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MELDUNG/551: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 25.05.12 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Im wahrsten Sinne "Spitzenforschung": IPHT-Forscher untersuchen Eiweißfasern
      mit größter Genauigkeit
→  Trennung von Blutzellen im Mikrofluss



Institut für Photonische Technologien - 24.05.2012

Im wahrsten Sinne "Spitzenforschung" - IPHT-Forscher untersuchen Eiweißfasern mit größter Genauigkeit

Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer und bestimmte Krebsformen gehen auf eine fehlerhafte Faltung und Aggregation von Eiweißen im Körper zurück. Wissenschaftlern des Instituts für Photonische Technologien (IPHT) in Jena ist es erstmals gelungen, Proteinstrukturen auf sub-molekularer Ebene nachzuweisen und spektroskopisch zu analysieren. Ein wichtiger Schritt zum Verständnis der Krankheitsursachen.

"Bis heute hat man nicht genau verstanden, was die fehlerhafte Faltung und Aggregation von Eiweißen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Alzheimer, eigentlich auslöst", erläutert PD Dr. Volker Deckert, Leiter der Abteilung Nanoskopie am IPHT. Ihm und seinem Team ist es nun erstmals gelungen, die molekulare Struktur so genannter Amyloid-Fibrillen mit bisher unerreichter Genauigkeit zu untersuchen.
Dies erfordert im wahrsten Sinne des Wortes "Spitzentechnologie". Denn mit herkömmlichen spektroskopischen Methoden kann man nicht in die Nanowelt vordringen. "Wir haben die Auflösung der am IPHT bereits gut etablierten Raman Spektroskopie stark erhöht, indem wir es mit einem Rasterkraft-Mikroskop kombinieren", erklärt Deckert. Eine mit Laserlicht bestrahlte winzige Sonde funktioniert dabei wie die Nadel eines Plattenspielers: Sie fährt über die zu untersuchende Probe und analysiert diese, während sie gleichzeitig Informationen darüber liefert, an welcher Stelle sie sich gerade befindet. Chemiker Deckert erreicht damit Auflösungen im Bereich von 2 Nanometern. (Zum Vergleich: Ein Haar ist fünfzigtausend Mal dicker als ein Nanometer). Auf diese Weise können die Forscher Änderungen in der Form und insbesondere der Oberfläche des Proteins direkt beobachten. "Die Reihenfolge der einzelnen Bausteine, aus denen sich ein Eiweiß zusammensetzt, ist gleich, egal, ob man ein richtig oder ein falsch gefaltetes Protein untersucht", so Deckert. Der Grund für die fehlerhafte Faltung und damit der Auslöser der Krankheit muss also in der Art liegen, wie das Protein seine Form findet und schließlich mit andern Proteinen zusammenwächst - und das wollen wir so genau wie möglich untersuchen". Den Wissenschaftler treibt die Frage, wie weit kann man in die molekulare Struktur eindringen? Ein Ehrgeiz, der viel Anerkennung findet. So wurde Anfang des Jahres das Thema im renommierten Journal of Biophotonics nicht nur veröffentlicht, sondern auch gleich zur Titelstory erhoben. Im Februar konnten Deckert und seine Mitarbeiter aus der Hand des Thüringer Wissenschaftsministers den Forschungspreis des Freistaates entgegennehmen. Mitte Juni wird das IPHT dank Deckerts Arbeiten von einer gemeinsamen Initiative von Wirtschaft und Bundesregierung zum dritten Mal in Folge als "Ausgewählter Ort im Land der Ideen" ausgezeichnet werden.
"Diese Anerkennung freut uns und spornt uns an, unseren Ansatz weiterzuverfolgen", sagt Deckert, der 2009 aus Dortmund nach Jena kam. Das IPHT mit seiner interdisziplinäre Ausrichtung und den nur hier in dieser Form vorhandenen technologischen Möglichkeiten bietet ihm hervorragende Bedingungen für seine Forschung. "Die Kollegen hier verfügen über große Kompetenzen im Bereich der Mikro- und Nanostrukturierung, ohne die die Herstellung und Beschichtung der Spitzen nicht möglich wären". In Zukunft will Deckert auch die Faserexpertise des Institutes nutzen: Glasfasern könnten als "Ministifte" die bisherigen Spitzen ersetzen.

Ihr Ansprechpartner:
PD Dr. Volker Deckert
Abteilungsleiter Nanoskopie
volker.deckert@ipht-jena.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.ipht-jena.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image172041
Tip Enhanced Raman Spectroscopy: Mittels feinster Spitzen Moleküle untersuchen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution203

Quelle: Institut für Photonische Technologien, Dipl. Biol. Susanne Hellwage, 24.05.2012

Raute

Universität Augsburg - 24.05.2012

Trennung von Blutzellen im Mikrofluss

Von Augsburger Physikern entwickelte Methode nutzt die Liftkraft im laminaren Fluss zur Separierung von roten Blutkörperchen und Blutplättchen. / Breite Anwendungsmöglichkeiten in "Lab-on-a-Chip"-Systemen zur medizinischen Diagnostik und zur Zellaufbereitung.

Augsburg/ThG/KPP - Eine neue Methode zur Auftrennung von Blutzellen hat die Mikrofluidikgruppe von Dr. Thomas Franke am Lehrstuhl für Experimentalphysik I der Universität Augsburg jetzt in den "Applied Physics Letters" vorgestellt. Ein hydrodynamischer Effekt, die sogenannte Liftkraft, sorgt dafür, dass sich deformierbare Teilchen in winzigen Kanälen von der Größenordnung menschlicher Kapillaren von der Wand entfernen. Je nachdem wie groß oder deformierbar die Zellen sind, bewegen sie sich unterschiedlich schnell Richtung Kanalmitte. Dies führt am Ende des Mikrokanals zu einem Positionsunterschied, der zur Trennung der Zellen genutzt werden kann. Anwendungsmöglichkeiten dieser Methode liegen einerseits in der medizinischen Diagnose weit verbreiteter Krankheiten wie Malaria, Diabetes oder Bluthochdruck, andererseits lässt sie sich auch zur Aufbereitung von Zellen in Laboren nutzen.

Welche physikalischen Effekte spielen im Blutfluss eine Rolle? Wie verhalten sich rote Blutkörperchen in menschlichen Blutgefäßen? Was können wir daraus lernen und können wir diese Effekte sinnvoll nutzen? Antworten auf diese Fragen sucht das Team von Franke bereits seit einigen Jahren. Mikrofluidik, die Wissenschaft von der Strömung kleiner Flüssigkeits- oder Gasmengen, spielt dabei eine wichtige Rolle. In Kanälen der Größe eines menschlichen Haares treten nämlich Effekte auf, die wir aufgrund unserer makroskopischen Alltagserfahrungen nicht kennen und so nicht erwarten.

Ein Beispiel hierfür ist der laminare Fluss, in dem Flüssigkeiten wirbelfrei nebeneinander fließen können. Die Flüssigkeit fließt hierbei in Schichten, die sich nicht miteinander vermischen. Ein gänzlich neuer Effekt tritt jedoch auf, wenn sich deformierbare Objekte, wie beispielsweise biologische Zellen in einem solchen laminaren Fluss bewegen. Diese können sich nämlich sehr wohl quer zur Strömungsrichtung bewegen, und so in benachbarte Strömungsschichten gelangen. In der Nähe einer begrenzenden Wand ist dieser Effekt immer so gerichtet, dass die Zellen sich von dieser entfernen. Dieser hydrodynamische Lift-Effekt ist desto stärker ausgeprägt, je größer und weicher die Zellen sind.

Im menschlichen Körper führt dies dazu, dass die großen und weichen roten Blutkörperchen zumeist in der Mitte der Blutgefäße fließen, was den Strömungswiderstand enorm verringert, während die (kleineren) Blutplättchen näher an der Wand bleiben, wo sie im Falle einer Verletzung für den Wundverschluss gebraucht werden.

Imitation des Blutflusses auf einem Mikrochip

Dass dieser Effekt bionisch, also auf dem Weg einer technischen Umsetzung biologischer Prinzipien, auf einem kleinen Chip imitiert und zum Trennen von Zellen genutzt werden kann, haben die Augsburger Wissenschaftler nun folgendermaßen experimentell nachgewiesen: Sie injizierten eine Mischung aus Blutzellen in einen rechteckigen Mikrokanal mit einer Kantenlänge von 100 Mikrometern im Querschnitt (vgl. Abb. 1). Dort werden die Zellen zunächst von einem weiteren Zufluss an den Kanalboden gedrückt, bevor sie sich auf den Weg durch den 2 Zentimeter langen Kanal machen. Am ersten Messpunkt (x1) sind die roten Blutkörperchen und die Blutplättchen noch durchmischt und im Mittel auf gleicher Höhe. Auf ihrem Weg durch den Kanal steigen die roten Blutkörperchen dann aber deutlich weiter zur Kanalmitte hin als die Blutplättchen, so dass Blutkörperchen und Blutplättchen am Punkt x2 also voneinander getrennt werden können. Dass dieser Effekt nicht nur von der Größe der Zellen abhängt, sondern auch von ihrer Deformierbarkeit und Form, konnte durch die erfolgreiche Trennung von Blutplättchen und gleich großen Polystyrolkügelchen nachgewiesen werden.

"Der große Vorteil unserer Methode ist, dass sie sich in Form eines Einwegartikels umsetzen lässt und zum Antrieb des Flusses nicht einmal eine Pumpe benötigt wird", erläutert Thomas Geislinger, Erstautor der Veröffentlichung. Das wenige Zentimeter große System erfülle damit die Kriterien für die Integration in sogenannte "Lab-on-a-Chip"-Systeme, es werde sich also als Teil eines kleinen Labors auf einem einzigen Mikrochip nutzen lassen.

Solche Minilabore finden in der Medizin zur Diagnose von zahlreichen Krankheiten wie Malaria, Diabetes oder Bluthochdruck Verwendung. Da sie billig sind und fast überall betrieben werden können, ist ihre Entwicklung insbesondere für die medizinische Versorgung in Entwicklungsländern von enormer Bedeutung.

Originalveröffentlichung:
T. M. Geislinger, B. Eggart, S. Braunmüller, L. Schmid, and T. Franke
Separation of blood cells using hydrodynamic lift
Applied Physics Letters Vol. 100, p. 183701 (2012)
DOI: 10.1063/1.4709614
(http://apl.aip.org/resource/1/applab/v100/i18/p183701_s1)

Ansprechpartner:

Dipl.-Phys. Thomas Geislinger
Microfluidics and Biological Physics Group
Experimentalphysik I
Universität Augsburg
thomas.geislinger@physik.uni-augsburg.de

PD Dr. Thomas Franke
Group Leader Microfluidics and Biological Physics
Experimentalphysik I
Universität Augsburg
thomas.franke@physik.uni-augsburg.de
http://www.physik.uni-augsburg.de/exp1/mitarbeiter/franke_thomas/

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:

http://idw-online.de/de/image172016
Abb.1: Schema des Mikrokanals und des Trennvorganges

http://idw-online.de/de/image172017
Abb.2: Mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommene Mikroskopbilder an den Stellen x1 und x2 (vgl. Abb.1)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution58

Quelle: Universität Augsburg, Klaus P. Prem, 24.05.2012

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2012