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GESUNDHEIT/930: Warnung vor unkontrollierter, hoch dosierter Jodeinnahme in Deutschland (DGE)


Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) - Freitag, 8. April 2011

Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie warnt vor unkontrollierter, hoch dosierter Jodeinnahme in Deutschland


Regenstauf - Im Zusammenhang mit der Reaktorkatastrophe in Japan weist die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) darauf hin, dass eine übermäßige Einnahme von Jod in Europa zur Zeit völlig unnötig ist und für bestimmte Menschen sogar gefährlich sein kann. Dies betrifft vor allem Säuglinge und Kleinkinder, aber auch alte Menschen, Patienten mit Schilddrüsenknoten, Kropf oder einer Überfunktion der Schilddrüse. Um Verunsicherungen in der Bevölkerung hierzulande zu vermeiden, äußert sich die DGE dazu jetzt in einer Stellungnahme. Die Fachgesellschaft rät darin dringend von einer unkontrollierten Einnahme von hoch dosiertem Jod ab.

Nukleare Katastrophen wie in Fukushima setzen radioaktive Teilchen frei, auch radioaktives Jod. Menschen nehmen es über die Atemluft oder auch über die Nahrung auf. Die Schilddrüse verwertet das Jod und bildet daraus Hormone, die vor allem Stoffwechsel und Wachstum steuern. Auf diese Weise in den Körper gelangt, kann das radioaktive Jod Schilddrüsenkrebs auslösen. Besonders gefährdet sind Kinder und Jugendliche, da sie sich noch in der Entwicklung befinden. Für Erwachsene, die älter als 40 Jahre sind, ist das Schilddrüsenkrebsrisiko sehr gering.

Die rechtzeitige Einnahme von hoch dosierten Jodtabletten kann die Aufnahme radioaktiven Jods in die Schilddrüse blockieren. "Diese vorbeugende Jodblockade ist Bestandteil des Katastrophenplans bei radioaktiven Unfällen", sagt Professor Dr. med. Henning Dralle, Sprecher der Sektion Schilddrüse der DGE aus Halle. Die Deutsche Strahlenschutzkommission sieht für derartige Fälle Joddosen von 130 Milligramm Kaliumjodid pro Tag für Erwachsene vor. Dies entspricht etwa dem 1000-fachen der vom Körper benötigten täglichen Jodmenge und liegt auch etwa tausendfach über der Dosis üblicher Jodtabletten von 100 Mikrogramm.

"Auch in Anbetracht der Reaktorkatastrophe von Japan ist eine prophylaktische Einnahme von hoch dosiertem Jod in Deutschland unbedingt zu unterlassen", betont Professor Dr. med. Helmut Schatz, Mediensprecher der DGE aus Bochum. Denn Kleinkinder laufen Gefahr, dadurch eine Schilddrüsenunterfunktion zu erleiden. Ältere Menschen, Patienten mit Schilddrüsenknoten oder Kropf geraten dadurch womöglich in eine lebensbedrohliche Überfunktion der Schilddrüse. Bei Menschen, die auch ohne es zu wissen an einer Überfunktion leiden, kann diese durch hoch dosierte Jodtabletten entgleisen.

"Der Effekt der sogenannten Jodblockade ist vorübergehend und nur bei einer unmittelbaren Bedrohung durch radioaktives Jod in der Atemluft sinnvoll", ergänzt Professor Dralle. Vor radioaktivem Jod in Lebensmitteln schütze dagegen vor allem der Verzicht auf möglicherweise kontaminierte Nahrungsmittel. Dementsprechend sind in Deutschland hoch dosierte Jodtabletten, die 65 Milligramm enthalten, nicht im Handel. Die Behörden verteilen sie nur in Notfällen. Eine Jodblockade schützt zudem nicht vor anderen radioaktiven Stoffen, die ein Atomunfall freisetzt.

Die schmetterlingsförmige Schilddrüse sitzt beim Menschen am Hals unterhalb des Kehlkopfes. Sie benötigt Jod, um Hormone wie zum Beispiel Thyroxin zu bilden. Schilddrüsenhormone spielen eine wichtige Rolle im Energiehaushalt der Körpers: Sie regulieren den Stoffwechsel und bei Kindern auch das Wachstum. Erwachsene sollten laut "World Health Organisation" (WHO) täglich 150 Mikrogramm Jod zu sich nehmen.


Endokrinologie ist die Lehre von den Hormonen, dem Stoffwechsel und den Erkrankungen auf diesem Gebiet. Hormone werden von den endokrinen Drüsen, zum Beispiel Schilddrüse oder Hirnanhangdrüse, aber auch bestimmten Zellen in Hoden und Eierstöcken, "endokrin" ausgeschüttet, das heißt nach "innen" in das Blut abgegeben. Im Unterschied dazu geben "exokrine" Drüsen, wie beispielsweise Speichel- oder Schweißdrüsen, ihre Sekrete nach "außen" ab.


Die vollständige Stellungnahme der DGE finden Sie auf der Homepage der DGE:
www.endokrinologie.net


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Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)
Pressemitteilung vom 8. April 2011
Anna Julia Voormann
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Internet: www.endokrinologie.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2011