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Universitätsklinikum Heidelberg - 28.04.2011

Kleinste Nukleinsäurestückchen regulieren Schlüsselenzym des Eisenstoffwechsels

- Leberspezifische Mikro-RNA beeinflusst Eisenmenge im Körper
- Heidelberger Wissenschaftler veröffentlichen im "Journal of Clinical Investigations"

Heidelberger Wissenschaftler haben jetzt gezeigt, dass kleinste Nukleinsäurestückchen, die leberspezifische Mikro-RNA miR-122, über das Schlüsselhormon des Eisenstoffwechsels Hepcidin die Eisenmengen im Körper regulieren können. Die Studie des Teams der Molecular Medicine Partnership Unit (MMPU) von Professor Martina Muckenthaler, Arbeitsgruppenleiterin für Molekulare Medizin am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg, und Professor Matthias Hentze, Associate Director des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL), in Zusammenarbeit mit Arbeitsgruppen des Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) wurde im "Journal of Clinical Investigations" veröffentlicht.

Forschungsprojekte zu miRNAs sind ein relativ neues und sehr aktuelles Thema in der molekularen Medizin. Man geht davon aus, dass die Aktivität eines Drittels unserer Gene durch Mikro-RNAs (miRNAs), reguliert wird. Wird ein aktiviertes Gen abgelesen, entsteht eine Boten-RNA, die sich mit der Eiweißproduktions-Maschinerie verbindet, um ein bestimmtes Eiweiß herzustellen. MiRNAs greifen zwischen Gen- und Eiweißproduktion in die Regulation ein, indem sie sich spezifisch an bestimmte Boten-RNAs anlagern und diese entweder bei ihrer Aufgabe behindern oder gleich ganz abbauen. MiRNAs spielen vor allem beim Gen-Silencing, also bei der Hemmung der Genaktivität, eine Rolle. MiR-122 ist eine häufig vorkommende, leberspezifische miRNA, die für die Regulation verschiedenster Leberfunktionen verantwortlich ist.

miR-122 beugt Eisenmangel vor

In ihren Untersuchungen zeigten die Forscher, dass miR-122 dafür sorgt, dass dem Stoffwechsel ausreichend Eisen zur Verfügung steht. Dabei hemmt miR-122 die Boten-RNAs sogenannter "Eisenfühler". Das sind Eiweiße, die die Eisenspiegel messen und bei hohen Konzentrationen das Schlüsselhormon des Eisenstoffwechsels Hepcidin aktivieren. Hepcidin hemmt die Eisenaufnahme aus dem Darm und die Freisetzung von Eisen aus den Eisenspeichern, vor allem der Leber, und reguliert dadurch den Eisenspiegel im Blut. Die "Eisenfühler" und Hepcidin schützen den Organismus also vor einer Eisenüberladung. Das ist wichtig, da überschüssiges Eisen von Säugetieren nicht ausgeschieden werden kann. Muckenthaler und ihre Kollegen fanden heraus, dass die Blockade von miR-122 zu einem Anstieg von Hepcidin und seinen Aktivatoren führt, so dass gesunde Mäuse einen Eisenmangel entwickeln.

Modifizierende Wirkung auf Eisenanreicherung bei Eisenspeicherkrankheit möglich

Die Wissenschaftler stellten bei Mäusen mit erblicher Eisenspeicherkrankheit (ähnlich der menschlichen Hämochromatose) fest, dass die miR-122 Konzentrationen deutlich vermindert waren. Auch in Leberbiopsien von Hämochromatose-Patienten fanden die Forscher reduzierte miR-122 Mengen. Die erbliche Hämochromatose ist eine häufige Eisenspeicherkrankheit, die unter anderem dadurch gekennzeichnet ist, dass die Leber infolge übermäßiger Eisenspeicherung allmählich zerstört wird. Ursache ist ein Defekt verschiedener Eisenregulatoren, unter anderem der "Eisenfühler" oder des Hepcidins.

"Nicht bei allen genetisch Betroffenen kommt es zu Krankheitssymptomen. Deshalb ist es von besonderem wissenschaftlichem Interesse, Einflussfaktoren zu identifizieren, die die Ausprägung der Erkrankung mitbestimmen", erklärt Muckenthaler.

"MiR-122 könnte ein solcher modifizierender Faktor sein, der die krankhafte Eisenanreicherung beiáder erblichen Hämochromatose beeinflusst", ergänzt Mirco Castoldi, Erstautor der Studie und Mitglied des MMPU Teams. "Vielleicht sind die niedrigen miR-122 Spiegel aber auch nur Folge der überhöhten Eisenspiegel und ein Marker ohne funktionelle Konsequenz. Die genauen Stoffwechselabläufe müssen wir noch eingehend untersuchen. MiR-122 könnte in Zukunft ein interessantes, therapeutisches Ziel sein."

Hervorragende Zusammenarbeit der Heidelberger Forschungseinrichtungen

Die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg und das EMBL arbeiten bereits seit 2002 im Rahmen der MMPU erfolgreich zusammen. Die MMPU hat es sich zum Ziel gesetzt, molekularbiologische Grundlagenforschung mit klinischer Medizin zu verknüpfen und so ein tieferes Verständnis für verschiedene Erkrankungen zu erlangen. An dieser Studie waren auch Mitglieder der Arbeitsgruppe Schirrmacher und der Arbeitsgruppe Klingmüller aus dem DKFZ beteiligt, was die intensive Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen in Heidelberg eindrucksvoll aufzeigt.

Weitere Informationen:
www.klinikum.uni-heidelberg.de/Iron-homeostasis-in-health-and-disease.101688.0.html

The liver-specific microRNA-122 controls systemic iron homeostasis in the mouse.
Mirco Castoldi, Maja Vuji Spasi, Sandro Altamura, Joacim Elmén, Morten Lindow, Judit Kiss, Jens Stolte, Richard Sparla, Lorenza A. D'Alessandro, Ursula Klingmüller, Robert E. Fleming, Thomas Longerich, Hermann J Gröne, Vladimir Benes, Sakari Kauppinen, Matthias W. Hentze, and Martina U. Muckenthaler.
J Clin Invest. 2011;121(4):1386-1396.
doi:10.1172/JCI44883.

Kontakt:
Prof. Martina U. Muckenthaler, PhD
Kinderklinik III - Hämatologie, Onkologie, Immunologie, Pneumologie
Universitätsklinikum Heidelberg E-Mail: Martina.Muckenthaler@med.uni-heidelberg.de

Prof. Dr. Matthias W. Hentze
EMBL, European Molecular Biology Laboratory
E-Mail: hentze@embl.de

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Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang

Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten und renommiertesten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international bedeutsamen biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung neuer Therapien und ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 10.000 Mitarbeiter und sind aktiv in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 Departments, Kliniken und Fachabteilungen mit ca. 2.000 Betten werden jährlich rund 550.000 Patienten ambulant und stationär behandelt. Derzeit studieren ca. 3.600 angehende Ärzte in Heidelberg; das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland.
www.klinikum.uni-heidelberg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution665

Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg, Dr. Annette Tuffs, 28.04.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2011