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MELDUNG/106: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 22.04.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Drohender Nachwuchsmangel in der Klinischen Forschung
→  Deutsche Forscher entdecken drittes Hochrisiko-Brustkrebsgen
→  Europain Netzwerk erhält EU- und Industrie-Förderung und startet 5-jährige Forschung
      für bessere Therapie chronischer Schmerzen
→  RUB-Forscher verfolgen Metallkomplexe auf dem Weg in lebende Zellen

Raute

Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - 21. April 2010

Drohender Nachwuchsmangel in der Klinischen Forschung

DFG-Senatskommission gibt Empfehlungen zur Strukturierung der wissenschaftlichen Ausbildung in der Medizin

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sorgt sich um den wissenschaftlichen Nachwuchs in der Klinischen Forschung. Um dem akut drohenden Mangel an jungen Medizinerinnen und Medizinern in der Wissenschaft entgegenzuwirken, hat die Senatskommission der DFG für Klinische Forschung jetzt weitreichende Empfehlungen zur Strukturierung der wissenschaftlichen Ausbildung in der Medizin verfasst. In ihr werden die zuständigen Ministerien in den Bundesländern dringend aufgefordert, Einrichtungen für den forschenden Nachwuchs an den Medizinischen Fakultäten zu unterstützen und zu fördern. Weitere Adressaten der Schrift sind die Medizinischen Fakultäten, aber auch Studierende der Medizin und forschende Ärztinnen und Ärzte.

Die nun in Bonn veröffentlichte Stellungnahme betont, dass die Klinische Forschung zwingend Ärztinnen und Ärzte benötigt, die einerseits Erfahrung am Krankenbett und andererseits eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung erfahren haben.

Die Senatskommission sieht jedoch mit Sorge, dass sich immer weniger junge Medizinerinnen und Mediziner für die Wissenschaft entscheiden. Die neue Approbationsordnung und die überwiegend praktische Ausrichtung des Medizinstudiums erschweren aus ihrer Sicht zunehmend die Möglichkeit, für Studierende der Medizin eine wissenschaftliche Ausbildung zu gewährleisten. Fachgesellschaften sprechen von einer "Deprofessionalisierung" der Ausbildung zur Ärztin oder zum Arzt und vom Verlust der wissenschaftlichen Basis ("Entakademisierung"). Schon jetzt ist absehbar, dass sich künftig noch weniger Studierende der Medizin zur Promotion entschließen werden, erst recht, wenn es sich dabei um eine experimentelle Arbeit mit hohem wissenschaftlichen Anspruch und entsprechendem Zeitaufwand handeln sollte.

Auch wenn sich nach Ansicht der DFG-Senatskommission in jüngster Zeit an den Universitätskliniken einiges zum Positiven entwickelt hat, so ist doch der mehr denn je drohende Nachwuchsmangel in der Forschung Grund, auf diese Defizite erneut hinzuweisen. Dem medizinischen Nachwuchs fehlt es vielerorts nach wie vor an verlässlichen, transparenten Ausbildungsstrukturen und an frühzeitiger Beratung über die möglichen Karrierewege und Perspektiven in der akademischen Medizin. Im seltensten Fall erhalten die Medizinerinnen und Mediziner während, vor oder begleitend zu ihrer Dissertation eine systematische wissenschaftliche Ausbildung. Die theoretischen Institute verzeichnen bereits einen deutlichen Rückgang der Promovierenden aus der Medizin, nicht zuletzt deshalb, weil diese nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) und damit schlechter als nach dem Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte (TV-Ä) bezahlt werden.

Um für wissenschaftliches Arbeiten Anreize zu setzen, empfiehlt die Senatskommission den Medizinischen Fakultäten, in größerem Umfang als bisher systematische und transparente Karrierewege für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu schaffen. Dringend notwendig ist eine institutionalisierte Verantwortung der Medizinischen Fakultäten für ihren Nachwuchs, vor allem in der Promotionsphase. Hier reicht es nach Überzeugung der Kommission nicht aus, wenn diese Verantwortung vereinzelt durch die Qualitätssicherung von Promotionen in DFG-geförderten Graduiertenkollegs oder anderen DFG-Programmen übernommen wird. Auch nach erfolgter Promotion muss eine wissenschaftliche Qualifizierungszeit begleitend zur Facharztweiterbildung in Form von Rotationsprogrammen angeboten werden. Eine konsequente und systematische Qualifikation erfordert den Aufbau entsprechender Strukturen an den Fakultäten, und zwar als Regelfall.

Weiterführende Informationen

Die Empfehlungen der DFG-Senatskommission für Klinische Forschung im Volltext finden sich unter:
www.dfg.de/dfg_profil/gremien/senat/klinische_forschung/index.html

Ansprechpartnerinnen in der DFG-Geschäftsstelle sind:

Dr. Annette Schmidtmann
Gruppenleiterin, Gruppe Graduiertenkollegs
Graduiertenschulen, Nachwuchsförderung
Annette.Schmidtmann@dfg.de

Dr. Petra Hintze
Programmdirektorin
Gruppe Lebenswissenschaften 1
Petra.Hintze@dfg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung Nr. 19:
http://idw-online.de/pages/de/institution306

Quelle: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Marco Finetti, 21.04.2010

Raute

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf - 21.04.2010

Düsseldorf - Deutsche Forscher entdecken drittes Hochrisiko-Brustkrebsgen

Die Arbeitsgruppen von Prof. Helmut Hanenberg und Prof. Heiner Schaal, Düsseldorf, sowie Prof. Christopher Mathew, London, UK, und Prof. Detlev Schindler, Würzburg, haben initial zwei Mutationen in dem Reparatur-Gen RAD51C als Ursache für eine Fanconi-Anämie-ähnliche Erkrankung identifiziert. In einer daraufhin begonnenen Kooperation mit dem Deutschen Brustkrebskonsortium wurden Mutationen auf einer Kopie des RAD51C-Gens als Ursache eines ebenso deutlich erhöhten Erkrankungsrisikos für Brust- und Eierstockkrebs entdeckt. Dies wird in gleich zwei aktuellen Publikationen von "Nature Genetics" berichtet.

Gene, die für die ordnungsgemäße Reparatur von DNA-Schädigungen sorgen, so genannte "care-taker'-Gene), sind für das normale Wachstum und Altern sämtlicher Lebewesen einschließlich des Menschen unerlässlich. Fehlen sie oder sind im Bauplan verändert, also mutiert, erkranken die Patienten an Krebs oder fortschreitendem Knochenmarkversagen.

Die beiden Veröffentlichungen in Nature Genetics betonen erneut die enge Verbindung zwischen der Fanconi-Anämie (FA), einer seltenen angeborenen DNA-Reparaturerkrankung, und der familiären Neigung zu Brust- und Eierstockkrebs. Insgesamt sind damit 14 Gene bekannt, in denen Mutationen in beiden, von Vater und Mutter geerbten Kopien klinisch zu dem typischen Bild einer nach dem Schweizer Kinderarzt Prof. Guido Fanconi benannten Erkrankung vorliegen. Die beiden deutschen Forschergruppen um Hanenberg und Schindler, waren 2005 und 2007 bereits an der Identifizierung der drei FA-Gene FANCI, FANCJ und FANCN beteiligt. Mutationen in den beiden letztgenannten FA-Genen sind inzwischen auch in Familien mit erblich bedingten Mamma- und Ovarialkarzinomen gefunden worden. Somit stellen diese beiden Fanconi-Anämie-Gene ebenfalls Krebsrisikogene dar.

In einer Kooperation mit dem deutschen Konsortium für erbliche Mamma- und Ovarialkarzinome unter der Leitung von Prof. Rita Schmutzler, Frauenklinik, Universität Köln, und Prof. Alfons Meindl, Frauenklinik, Klinikum Rechts der Isar, TU München, wurde das RAD51C-Gen bei 1100 Patientinnen aus Familien mit Mamma- und Ovarialkarzinomen untersucht. Bei der Identifizierung und funktionellen Charakterisierung dieser Veränderungen in RAD51C waren die drei Düsseldorfer Arbeitsgruppen (um Dr. Dieter Niederacher, Frauenklinik, Prof. Heiner Schaal und Prof. Helmut Hanenberg) federführend beteiligt. Die Wissenschaftler fanden krankhafte Veränderungen einer Kopie des RAD51C-Gens bei 1,3 Prozent aller Familien, in denen Mamma- und Ovarialkarzinome aufgetreten waren, - nicht dagegen in reinen Mammakarzinom-Familien. Bei den klinischen Analysen zeigte sich eine große Bedeutung der Mutationen, da alle gesicherten Mutationsträgerinnen bis zum 80. Lebensjahr Mamma- und/oder Ovarialkarzinome entwickelten.

Seit Mitte der 90er Jahre sind zwei Gene, BRCA1 und BRCA2, bekannt, in denen Mutationen zu einer dramatischen Erhöhung der Raten von Mamma- und Ovarialkarzinomen bei Frauen führen. Mutationen in RAD51C zeigen klinisch ein sehr ähnliches Bild wie bei BRCA1-Mutationsträgerinnen, allerdings sind RAD51C-Mutationen sehr viel seltener nachweisbar. Aufgrund dieser Eigenschaften wurde RAD51C inoffiziell in den beteiligten Forschergruppen von einigen auch als "BRCA3" bezeichnet. Die alternative Bezeichnung FANCO ist beim Nomenklaturkommitee dagegen offiziell beantragt.

Die Grundlagenforschung im Bereich der DNA-Reparatur und die Auffindung der hierfür "zuständigen" Gene trägt in erheblichem Maße zum Verständnis der Krebsentstehung bei. Die Identifizierung des zugrunde liegenden DNA-Reparaturdefekts durch Mutationen der bereits bekannten "Brustkrebsgene" in BRCA1 und 2 und jetzt im RAD51C-Gen in den Tumorzellen wird zunehmend therapeutisch genutzt: Mutationsträgerinnen, d.h. Risikopatientinnen, werden engmaschigeren Kontrolluntersuchungen unterzogen und können daher auch prophylaktisch chirurgisch behandelt werden. Außerdem kann der Ausfall von BRCA1/2 im Tumor seit neuestem auch therapeutisch genutzt werden, um auf den Tumor maßgeschneiderte Therapien einzuleiten. Auch bei den RAD51C-assoziierte Tumoren scheint dieser Ansatz vielversprechend zu sein.

Weitere Informationen finden Sie unter
- http://www.nature.com/ng/journal/vaop/ncurrent/abs/ng.569.html
   "2RAD51C und Mamma/Ovarialkarzinom"
- http://www.nature.com/ng/journal/vaop/ncurrent/abs/ng.570.html
   "RAD51C und Fanconi-Anämie"
- http://www.uni-duesseldorf.de
   Pressetexte und weitere Informationen

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution223

Quelle: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Susanne Dopheide, 21.04.2010

Raute

Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München - 21.04.2010

Europain Netzwerk erhält EU- und Industrie-Förderung und startet 5-jährige Forschung für bessere Therapie chronischer Schmerzen

Europain, eine öffentlich-private Partnerschaft, die von der Innovative Medicines Initiative (IMI) gefördert wird, kündigte heute den Start eines fünfjährigen Forschungsprojekts für ein erweitertes Verständnis und eine bessere Therapie chronischer Schmerzen an. Das Projekt wird über die nächsten fünf Jahre mit sechs Millionen EUR von IMI sowie 12,5 Millionen EUR in Sacheinlagen vom europäischen Dachverband der pharmazeutischen Industrie (EFPIA) unterstützt.

Jeder fünfte Erwachsene leidet an chronischen Schmerzen. Diese gehören zu den Hauptursachen für Langzeitarbeitsunfähigkeit und Frühberentung und stellen eine große finanzielle Belastung sowohl für die Betroffenen als auch das Gesundheitssystem dar. Trotz umfangreicher Forschungsprogramme biopharmazeutischer Firmen und universitärer Einrichtungen besteht ein Bedarf nach effektiveren Therapiestrategien mit weniger Nebenwirkungen.

Europain hat ein internationales Team führender sowohl universitärer als auch industrieller Forscher und Kliniker zusammengebracht, um sich interdisziplinärer translationaler Forschung zu widmen. Das Team beabsichtigt, das Verständnis der dem chronischen Schmerz zugrunde liegenden Mechanismen zu erweitern, die Entwicklung neuartiger Schmerzmittel zu fördern und verlässliche Biomarker für Schmerzen zu entwickeln. Oberstes Ziel ist, die Lebensqualität von Patienten, die an chronischen Schmerzen leiden, zu verbessern.

Im Laufe des fünfjährigen Projekts wird Europain eine große Anzahl präklinischer und klinischer Studien durchführen. Die Durchführung des Forschungsprogramms basiert auf der Zusammenarbeit der Labors im Europain Netzwerk, die die verfügbaren Ressourcen zwecks bestmöglicher Kosteneffektivität teilen werden. Forschungsergebnisse werden während und nach dem Projekt veröffentlicht, um sicherzustellen, dass die neuen Erkenntnisse in großem Umfang der Entwicklung besserer Therapien für Patienten mit chronischen Schmerzen zugute kommen.

Deutsches Netzwerk auf Europakurs

Dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Deutschen Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz (DFNS) ist es gelungen, sich als Partner im europäischen Forschungsnetzwerk Europain zu etablieren. Aus dem Gesamtverbund sind das Berufsgenossenschaftliche Universitätsklinikum Bergmannsheil/ Ruhr-Universität Bochum, die Goethe Universität Frankfurt, die Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und die Technische Universität München beteiligt. Der zusätzliche deutsche Partner von Seiten der Industrie ist das weltweit operierende, forschende Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim.

Die Sprecher des DFNS Prof. Thomas Tölle, TU München und Prof. Ralf Baron, Universität zu Kiel:
"Europain bietet uns die Chance, unsere Expertise mit der unserer europäischen Kollegen zu bündeln. Mit der Ausdehnung unseres Netzwerkes auf den europäischen Raum sind wir auf dem besten Wege, ein internationales Team experimenteller und klinischer Schmerzforscher zu bilden. Da die europäischen Projektpartner unser Profil in optimaler Weise ergänzen, rücken wir jetzt unserem ultimativen Ziel - die medizinische Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen grundlegend zu verbessern - bedeutend näher."

"Der DFNS kann auf seine mit über 2000 Patienten weltweit größte Datenbank zu neuropathischem Schmerz zugreifen und auf diese Weise wichtige Referenzdaten in die Kooperation mit einbringen.", so Prof. Christoph Maier vom Bergmannsheil, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum, dessen Forschungsteam die Datenbank zentral verwaltet. Die Datenbank beinhaltet genaue quantitative Veränderungen der Hautsensibilität sowie psychologische Hintergründe von Patienten mit unterschiedlichen neuropathischen Schmerzbildern. Zusätzlich verfügt der Verbund über Biomarker in Form einer DNA-Bank, die zentral an der TU München verwaltet wird.

Zentraler Bestandteil des deutschen Forschungsprojekts ist das vom DFNS standardisierte Verfahren der Quantitativen Sensorischen Testung (QST). Die QST erlaubt eine umfassende Analyse der Schmerzsymptomatik und gilt damit als Indikator für die zugrunde liegenden biologischen Mechanismen. Dazu Prof. Rolf-Detlef Treede, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg: "Wir haben jetzt die Möglichkeit, das standardisierte QST-Protokoll des DFNS auf einer breiten Ebene in Europa zu positionieren und unsere Qualitätsrichtlinien zu etablieren."

Das Europain Netzwerk umfasst Wissenschaftler zwölf renommierter europäischer Universitäten:

- King's College London (akademische Leitung)
- University College London
- Imperial College London
- University of Oxford
- Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
- Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
- Technische Universität München
- Goethe Universität Frankfurt
- Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH/Ruhr-Universität Bochum
- University Hospitals of Aarhus
- Rigshospitalet Copenhagen
- University of Southern Denmark, SME
- Neuroscience Technologies in Barcelona

sowie die Forschungsressourcen und die Expertise von Europas tatkräftigsten
pharmazeutischen Unternehmen im Bereich der Schmerztherapie.
Dazu zählen
- AstraZeneca (Koordinator)
- Boehringer Ingelheim
- Eli Lilly
- Esteve
- Pfizer
- Sanofi-Aventis und
- UCB Pharma.

Mehr zum Deutschen Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz (DFNS)
www.neuropathischer-schmerz.de

Mehr zum Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil GmbH/
Klinikum der Ruhr-Universität Bochum (RUB)
www.bergmannsheil.de
www.rub.de

Mehr zur Goethe Universität Frankfurt
www.kgu.de
www.kgu.de/zpharm/klin

Mehr zur Christian-Albrechts-Universität zu Kiel/
Sektion für Neurologische Schmerzforschung und -therapie
www.uni-kiel.de
www.schmerz-kiel.uk-sh.de

Mehr zur Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
www.umm.uni-heidelberg.de/inst/cbtm/nphys/

Mehr zur Technischen Universität München/Klinikum rechts der Isar
www.tum.de
www.med.tu-muenchen.de

Mehr zu Boehringer Ingelheim
www.boehringer-ingelheim.com

Zu dieser Mitteilung finden Sie Anhänge unter:
http://idw-online.de/pages/de/attachment2989
Pressemeldung als pdf

Über die Innovative Medicines Initiative
IMI ist eine einzigartige öffentlich-private Partnerschaft zwischen der pharmazeutischen Industrie, vertreten durch den europäischen Dachverband der pharmazeutischen Industrie EFPIA (European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations), und der Europäischen Union, vertreten durch die Europäische Kommission.
www.imi.europa.eu

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution860

Quelle: Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München, Tanja Schmidhofer, 21.04.2010

Raute

Ruhr-Universität Bochum - 21.04.2010

RUB-Forscher verfolgen Metallkomplexe auf dem Weg in lebende Zellen

- "Good vibrations" helfen bei der Untersuchung neuer Wirkstoffe
- "VIP"-Veröffentlichung in "Angewandte Chemie"

Bochumer Chemikern ist es mit der Methode der Raman-Mikroskopie gelungen, den Aufenthaltsort von Metallverbindungen in lebenden Zellen genau zu verfolgen. Die Forscher gewinnen so neue Einblicke in die Wirkmechanismen von metallhaltigen Arzneistoffen, denen sie großes Potenzial z.B. bei der Bekämpfung von Krebserkrankungen beimessen. Wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung wurde die Veröffentlichung in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Angewandte Chemie" als besonders wichtige Arbeit ("VIP") herausgestellt.

Metallhaltige Wirkstoffe

Die beiden Arbeitsgruppen von Dr. Ulrich Schatzschneider und Prof. Dr. Nils Metzler-Nolte synthetisieren Metallverbindungen, die gegen Krebs und Infektionskrankheiten wirken können. "Weit über die Hälfte aller chemischen Elemente sind Metalle. Umso erstaunlicher ist es, dass metallhaltige Wirkstoffe im Portfolio der gängigen Arzneistoffe, von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, bisher praktisch nicht vorkommen", sagt Prof. Metzler-Nolte. Dabei sind sie in Zellmodellen gegen Krebs genauso aktiv wie die besten organischen Verbindungen. Anders als in der traditionellen Wirkstoffforschung, in der ein Wirkstoff gezielt gegen ein vorher genau bekanntes Zielmolekül in der Zelle synthetisiert wird, ist über die Wirkmechanismen solcher Metallverbindungen fast nichts bekannt. "Einer der Gründe dafür mag die Tatsache sein, dass gerade wegen der besonderen Eigenschaften von Metallkomplexen auch völlig neuartige Wirkmechanismen möglich sind", mutmaßen die Forscher. Umso wichtiger ist es, diese Mechanismen aufzuklären, um neue Wirkstoff mit verbesserten Eigenschaften herstellen zu können.

Hilfe durch die Raman-Mikroskopie

Mit Hilfe der Raman-Mikroskopie sind die Bochumer Forscher diesem Ziel jetzt näher gekommen. Dabei werden in einem Mikroskop die Moleküle durch das stark gebündelte Licht eines Lasers polarisiert. Man kann dadurch den charakteristischen Fingerabdruck eines Moleküls, das sich im Fokus des Lasers befindet, aufzeichnen. Die gemessenen Frequenzen sind genauso wie ein Fingerabdruck charakteristisch für das jeweilige Molekül. In einer Zelle sind aber aufgrund der Vielzahl der Substanzen in der Zelle auch sehr viele Fingerabdrücke überlagert, was oft die Identifizierung erschwert. Die Forscher machten sich daher die Tatsache zunutze, dass die untersuchte Metallverbindung charakteristische Schwingungen in einem von den übrigen Molekülen nicht belegten Frequenzbereich zeigt - vergleichbar einer einzelnen Geigenstimme in einem Posaunenchor. Die Analyse des Fingerabdrucks innerhalb der Zelle erfolgte in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Martina Havenith, die neuartige physikalische Untersuchungsmethoden im Bereich der Spektroskopie entwickelt. Ihre Mitarbeiter konnten die Aufnahme der Metallverbindung verfolgen und feststellen, dass sie nach einigen Stunden im Zellkern angereichert wird. Anders als bei den meisten üblicherweise eingesetzten Methoden brauchten die Forscher die Zellen für ihre Untersuchungen nicht zu zerstören und auch keine zusätzlichen Markierungen in Form von Markermolekülen einzusetzen. Die Lokalisierung der Verbindung im Zellkern gibt wiederum den Synthesechemikern wertvolle Hinweise auf den Wirkmechanismus und mögliche Verbesserungen der Verbindung.

Titelbild bei "Angewandte Chemie"

Die grundlegende Bedeutung der Veröffentlichung dieser Ergebnisse wurde durch die Gutachter der Zeitschrift "Angewandte Chemie" besonders gewürdigt: Nur wenn alle anonymen, von der Redaktion ausgewählten Gutachter unisono zu einer sehr guten Bewertung eines Manuskripts gelangen, wird dieses als "very important paper" (VIP) bezeichnet. Die Arbeit wurde auch für das Titelbild der aktuellen Ausgabe ausgewählt.

Research Departments - interdisziplinäre Forschung an der Ruhr-Universität

Die Arbeiten der Bochumer Forscher werden ermöglicht durch das Research Department Interfacial Systems Chemistry. Research Departments sind Verbünde von Forschern der Ruhr-Universität, die in einem der Schwerpunktbereiche der Forschung besonders intensiv zusammenarbeiten. Die bisher fünf Research Departments werden vom Land Nordrhein-Westfalen und der Stiftung Mercator gefördert. Im Research Department Interfacial Systems Chemistry werden komplexe Vorgänge an Oberflächen und Grenzflächen untersucht. Das Ramanmikroskop wurde im Rahmen des Verbundprojektes "Innovative Instrumentierung zur Erweiterung der ANKA-Nutzung" vom Bundesforschungsministerium BMBF (BMBF 05KS7PC2) angeschafft.

Weitere Informationen

Dr. Ulrich Schatzschneider
Prof. Dr. Nils Metzler-Nolte
Lehrstuhl für Anorganische Chemie I -
Bioanorganische Chemie und Research
Department Interfacial Systems Chemistry der Ruhr-Universität
44780 Bochum
E-Mail: ulrich.schatzschneider@rub.de
nils.metzler-nolte@rub.de
Internet: http://www.rub.de/ac1

Prof. Dr. Havenith
Lehrstuhl für Physikalische Chemie II und Research
Department Interfacial Systems Chemistry der Ruhr-Universität
44780 Bochum
E-Mail: martina.havenith@rub.de
Internet: http://www.rub.de/pc2

Titelaufnahme:

Konrad Meister, Johanna Niesel, Ulrich Schatzschneider, Nils Metzler-Nolte, Diedrich A. Schmidt und Martina Havenith:
Labelfreie Visualisierung von Metallcarbonylkomplexen in lebenden Zellen mittels Raman-Mikrospektroskopie /
Label-Free Imaging of Metal-Carbonyl Complexes in Live Cells by Raman Microspectroscopy.
In: Angewandte Chemie 2010, International Edition, Volume 49 Issue 19, Pages 3310-3312
doi: 10.1002/ange.201000097
Angewandte Chemie, deutschsprachige Ausgabe, Volume 122 Issue 19, Pages 3382-3384
doi: 10.1002/ange.201000097

Redaktion: Meike Drießen

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.rub.de/rd/rd-ifsc
Research Department Interfacial Systems Chemistry

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution2

Quelle: Ruhr-Universität Bochum, Dr. Josef König, 21.04.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2010