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MELDUNG/272: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 17.01.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Entscheidende Erkenntnis zum immunologischen Gedächtnis entdeckt
→  Identifizierung nach 25 Jahren
      Unbekannter großer Ionenkanal im Herzen ist das Pannexin-1

Raute

Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin - 14.01.2011

Entscheidende Erkenntnis zum immunologischen Gedächtnis entdeckt

Eosinophile sichern Überleben der Gedächtnis-Plasmazellen

Das immunologische Gedächtnis ist nicht nur für die erfolgreiche Abwehr von Krankheitserregern und die Möglichkeit, gegen Krankheiten zu impfen, essentiell. Es ist auch für unerwünschte Konsequenzen wie den anhaltenden Kampf gegen fälschlich als fremd eingestufte Körperstrukturen bei Autoimmunerkrankungen, z.B. bei entzündlichem Rheuma, verantwortlich. Daher wird es intensiv erforscht. Einen wichtigen Puzzelstein zum Verständnis - der Rolle der Eosinophilen Granulozyten - konnte nun die Arbeitsgruppe von Privatdozentin Dr. Claudia Berek vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ) beitragen.

Wissenschaftler des DRFZ, einem Leibniz-Institut, gehören weltweit zur ersten Liga in der Erforschung des immunologischen Gedächtnisses. Ihre Ergebnisse haben maßgeblich zum heutigen Verständnis beigetragen. Demnach bilden die Stromazellen des Knochenmarks Überlebensnischen für Gedächtnis-Plasmazellen, die kontinuierlich Antikörper gegen als feindlich eingestufte Strukturen bilden. Das Knochenmark ist quasi das "Haus des immunologischen Gedächtnisses". Es bildet das schützende und nährende Umfeld, in dem die Gedächtniszellen für viele Jahre überleben können.

Welche Faktoren dies konkret gewährleisten, war weitgehend bekannt. Völlig unerwartet war die jetzige Entdeckung von PD Dr. Claudia Berek und ihren Mitarbeitern vom DRFZ, dass Eosinophile Granulozyten die Hauptquelle für diese Faktoren und damit essentiell für das Überleben der Gedächtnis-Plasmazellen sind. Überraschend deshalb, weil Eosinophilen bisher fast ausschließlich eine Rolle in der Abwehr von Parasiten, beispielsweise Würmern, oder im Rahmen allergischer Reaktionen zugeschrieben wurde. "Dass sie Plasmazellen unterstützen, ist eine vollkommen neue Erkenntnis", so Berek. In ihren aktuell in Nature Immunology publizierten Untersuchungen konnten die Berliner Forscher zeigen, dass Eosinophile mindestens zwei überlebenswichtige Faktoren für die Plasmazellen bereitstellen - den Proliferationsfaktor APRIL und Interleukin 6. "Entfernt man die Eosinophilen aus der Überlebensnische der Gedächtniszellen im Knochenmark, werden sie in den Selbstmord getrieben (Apoptose)," erklärt Berek. "Gibt man dagegen wieder Eosinophile hinzu, nimmt die Zahl der Gedächtnis-Plasmazellen im Knochenmark sofort wieder zu."

Momentan ist noch nicht klar, ob diese an Mäusen entschlüsselten Mechanismen auch im Menschen eine Rolle spielen. "Wenn man wüsste, dass diese Ergebnisse auch beim Menschen Gültigkeit haben, wäre das das I-Tüpfelchen. Dann würde sich beispielsweise für Autoimmunerkrankungen, allergische Entzündungsprozesse oder die Vermeidung von Transplantat-Abstoßungsreaktionen ein neuer Therapieansatz ergeben." Bei diesen Krankheiten stellen Plasmazellen, die kontinuierlich gegen körpereigene Strukturen gerichtete Antikörper bilden, das Problem dar. "Ihre Ausschaltung durch gezieltes Entfernen der Eosinophilen wäre eine interessante neue Therapiemöglichkeit, um das überaktive Immunsystem wieder zur Ruhe zu bringen", betont Berek mit Blick auf die Bedeutung der neuen Forschungsergebnisse. Bevor es so weit ist, wird es noch eine Weile dauern. Zunächst soll im Mausmodell überprüft werden, ob sich bei Mäusen mit spontan auftretenden Autoimmunerkrankungen durch Entfernen der Eosinophilen das Auftreten der Erkrankung hinauszögern bzw. der Krankheitsverlauf abmildern lässt.


Quelle:
Van Trung Chu et al.:
Eosinophils are required for the maintenance of plasma cells in the bone marrow.
Nature Immunology 2010
e-pub doi: 10.1038/ni.1981

Kontakt:
Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin
Claudia Berek
Charitéplatz 1
10117 Berlin
E-Mail: berek@drfz.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.drfz.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1256

Quelle: Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin, Jacqueline Hirscher, 14.01.2011


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Ruhr-Universität Bochum - 14.01.2011

Identifizierung nach 25 Jahren - Unbekannter großer Ionenkanal im Herzen ist das Pannexin-1

RUB-Mediziner berichten im Journal of Biological Chemistry

Schon vor 25 Jahren entdeckte eine RUB-Arbeitsgruppe einen besonders großen Ionenkanal in Herzmuskelzellen, dessen Identität seither ein Rätsel war. Zwei Arbeitsgruppen der Medizinischen Fakultät der RUB konnten jetzt endlich das Geheimnis lüften: Es handelt sich um den Pannexin-1-Kanal, der erst vor wenigen Jahren erstmals beschrieben wurde. Er kommt unter anderem im Gehirn vor und wird dort zum Beispiel für epileptische Ereignisse verantwortlich gemacht. Er könnte auf ähnliche Weise auch an der Entstehung von Herzrhythmusstörungen beteiligt sein, mutmaßen die Arbeitsgruppen um Prof. Dr. Lutz Pott und Prof. Dr. Rolf Dermietzel. Sie berichten in der aktuellen Ausgabe des Journal of Biological Chemistry.

Großer Kanal, schnelle Signalweiterleitung

Das erst vor wenigen Jahren entdeckte Pannexin-1-Kanalprotein ist Mitglied einer Familie von Proteinen, die am Aufbau von elektrischen Schaltstellen zwischen Nervenzellen (Synapsen) beteiligt sind. Durch das kontrollierte Öffnen und Schließen ermöglicht der Kanal den Ausstrom geladener Teilchen und somit zum Beispiel im Gehirn oder der Netzhaut des Auges die besonders schnelle Weiterleitung elektrischer Signale. Eines der charakteristischen Merkmale dieser Kanäle ist ihre außergewöhnliche Größe. Werden sie unkontrolliert geöffnet, kann das gefährliche Folgen haben. Sie lassen vergleichsweise große Mengen von Stoffen aus Zellen ausströmen, die physiologisch bedeutsam sind und Regelkreise durcheinander bringen können. Man vermutet daher, dass Pannexin-1-Kanäle verschiedene krankhafte Prozesse (mit-)verursachen, etwa bestimmte Formen der Epilepsie.

Zusammenarbeit bringt den Erfolg

Zwei Forschungsgruppen der Medizinischen Fakultät der RUB konnten jetzt in interdisziplinärer Zusammenarbeit nachweisen, dass es sich bei dem seit 25 Jahren rätselhaften Ionenkanal in Herzmuskelzellen genau um diesen Pannexin-1-Kanal handelt. Der unbekannte, ungewöhnlich große Kanal wurde von der RUB-Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Lutz Pott (Abteilung für Zelluläre Physiologie) im Jahr 1986 zum ersten Mal im Journal Nature beschrieben. Versuche zur Identifizierung der molekularen Identität des Kanals waren aber nicht schlüssig.

Nächste Frage: Wozu benutzen Herzmuskelzellen den Kanal?

Unabhängig von dieser Suche charakterisierte die Arbeitsgruppe "Molekulare Hirnforschung" am Neuroanatomischen Institut molekular- und zellbiologisch Kanalproteine in elektrischen Synapsen. Die funktionelle Analyse eines dieser Proteine führte zu der Annahme, dass das Pannexin-1-Protein für die Kanalaktivität in Herzmuskelzellen verantwortlich sein könnte. Um diese Frage zu klären, arbeiteten die beiden Gruppen zusammen. "Und tatsächlich konnten wir mit elektrophysiologischen, molekularbiologischen und bildgebenden Methoden nachweisen, dass Herzmuskelzellen über Pannexin-Kanäle verfügen", freut sich PD Dr. Georg Zoidl. "Das unkontrollierte Öffnen dieser Kanäle hat vermutlich katastrophale Folgen für den Herzrhythmus, der durch elektrische Signale gesteuert wird." Es bleibt daher aufzuklären, wozu die Herzmuskelzellen Pannexin-1-Kanäle benutzen. PD Dr. Marie-Cécile Kienitz und PD Dr. Georg Zoidl werden dazu das interdisziplinäre Forschungsvorhaben fortsetzen und die klinisch relevante Fragestellung an genetisch modifizierten Mäusen und Zellkulturmodellen bearbeiten.

Weitere Informationen

PD Dr. Georg Zoidl
Medizinische Fakultät der RUB
E-Mail: georg.zoidl@rub.de

PD Dr. Marie-Cécile Kienitz
Medizinische Fakultät der RUB
E-Mail: cecile.kienitz@rub.de

Titelaufnahme
Marie-Cécile Kienitz, Kirsten Bender, Rolf Dermietzel, Lutz Pott, Georg Zoidl:
Pannexin 1 Constitutes the Large Conductance Cation Channel of Cardiac Myocytes.
In: JBC 286, 290-298
doi: 10.1074/jbc.M110.163477

Redaktion: Meike Drießen

Dr. Josef Koenig
Ruhr-Universität Bochum, Pressestelle
Pressemitteilung Nr. 10
Gebäude UV Raum 3/368
Universitätsstraße 150, 44801 Bochum
http://www.rub.de
pressestelle@presse.rub.de

Quelle: Ruhr-Universität Bochum, Dr. Josef Koenig, Bochum, 14.01.2011

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Januar 2011