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MELDUNG/615: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 25.10.12 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

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→  Mannheim: Neuer Linearbeschleuniger rundet Modernisierungsprozess ab



Wilhelm Sander-Stiftung - 24.10.2012

Münchner Forscher wollen molekularen Signalweg bei Tumoren des Immunsystems aufklären

Tumoren entstehen oft dadurch, dass die in Zellen notwendigen Signalweiterleitungsmechanismen verstärkt und/oder nicht mehr abschaltbar sind. Forscher am Münchner Helmholtz Zentrum möchten nun die Rolle einer in der Signalweiterleitung involvierten Proteinfamilie - die Raf-Kinasen - bei der Entstehung von Tumoren des Immunsystems genauer untersuchen. Dazu sollen in einem bereits etablierten Maus-Tumormodell die beiden Raf-Kinasen B-Raf und C-Raf genetisch ausgeschaltet werden. Die Forscher versprechen sich dadurch Erkenntnisse, die zu einer verbesserten Therapie bei B-Zell-Lymphomen, einer Form von Lymphknotenkrebs, führen könnten.

B-Lymphozyten (B-Zellen) sind weiße Blutkörperchen des Immunsystems, die bei einer Infektion mit Viren oder Bakterien spezifische Antikörper gegen die Erreger produzieren und damit den Organismus schützen. Um möglichst wirksame Antikörper produzieren zu können, werden in den B-Zellen genetische Veränderungen ausgelöst. Manchmal führen diese jedoch auch zu "unerwünschten" Änderungen anderer Gene und können dadurch Ursache einer Entartung der Zellen sein und damit eine Krebserkrankung hervorrufen.

Aus diesem Grund treten Tumoren, die auf einer krankhaften Veränderung von B-Zellen beruhen, mit vergleichsweise großer Häufigkeit auf (zirka 26 Fälle pro 100.000 Personen und Jahr; Daten von: Morton, L.M. und Kollegen (2006) Blood 107, 265-276). Leider sind die Faktoren, die in diesen Tumorzellen eine essentielle Rolle bei Entstehung oder Aufrechterhaltung des entarteten Verhaltens spielen, meist noch nicht bekannt. Deren Identifizierung wäre jedoch Voraussetzung für eine zielgerichtete Therapie.

Die Arbeitsgruppe um Dr. Ursula Zimber-Strobl konnte vor kurzem am Helmholtz Zentrum München in einem Mausmodell zeigen, dass die andauernde Aktivierung eines wichtigen Oberflächenproteins von B-Zellen, das sogenannte CD40, zu einem massiv verstärkten Wachstum dieser weißen Blutkörperchen und letztendlich zur Tumor-Entstehung führt. Dabei werden auch die Proteine Erk1 und Erk2 stark überaktiviert.

Damit untermauerten die Münchner den auch durch andere Studien nahegelegten Verdacht, dass Erk1 und Erk2 zu den tumorspezifischen Eigenschaften entarteter B-Zellen beitragen. Die beiden Proteine werden im gesunden Organismus über eine sogenannte Signalkaskade aktiviert. Dabei werden Signale über festgelegte Zwischenschritte bis zum Zielprotein weitergeleitet (siehe auch Abbildung).

Die Forschergruppe um Zimber-Strobl möchte nun eine Komponente dieser Signalkaskade, nämlich die Mitglieder der Raf-Kinase-Proteinfamilie genauer untersuchen. Ziel ist es, zu klären ob sie an der Entstehung von B-Zell-Tumoren beteiligt sind. Durch genetische Inaktivierung zweier Komponenten der Signalkaskade - nämlich der Proteine C-Raf und B-Raf wollen die Forscher am Mausmodell klären, ob die Tumorentstehung dadurch blockiert wird. Wäre dies der Fall, würde das Ergebnis darauf hindeuten, dass die Raf-Kinasen bei der Entstehung der B-Zell-Lymphome eine wichtige Rolle spielen.

Parallel möchte die Arbeitsgruppe auch in Zellkulturen prüfen, ob in menschlichen B-Zell-Tumoren der über Raf-Kinasen gesteuerte Signalweg aktiv ist. Darüber hinaus soll getestet werden, ob sich das Wachstum oder Überleben dieser Tumorzellen durch den Einsatz von spezifischen Hemmstoffen (Inhibitoren) gegen Komponenten der Signalkaskade - insbesondere gegen die Raf-Kinasen - beeinflussen lässt. Da über die physiologische Rolle der einzelnen Raf-Kinasen in der Entwicklung und Aktivierung von B-Zellen bisher wenig bekannt ist, untersucht die Arbeitsgruppe auch Mäuse, in denen entweder C-Raf oder B-Raf oder auch beide Proteine zusammen genetisch inaktiviert sind. Die Ergebnisse dieser unterschiedlichen Ansätze sollen klären, ob - und wenn ja, welche - Raf-Kinasen Angriffspunkte einer zielgerichteten Therapie bei B-Zell-Tumoren des Menschen liefern können.

Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Forschungsprojekt mit rund 160.000 Euro. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 190 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Weitere Informationen zur Stiftung:
http://www.wilhelm-sander-stiftung.de

Kontakt (Projektleitung):
PD Dr. rer. nat. Ursula Zimber-Strobl
Gruppenleiterin, Abteilung Genvektoren
Helmholtz Zentrum München
E-Mail: strobl@helmholtz-muenchen.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image185220
Vereinfachte Darstellung einer Signalkaskade mit Beteiligung von Raf-Kinasen: Signale aus der Zellumgebung werden über bestimmte Oberflächenmoleküle der Zelle, sogenannten Rezeptoren ins Zellinnere weitergeleitet. Dies geschieht durch eine sogenannte Signalkaskade. Dabei interagieren verschiedene Proteine in einer Art Kettenreaktion in festgelegter Reihenfolge miteinander. Die Raf-Kinasen bilden einen Teil dieser Übertragungskette. Am Ende der Signalkaskade steht das Zielprotein wie etwa Erk1 oder Erk2, das dann eine wichtige zelluläre Reaktion hervorruft, zum Bespiel die Aktivierung eines Gens im Zellkern.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution890

Quelle: Wilhelm Sander-Stiftung, Sylvia Kloberdanz, 24.10.2012

Raute

Universitätsmedizin Mannheim - 24.10.2012

Neuer Linearbeschleuniger rundet Modernisierungsprozess ab

Universitätsklinikum hat in sechs Jahren über zehn Millionen Euro in die Strahlentherapie investiert / Moderne Geräte fügen sich nahtlos in das Projekt "Forschungscampus" ein

Die Universitätsmedizin Mannheim (UMM) nimmt in diesen Tagen ihren "Linac 2" in Betrieb. Eingesetzt wird dieses Gerät in der Strahlentherapie, einem wichtigen Standbein bei der Behandlung von Krebserkrankungen. Es ist der vierte Linearbeschleuniger, über den die von Professor Dr. med. Frederik Wenz geleitete Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie verfügt. Damit ist ein über zehn Millionen Euro teurer Modernisierungs- und Umbauprozess abgeschlossen worden, der sich über sechs Jahre erstreckt hat.

"Alle Bestrahlungsgeräte sind nun auf dem neuesten Stand," zeigt sich Professor Wenz sehr zufrieden. Die Geräte sind darauf ausgelegt, in den letzten Jahren entwickelte strahlentherapeutische Einsatzmöglichkeiten zu beherrschen. Zwei Beispiele: Die so genannte Intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) berücksichtigt nicht nur, wohin die Strahlung gelangt, sondern auch in welcher Intensität. Dieses Verfahren trägt entscheidend dazu bei, umliegendes Gewebe zu schonen.

Ein Ziel, das auch dem zweiten Beispiel zugrunde liegt, der Bildgestützten Radiotherapie (IGRT). Sie berücksichtigt, dass sich gerade im Umfeld von Weichgewebe die Lage eines Tumors im Körper kurzfristig geringfügig verändert haben kann. Solch eine kleine Verschiebung lässt sich feststellen, wenn unmittelbar vor Beginn der Bestrahlung im selben Gerätekomplex zur Sicherheit ein bildgebendes Verfahren eingesetzt wird, das den Ärzten Sicherheit über die exakte aktuelle Position des Tumors liefert.

Schneller, höher, weiter - überträgt man dieses Motto aus dem Sport auf die medizinische Disziplin Strahlentherapie, dann lautet es umformuliert "noch präziser, noch nebenwirkungsärmer, noch zeitsparender". Ein Trend, der in der Radiologie, in der Strahlentherapie und in der Radioonkologie seit je her grundsätzlichen Charakter hat.

Im konkreten Fall, dem Linac 2, bedeutet dies beispielsweise, dass die eigentliche Bestrahlungseinheit durch zwei angebaute Geräte ergänzt wird, die einer besonders exakten Positionierung dienen - wobei eines dieser Verfahren auf der Computer-Tomographie beruht, das andere auf Ultraschallbasis arbeitet. Das angestrebte Ergebnis wurde bereits skizziert: Den Tumor millimetergenau zu lokalisieren, die Bestrahlung besonders präzise darauf auszurichten, und umliegendes Gewebe möglichst weitgehend zu schonen. Erreicht wird dies unter anderem durch einen der bundesweit ersten neuen Lamellen-Kollimatoren im Bestrahlungskopf. Solch einen Kollimater kann man sich als System verschiedener Filter vorstellen, die fortlaufend so in Position gebracht werden, dass Strahlung gezielt zurückgehalten werden kann - dies ist dann von hohem Nutzen, wenn ein Tumor eine komplexe irreguläre Kontur aufweist.

Parallel zur Einführung in den Patientenbetrieb arbeiten die Physiker der Mannheimer Strahlentherapie an einer weiteren Beschleunigung der Therapie. Die Hoffnung der Mannheimer Ärzte und Naturwissenschaftler: Dass sie die ersten in Deutschland sein könnten, die diese Innovation in Deutschland in den klinischen Betrieb nehmen. Der so genannte Flattening-Filter-Freie (FFF) Betrieb, mit dem sie sich beschäftigen, setzt voraus, auf einen üblicherweise zwischengeschalteten Filter zu verzichten und dadurch die Dosisrate zu erhöhen - Folge wäre eine verkürzte Behandlungsdauer pro Behandlungseinheit.

Schon jetzt ermöglicht die neue Gerätegeneration eine intensivere Bestrahlung in kürzerer Zeit. Sehr komplizierte Bestrahlungsvorgänge können bereits in einem Zeitfenster durchgeführt werden, in denen der Patient für einen Moment den Atem anhält und dadurch beispielsweise bei einem Tumor im Bereich des Oberkörpers eine besonders exakte Positionierung ermöglicht.

"Selbstverständlich geht es bei solch einem Modernisierungsprozess zentral und in erster Linie um den Patientennutzen," sagt Professor Wenz. Wobei er ergänzt: "Eine ausgesprochen moderne Ausstattung am obersten Rahmen des Möglichen stellt aber zugleich eine zentrale Komponente dar, wenn es der Stadt Mannheim, der Medizinischen Fakultät Mannheim und weiteren medizinnahen Einrichtungen darum geht, diese Region als Standort anspruchsvoller Medizintechnologie zu etablieren." So passt die Ausstattung übrigens auch gut zum gerade vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit einer Förderung bedachten Projekt Forschungscampus M2OLIE.

Zu dieser Mitteilung finden Sie Anhänge unter:
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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution400

Quelle: Universitätsmedizin Mannheim, Klaus Wingen, 24.10.2012

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2012