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FORSCHUNG/3602: Neue Stellschraube im Zuckerstoffwechsel entdeckt (idw)


Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 09.11.2016

Neue Stellschraube im Zuckerstoffwechsel entdeckt


Ein zentraler Genschalter in der Leber kontrolliert Zuckerhaushalt und Insulinwirkung in anderen Organen des Körpers. Das berichten Forscher des Helmholtz Zentrums München gemeinsam mit Kollegen des Universitätsklinikums Heidelberg, der Technischen Universität München und der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig in "Nature Communications".

Mit über sechs Millionen Betroffenen allein in Deutschland ist Diabetes mellitus zu einer Volkskrankheit geworden. Zugrunde liegen ihr in der Regel ein aus dem Gleichgewicht gekommener Zuckerhaushalt und (außer bei Typ-1-Diabetes) eine beeinträchtigte Reaktion des Körpers auf das Hormon Insulin. Was dazu führt und wo mögliche Stellschrauben sind, an denen man therapeutisch eingreifen kann, das versuchen Wissenschaftler herauszufinden.

Ein Team um den Stoffwechselexperten Prof. Dr. Stephan Herzig, Direktor des Instituts für Diabetes und Krebs am Helmholtz Zentrum München (IDC), hat nun einen neuen Mechanismus entdeckt, der für die Steuerung des Zuckerstoffwechsels verantwortlich ist. Der sogenannte Transforming growth factor beta 1-stimulated clone 22 D4, kurz TSC22D4, wirkt in der Leber als molekularer Schalter und steuert von dort aus Gene, die den Stoffwechsel im ganzen Körper beeinflussen können.

Ansatz aus der Krebsforschung

"Die aktuelle Studie ist eine erfolgreiche Fortsetzung unserer Forschungsaktivitäten mit den Kollegen der Inneren Medizin am Universitätsklinikum Heidelberg", so Studienleiter Herzig, der 2015 vom Neckar an die Isar gewechselt war. Bereits 2013 konnten die Forscher zeigen, dass eine erhöhte Produktion von TSC22D4 in der Leber von krebskranken Mäusen zu starkem Gewichtsverlust (Kachexie) führt. www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2013/dkfz-pm-13-03-Leber-steuert-Auszehrung-bei-Krebs.php Nun untersuchten Sie die Rolle des Genschalters im Zusammenhang mit Diabetes.

"Der starke Einfluss von TSC22D4 auf den Stoffwechsel bei Tumorerkrankungen legte nahe, dass es auch bei metabolischen Erkrankungen eine Rolle spielen könnte", so Erstautorin Dr. Bilgen Ekim Üstünel vom IDC. In der aktuellen Studie konnten die Forscher bei diabetischen Mäusen zeigen, dass ein Ausschalten von TSC22D4 eine Verbesserung der Insulinwirkung und des Zuckerhaushalts nach sich zog. Weitere Analysen ergaben, dass TSC22D4 vor allem die Produktion des Proteins Lipocalin13 bremst, das als Botenstoff aus der Leber ausgeschüttet wird und den Zuckerhaushalt anderer Organe regulieren kann.

Um die Relevanz des neuen Mechanismus in der Klinik zu überprüfen, untersuchten die Wissenschaftler Lebergewebsproben von 66 Patienten mit und ohne Typ-2-Diabetes. Dabei zeigte sich, dass in der Leber der Diabetespatienten das TSC22D4-Gen signifikant öfter abgelesen wurde, als bei Menschen mit normalem Zuckerstoffwechsel. Entsprechend seltener konnten die Wissenschaftler die Produktion von Lipocalin13 feststellen. "Für die Behandlung von Diabetes gibt es nur eine sehr limitierte Anzahl an therapeutischen Targets", erklärt Studienleiter Herzig. "Im nächsten Schritt möchten wir daher prüfen, ob man mit unseren Ergebnissen ein neues therapeutisches Prinzip zur Behandlung von Diabetes und Insulinresistenz erarbeiten kann."


Weitere Informationen

Original-Publikation:
Üstünel, BE. et al. (2016): Control of diabetic hyperglycemia and insulin resistance through TSC22D4. Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms13267
http://www.nature.com/articles/ncomms13267

- Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten angehören.
www.helmholtz-muenchen.de

- Das Institut für Diabetes und Krebs (IDC) ist Mitglied des Helmholtz Diabetes Zentrums (HDC) am Helmholtz Zentrum München und Partner im gemeinsamen Heidelberg-IDC Translationalen Diabetes-Programm. Das Institut für Diabetes und Krebs ist eng in das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) und in den Sonderforschungsbereich (SFB) "Reaktive Metaboliten und Diabetische Komplikationen" an der Medizinischen Universität Heidelberg integriert. Das IDC erforscht die molekularen Grundlagen schwerer metabolischer Erkrankungen, wie dem Metabolischen Syndrom und Typ 2 Diabetes, und deren Bedeutung für die Tumorentstehung und -progression.
www.helmholtz-muenchen.de/idc

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- Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 12.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit ca. 1.900 Betten werden jährlich rund 66.000 Patienten voll- bzw. teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.500 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg.
www.klinikum.uni-heidelberg.de

- Die Universität Leipzig ist die zweitälteste deutsche Universität mit durchgehendem Lehrbetrieb. Die Medizinische Fakultät ist Ausbildungsstätte für rund 3.200 Studierende der Human- und Zahnmedizin. Mit ihren rund 50 Instituten, selbstständigen Abteilungen und Kliniken zählt die Leipziger Universitätsmedizin im Bundesvergleich zu einer der größten Einrichtungen. Enge Kooperationen bestehen sowohl zu benachbarten Fakultäten als auch zu anderen Forschungseinrichtungen - optimale Voraussetzungen gleichermaßen für Studierende, Lehrende und Wissenschaftler.
www.medizin.uni-leipzig.de

Fachlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Stephan Herzig
Helmholtz Zentrum München -
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Institut für Diabetes und Krebs
Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg
E-Mail: stephan.herzig@helmholtz-muenchen.de

Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.helmholtz-muenchen.de/presse-medien/pressemitteilungen/2016/index.html
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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution44

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt
Sonja Opitz, Abteilung, 09.11.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2016

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