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ETHIK/1218: Empfehlungen - Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung (Infobrief - Deutscher Ethikrat)


Infobrief des Deutschen Ethikrates Nr. 19 - Juli 2016 - 02/16

Empfehlungen
Embryospende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung


1. Gesetzliche Festlegung der Elternschaft

a) Abgabe und Übernahme der Elternrechte und -pflichten sollten gesetzlich klar und jeweils dauerhaft geregelt werden. Wenn beide Spenderelternteile eingewilligt haben, einen Embryo für den Transfer auf eine andere Frau freizugeben, damit das annehmende Paar die elterliche Verantwortung auf Dauer übernehmen kann, sollte umgekehrt das Spenderpaar im Falle des Embryotransfers dauerhaft keine Elternrechte und -pflichten mehr haben. Entsprechend sollte dem Empfängerpaar mit dem Zeitpunkt des Embryotransfers die rechtliche Elternschaft übertragen werden.

b) Ist ein zur Spende vorgesehener Embryo durch eine heterologe Samenspende entstanden, sollte er nur dann für eine Embryospende infrage kommen, wenn der Samenspender wirksam auf die Vaterrechte verzichtet hat.

c) Eine Embryoadoption sollte in der Regel nur dann erfolgen, wenn zwei Elternteile die rechtliche Verantwortung übernehmen. Alleinstehende Frauen sollten jedoch nicht von vornherein von einer Embryoadoption ausgeschlossen werden.

d) Nach Auffassung der Mehrheit des Deutschen Ethikrates sollte das Empfängerpaar grundsätzlich entweder verheiratet oder in einer rechtlichen Partnerschaft verbunden sein. Eine Minderheit hält eine rechtliche Verbindung für entbehrlich. Einige Mitglieder sind der Meinung, dass die Embryoadoption nur verheirateten Paaren offenstehen sollte.

e) Weitere gesetzliche Regelungen sollten vornehmlich das Ziel verfolgen, die Stabilität der neuen Verantwortungsbeziehungen zu sichern. Dem dient der Ausschluss von Anfechtungsmöglichkeiten der Spendereltern wie der Empfängereltern. Auch das Kind sollte kein Recht haben, die Elternschaft der Empfängereltern anzufechten. Bei einer gesetzlichen Festlegung der Elternrollen bedarf es keines Anfechtungsrechtes des Kindes mehr.


2. Embryospende/Embryoadoption als staatlich geregeltes Verfahren

a) Es sollten nur überzählige Embryonen gespendet werden dürfen, das heißt solche Embryonen, die für die fortpflanzungsmedizinische Behandlung des Paares, für das sie erzeugt wurden, endgültig nicht mehr verwendet werden können.

b) Es ist die Einwilligung beider Elternteile erforderlich, die in die ursprüngliche In-vitro-Fertilisation eingewilligt haben. Nach dem Tod eines Elternteils genügt die Einwilligung des noch lebenden Elternteils, sofern der andere Elternteil nicht zu Lebzeiten einer Embryospende widersprochen hat.

c) Aufklärung und Beratung sollten sowohl bei den Spender- als auch bei den Wunsch- bzw. Empfängereltern medizinische, rechtliche und psychosoziale Aspekte der Embryospende und Embryoadoption umfassen. Das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung ist dabei ausdrücklich zu berücksichtigen.

d) Die Zusammenarbeit des fortpflanzungsmedizinischen Zentrums mit einer unabhängigen psychosozialen Beratungsstelle sollte verpflichtend sein. Diese Institutionen sollen die Spendereltern sowie die Wunsch- bzw. Empfängereltern beratend bei der Entscheidungsfindung, bei der Durchführung und auch nach der Geburt eines Kindes psychosozial begleiten.

e) Ist der Embryo ursprünglich mittels einer heterologen Samenspende gezeugt worden, sollten die Wunscheltern darüber aufgeklärt werden.

f) Es sollten entsprechend den Wünschen von sowohl Spender- als auch Wunscheltern zwei Verfahren möglich sein:
i. Spender- und Wunscheltern lernen einander persönlich kennen (offenes Verfahren),
ii. Spender- und Wunscheltern bleiben füreinander anonym.

g) Es sollte eine zentrale Einrichtung wie etwa das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben damit betraut werden, die Zuordnung von Spender- und Wunscheltern nach ausgewiesenen Kriterien vorzunehmen und zu dokumentieren. Die Kriterien sind am Wohl des Kindes auszurichten. In diesem Rahmen kann zunächst auch eine phänotypische Passung berücksichtigt werden. Es sollten angelehnt an die geltende Adoptionspraxis Wünsche der Spendereltern berücksichtigt werden können. Sollte danach noch eine Priorisierung notwendig sein, sollten unfruchtbare, kinderlose Paare bevorzugt werden.

h) Die erwähnte Einrichtung sollte auch die Zahl der zur Spende/Adoption freigegebenen Embryonen, die Zahl der Embryotransfers und der transferierten Embryonen sowie die Zahl der Schwangerschaften und Geburten dokumentieren. Sie sollte dabei mit dem Deutschen IVF-Register kooperieren.

i) Den Spendereltern sollte auf Antrag Auskunft darüber erteilt werden, ob ein Kind aus ihrer Spende hervorgegangen ist.


3. Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung

Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung ist zu gewährleisten. Dies sollte durch die folgenden organisatorischen und prozeduralen Regelungen sichergestellt werden. Darüber hinaus sollten die Empfängereltern das Kind unter Berücksichtigung seines Wohls frühzeitig und altersgemäß informieren, dass es aus einer Embryospende/Embryoadoption hervorgegangen ist.

a) Jeder muss ab Vollendung des 16. Lebensjahres das Recht haben, bei der zentralen Dokumentationsstelle (siehe 2g) Auskunft zu erhalten, ob und welche Informationen zu seiner genetischen Herkunft vorhanden sind. Eine Begründung ist dafür nicht erforderlich. Das Recht erstreckt sich sowohl auf die Kenntnis der genetischen Mutter als auch des genetischen Vaters und besteht unabhängig von einer Anfechtung der Vaterschaft. Vor Vollendung des 16. Lebensjahres ist die Auskunft auf Antrag dem gesetzlichen Vertreter mitzuteilen, wenn dies dem Wohl des betroffenen Kindes dient. Im Zweifelsfall sollte das Familiengericht entscheiden.

b) Ein Auskunftsrecht sollte auch bezüglich der Existenz genetischer Geschwister bestehen, sofern diese der Dokumentationsstelle bekannt sind.

c) Jede Einrichtung, die eine fortpflanzungsmedizinische Behandlung unter Verwendung einer Embryospende vornimmt, sollte verpflichtet werden, der zentralen Dokumentationsstelle die Identität der Personen, von denen die Keimzellen für die Zeugung des gespendeten Embryos stammen, und der Empfängereltern mit allen für ihre spätere Identifikation erforderlichen Angaben sowie nach der Geburt die Geburtsurkunde des aus der Embryospende hervorgegangenen Kindes zu übermitteln.

d) Die Eltern des nach Embryoadoption geborenen Kindes müssen der Einrichtung, die die fortpflanzungsmedizinische Behandlung vorgenommen hat, die Geburtsurkunde des Kindes übermitteln.

e) Der Gesetzgeber sollte durch sanktionsbewehrte Vorschriften sicherstellen, dass das Recht auf Kenntnis der Abstammung durch einen im Ausland durchgeführten Embryotransfer nicht vereitelt wird.

f) Die Spender- sowie die Empfängerpaare sollten vor der Spende bzw. vor der Übertragung über die Übermittlung ihrer Daten an die zentrale Dokumentationsstelle, die Speicherung der Daten und das Recht des Kindes und seines gesetzlichen Vertreters auf Einsicht in diese Daten aufgeklärt werden.

g) Die Dauer der Aufbewahrung sollte wie in § 5 des
Personenstandsgesetzes auf 110 Jahre festgesetzt werden.

h) Ein nach Embryoadoption geborenes Kind sollte einen Anspruch gegen die dokumentierten Spendereltern auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der Abstammung haben, sofern begründete Zweifel bestehen.

i) Die Verschwiegenheits- und Datenschutzverpflichtungen der Gewebeeinrichtungen sollten klar geregelt werden.


4. Dreierregel

Die sogenannte Dreierregel sollte gesetzlich klargestellt werden. 14 Mitglieder des Deutschen Ethikrates empfehlen eine Klarstellung im Sinne der strikten Auslegung, 12 Ratsmitglieder im Sinne der erweiterten Auslegung.


QUELLE

Die Stellungnahme ist online abrufbar unter
http://www.ethikrat.org/publikationen/stellungnahmen/stellungnahme-embryospende-embryoadoption-und-elterliche-verantwortung

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Quelle:
Infobrief Nr. 19 - Juli 2016 - 02/16, Seite 3 - 4
Informationen und Nachrichten aus dem Deutschen Ethikrat
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Internet: www.ethikrat.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2016

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