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FORSCHUNG/3390: Herzrhythmusstörungen am Fadenwurm studieren (idw)


Goethe-Universität Frankfurt am Main - 24.09.2015

Herzrhythmusstörungen am Fadenwurm studieren


Ein einfaches Modell, mit dem man Substanzen zur Behandlung genetisch bedingter Herzrhythmusstörungen testen könnte, haben Forscher der Goethe-Universität in dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans erzeugt. Dazu verwendeten sie das Fressorgan des Tieres: eine rhythmisch aktive Muskelpumpe, die den Muskelzellen des Säugerherzens ähnelt. Dies könnte ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer individuellen Therapie sein.

FRANKFURT. Herzrhythmusstörungen sind oftmals genetischen Ursprungs. Bei Patienten mit der gleichen Form von Arrhythmie lässt sich oft auch die gleiche Mutation nachweisen lässt. Doch ist nicht von vornherein klar, ob andere Mutationen in demselben Gen gleiche Auswirkungen haben. Je nach Art der Mutation können die Ausprägungen der Arrhythmien auch unterschiedlich sein. Für die Therapie könnte dieses Wissen durchaus von Bedeutung sein. Denn ein Medikament, das bei einer bestimmten Mutation besonders gut wirkt, könnte bei einer anderen weniger hilfreich sein. Forscher wünschen sich deshalb schon länger ein einfaches Modell, in dem man bestimmte genetische Defekte erzeugen und die Wirksamkeit von Substanzen testen kann.

Die Forschergruppe um Alexander Gottschalk vom Institut für Biochemie der Goethe-Universität verwendete den Fadenwurm Caenorhabditis elegans, weil er sehr einfach genetisch veränderbar ist. Das Fressorgan des Tieres ist eine rhythmisch aktive Muskelpumpe, die ähnliche Ionenkanäle verwendet, wie die Muskelzellen des Säugerherzens. Ionenkanäle spielen für die Reizleitung im Herzmuskel eine wichtige Rolle und oft führen Mutationen in deren Genen zu Arrhythmien.

Da das Fressorgan, der Pharynx, natürlicherweise nicht so regelmäßig pumpt wie es notwendig wäre, um Arrhythmien erkennen zu können, verwendeten die Forscher optogenetische Methoden. Sie brachten mit Licht steuerbare Ionenkanäle auf genetischem Weg in die Muskelzellen des Pharynx ein. So lässt sich das Organ, angetrieben von Licht, in eine regelmäßig arbeitende Pumpe verwandeln. Dann brachten sie verschiedene Mutationen eines Ionenkanals ein, die beim Menschen für das sogenannte Timothy-Syndrom (LQT8) verantwortlich sind. Tatsächlich zeigte der mutierte Pharynx nun abweichendes Pumpverhalten.

"Mit einer bereits bekannten pharmakologisch wirksamen Substanz , die in abgewandelter Form bei Timothy-Syndrom verabreicht wird, konnten wir diese Arrhythmieeffekte verbessern beziehungsweise umkehren", erklärt Prof. Alexander Gottschalk. Sein Ziel ist es, im Wurm nach neuen Wirkstoffen für weitere Arrhythmiesorten zu suchen. Eventuell wäre dies sogar patientenspezifisch möglich, wenn man die genaue Mutation auf den Wurm überträgt. Die leichte genetische Manipulierbarkeit des Fadenwurms ist hierbei sehr vorteilhaft im Vergleich zu einem Mausmodell, das sehr umständlich zu erstellen wäre. Um die Suche nach neuen Medikamenten zu erleichtern, haben die Forscher außerdem eine neue optische Methode entwickelt, mit der sich viele Tiere parallel analysieren lassen. Publikation: C. Schüler, E. Fischer, L. Shaltiel, W. Steuer Costa, A. Gottschalk. (2015) Arrhythmogenic effects of mutated L-type Ca2+-channels on an optogenetically paced muscular pump in Caenorhabditis elegans. Scientific Reports 5: 14427.
DOI: 10.1038/srep14427


Informationen:
Prof. Alexander Gottschalk
Institut für Biochemie, Campus Riedberg
a.gottschalk@em.uni-frankfurt.de.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Goethe-Universität Frankfurt am Main, Dr. Anne Hardy, 24.09.2015
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2015

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