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GESUNDHEIT/1321: Veranstaltung zur Arztgesundheit - Vom Umgang mit der eigenen Gesundheit (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1/2018

Arztgesundheit
Vom Umgang mit der eigenen Gesundheit

von Prof. Jörg Braun, Park-Klinik Manhagen


"Ärzte sind anders krank!" - Veranstaltung in der Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Bad Segeberg


In Kooperation mit der Stiftung Arztgesundheit fand Ende 2017 eine Fortbildungsveranstaltung statt, die sich ausschließlich der Ärztegesundheit gewidmet hat. Über 40 Teilnehmer stellten sich der Herausforderung, über den eigenen Umgang mit ihrer Gesundheit zu reflektieren.

Einführung

Warum die Veranstaltung erforderlich war, hatte ein Artikel im Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt deutlich gemacht: Ärzte arbeiten mit Erkrankungen, die bei ihren Patienten zu einer Krankschreibung geführt hätten. Ursachen für diesen Präsentismus sind u. a. die Sorge, Kollegen oder Patienten im Stich zu lassen. Aber auch der Druck innerhalb der Ärzteschaft, nicht mit Bagatellerkrankungen zu Hause zu bleiben, ist groß. Schließlich spielen auch strukturelle Defizite (Unterbesetzung in Krankenhäusern, fehlender Versicherungsschutz gegen Betriebsausfall in Praxen) eine Rolle. Der ärztliche Präsentismus stellt ein Gesundheitsrisiko nicht nur für die betroffenen kranken Kollegen, sondern auch für deren Patienten dar.

Erkrankt ein Arzt, wird er häufig zunächst versuchen, selber zu einer Diagnose zu kommen. Das Risiko für Fehldiagnosen ist dabei hoch. Dies wird durch die häufige Selbsttherapie nicht besser. Gerade wenn Opiate, Schlafmittel oder Psychopharmaka eingenommen werden, besteht ein hohes Risiko für die Entwicklung einer Substanzabhängigkeit. Der Arztberuf geht mit einem signifikant erhöhten Suchtrisiko einher. Einer der Gründe hierfür ist die Tatsache, dass wir regelhaft das Befinden unserer Patienten durch Zufuhr von Substanzen modifizieren, was auch als "innere Griffnähe" bezeichnet wird. Abschließend werden Möglichkeiten diskutiert, den besonderen Gesundheitsgefahren des Arztberufes mit vermehrter Achtsamkeit in Bezug auf die eigenen Bedürfnissen, aber auch mit strukturellen Maßnahmen entgegenzuwirken.

Depression und Burn-out

Univ.-Doz. Dr. Gernot Langs aus der Schön Klinik Bad Bramstedt informierte in der Veranstaltung über affektive Störungen bei Ärzten. In verschiedenen Studien und Ländern konnte nachgewiesen werden, dass die Suizidrate bei Ärzten signifikant höher ist als in der Allgemeinbevölkerung. Bemerkenswert ist, dass, entgegen dem üblichen Trend, in unserer Berufsgruppe Frauen eine höhere Suizidrate haben als Männer.

Depressionen bei Ärzten haben zunächst die gleichen Ursachen wie in anderen Berufsgruppen. Trotzdem gibt es Spezifika, die zu beachten sind. Ein besonderer Belastungsfaktor ist die aktuelle Gratifikationskrise in der Ärzteschaft. Hierunter versteht man eine Imbalance zwischen dem, was Ärzte in den Beruf investieren, und dem, was sie dafür bekommen. Dabei ist besonders die emotionale Gratifikation bedroht. Zwar sind Ärzte noch immer "angesehen" als Berufsstand, aber durch diverse Korruptionsskandale einzelner (ehemaliger) Kollegen ist das positive Bild der Ärzteschaft zumindest angekratzt. Berichte über (angeblich oder tatsächlich) unnötige Untersuchungen und Operationen, die nur dazu dienen, dass Geld in die Kassen der Krankenhausträger gespült wird, tragen zu einer kritischen Einschätzung bei. Ärztemangel und Arbeitsverdichtung steigern die Belastungen weiter. Dazu kommt die Unsicherheit hinsichtlich Negativbewertungen in Internetforen. Unsicherheit ist ein wichtiger Stressor, der zur Last von Krankheit und Leid, mit denen wir täglich konfrontiert sind, hinzukommt. Schließlich ist die Erkenntnis, an einer Depression zu leiden, für Ärzte oft tief erschütternd und kann selbst wiederum aufrechterhaltend für die Depression sein ("Depression about Depression"). Die Ursache dafür liegt wohl im hohen Anspruch an die eigenen Standards und der daraus resultierenden Selbstabwertung, die zu einer "Abwärtsspirale" führt. Dabei tun sich gerade Ärzte mit der Diagnose Depression schwer. Aber auch für die behandelnden Psychiater und Psychosomatiker ist die Situation nicht immer leicht. Denn sie wissen im ersten Kontakt nicht, wie viel psychiatrisches Fachwissen ihre ärztlichen Patienten haben. Vor allem, wenn der Altersunterschied zwischen Behandler und Patienten "größer" ist (ein häufiges Problem im stationären Setting), kann es auf beiden Seiten zu Unsicherheiten kommen. Da hilft dann nur das offene Gespräch über das Problem. Vor allem muss Einigkeit darüber herrschen, dass die Therapeuten Patienten behandeln und nicht "das System". Wenn es um gesundheitspolitische Aspekte geht, sitzen beide Seiten im selben Boot. Und da ist die Gefahr des gemeinsamen "Abjammerns" groß.

Resilienz

Im letzten Vortrag stellte Prof. Dieter Jocham (ehemals UKSH, Campus Lübeck) aktuelle Aspekte der Resilienzforschung dar. Ärzte sind nicht nur gesund oder nur krank. Wie alle anderen Menschen auch haben sie ihre individuelle Geschichte mit Höhen und Tiefen. Ein jeder verfügt über die Kraft - mehr oder weniger - Schwierigkeiten zu überwinden und an Erfahrungen zu wachsen. Dieses Vermögen wird in vielen Lebensbereichen, in persönlich individuellen Situationen bis hin zu komplexen Systemen in der Natur als "Resilienz" beschrieben. Elastisch "zurückfedern in die Ausgangsform" und nach einem Niederschlag die Kraft zu haben, wieder aufstehen zu können, sind übliche Beschreibungen dafür, was Resilienz ausmacht, ebenso wie die Fähigkeit zu akzeptieren, was wir ändern können und was nicht.


Tipps

Ein gesunder Arzt hat gesündere Patienten. Deshalb: Nehmen Sie sich genauso ernst wie Ihre Patienten. Suchen Sie sich einen Hausarzt. Behandeln Sie Ihre Angehörigen nicht selber. Lassen Sie sich impfen. Arbeiten Sie nicht, wenn Sie krank sind. Nehmen Sie sich Zeit für Vorsorgeuntersuchungen.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 1/2018 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2018/201801/h18014a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Januar 201, Seite 36
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2018

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