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MELDUNG/397: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 08.08.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Blutgerinnung
      Forschung mittels Computersimulation und medizinisch angewandter Nanotechnologie
→  Dem Tumor den Saft abdrehen - Über das Immunsystem lässt sich die Gefäßneubildung unterbinden
→  Sozialpädiatrische Hilfe für Kinder und Eltern in Jena


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Heidelberger Institut für Theoretische Studien gGmbH - 04.08.2011

Blutgerinnung - Forschung mittels Computersimulation und medizinisch angewandter Nanotechnologie

Wissenschaftler des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien (HITS) und Ärzte der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) sind an einer neuen Forschergruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Blutgerinnung beteiligt. Langfristiges Ziel der Zusammenarbeit von Wissenschaftlern aus ganz Deutschland und Linz (Österreich) ist es, die Diagnostik und Therapie von Blutgerinnungsstörungen, Thrombosen und Schlaganfällen zu verbessern.
Ein Schlüsselprotein bei der Blutgerinnung, der sogenannte von Willebrand-Faktor (VWF), trägt entscheidend dazu bei, im Blut die Balance zwischen Verblutung und Blutgerinnung zu halten. Gelingt dieser Balanceakt nicht, kann es zu Blutungsstörungen oder Thromboseerscheinungen kommen. Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen aus elf Einrichtungen bündeln jetzt ihre Kompetenzen, um die Struktur und die Funktionen des Schlüsselproteins VWF zu erforschen. Das Besondere daran: Theoretische Forscher arbeiten Schulter an Schulter mit angewandten Wissenschaftlern und klinisch tätigen Ärzten und verfolgen dabei das gemeinsame Ziel, langfristig die Diagnostik und Therapie von angeborenen Bluterinnungsstörungen, akuten Thrombosen und Schlaganfällen voranzubringen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sichert mit rund 2,5 Millionen Euro die Blutgerinnungsforschung für die kommenden drei Jahre.

Viele der an der neuen DFG-Forschergruppe "Shear Flow Regulation of Hemostasis - Bridging the Gap Between Nanomechanics and Clinical Presentation" (SHENC) beteiligten Wissenschaftler haben bereits in der Vergangenheit erfolgreich zusammengearbeitet. Dazu gehören auch zwei Einrichtungen aus der Metropolregion Rhein-Neckar: das Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) und die Universitätsmedizin Mannheim (UMM).

Die HITS-Forschungsgruppe Molecular Biomechanics unter der Leitung von Dr. Frauke Gräter erforscht mit Computersimulationen, wie das VWF-Protein auf der atomaren Ebene funktioniert. So deckten die HITS-Forscher erstmals einen molekularen Mechanismus bei der Blutgerinnung auf, der mit dem Scherfluss im Blut zusammenhängt. Auch simulieren sie krankhaft veränderte VWF-Varianten.

Den Zusammenbau klinisch bedeutsamer VWF-Mutationen und ihre Wirkung auf Blutgefäße und auf weiße und rote Blutkörperchen untersucht Professor Dr. Stefan W. Schneider (Leitender Oberarzt an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie und Leiter der Sektion Experimentelle Dermatologie) mit seiner Gruppe an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg mithilfe der Nanotechnologie.

Darüber hinaus sind sechs weitere deutsche Universitäten und drei Forschungsinstitute an der DFG-Forschergruppe beteiligt. Kooperationen gibt es mit Wissenschaftlern in den USA und China sowie mit Partnern aus der Industrie. Sprecher der Gruppe ist Professor Dr. Reinhard Schneppenheim (Direktor der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und 0Onkologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf), seine Stellvertreterin ist Dr. Frauke Gräter (HITS).

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.h-its.org/deutsch/presse/formular/onerror.php?we_objectID=812&pid=0
(Presse-Information des HITS)

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image148344
Die an der neuen Forschergruppe beteiligten Wissenschaftler von HITS und UMM (ganz vorne Dr. Frauke Gräter, direkt dahinter Prof. Dr. Reinhard Schneppenheim, hinten ganz rechts außen Prof. Dr. Stefan W. Schneider.


HITS
Das Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) ist eine private Forschungseinrichtung der Klaus Tschira Stiftung (KTS). Es wurde im Januar 2010 von Klaus Tschira ins Leben gerufen und betreibt Grundlagenforschung auf Forschungsfeldern, die große Datenmengen verarbeiten und strukturieren - von der Astrophysik bis zur Zellbiologie.
www.h-its.org

UMM
Die Universitätsmedizin Mannheim (UMM) gehört zu den größten medizinischen Einrichtungen und Forschungszentren der Region Rhein-Neckar. Sie setzt sich zusammen aus der Medizinischen Fakultät Mannheim, einer eigenständigen Einrichtung der Universität Heidelberg, und dem Universitätsklinikum Mannheim, in dem pro Jahr über 70.000 Patienten behandelt werden.
http://www.umm.de/1426.0.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution802

Quelle: Heidelberger Institut für Theoretische Studien gGmbH, Dr. Peter Saueressig, 04.08.2011


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Wilhelm Sander-Stiftung, Sylvia Kloberdanz, 05.08.2011

Dem Tumor den Saft abdrehen
Über das Immunsystem lässt sich die Gefäßneubildung unterbinden

Wenn ein Tumor wächst, kurbelt er die Bildung von neuen Blutgefäßen an, die ihn versorgen sollen. Ein Forscherteam um Dr. Harald Langer an der Universität Tübingen will diese Tatsache nutzen, um das Tumorwachstum zu hemmen. Durch eine gezielte Regulation der Gefäßneubildung soll dem Tumor sprichwörtlich der Saft abgedreht werden. Den entscheidenden Hebel dazu wollen die Wissenschaftler mit dem sogenannten Komplementsystem ansetzten - einem Teil der angeborenen Immunabwehr. Die Proteine dieser Signalkette unterstützen den Körper in erster Linie im Kampf gegen Infektionen. Sie scheinen in diesem Zusammenhang aber auch Einfluss auf die Gefäßneubildung nehmen.

"Wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass die Hemmung des Gefäßwachstums und damit eine verminderte Versorgung des Tumors mit Nährstoffen und Sauerstoff dazu führt, dass der Tumor deutlich langsamer wächst. Erste Vorarbeiten unserer Arbeitsgruppe dazu haben bereits viel versprechende Ergebnisse gezeigt", beschreibt Dr. Harald Langer die Motivation zu seinem Forschungsvorhaben.

Gefördert von der Wilhelm Sander-Stiftung will die Arbeitsgruppe insbesondere die Rolle des Komplementsystems bei der Gefäßneubildung aufklären. Die Eiweiße dieser Signalkette lösen eine Reihe an Entzündungsreaktionen aus und locken so Immunzellen zu den Infektionsherden. "Als erwiesen gilt, dass entzündliche Prozesse und die Neubildung von Gefäßen eng zusammenhängen. Berichte zum Einfluss des Komplementsystems haben bisher jedoch widersprüchliche Ergebnisse geliefert", erläutert der Mediziner.

Die Arbeitsgruppe will nun Klarheit schaffen. In den Fokus ihrer Arbeiten stellt sie den Komplementfaktor C3 - den zentralen Baustein des Komplementsystems. Die Forscher wollen insbesondere klären, welche zellulären und molekularen Mechanismen im Umfeld dieses Signalstoffs zur Gefäßneubildung führen. Sollte es den Tübinger Forschern gelingen, den Schlüssel zu diesem molekularen Hebel zu finden, könnten sie darüber gezielt Einfluss auf das Tumorwachstum nehmen. Ein neuer Therapieansatz mit dem man entarteten Zellen schlicht "den Saft abdreht" wäre gefunden.

Kontakt:
Dr. Harald Langer
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Arbeitsgruppenleiter Kardioimmunologie
Medizinische Klinik III
Universitätsklinikum Tübingen
E-Mail: harald.langer@med.uni-tuebingen.de

Die Wilhelm Sander-Stiftung
fördert dieses Forschungsprojekt mit über 100.000 Euro. Stiftungszweck der Stiftung ist die medizinische Forschung, insbesondere Projekte im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden dabei insgesamt über 190 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.
Weitere Informationen zur Stiftung:
http://www.wilhelm-sander-stiftung.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution890

Quelle: Wilhelm Sander-Stiftung, Sylvia Kloberdanz, 05.08.2011


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Universitätsklinikum Jena - 05.08.2011

Sozialpädiatrische Hilfe für Kinder und Eltern

10 Jahren nach Eröffnung ist Zentrum am UKJ mit doppelten Patientenzahlen gefragte Anlaufstelle

Seit 10 Jahren ist das Sozialpädiatrische Zentrum (SPZ) am Universitätsklinikum Jena Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen, chronischen neurologischen Erkrankungen und Verhaltensproblemen. Statt der bei der Eröffnung 2001 geplanten 1400 Patienten im Jahr kommen jährlich mehr als 3500 in das Jenaer SPZ. Als eines der wenigen universitären SPZ in Deutschland übernimmt es damit eine zentrale Aufgabe bei der Früherkennung und Behandlung kindlicher Fehlentwicklungen.

"Die Geschichte des Zentrums ist zweifellos eine besondere Erfolgsstory", begeistert sich Prof. Ulrich Brandl, zu dessen Neuropädiatrischer Abteilung an der UKJ-Kinderklinik das SPZ gehört. Aus bis zu 100 Kilometer Entfernung kommen inzwischen die Patienten hierher. Das Spektrum der Probleme reicht dabei von Kleinkindern mit Entwicklungsstörungen über Epilepsiekranke, Kinder mit schweren Muskel- und Nervenerkrankungen oder Stoffwechselstörungen bis hin zu Verhaltensstörungen. Im Zentrum treffen Eltern und Kinder auf ein multiprofessionelles Team aus allen an der Förderung und Behandlung beteiligten zehn Berufsgruppen. Neben Kinderärzten gehören dazu auch Psychologen, Heilpädagogen, Sozialarbeiter und Ernährungsberater. Diese werden im SPZ mit einer Vielzahl verschiedenster Diagnosen konfrontiert. "Als Uniklinikum stehen uns dafür alle modernen Methoden der Diagnostik und auch der Behandlung einschließlich der Neurochirurgie zur Verfügung, das ist ein großer Vorteil für unsere Patienten", so Brandl.

Die große Nachfrage nach dem sozialpädiatrischen Angebot führt der Kinderarzt auf zwei Faktoren zurück: "Es gibt einen steigenden Bedarf vor allem durch die gewachsene Sensibilität gegenüber Entwicklungs- und Verhaltensstörungen. Dadurch kommen auch viele Kinder mit Leistungsdefiziten zu uns, die eher auf psychologische und erzieherische Ursachen zurückzuführen sind. Hier können wir nur körperliche Ursachen ausschließen und Förderempfehlung geben".

Aber auch der medizinische Fortschritt spielt eine Rolle. Dank moderner Diagnoseverfahren können jetzt auch dort Krankheitsauslöser identifiziert werden, wo dies bis vor kurzem unmöglich war. Das hat die Bandbreite möglicher Therapien enorm erweitert. "Die Zahl der behandelbaren Erkrankungen steigt, seitdem wir in der Lage sind, die genetischen Auslöser zu finden", so Brandl. Auch schwere Störungen, die bisher als Schicksal betrachtet werden mussten, sind dadurch therapierbar geworden.

Zum Beispiel eine Stoffwechselstörung, bei der ein Defekt der Glukosetransporter dazu führt, dass Hirnzellen nicht mit ausreichend Energie versorgt werden. Die Folge sind schwere Entwicklungsstörungen. "Heute können wir hier mit einer speziellen fettreichen Diät den genetisch verursachten Defekt ausgleichen", erklärt Prof. Ulrich Brandl. Insgesamt gebe es gerade auf diesem Gebiet eine große Dynamik."Wir können davon ausgehen, dass uns künftig immer mehr Therapien zur Verfügung stehen werden. Je besser wir verstehen, was genau passiert, desto mehr können wir dagegen tun", ist Brandl optimistisch.

Auch für diesen wichtigen Aspekt der Beteiligung an medizinischer Forschung bieten sich am Sozialpädiatrischen Zentrum des Jenaer Uniklinikums durch die enge Anbindung an die Wissenschaftler des UKJ beste Bedingungen. "Als universitäres Zentrum sind wir ebenso Teil der Maximalversorgung wie der Spitzenforschung", sagt SPZ-Leiter Brandl. "In den 10 Jahren seit unserer Gründung hat sich das vor allem für unsere Patienten spürbar ausgezahlt."

Kontakt:
Prof. Dr. Ulrich Brandl
Direktor Abteilung Neuropädiatrie mit Sozialpädiatrischem Zentrum
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Jena
E-Mail: Ulrich.Brandl@med.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution1461

Quelle: Universitätsklinikum Jena, Dipl.-Jour. Helena Reinhardt, 05.08.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. August 2011