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MELDUNG/655: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 08.02.13 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  330 Tonnen Hochtechnologie: Herz der Protonentherapieanlage erreicht Dresdner Medizin-Campus
→  Freigelegte Region ist unverzichtbar
      Forscherteam entschlüsselt wichtigen Schritt in der Aktivierung der T-Zellen im Immunsystem



Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden - 06.02.2013

330 Tonnen Hochtechnologie: Herz der Protonentherapieanlage erreicht Dresdner Medizin-Campus

Zyklotron und Gantry aus Belgien angekommen und mit Spezialtechnik in Neubau an der Schubertstraße gehoben

Mit der Anlieferung des Herzstücks - dem Protonenbeschleuniger (Zyklotron) und der drehbaren, aus Gantry und Nozzle bestehenden Bestrahlungseinrichtung - beginnt der Schlussspurt des Neubaus auf dem Campus der Dresdner Hochschulmedizin. Die ersten Ärzte und Wissenschaftler werden im Herbst dieses Jahres ihre Arbeit in der weltweit einmaligen Forschungs- und Entwicklungsplattform für innovative Technologien zur Strahlenbehandlung von Krebserkrankungen aufnehmen können. Nachdem die wesentlichen Arbeiten an dem Gebäude abgeschlossen sind, wird nun die hochkomplizierte Technik installiert, um voraussichtlich im Frühjahr 2014 parallel zu den Forschungsvorhaben die ersten Krebspatienten behandeln zu können. Die Trägerinstitutionen der wissenschaftlichen Einrichtung "OncoRay" - das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, die gleichnamige Medizinische Fakultät der Technischen Universität sowie das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) - haben sich mit dem Ziel zusammengeschlossen, eine neue Dimension einer schonenden Strahlentherapie zu erschließen: In Dresden wird dazu in den kommenden Jahren der Einsatz von Protonen in der Krebstherapie patientennah und jenseits kommerzieller Zwänge weiterentwickelt.

In den wenigen Tagen der Anlieferung und des Einbringens von Zyklotron und Gantry ist es möglich, dass eine breite Öffentlichkeit die Bestandteile der Protonentherapieanlage in Augenschein nehmen kann. Die Dimension der High-Tech-Installation des Belgischen Weltmarktführers für Protonentherapieanlagen Ion Beam Applications S.A. (IBA) setzt Maßstäbe: Allein die Gantry, eine zusammengebaut 13 mal 11 Meter messende, 370 Grad drehbare Stahlkonstruktion, wiegt 110 Tonnen. Über diesen Stahlkoloss legt der gebündelte Protonenstrahl die letzten Meter zum Patienten zurück. Doppelt so schwer ist der am 6. Februar eintreffende und noch am selben Tag auf sein Fundament gesetzte Protonenbeschleuniger. Durch Ihn werden die Partikel auf etwa zwei Drittel der Lichtgeschwindigkeit - das sind ungefähr 180.000 Kilometer in der Sekunde - beschleunigt. Damit der Protonenstrahl auf dem über 50 Meter langen Weg vom Zyklotron über die so genannte Beamline und die Gantry in höchster Präzision zum Patienten gelangt, wird er von über 50 mehrere Tonnen schwere Quadrupol- und Dipolmagneten geleitet. Die auf ein Tausendstel Millimeter genau justierten Magneten stellen die korrekte Form und Richtung des Strahls sicher.

Um den Protonenstrahl zu erzeugen und auf den Weg zum Patienten zu bringen, ist hochkomplexe Computertechnik notwendig, die speziell für die Protonenbeschleunigung konzipiert und produziert wird. Bevor ein Expertenteam diese im Neubau installiert, halten die tonnenschweren Konstruktionen von Gantry und Zyklotron Einzug. Letzteres war mehrere Tage mit einem Schwerlast-Konvoi von Belgien nach Dresden unterwegs, der dabei über 800 Kilometer zurücklegte. Entwickelt und hergestellt wird die Anlage von der IBA, ein Unternehmen, das weltweit bereits 13 im Therapiebetrieb befindliche Protonentherapieanlagen errichtet hat und derzeit zwölf weitere aufbaut.

Dresdner Projekt verbindet Krankenversorgung mit Forschung

Mit der Protonentherapie als innovative Form der Strahlenbehandlung von Krebspatienten bieten das Universitätsklinikum gemeinsam mit der Medizinischen Fakultät und dem HZDR Spitzenmedizin, die derzeit in Deutschland auf universitärem Niveau nur in Heidelberg und demnächst auch in Essen sowie weltweit an rund 30 Krankenhäusern verfügbar ist. Damit unterstreicht die Dresdner Hochschulmedizin ihre deutschlandweit führende Rolle in der Versorgung von Krebspatienten. Vorteil dieser ersten Protonentherapieanlage Ostdeutschlands ist, dass Patienten dank der vielfältigen und praxisnahen Forschungsprojekte am Dresdner OncoRay-Zentrum frühzeitig von weiteren Innovationen dieser noch neuen Therapieform profitieren werden. Das ist ein wesentlicher Grund für Klinikum, Fakultät und HDZR, sich für diese durch die Europäische Union, Bund und Freistaat geförderte Millioneninvestition zu entscheiden. Ziel ist es, den Einsatz der Protonentherapie auf weitere Krebsarten auszuweiten. Derzeit übernehmen die Krankenkassen die Behandlungskosten bei bestimmten Tumoren zum Beispiel im Gehirn und im Bereich des Auges.

Neben der hunderte Tonnen schweren, auf elektromagnetischen Feldern beruhenden Protonen-Beschleunigungsanlage, werden die Wissenschaftler von HZDR und OncoRay im selben Gebäudekomplex eine neue Technologie erproben, durch die der technische Aufwand für die Protonentherapie deutlich sinken wird: Sie nutzen hochenergetische Laserstrahlen, um die Partikel auf die notwendige Geschwindigkeit zu bringen. Ziel ist es, künftig die Kosten für Bau und Unterhalt dieser Therapieanlagen drastisch zu reduzieren. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass alle Patienten, die diese schonende Behandlungsform benötigen, auch von ihr profitieren können. Das Nebeneinander eines konventionellen und eines laserbasierten Protonenbeschleunigers wird weltweit einmalig sein - das Dresdner Kompetenzzentrum etabliert sich damit als Referenz- und Kristallisationspunkt weiterer Forschungen auf diesem Gebiet.

Das HZDR ist weltweit führend bei der Erforschung von laserbeschleunigten Protonenstrahlen. Die Rossendorfer Wissenschaftler haben in den letzten Jahren auf diesem Gebiet sehr viel Erfahrung gesammelt und am Hochleistungslaser DRACO zehntausende Male energiereiche Ionenstrahlen mit hochintensivem Laserlicht erzeugt. Jetzt geht es darum, die Energie der Strahlen so zu steigern, dass sie weit genug in den Körper eindringen und Krebszellen zerstören können. Dafür ist ein noch leistungsstärkeres Lasersystem nötig, das das HZDR gegenwärtig entwickelt und am Standort Dresden-Rossendorf aufbauen wird.

Protonen - auf den Tumor fokussierte Kräfte schonen Patienten

Ziel jeder Strahlentherapie ist es, das Tumorgewebe zu zerstören oder so stark zu schädigen, dass es nicht mehr unkontrolliert wächst. Bisher werden hierzu vor allem ultraharte Röntgenstrahlen von Linearbeschleunigern eingesetzt: Die dafür verwendeten Photonen entfalten ihre therapeutische Wirkung jedoch nicht nur im Tumor selbst, sondern bereits auf ihrem Weg durch den Körper zur Krebsgeschwulst und auch dahinter. Protonen dagegen können so einsetzt werden, dass sie auf dem Weg zum Tumor nur wenig Energie abgeben. In dem bösartig veränderten Gewebe dagegen entfalten sie ihre volle Kraft. Den Protonenstrahl können die Therapeuten so formen, dass die Protonen das hinter der Krebsgeschwulst liegende gesunde Gewebe nicht mehr schädigen können. In dieser Hinsicht sind die Protonen in ihrer medizinischen Wirkung den heute standardmäßig eingesetzten Photonen deutlich überlegen. Allerdings gilt es, den medizinischen Gewinn dieser wesentlich teureren Behandlungsform für jede der verschiedenen Tumorarten gegenüber der heutigen Strahlentherapie zu überprüfen. Dies geschieht in aufwändigen, streng kontrollierten klinischen Untersuchungen. Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird die Protonentherapie nur bei einem Teil der Tumorerkrankungen sinnvoll sein.

Kontakte

OncoRay
c/o Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Pressestelle
Holger Ostermeyer
E-Mail: pressestelle@ uniklinikum-dresden.de
www.oncoray.de

Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf
Kommunikation und Medien
Dr. Christine Bohnet
E-Mail: c.bohnet@hzdr.de
www.hzdr.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw.online.de/de/institution1564

Quelle: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Holger Ostermeyer, 06.02.2013

Raute

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau - 07.02.2013

Freigelegte Region ist unverzichtbar

Forscherteam entschlüsselt wichtigen Schritt in der Aktivierung der T-Zellen im Immunsystem

Einem Team um Prof. Dr. Wolfgang Schamel vom Institut für Biologie III der Universität Freiburg und Prof. Dr. Balbino Alarcón vom Zentrum für Molekularbiologie Severo Ochoa der Autonomen Universität Madrid/Spanien ist es gelungen, einen wichtigen Schritt in der Aktivierung der so genannten T-Zellen des Immunsystems zu entschlüsseln. Bei Menschen und Mäusen entscheiden T-Zellen, ob eine Abwehrreaktion gegen Fremdkörper aktiviert wird. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen verhindern, dass der zentrale Rezeptor der T-Zellen (TCR) irrtümlicherweise auch körpereigenes Gewebe als zu bekämpfende Fremdkörper erkennt und dadurch Autoimmunkrankheiten wie Multiple Sklerose hervorgerufen werden. Dafür müssen Forschende zunächst einmal die einzelnen Schritte der TCR-Aktivierung aufdecken. Ihre Ergebnisse zur Freilegung der prolinreichen Region, einer Aminosäuresequenz im TCR, haben Alarcón und Schamel in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "The Journal of Immunology" veröffentlicht. Die American Association of Immunologists hob diese Publikation als Highlight hervor.

Sobald Fremdkörper wie Bakterien oder Viren auf den TCR treffen, löst diese Anbindung im Rezeptor den Prozess der Phosphorylierung aus, der die Immunabwehr aktiviert. Bisher konnten Wissenschaftler nicht erklären, wie die Information, dass eine Anbindung stattgefunden hat, ins Innere des TCR weitergeleitet wird. Alarcón und Schamel wiesen vor einiger Zeit nach, dass eine Strukturänderung beim Rezeptor erfolgt, sobald ein Fremdköper von außen bindet: Die prolinreiche Region ist im Inneren des TCR versteckt, nach einer Anbindung öffnet sich der untere Bereich des Rezeptors und legt die Region frei. Dass das für die Phosphorylierung wichtig ist, konnten die Wissenschaftler jetzt durch Untersuchungen der prolinreichen Region belegen.

Das Team um Alarcón hat die Rezeptoren in Mäusen so verändert, dass die prolinreiche Region nicht mehr existiert. Dr. Aldo Borroto in Madrid und Dr. Elaine P. Dopfer in Freiburg zeigten, dass der TCR daraufhin nicht mehr funktioniert, da er nicht mehr phosphoryliert wird. In einem nicht veränderten Rezeptor bindet sich jedoch, so das Forscherteam, die prolinreiche Region nach der Freilegung an das Adapterprotein Nck. Diese Interaktion baute Dopfer in vitro nach, sodass sie quantitative Belege für die Studie erbringen konnte. Die Forschung fand im Rahmen des EU-Netzwerks SYBILLA "Systems biology on T-cell activation" statt, in dem Schamel und Alarcón Partner sind. Durch ihre gemeinsame Arbeit bewiesen die Wissenschaftler in Freiburg und Madrid, dass die Anwesenheit und Freilegung der prolinreichen Region elementar ist, damit der TCR und infolgedessen die Immunabwehr aktiviert werden. Durch diese Erkenntnis wird nun der Ablauf von der Bindung eines Fremdkörpers bis hin zur Antwort des Immunsystems besser verstanden. Jetzt besteht die Möglichkeit, die weiteren, bisher noch nicht analysierten Schritte zu entschlüsseln.

Schamel ist Mitglied am Freiburger Exzellenzcluster BIOSS Centre for Biological Signalling Studies, an der Spemann Graduiertenschule für Biologie und Medizin und am Zentrum für Chronische Immundefizienz des Universitätsklinikums Freiburg. Zudem ist er Leiter des EU-FP7-Netzwerks SYBILLA.

Kontakt:
Prof. Dr. Wolfgang Schamel
Institut für Biologie III
Abteilung Molekulare Immunologie
Universität Freiburg
E-Mail: wolfgang.schamel@biologie.uni-freiburg.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.pr.uni-freiburg.de/pm/2013/pm.2013-02-07.41-en?set_language=en

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image194144
Die prolinreiche Region ist im Inneren des Rezeptors der T-Zelle versteckt (links), nach einer Anbindung eines Antigens öffnet sich der untere Bereich des Rezeptors und legt die Region frei (rechts).

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution69

Quelle: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, Rudolf-Werner Dreier, 07.02.2013

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Februar 2013