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MELDUNG/317: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 31.03.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Computersimulation zeigt erstmals, wie Wasser die Bindung von Proteinen fördert
→  Schließprinzip von biologischen Poren untersucht


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Universität des Saarlandes - 29.03.2011

Computersimulation zeigt erstmals, wie Wasser die Bindung von Proteinen fördert

Saarbrücker Bioinformatiker haben einen grundsätzlichen Mechanismus entdeckt, der erklärt, warum Wasser die Bindung von Proteinen fördert. Die Eiweißmoleküle oder Proteine sind die Grundbausteine aller Zellen und verantwortlich für fast alle Prozesse im menschlichen Körper. Dabei bilden etwa die Hälfte aller Proteine permanente oder temporäre Komplexe mit anderen Proteinen. Bisher hatte man aber nur annäherungsweise verstanden, wie die Proteine in einer wässrigen Umgebung miteinander interagieren können.

Die Saarbrücker Forscher konnten jetzt in einer Computersimulation zeigen, dass sich die Wassermoleküle in der Umgebung von Proteinen elektrostatisch ausrichten, kurz bevor sich zwei Proteine aneinanderlagern. Ihre Forschungsergebnisse haben sie in "Nature Communications" veröffentlicht.

Bisher ging man bei vielen polaren Stoffen davon aus, dass Wasser sie eher daran hindert, miteinander zu verschmelzen. Da auch der menschliche Körper zu 60 bis 70 Prozent aus Wasser besteht, war es für Biologen lange Zeit ein Rätsel, wie sich Proteine in dieser wässrigen Umgebung aneinanderbinden. Das Forscherteam von Volkhard Helms, Professor für Bioinformatik der Universität des Saarlandes, konnte jetzt nachweisen, dass Wassermoleküle in der Nähe von Proteinen ihre elektrischen Dipole einheitlich ausrichten und dadurch das Zusammengehen von zwei Proteinen fördern. "Was dabei genau passiert, lässt sich mit folgendem Bild vergleichen: Wenn in einer Menschenmenge plötzlich von zwei Seiten Brad Pitt und Angelina Jolie auftauchen, werden sich die Fans zunächst um jeden einzelnen scharen und die beiden dadurch daran hindern, sich zu treffen. Falls sich die beiden jedoch irgendwann nah genug kommen, wird sich die Menge öffnen und den Weg freimachen, damit sich die Medienstars umarmen können", erläutert Volkhard Helms. Ähnlich verhielten sich die Proteine, die zuerst durch das Wasser abgeschirmt seien, sich dann aber durch die bei nahen Abständen verstärkten Anziehungskräfte plötzlich aufeinander zu bewegten.

Die Saarbrücker Bioinformatiker nahmen für ihre Computersimulation ein Proteinpaar, das in menschlichen Zellen extrem fest aneinander haftet, den so genannten Barnase-Barstar-Komplex. Das Barnase-Protein ist in der Lage, die Ribonukleinsäure (RNA), die in der Zelle genetische Information in Proteine umsetzt, zu zerschneiden. Dies hat außerhalb von Zellen den Zweck, überflüssige RNA-Stränge zu vernichten. Innerhalb der Zelle wäre dieser Vorgang aber tödlich. Daher hindert das Barstar-Protein als so genannter Inhibitor die Barnase daran, in einer Zelle aktiv zu werden. Bisher war jedoch unklar, wie diese Proteine in der wässrigen Umgebung überhaupt zueinander finden. "In der Computersimulation konnten wir die einzelnen Kräfte in der Zelle berechnen und erstmals diesen Annäherungsprozess von zwei Proteinen detailliert aufzeigen. Die elektrische Ausrichtung der Wassermoleküle, die sich bei der Annäherung der Proteine in die gleiche Richtung orientieren, führt dazu, dass sich die Anziehungskräfte zwischen den Proteinen zwei- bis vierfach verstärken, so dass diese dann rasch binden und das Wasser um sich herum abstreifen", sagt Helms.

Diese neuen Erkenntnisse werden auf viele Forschungsprojekte in der Biologie und Medizin ein neues Licht werfen. "Wir hoffen, dass unsere Computersimulationen dazu beitragen werden, die grundlegenden Mechanismen des menschlichen Lebens noch besser zu verstehen. Dies wird auch helfen, für verschiedene Krankheiten bessere Wirkstoffe zu entwickeln", meint Volkhard Helms, der jetzt gemeinsam mit Mazen Ahmad, Wei Gu und Tihamér Geyer die Forschungsergebnisse in "Nature Communications", einer neuen Online-Plattform der Zeitschrift "Nature", veröffentlicht hat.

Fragen beantwortet:
Professor Volkhard Helms
Mail: volkhard.helms@bioinformatik.uni-saarland.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.nature.com/naturecommunications
http://gepard.bioinformatik.uni-saarland.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution8

Quelle: Universität des Saarlandes, Friederike Meyer zu Tittingdorf, 29.03.2011


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Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf - 30.03.2011

Schließprinzip von biologischen Poren untersucht

Forscher der NRW-Forschungsschule BioStruct an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf haben gemeinsam mit Kollegen des Forschungszentrum Jülich und dem Forschungszentrum caesar in Bonn neue Erkenntnisse gewinnen können, wie ein molekularer Schlüssel einen Ionenkanal öffnen und schließen kann.

Ionenkanäle kontrollieren den Fluss von elektrisch geladenen Teilchen (Ionen) über die Zellmembran. Sie sind Eiweißmoleküle und bilden kleine Poren durch die Ionen strömen können. Dabei ist der Ionenfluss entscheidend für die Steuerung physiologischer Prozesse wie zum Beispiel die Erregungsausbildung und -fortleitung in Herz- und Nervenzellen, die Kontraktion der Muskulatur oder die Freisetzung von bestimmten Hormonen oder Neurotransmittern.

Forscher der NRW-Forschungsschule BioStruct an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf haben gemeinsam mit Kollegen des Forschungszentrum Jülich und dem Forschungszentrum caesar in Bonn neue Erkenntnisse gewinnen können, wie ein molekularer Schlüssel einen Ionenkanal öffnen und schließen kann. Das Wissen um diese Mechanismen ist die Grundlage, um verschiedene Krankheiten zu verstehen und zu therapieren.

Ihre Ergebnisse präsentieren die Forscher in der aktuellen Ausgabe des renommierten Fachmagazins "Proceedings of the National Academy of Sciences" (doi: 10.1073/pnas.1015890108).

Im Fokus der Wissenschaftler stand ein vereinfachtes Modellsystem eines bakteriellen Ionenkanals, der den Kanälen in Zellen des Herzmuskels sehr ähnlich ist. Aufgebaut ist dieser - wie alle Ionenkanäle - aus komplexen Eiweißmolekülen, die durch kleine Moleküle, sogenannte sekundäre Botenstoffe, geöffnet oder geschlossen werden können. Wenn der sekundäre Botenstoff cAMP an einer bestimmten Stelle des Ionenkanals bindet, verändert sich dort die Struktur des Eiweißmoleküls, was die Öffnung des Kanals zur Folge hat. Die Wissenschaftler konnten mittels kernmagnetischer Resonanzspektroskopie (NMR) Atom für Atom die dreidimensionale Struktur der hochkomplexen Eiweißmoleküle bestimmen und deren Änderung bei der Bindung eines sekundären Botenstoffs charakterisieren.

Viele genetisch bedingte Krankheiten lassen sich auf defekte Ionenkanäle zurückführen, etwa Mukoviszidose, Herzrhythmusstörungen oder bestimmte Augenerkrankungen. Die detaillierten molekularen Abläufe zu verstehen, ist eine Grundlage für das Verständnis der Erkrankungen und die gezielte Entwicklung medizinischer Wirkstoffe.

Der Erstautor der Publikation, Sven Schünke, wurde durch ein Promotionsstipendium der NRW-Forschungsschule BioStruct unterstützt. In dieser Forschungsschule kooperieren Arbeitsgruppen der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, dem Universitätsklinikum Düsseldorf und dem Forschungszentrum Jülich, um exzellenten und in einem internationalen Verfahren ausgewählten Promovierenden ein innovatives und interdisziplinäres Lehr- und Forschungsumfeld auf dem Gebiet der strukturbiologischen Forschung zu bieten. BioStruct wird gefördert durch das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und die Gründerstiftung zur Förderung von Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs an der Universität Düsseldorf.

Weitere Informationen:

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Institut für Physikalische Biologie
http://www.uni-duesseldorf.de/MathNat/ipb/

Forschungszentrum Jülich
Insitut for Complex Systems
Bereich Strukturbiologie (ICS-6)
http://www.fz-juelich.de/ics/ics-6/DE/Home/home_node.html

Forschungszentrum caesar, Bonn
http://www.caesar.de/

NRW-Forschungsschule BioStruct
http://www.biostruct.de

Ansprechpartner:
Prof. Dieter Willbold
dieter.willbold@uni-duesseldorf.de

Dr. Sven Schünke
s.schuenke@fz-juelich.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution223

Quelle: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Carolin Grape, 30.03.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. April 2011