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MELDUNG/581: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 02.08.12 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Genetik: Funktion von siRNAs bei der Erkennung und Reparatur des DNA-Doppelstrang-Bruchs
→  Mit Broccoli gegen Infektionen
→  Wichtiger Schritt auf dem Weg zur Darmkrebstherapie



Ludwig-Maximilians-Universität München - 31.07.2012

Genetik - Gefährliche DNA-Schäden signalisieren

DNA-Schäden können der Zelle, dem ganzen Organismus gefährlich werden. Eine neue Arbeit zeigt, dass potentiell durch einen DNA-Doppelstrangbruch geschädigte Genprodukte in einer tödlichen Umarmung landen.

Das Erbmolekül DNA enthält die genetische Information, die wiederum die Bauanleitung für Proteine, also die wichtigsten Funktionsträger der Zelle, vermittelt. Fehler in der DNA können die Protein-Synthese beeinträchtigen und damit schwer wiegende Folgen für die Zelle und den Organismus nach sich ziehen. Deshalb greifen bei DNA-Schäden mehrere hochpräzise Reparaturmechanismen. Ein Team um den LMU-Forscher Professor Klaus Förstemann hat nun in der Fruchtfliege Drosophila eine neuartige zelluläre Reaktion nachgewiesen - als Antwort auf gefährliche Doppelstrang-Brüche.

Gene potentiell im falschen Kontext

Treten Fehler in einem DNA-Strang auf, dient der - komplementär aufgebaute - zweite Strang als Reparaturvorlage. Bei einem Doppelstrang-Bruch aber ist die Kontinuität der Information bedroht. "Diese Läsionen sind so gefährlich, weil es leichter zu einer fehlerhaften Reparatur kommen kann, wodurch möglicherweise Teile des Erbguts in einen falschen Kontext geraten", sagt Förstemann. "Wir konnten jetzt auch bei Drosophila zeigen, dass ein solcher Schaden die Produktion von siRNAs auslöst." Die RNA ist eine der DNA nahe verwandte Nukleinsäure.

Die siRNAs oder "small interfering" RNA-Moleküle treten bei einer Vielzahl zellulärer Prozesse auf, etwa der Abwehr von Krankheitserregern und der Regulation der genetischen Aktivität - und haben möglicherweise auch therapeutisches Potential. Neu ist ihre Rolle bei der DNA-Reparatur: Wie die Analyse der genauen Verteilung der siRNAs zeigte, beeinflusst die Art des Schadens ihre Produktion. Handelt es sich um ein aktiv transkribiertes Gen, dessen Information also gerade in ein Protein übertragen werden soll, werden besonders viele siRNAs gebildet. Die geschädigte DNA dient bei der Synthese dieser siRNAs als Vorlage.

Punktgenaue Bruchlandung

Dem Forscherteam gelang der Nachweis, dass alle siRNAs aus der Region zwischen dem Promoter, also dem Startpunkt der Genabschrift, und dem Doppelstrang-Bruch stammen. Die Abschrift eines Gens erfolgt in einzelsträngige RNA, während die siRNAs hier von einem doppelsträngigen Vorläufer abgeleitet sind. Dieser inkorporiert wohl einen Teil der beschädigten RNA-Transkripte als einen Strang. "Die doppelsträngige RNA wird von der Zelle dann in siRNAs zerlegt, die wiederum als Lotsen für einen Abbaumechanismus dienen der die potentiell fehlerhafte Genabschrift aus dem Verkehr zieht", sagt Förstemann.

Die Forscher vermuten nun, dass die siRNA-Antwort auf einen Doppelstrang-Bruch Teil eines weit komplexeren Mechanismus sein könnte. Vorerst ist dank Arbeiten aus anderen Labors aber nur bekannt, dass entsprechende Mechanismen auch in Pflanzen, in Schimmelpilzen sowie in menschlichen Zellen auftreten. "Welche Funktionen die siRNAs bei der Erkennung und Reparatur des DNA-Doppelstrang-Bruchs haben, ist noch nicht abschließend geklärt", so Förstemann. "Es handelt sich aber mit Sicherheit um einen in der Evolution hoch konservierten Mechanismus." suwe

Kontakt:
Professor Klaus Förstemann
Genzentrum und Department für Biochemie der LMU
E-Mail: foerstemann@genzentrum.lmu.de
Web: http://www.foerstemann.genzentrum.lmu.de

Publikation:
A small RNA response at DNA ends in Drosophila
Katharina Michalik, Romy Böttcher and Klaus Förstemann
Nucleic Acids Research, 30. Juli 2012

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution114

Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München, Luise Dirscherl, 31.07.2012

Raute

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau - 01.08.2012

Mit Broccoli gegen Infektionen

Der Freiburger Wissenschaftler Andreas Diefenbach erhält eine hohe Auszeichnung des Europäischen Forschungsrats

Der Mikrobiologe und Immunologe Prof. Dr. Andreas Diefenbach, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene am Universitätsklinikum Freiburg, erhält die bedeutende Förderung "Starting Grant" des Europäischen Forschungsrats (ERC) in Höhe von 1,5 Millionen Euro für sein Projekt "NutrImmune". Der Wissenschaftler will den Einfluss von Nahrungsstoffen auf das Immunsystem des Darms untersuchen.

Viele Gemüsesorten wie zum Beispiel Broccoli oder Rosenkohl enthalten Senfölglykoside, die zur Gruppe der Phytochemikalien gehören. Diefenbach konnte mit seiner Forschungsgruppe zeigen, dass solche Phytochemikalien die Differenzierung von speziellen Immunzellen, den so genannten Lymphoid-Tissue-Inducer-Zellen (LTi-Zellen), beeinflussen. Mäuse, deren Futter keine Phytochemikalien enthielt, bildeten nur wenige LTi-Zellen und waren für Darminfektionen und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sehr anfällig. Das ERC-geförderte Projekt untersucht die molekularen Mechanismen, über die bestimmte Nahrungsstoffe die Differenzierung und Funktion der LTi-Zellen beeinflussen. Diese Zellen sind wichtig für den Schutz des Darmepithels, also des Deck- und Drüsengewebes. In Zukunft könnten solche Phytochemikalien oder aus ihnen entwickelte Substanzen in der Klinik zur Therapie von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie zum Beispiel Morbus Crohn eingesetzt werden.

Kontakt:
Prof. Dr. Andreas Diefenbach
Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene
Universitätsklinikum Freiburg
E-Mail: andreas.diefenbach@uniklinik-freiburg.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.pr.uni-freiburg.de/pm/2012/pm.2012-08-01.209-en?set_language=en

Andreas Diefenbach forscht seit 2005 am Freiburger Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene. Er ist außerdem Mitglied am BIOSS, dem Zentrum für biologische Signalstudien der Universität Freiburg, sowie an der Spemann Graduiertenschule für Biologie und Medizin (SGBM).

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution69

Quelle: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, Rudolf-Werner Dreier, 01.08.2012

Raute

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg - 01.08.2012

Wichtiger Schritt auf dem Weg zur Darmkrebstherapie

Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) haben ein Protein entdeckt, das für die Bildung des tumorfördernden Botenstoffs Interleukin-6 (IL-6) verantwortlich ist. Die Entdeckung könnte zu einem neuen Therapieansatz zur Verhinderung von Darmtumoren führen. Die Forschungsergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift "Cancer Research" veröffentlicht.

Colitis ulcerosa ist eine chronische und meist in Schüben verlaufende Erkrankung des Dickdarms. In Deutschland wird die Zahl der betroffenen Patienten auf etwa 168.000 geschätzt. Typische Beschwerden sind häufige blutig-schleimige Durchfälle, Bauchschmerzen im linken Unterbauch, ständiger Stuhldrang, Fieber und allgemeine körperliche Schwäche. Je weiter die Entzündung im Dickdarm fortgeschritten ist, desto ausgeprägter treten die Symptome auf und desto höher ist das Risiko für die Entstehung von Darmkrebs. Die genaue Ursache für die Darmerkrankung und die hohe Wahrscheinlichkeit der Krebsentwicklung sind trotz weltweiter Forschungsbemühungen bis jetzt jedoch unklar.

Eine Arbeitsgruppe um Dr. Benno Weigmann an der Medizinischen Klinik 1 des Universitätsklinikums Erlangen erforscht seit Jahren die molekularen Zusammenhänge, die zum Entstehen von Colitis ulcerosa führen. "Wir versprechen uns davon ein besseres Verständnis des Krankheitsverlaufs. Insbesondere möchten wir wissen, warum in späteren Krankheitsphasen häufig Darmtumoren entstehen", sagt Benno Weigmann. "Wenn uns das gelingt, dann bestehen auch gute Chancen, eine wirksame Therapie zu entwickeln."

Forschungsschwerpunkt der Arbeitsgruppe sind spezielle Proteine, sogenannte NFAT-Transkriptionsfaktoren. Eine besondere Rolle spielt der Transkriptionsfaktor NFATc2: Er ist für die Aktivierung von T-Zellen wichtig und wurde schon früher in Zusammenhang mit der Colitis ulcerosa gebracht. Nun konnten die Erlanger Mediziner zeigen, dass NFATc2 auch an der späteren Tumorentwicklung im Darm beteiligt ist. "Zunächst haben wir in den Darmtumoren von Patienten eine erhöhte Konzentration von NFAT2c nachgewiesen", erklärt Benno Weigmann. "In späteren Experimenten konnten wir dann die tumorfördernde Wirkung von NFATc2 bestätigen."

NFATc2 steuert die Apoptose - eine Art programmierter Zelltod - und die Proliferation, die Vermehrung von Zellen. Fehlt dieses Protein, sterben viel mehr Zellen ab, und entartete Zellen werden schneller aus dem Körper entfernt. Tumore können dann gar nicht erst entstehen. Im Besonderen steuert NFATc2 die Entwicklung des entzündungsfördernden Botenstoffs Interleukin-6. Dieses Interleukin spielt bei Krebserkrankungen eine wichtige Rolle und fördert zudem die Entstehung von Metastasen. Mit steigender IL-6 Konzentration im Patientenserum steigt auch die Wahrscheinlichkeit für eine Tumorerkrankung. Dies konnte ebenfalls in Experimenten gezeigt werden.

Die Identifizierung von NFATc2 als wichtigen Regulator des tumorfördernden Botenstoffes IL-6 ist ein entscheidender Schritt bei der Aufklärung der bei chronischen Entzündungsprozessen ablaufenden Kanzerogenese. Weigmann und seine Mitarbeiter hoffen, dass die gewonnenen Erkenntnisse zu einem neuen Therapieansatz führen, der die Bildung von Tumoren bei Patienten mit chronischer Darmerkrankung verhindert.

Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), gegründet 1743, ist mit 33.500 Studierenden, 630 Professuren und rund 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte Universität in Nordbayern. Und sie ist, wie aktuelle Erhebungen zeigen, eine der erfolgreichsten und forschungsstärksten. So liegt die FAU beispielsweise beim aktuellen Forschungsranking der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) auf Platz 8 und gehört damit in die Liga der deutschen Spitzenuniversitäten. Neben dem Exzellenzcluster "Engineering of Advanced Materials" (EAM) und der im Rahmen der Exzellenzinitiative eingerichteten Graduiertenschule "School of Advanced Optical Technologies" (SAOT) werden an der FAU derzeit 31 koordinierte Programme von der DFG gefördert

Die Friedrich-Alexander-Universität bietet rund 160 Studiengänge an, darunter sieben Bayerische Elite-Master-Studiengänge und über 30 mit dezidiert internationaler Ausrichtung. Keine andere Universität in Deutschland kann auf ein derart breit gefächertes und interdisziplinäres Studienangebot auf allen Qualifikationsstufen verweisen. Durch über 500 Hochschulpartnerschaften in 62 Ländern steht den Studierenden der FAU schon während des Studiums die ganze Welt offen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution18

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Heiner Stix, 01.08.2012

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. August 2012