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MELDUNG/322: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 07.04.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Medizinische Fakultät Mannheim mischt erfolgreich bei Ideenwettbewerb
      des Wissenschaftsministeriums mit
→  GCP-konforme elektronische Archivierung von Patientenakten in Kliniken ist möglich
→  Navigator-Gen des Gehirns steuert Leberentwicklung


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Universitätsmedizin Mannheim - 05.04.2011

Innovative Ideen in Biotechnologie und Medizintechnik

Medizinische Fakultät Mannheim mischt erfolgreich bei Ideenwettbewerb des Wissenschaftsministeriums mit

Zwei Projekte der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) gehören zu den Gewinnern eines Ideenwettbewerbs, den das Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg Ende 2010 ausgeschrieben hatte. Ein weiteres Projekt steht in enger Verbindung zur UMM; es liegt in der Hand von Dr.-Ing. Jan Stallkamp, dem Leiter der Abteilung Produktions- und Prozessautomatisierung am Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), Stuttgart. Dr. Stallkamp baut derzeit an der UMM eine Fraunhofer-Projektgruppe auf, die er selbst leiten wird.

Das Land fördert mit dem Wettbewerb innovative Ideen im Bereich der Biotechnologie und Medizintechnik. Und zwar Ideen, die in hohem Grade wissenschaftlich-technischen Erfolg versprechen. Insgesamt werden 42 Projektgruppen aus den vier Schwerpunktthemen synthetische Biologie, Bioverfahrenstechnik, molekulare Bionik und Medizintechnik gefördert. Die drei "Mannheimer" Projekte gehören allesamt zur Medizintechnik, einem von vier Forschungsschwerpunkten der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg. Was haben die Mannheimer Wissenschaftler in der Pipeline?

Nicht-invasives Monitoring der Restenose:

Professor Dr. Steffen Diehl vom Institut für Klinische Radiologie und Nuklearmedizin und Professor Dr. Jürgen Hesser, Leiter der Abteilung Experimentelle Radioonkologie, entwickeln eine neue Technik, mit der sie Ablagerungen an Stents mittels nicht-invasiver Bildgebung darstellen können.

Verengungen in Gefäßen, die zu einem Verschluss führen können, werden seit Jahren sehr erfolgreich minimal-invasiv mittels Gefäßstützen, so genannten Stents, behandelt. Leider kommt es häufiger vor, dass sich die Gefäße aufgrund von Zellwucherungen mit der Zeit wieder verengen. Es gibt verschiedene Ansätze, um Zellwucherungen an Stents zu verhindern, beispielsweise durch den Einsatz von Stents, die mit Medikamenten beschichtet sind. Die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Arten von Stents werden in der Wissenschaft jedoch kontrovers diskutiert. So stehen beispielsweise medikamentenbeschichtete Stents im Verdacht, Thrombosen auslösen zu können.

Um zu überprüfen, ob sich Ablagerungen an Stents bilden, ist bislang ein invasiver Eingriff mittels Katheter notwendig. Gerade für Patienten mit kardiologischen Erkrankungen ist ein solcher Eingriff jedoch stets mit einem Risiko für Komplikationen verbunden. Die Gefäßmediziner wünschen sich daher ein nicht-invasives Verfahren, mit dem sie solche Untersuchungen in der klinischen Routine ohne Risiko für den Patienten durchführen können. Die Technik der Mannheimer Wissenschaftler soll mittels Computertomograph (CT) und speziell entwickelter Auswertmethoden Ablagerungen sehr frühzeitig "von außen" darstellen können.

Strahlungsreduzierendes Navigationssystem für CT-gestützte Biopsien:

Professor Dr. Steffen Diehl ist an einem weiteren Projekt beteiligt, das im Ideenwettbewerb ausgezeichnet wurde. Gemeinsam mit Professor Dr. Marcus Vetter, Studiendekan an der Fakultät für Informationstechnik der Hochschule Mannheim, entwickelt er ein neuartiges Navigationssystem, das den Arzt bei der Entnahme von Gewebeproben unterstützen soll.

Gewebeproben werden in der Medizin vorwiegend im Rahmen der onkologischen Diagnostik entnommen. Das geplante Navigationssystem soll sich für die Probenentnahme an Weichteilen im Bauchraum, etwa der Leber, eignen. Da die Organe nicht starr sind, sondern sich im Bauchraum bewegen können und zudem deformierbar sind, stellt dies besondere Anforderungen an das System.

Das Verfahren, das die Mannheimer Wissenschaftler entwickeln, nutzt ebenfalls die Computertomographie. Kernstück der Entwicklungsarbeit ist eine Hard- und Software, die die Genauigkeit der Probenentnahme und damit die Sicherheit des Patienten deutlich verbessert. Ein weiterer Aspekt des zu entwickelnden Systems ist eine drastische Reduzierung der Strahlenbelastung.

Mikrohydraulikatoren für chirurgische Instrumente:

In der Chirurgie versucht man heute, so oft wie möglich auf große Schnitte zur verzichten. Viele operative Eingriffe in Bauchraum und Brustkorb können minimal-invasiv durch kleinste Hautschnitte durchgeführt werden. Möglich wird die sogenannte Schlüssellochchirurgie erst durch die Entwicklung von miniaturisierten chirurgischen Instrumenten.

Die Instrumente, die heute in der minimal-invasiven Chirurgie zum Einsatz kommen, lassen jedoch noch Wünsche offen, die Dr. Jan Stallkamp mit seinem Team erfüllen will. Es geht beispielsweise um den Antrieb, über den die Handbewegung des Operateurs auf das Instrument übertragen wird. Noch sind die Instrumente in der Regel mit mechanischen Antriebseinheiten versehen, bei denen die Handbewegungen über Seilzüge oder Zug- und Druckstangen übertragen werden. Jan Stallkamp verfolgt das Ziel, mikrohydraulische Antriebseinheiten für chirurgische Instrumente zu entwickeln - idealerweise mit der Besonderheit, dass sie dem Chirurgen ein direktes Feedback über die eingesetzte Kraft geben. Die Vorteile liegen auf der Hand: Mikrohydraulische Antriebe ließen sich deutlich feinfühliger bedienen und es könnten außerdem größere Kräfte übertragen werden.

Die heute verwendeten mikrochirurgischen Instrumente, beispielsweise Präparierzange oder Gewebeschere, erlauben nur eingeschränkte mechanische Abläufe. In der Regel beschränkt sich die Bewegung auf das Öffnen und Schließen und die Rotation um den Instrumenten-Schaft. Die Instrumente, die Stallkamp mit seinem Team entwickeln will, sollen Bewegungen in zusätzlichen räumlichen Dimensionen erlauben und dadurch in ihrem Einsatz flexibler werden. Außerdem arbeitet der Ingenieur an Lösungsansätzen, wie sich unerwünschte Nebeneffekte, beispielsweise der natürliche Tremor des Chirurgen, herausfiltern lassen - eine wichtige Voraussetzung für präzises Operieren im Mikrobereich.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution400

Quelle: Universitätsmedizin Mannheim, Dr. Eva Maria Wellnitz, 05.04.2011


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TMF / Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. (TMF) - 06.04.2011

GCP-konforme elektronische Archivierung von Patientenakten in Kliniken ist möglich

Empfehlungen der TMF beim 3. TMF-Jahreskongress in Münster vorgestellt

Zunehmend gehen Krankenhausarchive dazu über, die aufzubewahrenden Behandlungsunterlagen zu digitalisieren oder bestimmte Daten und Dokumente von vornherein digital zu archivieren. Die Anforderungen an die Archive ergeben sich aus verschiedenen rechtlichen Vorgaben. Werden auch die Akten von Patienten archiviert, die an klinischen Studien teilgenommen haben, so ist darüber hinaus die Leitlinie zur "Good Clinical Practice" (GCP) zu beachten. Dass die GCP-konforme elektronische Archivierung von Patientenakten in Kliniken möglich ist, konnten Experten der TMF jetzt bestätigen. "Eine revisionssichere digitale Archivierung ist weitgehend auch GCP-konform" erläuterten Sebastian C. Semler und Mathias Freudigmann in ihrem Vortrag auf dem 3. TMF-Jahreskongress, zu dem am 31. März und 1. April 2011 rund 130 Forscher in Münster zusammengekommen waren.

"Mappen Sie Ihre existierende Qualitätsmanagement-Dokumentation auf die GCP-Anforderungen, schließen Sie Dokumentationslücken, kontrollieren Sie die Prozesse und lassen Sie sich auditieren". So fasste Freudigmann die Empfehlungen der TMF zusammen. Gemeinsames Ziel der relevanten Qualitätsmanagement-Konzepte sei es, Zuverlässigkeit, Transparenz, Sicherheit, Vollständigkeit und Nutzerfreundlichkeit sicherzustellen. Der Schritt von der Erfüllung eines Konzeptes bis zu einem anderen sei deshalb nicht unüberwindbar.

In universitären wie auch nicht-universitären Krankenhäusern, die klinische Studien durchführen oder sich daran beteiligen, war in jüngster Zeit Unsicherheit entstanden: Bei Studienpatienten sind die Patientenakten Quelldaten, auf denen die Studienergebnisse basieren. Als solche müssen sie gemäß GCP-Leitlinie jederzeit zugänglich und sicher gelagert sein. Unklar war, ob sich das in den einschlägigen "Grundsätzen ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme" (GoBS) verankerte Konzept der Revisionssicherheit, dem elektronische Krankenhausarchive im Bereich der Verwaltung und Krankenversorgung genügen müssen, mit den Anforderungen in Einklang bringen lässt, die sich für digitale Archivierung aus der gesetzlich verankerten GCP-Leitlinie ergeben. Fraglich war auch, ob sich eine solche GCP-konforme digitale Archivierung mit vertretbarem Aufwand umsetzen lässt.

Die TMF hatte sich bereits ab 2006 in einem umfassenden Projekt mit Fragen zur Rechtssicherheit sowie zu Techniken und Prozessen der elektronischen Archivierung von Forschungsunterlagen auseinandergesetzt und dazu unter anderem auch verschiedene Rechtsgutachten eingeholt. Auf dieser Basis hat sie 2010 im Rahmen eines Beratungsauftrages die Prozesse des digitalen Krankenhausarchivs eines deutschen Universitätsklinikums im Hinblick auf GCP-Konformität analysiert und das Klinikum bei der Vorbereitung und Durchführung eines Audits begleitet, das im Januar 2011 erfolgreich durchgeführt wurde.

Die Rechtsgutachten stehen auf der TMF-Website (www.tmf-ev.de) frei zur Verfügung. Eine Veröffentlichung der Projektergebnisse und Empfehlungen zur elektronischen Archivierung von Forschungsunterlagen in der TMF-Schriftenreihe ist in Vorbereitung. Für weitere Informationen steht Mathias Freudigmann in der TMF-Geschäftsstelle zur Verfügung (030-31 01 19 52, mathias.freudigmann@tmf-ev.de).

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.tmf-ev.de/Produkte/Uebersicht.aspx
Produkte der TMF

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution806

Quelle: TMF - Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e.V. (TMF), Antje Schütt, 06.04.2011


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Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch - 06.04.2011

Navigator-Gen des Gehirns steuert Leberentwicklung

Wissenschaftler des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch haben jetzt erstmals zeigen können, dass ein Gen, das in der Embryonalentwicklung die Wanderung von Zellen im Gehirn steuert, auch bei der Ausbildung der Leber eine Rolle spielt. Im Zebrafisch wiesen Dr. Christian Klein, und Prof. Ferdinand le Noble nach, dass das Gen Navigator-3 (kurz nav3a) die Entwicklung der Leber reguliert. Fehlt es, kann sich die Leber nicht bilden (Development 138, 2011, doi:10.1242/dev.056861)*. "Es gibt zudem bereits erste Hinweise darauf", so Dr. Klein, "dass dieses Gen während der Entstehung von Lebererkrankungen beim Menschen fehlreguliert ist".

Seit einiger Zeit ist bekannt, dass Navigatorgene des Gehirns in der Frühphase der Embryonalentwicklung auch bei der Ausbildung des Gefäßsystems eine Rolle spielen. Mit diesem Thema befasst sich die Forschungsgruppe von Prof. le Noble. Im Rahmen seiner Arbeit am Zebrafisch stieß Dr. Klein, der in dieser Gruppe arbeitet, darauf, dass das Navigator-Gen nav3a ebenfalls bei der Entwicklung der Leber von Bedeutung ist.

Beim Zebrafischembryo ist das Navigator-Gen in Vorläuferzellen der Leber aktiv. Fehlt es, kann sich die Leber nicht entwickeln. Das Navigator-Gen ermöglicht es den Zellen, wie sein Name besagt, zielgerichtet zu wandern. In einem weiteren Schritt konnten die Forscher zeigen, dass es in den Zellen den Umbau des Zellskeletts optimiert. Es schafft damit die Voraussetzung dafür, dass die Zellen punktgenau zu ihrem Zielort wandern können, wo sie dann die Leber bilden. Angestoßen wird die Produktion des Navigator-Gens von dem Signalmolekül wnt2bb, das zu einer Gen-Familie gehört, die zentrale Funktionen bei der Bildung von Organen hat.

Erste Hinweise auf Beteilung von fehlreguliertem nav3a bei Lebererkrankungen Die Erforschung von Entwicklungsprozessen in Zebrafischembryonen ist auch für die Erforschung von Krankheiten des Menschen von Bedeutung. So gibt es laut Dr. Klein bereits erste Hinweise darauf, "dass fehlreguliertes nav3a bei der Entstehung von Leberkrebs und Leberzirrhose beim Menschen beteiligt ist. Nav3a könnte somit als therapeutisches Ziel von Bedeutung sein."

Weitere Informationen finden Sie unter
http://dev.biologists.org/content/early/2011/04/06/dev.056861.full.pdf+html

* Neuron navigator 3a regulates liver organogenesis during zebrafish embryogenesis
Christian Klein 1, Janine Mikutta 1, Janna Krueger 1,2; Katja Scholz 1, Joep Brinkmann 1, Dong Liu 1, Justus Veerkamp 3, Doreen Siegel 4, Salim Abdelilah-Seyfried 3 and Ferdinand le Noble 1,2

1 Department of Angiogenesis and Cardiovascular Pathology
Max Delbrück Center for Molecular Medicine (MDC), D-13125 Berlin, Germany.
2 Center for Stroke Research Berlin (CSB), 10117 Berlin, Germany.
3 Department of Epithelial Polarity and Zebrafish Genetics Max Delbrück Center for Molecular Medicine (MDC), D-13125 Berlin, Germany.
4 Institute of Biochemistry, University of Ulm, D-89091, Ulm, Germany.

Barbara Bachtler, Pressestelle
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
Robert-Rössle-Straße 10, 13125 Berlin
e-mail: presse@mdc-berlin.de
http://www.mdc-berlin.de/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution672

Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch, Barbara Bachtler, 06.04.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. April 2011