergangenheit rund 90.000 Salmonellen- und Campylobacter-Erkrankungen gemeldet, die zum Teil auch auf kontaminiertes Geflügelfleisch zurückzuführen sind.

Die bisherigen Bemühungen, das Vorkommen von Salmonellen und Campylobacter in den Mastbeständen zu reduzieren, sind vielfältig. Gleichzeitig sind aber auch weitere Verbesserungen im Schlachtprozess erforderlich, um zum Beispiel die Kreuzkontamination von Fleisch mit den beiden Zoonoseerregern zu minimieren oder sogar auszuschließen.

Das BfR hat am 11. Oktober 2011 zu einem Expertengespräch einladen, bei dem nicht nur das Vorkommen und die aktuelle Bedeutung von Zoonoseerreger beim Mastgeflügel, sondern auch der Stand und die Grenzen der Hygiene bei der Geflügelfleischgewinnung einschließlich der Kontrolle und Überwachung der Geflügelfleischhygiene thematisiert wurden. Die kritischen Fragen der Schlachthygiene und die derzeitigen Hygieneprobleme diskutierten Vertreter der für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Behörden, Lebensmittelunternehmer, Schlachtanlagenhersteller und Wissenschaftler aus den Hochschulen.


1 Stellenwert von Geflügelfleisch

Der Stellenwert von Geflügelfleisch am Weltmarkt ist ungebrochen: Chicken Curry, Hühnersuppe, Chicken Nuggets, Hühnerschenkel, Pouletflügel - täglich werden weltweit rund 160.000 Tonnen Huhn gegessen. Im Jahr 2007 wurden weltweit ca. 87 Mio. Tonnen Geflügelfleisch produziert. Die größten Produzenten sind die Vereinigten Staaten, die Volksrepublik China und Brasilien. 82 % des Geflügelfleischs in den USA ist Hühnerfleisch, 17 % Putenfleisch. In der Volksrepublik China sind 71 % des Geflügelfleischs Hühnerfleisch, 15 % Entenfleisch und 14 % Gänse- und Perlhuhnfleisch. In Brasilien sind 97 % des produzierten Geflügelfleisches Hühnerfleisch.

In der EU stammen rund 20 % des verzehrten Fleisches vom Geflügel. Der Trend nach sog. Convenience-Produkten, auch vom Geflügel, ist ungebrochen. Wenn man Verbraucher allerdings danach fragt, wie sie sich gesünder ernähren wollen, so kommt als häufigste Antwort: Viel Obst/Gemüse und Vitamine, abwechslungsreich und wenig Fett und weniger Fleisch essen. Gleichzeitig haben sich die Ansprüche an Geflügelfleisch und Geflügelfleischprodukte und deren Verwendung durch den Verbraucher geändert. Es wird gegenüber früher mehr Frischfleisch am Markt verlangt und verzehrt.

Der Stellenwert von Geflügelfleisch in der öffentlichen Gesundheit lässt sich am Zoonosenbericht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) ablesen: Er beschreibt im fünften Jahr in Folge rückläufige Salmonelleninfektionen bei Menschen. Er zeigt außerdem, dass zwischen 2008 und 2009 die Anzahl der mit Salmonella-Bakterien infizierten Legehennenbestände um 9 % abnahm. Campylobacteriosen waren nach wie vor die am häufigsten gemeldeten zoonotischen Erkrankung beim Menschen; es zeigte sich ein leichter Anstieg auf 198.252 Fälle im Jahr 2009 verglichen mit 190.566 Fällen im Jahr 2008 (+4 %). Bei Lebensmitteln wurden Campylobacter-Bakterien hauptsächlich in rohem Geflügelfleisch nachgewiesen.

Dem Bericht der EFSA zufolge sind die EU-weiten Bekämpfungsmaßnahmen zur Erreichung der Reduktionsziele, die von der Europäischen Kommission festgesetzt wurden, um die Verbreitung von Salmonella-Bakterien in Geflügel, Eiern und Hühnerfleisch zu verringern, wahrscheinlich die Hauptgründe für den bislang erreichten Rückgang der Salmonelleninfektionen bei Menschen. Bereits 2003 hat das BfR mit seinen Empfehlungen zur hygienischen Gewinnung von Geflügelfleisch zur Kontamination von Schlachtkörpern mit Zoonoseerregern (Keimen, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden und zu Erkrankungen führen können) Stellung genommen. Danach stellt die Fleischgewinnung nach wie vor ein zentrales Problem des gesundheitlichen Verbraucherschutzes dar. Das BfR hat 2003 Vorschläge erarbeitet, durch deren Umsetzung das Kontaminationsrisiko bei der Gewinnung von Geflügelfleisch minimiert werden sollte. In den Vorschlägen wurden kritische Hygienepunkte benannt, die sich auf die gesamte Kette der Geflügelfleischgewinnung (Farm-to-Fork-Konzept) beziehen und die sich nicht nur allein auf den Schlachtprozess konzentrieren. Im darauf folgenden Jahr hat das niederländische Reichsinstitut für Volksgesundheit (RIVM) in seinem Report Nr. 250911005/2004 unter dem Titel "Controlling Campylobacter in the chicken meat chain - Towards a decision support model" erneut festgestellt, dass die kritischen Hygienepunkte bei der Geflügelfleischgewinnung bereits seit langem bekannt sind, die Probleme in den Geflügelfleisch-Gewinnungsanlagen allerdings vernachlässigt werden.

Ab Dezember 2011 tritt ein neues mikrobiologisches Lebensmittelsicherheits-Kriterium für Salmonellen in frischem Geflügelfleisch in Kraft. Danach soll das bislang in der Verordnung (EG) Nr. 2160/2003 Anhang II Teil E Punkt 1 enthaltene Kriterium durch den Hinweis auf ein relevantes Kriterium in der Verordnung (EG) Nr. 2073/2005 ersetzt werden. Das Lebensmittelsicherheitskriterium bezieht sich auf die Abwesenheit von S. Typhimurium (S.T.) und S. Enteritidis (S.E.) in 25 g Geflügelfleisch. Um die Einhaltung dieses Kriteriums zu überprüfen, ist die Untersuchung von 5 Proben aus der Halshaut vorgesehen. Bei keiner Probe dürfen Salmonellen nachgewiesen werden. Eine Ausnahme von dieser Regelung soll nach Punkt 3 der Verordnung (EG) Nr. 2160/2003 Anhang II Teil E lediglich für frisches Geflügelfleisch gewährt werden, das für eine industrielle Wärmebehandlung (oder sonstige Behandlung zur Abtötung von Salmonellen) bestimmt ist.


2 Monitoring-Ergebnisse bei Mastgeflügel zum Vorkommen von Salmonellen und Campylobacter

Das BfR stellt aktuelle Monitoring-Ergebnisse aus dem Jahr 2009 bei Mastgeflügel zum Vokommen von Salmonellen und Campylobacter vor. Die Ergebnisse zeigen, dass beide pathogenen Erreger auf allen Stufen der Produktion nachweisbar sind.

Die EU-Richtlinie 2003/99/EG sieht vor, dass regelmäßig repräsentative Daten für die Bewertung der Entwicklungstendenzen von Zoonosen und Zoonoseerregern sowie der Quellen von Erkrankungen des Menschen gesammelt werden. Die Zoonosen-Bekämpfungsverordnung (VO) (EG) Nr. 2160/2003 bildet die Grundlage dafür, dass sukzessive Bekämpfungsprogramme für Salmonellen auf EU-Ebene erlassen werden. Die Ergebnisse hieraus werden wiederum über den jährlichen Zoonosenbericht zusammengestellt und bewertet. Zur Vorbereitung und Bewertung von geeigneten Interventionsmaßnahmen werden daher in Deutschland verschiedene Monitoringaktivitäten (Grundlagenstudien, Überwachungsprogramme, Zoonosen-Monitoring, amtliche Überwachung) durchgeführt und die Ergebnisse zusammengefasst und bewertet.

Für Masthähnchen wurde hierbei gezeigt, dass im Vergleich zu den Ergebnissen der Grundlagenstudie, in der bei 17,5 % der untersuchten Herden Salmonellen in mindestens einer von fünf Kotsammelproben nachgewiesen wurden, im Rahmen des in 2009 begonnenen Bekämpfungsprogrammes nun ein Absinken der Prävalenz von 7,0 % in 2009 auf 4,4 % in 2010 beobachtet werden konnte. Wie bereits in der Grundlagenstudie gezeigt, dominieren bei Masthähnchen andere Serovare als S. Enteritidis und S. Typhimurium. In 2010 waren 0,2 % der untersuchten Masthähnchenherden positiv für diese beiden bekämpfungsrelevanten Serovare. Deutschland hat somit, wie die Mehrzahl der anderen EU-Mitgliedsstaaten, den mit VO (EG) Nr. 646/2007 gesetzten Zielwert erreicht. Für Mastputen kann eine ähnliche Tendenz beobachtet werden. Während in der Grundlagenstudie eine Salmonella-Prävalenz von 10,3 % ermittelt wurde, gelang im Rahmen der Überwachungsmaßnahmen in 2010 zum Bekämpfungsprogramm nach Verordnung (EG) Nr. 584/2008 bei 1,0 % der Mastputenherden ein positiver Salmonella-Nachweis. 0,6 % der Herden waren positiv für die bekämpfungsrelevanten Serovare S. Enteritidis und S. Typhimurium.

Übereinstimmend wird für alle Geflügelarten beobachtet, dass die Prävalenzen im Rahmen der Bekämpfungsprogramme deutlich unterhalb derer während der vorausgegangenen Grundlagenstudien liegen, was nicht nur durch ein vereinfachtes Probenahmeschema erklärt werden kann. Für die beiden bekämpfungsrelevanten Serovare S. Enteritidis und S. Typhimurium konnten die Zielwerte erreicht werden, so dass eine gute Grundlage für weiterführende Reduktionsmaßnahmen entlang der Lebensmittelkette geschaffen wurden. Die Ergebnisse einer weiteren Grundlagenstudie an deutschen Schlachthöfen bei Masthähnchen hatten für Salmonella und Campylobacter gezeigt, dass nach Eintrag des Erregers es zu einer deutlichen Verschleppung auf den Schlachtkörper kommt. Tierkarkassen aus Schlachtchargen, bei denen der Erreger im Blinddarm nachgewiesen wurde, waren deutlich häufiger mit den Erregern belastet als solche aus Chargen ohne Erregernachweis im Blinddarm.

Ergänzend zu den Untersuchungen im Rahmen der Bekämpfungsprogramme und Grundlagenstudien wurden im Rahmen des Zoonosen-Monitorings in 2009 und/oder 2010 Programme zum Vorkommen von Salmonella und Campylobacter entlang der Produktionsketten 'Hähnchenfleisch' und 'Putenfleisch' durchgeführt.

Für Hähnchenfleisch wurde gezeigt, dass beide Erreger bei frischem Fleisch aus dem Einzelhandel nachgewiesen werden können. Während in 2009 für Salmonella eine Prävalenz von 7,6 % ermittelt wurde, war für Campylobacter die Prävalenz bei Hähnchenfleisch mit 47 % positiver Proben sehr hoch. Für Putenfleisch wurde im Jahr 2010, wie vorher bereits für Hähnchenfleisch, gezeigt, dass nach Eintrag der Erreger in die Schlachtkette deutlich häufiger der Erreger auf der Karkasse (Hautproben) nachgewiesen werden kann. Für beide Tierarten kann dann im Vergleich zu den Nachweisraten auf den Hautproben am Schlachthof eine Reduktion der Nachweisraten bei frischem Putenfleisch im Einzelhandel beobachtet werden.

Zusammenfassend machen die verfügbaren Ergebnisse deutlich, dass trotz erfolgreicher Reduktion von Salmonellen in der Primärproduktion immer noch eine Exposition des Verbrauchers mit Salmonellen über Geflügelfleisch erfolgt. Für Salmonella und Campylobacter sind daher weitere Anstrengungen erforderlich, um die Verschleppung der Erreger entlang der Lebensmittelkette und damit die Gefährdung des Verbrauchers zu reduzieren.


3 Vorkommen von Campylobacter spp. beim Geflügel

Das Vorkommen von Campylobacter spp. beim Geflügel ist seit Jahren unverändert und in Deutschland saisonal unterschiedlich. Zu Eigenschaften und Besonderheiten des Campylobacter-Keims und zur Rolle von Campylobacter spp. beim Geflügel berichtet das BfR.

Quelle der Campylobacter-Infektionen des Menschen

Prävalenzdaten zeigen eine signifikante Korrelation des Auftretens von Campylobacter in Masthühnern und der Anzahl gemeldeter Campylobacteriose-Fälle beim Menschen. In zahlreichen Studien wurden Campylobacter-Isolate aus Lebensmitteln, aus der Umwelt und aus Humanproben mittels molekularbiologischer Methoden (MLST, Multi-Lokus Sequenztypisierung) genotypisiert. Die EFSA hat daraufhin abgeschätzt, dass ca. 20-30 % der Campylobacter-Infektionen des Menschen auf den direkten Konsum bzw. der Verarbeitung von Hühnerfleisch und sogar 50-80 % auf die Übertragung des Keims aus dem Reservoir "Huhn" zurückzuführen sind.

Detektion von Campylobacter in der Lebensmittelkette

Campylobacter ist kein besonders stressresistenter Keim und vermehrt sich nicht außerhalb seiner ökologischen Nische, dem Darmtrakt. Außerhalb des Darmtraktes kann Campylobacter in zwei Formen auftreten. Einerseits kommt der Keim in der Stäbchen- bis spiralförmiger vermehrungsfähiger Form vor, die in vitro kultivierbar ist. Andererseits kann sich das Bakterium aktiv in eine sogenannte VBNC-Form (viable but non culturable) umwandeln und nimmt dabei eine runde, kugelähnliche/kokkoide Form an. Die VBNC-Form stellt wahrscheinlich eine Überlebensform außerhalb des Verdauungstraktes dar. Kokkoide Campylobacter, die in vitro nicht wachsen, behalten ihr virulentes Potenzial und können erneut einen Wirt besiedeln. Dieses Verhalten kann eine Erklärung dafür sein, warum es eine Diskrepanz zwischen der Detektierbarkeit von Campylobacter mittels Kultivierungsmethoden aus Proben gibt, in denen der Keim bereits länger außerhalb des Darmtraktes überdauert, und seinem infektiösen Potential.

In den vergangenen Jahren wurden stark schwankende Prävalenzen von Campylobacter in der Primärproduktion festgestellt. Kotproben bzw. Sockenproben lieferten unterschiedliche Ergebnisse, da die Proben länger außerhalb des Darmtraktes lagerten und Campylobacter sich nach Stresseinwirkung nicht mehr kulturell nachweisen lies. Realistische Prävalenzdaten lassen sich daher besser aus Blinddarmproben und frischen Schlachtproben gewinnen.

Reduktion von Campylobacter auf Hähnchenfleisch

Laut eines mathematischen Modells der EFSA kann eine Reduktion der menschlichen Campylobacteriose um 50 % bzw. um 90 % erreicht werden, wenn ein mikrobiologisches Kriterium für Masthähnchen von 1000 bzw. 500 KbE pro g Hautprobe eines Schlachtkörpers erreicht wird. Zur Zeit würden 15 % bzw. 45 % der Schlachtkörper in Europa diese Kriterien nicht erfüllen (in Deutschland liegen die Zahlen in ähnlichen Größenordnungen). Eine quantitative Reduktion von Campylobacter auf Hähnchenfleisch ist daher essentiell. Die EFSA hat 2011 eine Liste von möglichen Reduktionsstrategien auf verschiedenen Ebenen (Primärproduktion, Schlachtprozess, Dekontamination nach dem Schlachten) zusammengestellt. Z.B. kann durch Einfrieren von Hähnchenfleisch für 3 Wochen eine Campylobacter-Reduktion von 2 Zehnerpotenzen erreicht werden. Da die Kontamination von Geflügelfleisch mit Campylobacter eine fäkale Kontamination darstellt, ist ihre Vermeidung besonders wichtig. Ein Fasten der Hühner vor der Schlachtung reduziert die Menge des Darminhaltes und wird derzeit bereits praktiziert. Eine Kontamination der Haut und der Federn durch Transport der Tiere durch Austreten von Kot ist zu berücksichtigen. Allerdings spielt diese Kontamination quantitativ eine deutlich geringere Rolle als das Austreten von Fäkalien beim Rupfprozess, der Darmpaketentnahme und anderer Stationen im Schlachtprozess.

Eine Studie aus dem Jahr 2001 zeigte sehr deutlich den Effekt der Kontamination durch austretende Fäkalien während des Rupfprozesses. Dabei wurde die Kloake einer Gruppe von Hühnern nach der Tötung und des Brühprozesses verschlossen, und Campylobacter-Keime wurde nach dem Rupfprozess auf diesen Tieren und bei Tieren einer Kontrollgruppe quantitativ bestimmt.

Wenn es zukünftig zur Festlegung sog. Process Objectives (PO) für die Campylobacter-Kontamination auf Hühnerkarkassen im Rahmen der Geflügelschlachtung kommen sollte, dann werden bisherige (und auch neue) Schlachttechnologien daran gemessen werden, in welchem Umfang sie fäkalen Kontaminationen Einhalt gebieten können. Dabei könnten auch innovative Strategien, wie z.B. das Umdrehen der Hühner um 180° spätestens nach dem Tötungsprozess möglichst während des gesamten Schlachtprozesses in Erwägung gezogen werden. Ggf. ist ein zusätzlicher mechanischer Verschluss der Kloake während des Rupfprozesses bis zur Darmpaketentnahme nötig, um Kreuzkontamination durch die Rupffinger zu vermeiden. Die bestehende, aber optimierungsbedürftige Technik eines alternativen Sprüh-/Spritzwasserbrühprozesses, bei dem die Hühner nicht in einen gemeinsamen Tank gebrüht werden, sollte ebenfalls als möglicher kontaminationsreduzierender Schritt fortentwickelt werden. Insgesamt besteht großes Potenzial, den Schlachtprozess hygienisch zu verbessern und damit zu einer signifikanten Erhöhung des Verbraucherschutzes zu gelangen.

Der in die Runde eingebrachte Vorschlag aus den Gremien der EU, ob ein quantitatives E. coli-Prozesshygienekriterium als Maß für eine fäkale Verunreinigung sinnvoll wäre, um die Campylobacter-Kontamination von Geflügelfleisch besser kontrollieren zu können, wurde von den Experten positiv kommentiert. Die Hersteller von Geflügelschlachtanlagen sehen die gravierenden Hygieneschwachpunkte, bei denen es zu fäkaler Kontamination kommt, im Brüh- und Rupfprozess sowie bei der Entnahme der Organe.


4 Technischen Regeln und Normen hinsichtlich der Anforderungen an die Geflügelschlachtung und -hygiene

Es existieren zahlreiche technische Regeln und Normen hinsichtlich der Anforderungen an die Geflügelschlachtung und -hygiene. In seiner Zusammenfassung weist das BfR darauf hin, dass es darunter nur wenige Vorgaben existieren, die sich konkret auf eine hygienische Schlachtung zur Vermeidung einer Kontamination von Geflügelfleisch mit Salmonellen und Campylobacter beziehen.

Die allgemeinen rechtlichen Grundlagen zur Einhaltung der Hygiene bei der Geflügelfleischgewinnung auch unter technischen Gesichtspunkten basieren zum einen auf den Verordnungen zum Futtermittel- und Lebensmittelrecht der Europäischen Union (VO (EG) Nr. 178/2002, VO (EG) Nr. 852/2004, VO (EG) Nr. 853/2004, VO (EG) Nr. 854/2004). Neben den gemeinschaftlichen Rechtsgrundlagen existieren nationale rechtliche Regelungen (LMHV, Tier-LMHV, LFGB) mit Bezug auf Hygieneanforderungen bei der Schlachtung und Verarbeitung von Geflügel und Geflügelfleisch. Als Prämisse für die hygienische Gestaltung technischer Einrichtungen aus futter- und lebensmittelrechtlicher Sicht ist die Forderung anzusehen, nur sichere Lebensmittel in Verkehr zu bringen. Hierzu werden allgemeine Vorgaben beispielsweise in Bezug auf die Beschaffenheit und Ausgestaltung von Oberflächen festgelegt. Dazu gehören die Wasserfestigkeit, Korrosionsbeständigkeit und daraus folgend die Möglichkeit einer leichten Reinigung und Desinfektion.

Weitere Rechtsgrundlagen sind bei der Konzeption von Geflügelschlachtanlagen und der Durchführung der Schlachtung und Gewinnung zu beachten: Tierschutzgesetz, VO (EG) Nr. 1/2005 über den Schutz von Tieren beim Transport, Verordnung zum Schutz von Tieren beim Transport und zur Durchführung der VO (EG) Nr. 1/2005 (Tierschutztransportverordnung), VO (EG) Nr. 1099/2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung (ab 01.01. 2013 gültig), Tierschutz-Schlachtverordnung. Hier werden Anforderung an die Ausgestaltung der Haltung und des Transportes von Tieren formuliert und auch Angaben hinsichtlich der Erfordernisse beim Schlachten von Tieren aufgestellt. Zum Beispiel werden im Abschnitt 2 der Tierschutz-Schlachtverordnung Vorschriften über Schlachtbetriebe in Bezug auf Anforderungen an die Ausstattung aufgestellt.

Aber auch die Nebenkreisläufe der Gewinnungsprozesse unterliegen rechtlichen Regelungen:

Dazu gehören die VO (EG) Nr. 1069/2009 über Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und zur Aufhebung der VO (EG) Nr. 1774/2002, das Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz, das Bundes-Immissionsschutzgesetz, die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) und die Richtlinie 2006/42/EG über Maschinen. Hierbei ist die EG-Maschinen-Richtlinie als Basisrichtlinie anzusehen. Die TA Luft enthält dagegen konkrete Angaben zur Gestaltung von Anlagen zum Schlachten von Tieren. Sie gibt z.B. Mindestabstände zur Nachbarbebauungen an oder auch Anforderungen an Dunglagerplätze.

Des Weiteren existieren eine Reihe von Normen und technischen Regeln:

• DIN 18910-1 Wärmeschutz geschlossener Ställe - Wärmedämmung und Lüftung - Teil 1: Planungs- und Berechnungsgrundlagen für geschlossene zwangsbelüftete Ställe
• VDI 3472 Emissionsminderung; Tierhaltung; Hühner
• VDI 2596 Richtlinie Emissionsminderung Schlachtbetriebe
• EN 1672-1 Nahrungsmittelmaschinen - Sicherheits- und Hygieneanforderungen - Allgemeine Gestaltungsleitsätze: Sicherheitsanforderungen (nicht publiziert)
• EN 1672-2 Nahrungsmittelmaschinen - Sicherheits- und Hygieneanforderungen - Allgemeine Gestaltungsleitsätze: Hygieneanforderungen
• EN 12463 Nahrungsmittelmaschinen - Füllmaschinen und Vorsatzmaschinen - Sicherheits- und Hygieneanforderungen

In den Normen für die Tierhaltung und die Lebensmittelindustrie werden durch nationale und internationale Normungsgremien technische Regeln für die Gestaltung entsprechender Einrichtungen und Maschinen aufgestellt. So enthält die Norm EN 1672-2 Gestaltungsleitsätze für Hygieneanforderungen bei der Konstruktion von Nahrungsmittelmaschinen mit einer Aufstellung der signifikanten Gefährdungen, Durchführung einer Hygiene-Risikobeurteilung, Beschreibung der zu verwendenden Konstruktionswerkstoffe sowie der Konstruktion selbst.

In Europa arbeitet die European Hygienic Engineering Design Group (EHEDG) an Richtlinien zum hygienischen Design von Schlachtanlagen. Parallel arbeiteten auch CEN-Gremien am gleichen Thema. Die Erfahrungen mit dieser Arbeitsgruppe sind bislang nicht erfolgversprechend, da die Erarbeitung sehr zeitaufwendig ist (vergleichbar mit der Arbeit an CEN-Vorgaben). Die gleichzeitigen Bemühungen einer CEN-Arbeitsgruppe zu einer Hygienevorschrift für die Geflügelfleischindustrie sind noch nicht zum Abschluss gekommen.


5 Technische Entwicklung zur Erhaltung des Hygienestatus in der Geflügelschlachtung aus Sicht von Herstellerfirmen für Geflügelschlachtanlagen

Aus der nachfolgenden Einschätzung von Herstellerfirmen für Geflügelschlachtanlagen wird deutlich, dass trotz der technischen Weiterentwicklung im Geflügelschlachtanlagenbau bislang nur wenige hygienische Fortschritte zur Vermeidung ein Kontamination des Fleisches z.B. mit Salmonellen und Campylobacter an den kritischen Punkten wie Brühen, Rupfen und Ausnehmen in der Praxis erfolgt sind.

Stetig sinkende Salmonellose-Fallzahlen beim Menschen in den vergangenen Jahren zeigen, dass insbesondere die in der Primärproduktion getroffenen Maßnahmen vermutlich eine erfolgreiche Kontrolle für Salmonellen ermöglichen. Die gleichen Maßnahmen scheinen allerdings bei der Campylobacter-Bekämpfung weniger erfolgreich zu sein: Im Gegensatz zu den sinkenden humanen Salmonellosefällen stagnieren die Fallzahlen für Campylobacter beim Menschen. Maßnahmen in der Primärproduktion sind hier nur beschränkt effektiv, deshalb kommt insbesondere dem Schlachthof eine hohe Bedeutung zu. Kontrollmaßnahmen leiten sich aus den räumlichen und technischen Voraussetzungen ab, der guten Hygienepraxis und den Prinzipien des HACCP-Konzeptes. Bestehende Kontrollmaßnahmen haben aber auch ihre Grenzen. So steht der physikalischen Dekontamination durch Tiefkühlung oder heißes Wasser die Nachfrage des Verbrauchers nach frischen Produkten sowie die Auswirkungen auf die Qualität gegenüber. Eine chemische Dekontamination von Geflügel ist weder von der EFSA genehmigt, noch vom Verbraucher akzeptiert. Für die Geflügelschlachthygiene sind deshalb präventive Maßnahmen essentiell. Diese richten sich vor allem gegen die "alltägliche Kontamination" sowie gegen die Kontaminierung im Laufe eines Prozesses. Die "alltägliche Kontamination" kann z.B. durch effektive Reinigung und Desinfektion der gesamten Anlage am Ende des Produktionstages vermieden werden. Dabei ist beispielsweise die Erhitzung/Pasteurisierbarkeit des Brühsystems oder die Reinigungsfähigkeit der Rupfscheiben zu gewährleisten.

Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass die Bakterien mit dem Geflügel auf der Haut, den Federn und im Magen-Darm-Trakt in den Schlachthof gelangen. Wissenschaftler haben durch das Abdichten der Kloake vor der Elektrobetäubung eine sinkende Campylobacter-Zahl auf der Karkasse erreicht, da eine Leckage von Fäkalien während des Rupfens verhindert werden konnte.

Dänischen Forschungsergebnissen zufolge (Rosenquist 2006) schwankt die Campylobacter-Zahl während der Geflügelschlachtung. Am Ende des Schlachtprozesses werden in der Regel weniger Campylobacter-Bakterien als z.B. unmittelbar nach dem Ausnehmen nachgewiesen.

Um eine Reduktion der Keimzahlen an Salmonellen und Campylobacter während der Geflügelschlachtung zu erreichen, wurden verschiedene Maßnahmen erforscht. Dazu gehört z.B., das ein Hersteller von Geflügelschlachtanlagen bereits am Anfang des Schlachtprozesses eine Verringerung der fäkalen Kontamination mit Campylobacter zu erreichen. Die eingesetzte Technik mithilfe eines sog. Preventers erlaubt den kontrollierten Austritt von Fäkalien aus der Kloake und dem Enddarm des Geflügels vor dem Eintritt in das Brühwasser. Andere Forschungsmaßnahmen in der Vergangenheit verfolgten den Ansatz eines gleichzeitigen Brühens und Rupfens. Dieses Konzept wurde bereits 1974 im niederländischen ID DLO-Forschungsinstitut "Het Spelderholt" untersucht. Es konnte sich aber nicht in der Praxis durchsetzen. Das Verfahren ist zwar effektiv gegen Keime, aber die hohen benötigen Temperaturen (> 70°C) verändern die Haut-Eigenschaften (Epidermis) des Geflügels derart, dass es sich nicht mehr um frisches Fleisch handelt. Als eine weitere präventive Maßnahme sollte das Geflügel nicht bis unmittelbar vor dem Transport zur Schlachtung gefüttert werden. Wenn der Zeitraum zwischen Fütterung und Schlachtung zu kurz ist, kommt es erfahrungsgemäß zu einem Anstieg von Hygienemängeln bei der Schlachtung. Denn aufgrund eines hohen Füllungszustandes des Magen-Darm-Paketes nimmt das Risiko des Zerreißens während des Ausnehmens zu. Ein zu langer Futterentzug vor der Schlachtung ist allerdings nicht nur aus Gründen des Tierschutzes unerwünscht. Bleibt die Fütterung lange vor der Schlachtung aus, so ist die Gewichtszunahme am Mastende reduziert. Es sind auch erhöhte Keimgehalte u.a. von Campylobacter in Kropf und im Magen-Darm-Trakt nachgewiesen worden. Um das Reißen des Kropfes und das Entleeren des Kropfinhaltes auf das Fleisch am Ende der Schlachtung zu vermeiden, sollte der Kopf mit einem Schnitt abgesetzt werden.

Zur Sicherstellung eines hohen Hygienestatus in der Geflügelschlachtung ist die Kombination mehrerer Maßnahmen im Rahmen der sog. Hürden-Strategie erforderlich. Technische Maßnahmen an Geflügelschlachtanlagen sollten sich daher gleichzeitig eine Reduzierung, Vermeidung und Beseitigung der mikrobiologischen Kontamination einbeziehen. Dies gilt insbesondere für den Austritt von Fäkalien während der Schlachtung, der Vermeidung von Kreuzkontaminationen durch Fäkalien zwischen Karkassen aber auch für die Reinigungsfähigkeit der Schlachteinrichtungen.


6 Beeinflussung des mikrobiellen Status im Endprodukt Geflügelfleisch durch verschiedene Maßnahmen während des Schlachtprozesses

Aus Sicht der Herstellerfirmen für Geflügelschlachtanlagen kann der mikrobielle Status im Endprodukt Geflügelfleisch durch verschiedene technologische Maßnahmen während des Schlachtprozesses beeinflusst werden.

Dazu zählen das Reduzieren/Inaktivieren der vorhandenen Flora, die Reduzierung der Kontamination durch effektive Reinigung und Trocknen der Anlagen, Prozessoptimierung und Begrenzung von menschlichem Kontakt sowie Maßnahmen, die das bakterielle Wachstum verzögern. Dabei ist es von großer Bedeutung, wie und an welchen Flächen sich Mikroorganismen anheften können. Die Bindung der Bakterien an Oberflächen und an die Schlachtkörper wird durch kalte, trockene Bedingungen und durch den Erhalt eines beständigen Wasserfilms auf Fleischoberflächen verlangsamt. Sobald die Geflügelhaut/-oberfläche trocknet, heften sich Bakterien unwiderruflich an die Fleischoberfläche. Das Anhaften der Bakterien hängt zudem von ihrer Konzentration der Bakterien in der Lösung sowie ihrem Haftungsvermögen ab, welches z. B. durch die Oberflächeneigenschaften des Produktes, der Bakterienart, das Vorhandensein bakterieller Adhäsionsfaktoren oder auch die Umgebungsbedingungen wie pH und Temperatur definiert wird. Offenbar sind aber nicht alle Maßnahmen, die für eine Reduktion/Inaktivierung von Salmonella geeignet sind, auch gleichermaßen gegenüber Campylobacter wirksam.

Der Kontaminationsgrad von pathogenen Bakterien kann im Schlachtbetrieb und auf dem Produkt quantitativ in Abhängigkeit von der Ausgangsflora und von der Prozessqualität beeinflusst werden. Es besteht jedoch noch Forschungsbedarf hinsichtlich der Mechanismen der bakteriellen Anhaftung und der Wachstumsphase der Bakterien während des Schlachtprozesses auf dem Geflügelfleisch. Für Campylobacter fehlen bislang effektive Interventionsmöglichkeiten, um vorgegebene Kontaminations-Grenzwerte auch einhalten zu können.

Zusammenfassend läst sich feststellen, dass ein hygienisches
Schlachtergebnis nur dann erreicht werden kann, wenn

1) es durch Maßnahmen im Mastbetrieb (niedrige Prävalenz mit Pathogenen, wie z.B. Salmonellen und Campylobacter-Bakterien) zu keiner Kontamination von Einrichtungen und Geräte im Schlachtbetrieb kommt und

2) durch Maßnahmen im Schlachtbetrieb (Verhinderung/Minimierung der Kontamination von Einrichtungen und Gegenstände in einer Geflügelschlachtanlage) eine weitere Verbreitung von Mikroorganismen reduziert wird.

Eine getrennte Strategie, in Geflügelschlachtanlagen nur die Kontamination auf Produktionsflächen zu minimieren, erscheint nicht ausreichend.


7 Möglichkeiten des Lebensmittelunternehmers, seiner Verantwortung bei der Geflügelschlachtung für ein sicheres Lebensmittel gerecht zu werden

Der Lebensmittelunternehmer ist Anwender einer Schlachtanlage. Aus seiner Sicht gibt es verschiedene Möglichkeiten, beim gegenwärtigen Stand der Schlachttechnik seiner Verantwortung bei der Geflügelschlachtung für ein sicheres Lebensmittel gerecht zu werden.

Neben den eigentlich selbstverständlichen Grundsätzen der Raum- und Personalhygiene können durch den Lebensmittelunternehmer verschiedene Maßnahmen umgesetzt werden, um die Einschleppung von pathogenen Erregern in die Schlachtung zu vermindern. Dazu zählt die Nüchterung der Tiere von über 8 Stunden vor der Schlachtung, da zu volle Därme zu vermehrten Darmzerreißungen im Schlachtprozess führen und zusätzlich Kontaminationen durch stark verkotete Transportkisten auftreten. Die "hygienische Leistungsfähigkeit" der Schlachtanlagen wird ebenfalls durch die Gewichtsstreuung und Größenstreuung der Tiere beeinflusst. Sinnvoll ist daher die Schlachtung verschiedener Gewichtsklassen zu unterschiedlichen Zeiten, um die Schlachtgeräte entsprechend der Größe der Tiere zu justieren.

Gewichtsmäßig ausgewachsene Herden sollten getrennt von Herden mit kleineren geschlachtet werden. Wünschenswert wäre eine Möglichkeit der Vorselektion unterschiedlich großer Tiere vor dem Ausnehmeprozess, wie sie im Zerlegebereich bereits technisch möglich ist. Weiterhin sollten die Linien- bzw. Schlachtgeschwindigkeiten der Spezifikation der Schlachtanlage angepasst sein, da ansonsten vermehrt Maschinenschäden und Verschmutzungen zu befürchten sind. Beim Spülen bzw. Waschen der Tierkörper nach den relevanten Verarbeitungsschritten im Rupf- und Ausnehmebereich verhindert ein kontinuierlicher Wasserfilm vom Rupfen bis zur Kühlung das Anhaften von Keimen. Bei einer der letzten Begehungen von Geflügelschlachtbetrieben durch Sachverständige der EU (Food and Veterinary Office, Dublin; FVO) wurde das Spülen oder Besprühen der Tierkörper nach dem Ausnehmen jedoch kritisch gesehen, da durch ein Waschen der Tiere vor der Fleischuntersuchung mögliche Befunde während der Fleischuntersuchung nicht mehr erhoben werden können.

Die Dekontamination der Tierkörper, wie sie in einigen (Dritt-)Staaten mit organischen Säuren, Chlor, Trinatriumphosphat u. a. durchgeführt wird, kann pathogene Erreger reduzieren, ist aber in der EU derzeit nicht erlaubt.

Die logistische Schlachtung salmonelleninfizierter und nicht infizierter Herden erwies sich in Bezug auf die Reduktion der Salmonellen als effektiv, gestaltet sich aber bei gleichzeitiger Berücksichtigung mehrerer pathogener Erreger (z.B. Salmonellen und Campylobacter) als sehr komplex. Ungelöst ist nach wie vor das Problem von hartnäckigen Keimen, die an schwer zugänglichen Stellen im Schlachtraum und an/in Schlachteinrichtungen persistieren, die trotz Reinigung und Desinfektion in ihren Nischen überleben.

Der Einsatz von Dampfbrühern konnte die allgemeine Keimbelastung des Fleisches (im Vergleich zur Tauchbrühung) herabsetzen, da die Keime im Gegensatz zum Brühkesselverfahren nicht mehr mit dem Brühwasser in die Tiefe der Haut eindringen können. Aufgrund der Brüh- und Rupfmängel hat sich das Verfahren bislang aber nicht durchsetzen können. Die Ultraschall-Dampfbehandlung nach dem Ausnehmen geht ebenfalls mit sensorischen Veränderungen der Hautoberfläche einher, die vom Verbraucher nicht akzeptiert werden. Die Idee einer Innereienabsaugung statt des bisherigen Ausnehmeprozesses könnte die Kontaminationsrate von Geflügelfleisch signifikant verbessern. Bislang stehen dem Einsatz aber fleischhygienerechtliche Anforderungen gegenüber, da die inneren Organe dann nicht mehr für die Fleischuntersuchung zur Verfügung stehen.


8 Möglichkeiten und Grenzen der amtlichen Geflügelfleischuntersuchung

Für die amtliche Geflügelfleischuntersuchung sind die hygienischen Möglichkeiten und Grenzen eng mit den technischen Gegebenheiten der Geflügelschlachtung verknüpft. Aus der Praxis der amtlichen Untersuchungstätigkeit stellt sich eine hygienische Schlachtung wie folgt dar.

Die Verordnung (EG) Nr. 854/2004 gibt folgende Vorgaben: die Fleischuntersuchung hat unverzüglich nach der Schlachtung zu erfolgen, alle Oberflächen sind zu begutachten und optional können der Tierkörper und die Organe durchtastet und angeschnitten werden. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf das Erkennen von Zoonosen und Krankheiten aus der Liste des Internationalen Tierseuchenamtes (OIE).

Unter bestimmten Voraussetzungen erscheint eine ständige Präsenz des amtlichen Tierarztes am Schlachtband nicht erforderlich: So kann in diesen Fällen stattdessen eine stichprobenweise Untersuchung genusstauglicher und -untauglicher Tierkörper und Tierkörperteile durch den amtlichen Tierarzt erfolgen, wenn durch den amtlichen Fachassistenten die Dokumentation aller Befunde am Schlachtband erfolgt.

Die Bandgeschwindigkeit und verfügbares Personal müssen aufeinander abgestimmt sein: Die Mindestuntersuchungszeit pro Hähnchen liegt im Sekundenbereich. Mit betriebseigenen Maßnahmen kann durch Vorsortierung die Mindestuntersuchungszeit unter Beachtung physiologischer Wahrnehmungsgrenzen weiter reduziert werden. Voraussetzungen bei der Organisation sind Rahmenbedingungen, wie gute Sicht- und Lichtverhältnisse, technische Hilfsmittel wie Kameras und eine arbeitsteilige Fleischuntersuchung.

Die amtliche Geflügelfleischuntersuchung erfolgt überwiegend visuell und erkennt in der Hauptsache substantielle Mängel. Für den Schutz des Verbrauchers ist sie nach wie vor von großer Bedeutung und ist bei optimaler Gestaltung effizient. Sie erlaubt durchaus Erkrankungen, wie z.B. die Tiefe Dermatitis oder Aszitis beim Mastgeflügel zu erkennen und auszusortieren. Die Grenzen dieser Untersuchung zeigen sich allerdings beim Erkennen von Zoonosen ohne eine spezifische Pathognomie.

Die Fleischuntersuchung gibt Aufschluss über pathologisch-anatomische Veränderungen, die jedoch nicht immer auf klar definierte Erkrankungen zurückgeführt werden können und deren mögliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit nicht in allen Fällen deutlich sind.

Die EFSA arbeitet derzeit an einer Stellungnahme zur Bedeutung der Fleischuntersuchung beim Mastgeflügel, um die erhobenen Befunde, die Befundmöglichkeiten und die möglichen Risiken für die Gesundheit des Menschen zu bewerten.


9 Zusammenfassung

Zusammenfassend bewerteten die Teilnehmer des Expertengespräches die aktuelle Situation wie folgt:

1) Es besteht das grundsätzliche Bemühen der Lebensmittelunternehmer, den Eintrag von pathogenen Mikroorganismen in die Schlachtung und auf das Geflügelfleisch zu minimieren.

2) In der Primärproduktion wurden umfangreiche Maßnahmen zur Reduktion des Vorkommens von Salmonellen umgesetzt. Diese Strategien müssen fortgesetzt und verstärkt werden.

3) Es zeigte sich bislang, dass zwar eine deutliche Reduktion von Pathogenen wie Campylobacter und Salmonellen im Schlachtbetrieb möglich ist, aber keine Eliminierung im Schlachtbetrieb erreicht werden kann.

4) Auch aufgrund der hohen volkswirtschaftlichen Kosten durch geflügelfleischbedingte Infektionen des Menschen ist eine Optimierung der Prozesshygiene in der Schlachtindustrie anzustreben.

5) Die Bekämpfungsmaßnahmen haben in Bezug auf Salmonella sehr viel zur Reduktion beigetragen, bei Campylobacter steht man aber noch am Anfang. Dringender Handlungsbedarf ist hier erforderlich.

6) Rechtliche Vorgaben können die Umsetzung von Maßnahmen zur Reduktion von Pathogenen unterstützen, da klare Vorgaben (möglichst europaweit, wie z.B. bei der Bekämpfung von Salmonellen) dem Lebensmittelunternehmer eindeutige mikrobiologische Zielvorgaben für Geflügelfleisch geben würden.

7) Für die Bekämpfung von Campylobacter ist eine verbesserte quantitative und schnelle Diagnostik und eine Detektion der als "Viable but non culturable" (VBNC) bezeichnete Formen erforderlich.

8) Die Verbraucheraufklärung im Umgang mit Geflügelfleisch muss verbessert werden.

9) Die Einhaltung von quantitativen Campylobacter-Kriterien bei der Geflügelfleischgewinnung kann mit neuen Bekämpfungsstrategien (z.B. mit Bakteriophagen, Probiotika oder Dekontaminationsmaßnahmen) verknüpft werden.

10) Bislang fehlen Erkenntnisse, welche Auswirkungen das ab dem Dezember 2011 geltende neue Kriterium "Abwesenheit von Salmonella Typhimurium und Salmonella Enteritidis in 25 g" gemäß VO (EG) Nr. 2073/2005 für Geflügelfleisch hat.

11) Die erfolgreiche Bekämpfung von Salmonellen und Campylobacter kann nur gelingen, wenn alle Glieder der Lebensmittelkette zusammenarbeiten: Dies gilt für die Mäster, die Schlachtbetriebe und für die Verbraucher.

12) Eine wichtige Voraussetzung für eine geringere Kontamination von Geflügelfleisch während der Schlachtung ist eine geeignete Reinigung und Desinfektion auf "vereinfachten Oberflächen" bei der Fleischgewinnung, die Bakterien weniger Möglichkeit geben, sich den Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen zu entziehen.

13) Lebensmittelunternehmer und Firmen benötigen klare hygienische Vorgaben für die Einrichtung von Geflügelschlachtanlagen und deren Konstruktion unter hygienischen Vorgaben.

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2012