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MELDUNG/686: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 08.05.13 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Plattwürmer im Auftrag der Regenerativen Medizin
→  Deutsches Stammzellnetzwerk gegründet



Heidelberger Institut für Theoretische Studien gGmbH - 06.05.2013

Plattwürmer im Auftrag der Regenerativen Medizin

Dr. Siegfried Schloissnig leitet die neue Junior-Forschungsgruppe "Computational Biology" am Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS). Mentor der Gruppe ist der Bioinformatik-Pionier Eugene "Gene" Myers. Gemeinsam mit dessen Gruppe am Max-Planck-Zentrum für Systembiologie in Dresden will die Juniorgruppe die genetischen Codes von einigen Plattwurm-Arten entziffern und miteinander vergleichen. Plattwürmer sind für Forscher interessant, weil sie Meister der Regeneration sind: Zerteilt man sie, können sich aus den Einzelstücken wieder ganze Würmer bilden. Die Forscher hoffen aus dem Erbgutvergleich neue Erkenntnisse für die Regenerative Medizin der Zukunft zu gewinnen.

Am Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) hat jetzt die neue Junior-Forschungsgruppe "Computational Biology" (CBI) ihre Arbeit aufgenommen. Sie ergänzt die Arbeit der bisher sechs Forschungsgruppen, die in verschiedenen Bereichen der Naturwissenschaften Grundlagenforschung zur Verarbeitung und Strukturierung großer Datenmengen betreiben. Als Leiter der Juniorgruppe wurde Dr. Siegfried Schloissnig ans HITS berufen. Der 33-jährige Diplominformatiker und promovierte Humanbiologe war zuvor am Europäischen Molekularbiologischen Laboratorium (EMBL) als Postdoc tätig. Unter seiner Leitung werden in Heidelberg ein Postdoc und zwei Doktoranden arbeiten.

Pionier der Bioinformatik als Mentor

Mentor der neu eingerichteten Gruppe ist Prof. Eugene "Gene" Myers, einer der Pioniere der Bioinformatik. Der US-Amerikaner entwickelte BLAST, das meistgenutzte Suchprogramm in der Molekularbiologie. Er schrieb Gensequenzierungsprogramme, die maßgeblich zum erfolgreichen Abschluss des Humangenomprojekts beitrugen, in dessen Rahmen das menschliche Genom vollständig entziffert wurde. Seit Juni 2012 arbeitet Gene Myers als Direktor und Inhaber des "Klaus Tschira Chair" am Zentrum für Systembiologie in Dresden. Die Max-Planck-Gesellschaft rief das neue Zentrum ins Leben, gemeinsam mit der Klaus Tschira Stiftung und der Max-Planck-Förderstiftung. Das Zentrum ist ein Gemeinschaftsprojekt der Dresdner Max-Planck-Institute für molekulare Zellbiologie und Genetik sowie für Physik komplexer Systeme. Es soll Methoden entwickeln, um damit besser zu verstehen, was in den Zellen passiert, während ein Organismus heranwächst.

Neue Ansätze für noch nicht entzifferte Genome

Diese Ziele hat auch die neue HITS-Juniorgruppe im Visier, in Arbeitsteilung und enger Abstimmung mit Gene Myers‹ Labor in Dresden und dem neu gegründeten Dresden Genome Center. Siegfried Schloissnig will mit seiner Gruppe neue Ansätze für die sogenannte "De-novo-Assemblierung" entwerfen, die Rekonstruktion von Genomsequenzen mit Hilfe von DNA-Sequenziergeräten und bioinformatischen Methoden. Beim Sequenzieren nach heute üblichen Methoden wird die DNA mehrfach kopiert. Die Kopien werden dabei zufällig in viele kleine Fragmente aufgesplittert. Diese Fragmente werden durch bioinformatische Methoden auf Überlappungen untersucht und dann wieder neu zusammengesetzt. Je kleiner die Fragmente und komplexer das Genom, desto schwieriger wird das Problem. Noch schwieriger ist es, wenn kein vergleichbares Genom vorliegt und die Forscher das Genom aus Sequenzen "de novo", das heißt: neu zusammensetzen müssen. Wie zum Beispiel bei Plattwürmern, deren genetische Codes die neue HITS-Juniorgruppe entziffern will.

Das Puzzle der Plattwürmer

Damit haben sich die Wissenschaftler auf schwieriges Terrain gewagt: Bislang gelten die Genome von Plattwürmern als nicht entzifferbar, weil ihre Struktur zu kompliziert ist. "Zwei Drittel des Wurmgenoms wiederholen sich ständig", erläutert Siegfried Schloissnig, "wie ein Puzzle, das zu zwei Dritteln aus weißen Teilchen besteht, die sich nur minimal voneinander unterscheiden." Er will nun gemeinsam mit dem Dresdner Labor erstmals die vorhandenen Gensequenzen von 12 Wurmarten vergleichen. Die rechnerische Auswertung findet am HITS statt: Mit neuen Algorithmen will Schloissnig das DNA-Puzzle der Plattwürmer zusammensetzen. Plattwürmer sind für die Wissenschaftler interessant, weil sie Meister der Regeneration sind: Zerteilt man sie, können sich aus den Einzelstücken wieder ganze Würmer bilden. So gut und so schnell wie die Plattwürmer schafft das kein anderes Tier. "Wir konzentrieren uns zunächst auf Schmidtea mediterranea, den interessantesten Plattwurm für die Regenerative Medizin", so Schloissnig. "Danach werden wir einige andere Arten aus diesem Stamm sequenzieren." Die Forscher hoffen aus dem Erbgutvergleich neue Erkenntnisse für die Regenerative Medizin der Zukunft zu gewinnen. Hier geht es um Verfahren, mit denen funktionsuntüchtige Zellen, Gewebe und Organe ersetzt werden sollen, beispielsweise durch gezüchtete Gewebe, oder indem körpereigene Regenerations- und Reparaturprozesse angeregt werden.

Das HITS verfügt mit der neuen Juniorgruppe über insgesamt drei Forschungsgruppen, die sich mit mathematischen Methoden und Computersimulationen biologischen und medizinischen Fragen stellen. In diesem Jahr werden weitere Forschungsgruppen etabliert werden, unter anderem eine zweite Gruppe in der Theoretischen Astrophysik und eine Gruppe, die sich mit rechnerischer Statistik befasst. Im Jahr 2014 soll das HITS seine geplante Größe erreichen, mit insgesamt zehn Forschungsgruppen und weiteren Forschungseinheiten wie Juniorgruppen und assoziierten Forschern.

Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr. Siegfried Schloissnig
Junior Group Computational Biology
HITS Heidelberger Institut für Theoretische Studien
siegfried.schloissnig@h-its.org
http://www.h-its.org

Weitere Informationen finden Sie unter

http://www.h-its.org/deutsch/presse/pressemitteilungen.php?we_objectID=977
HITS-Pressemitteilung

http://www.mpi-cbg.de/research/research-groups/gene-myers/group-leader.html
Gene Myers Lab am MPI-CBG in Dresden

HITS
Das Heidelberger Institut für Theoretische Studien wurde von SAP-Mitbegründer Klaus Tschira ins Leben gerufen und ist eine private, gemeinnützige Forschungseinrichtung. Als Forschungsinstitut der Klaus Tschira Stiftung betreibt das HITS Grundlagenforschung zur Verarbeitung und Strukturierung großer Datenmengen. Die Forschungsfelder reichen dabei von der Astrophysik bis zur Zellbiologie. Der Sitz des Instituts befindet sich auf dem Campusgelände Schloss-Wolfsbrunnenweg in Heidelberg.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution802

Quelle: Heidelberger Institut für Theoretische Studien gGmbH, Dr. Peter Saueressig, 06.05.2013

Raute

Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch - 07.05.2013

Deutsches Stammzellnetzwerk gegründet

Stammzellforscher in Deutschland bündeln ihre Expertise. Sie gründeten am Dienstag, den 7. Mai 2013, in Berlin das "Deutsche Stammzellnetzwerk". Zum Präsidenten wählten die 12 Gründungsmitglieder aus Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen aus ihren Reihen Prof. Dr. Oliver Brüstle (Universität Bonn). Vizepräsident ist Prof. Andreas Trumpp vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg. Der dritte im Vorstand ist Prof. Albrecht Müller (Universität Würzburg). Die Geschäftsstelle mit Koordinator Dr. Daniel Besser ist am Max-Delbrück-Centrum (MDC) Berlin-Buch angesiedelt. Das Bundesforschungsministerium (BMBF) fördert die Initiative zunächst mit über 300.000 Euro.

Prof. Oliver Brüstle sagte auf einer Pressekonferenz in Berlin anlässlich der Gründung des Deutschen Stammzellnetzwerks: "Wir wollen das Deutsche Stammzellnetzwerk international vernetzen sowie strategische Fachgruppen aufbauen, die sich mit wissenschafts- und gesellschaftspolitisch relevanten Themen befassen." Der Mediziner hat bereits zehn Jahre Erfahrung im Vorstand des Kompetenznetzwerks Stammzellforschung NRW (Nordrhein-Westfalen). Er ist Direktor des Instituts für Rekonstruktive Neurobiologie der Universität Bonn sowie Mitgründer und Geschäftsführer der LIFE & BRAIN GmbH. Er befasst sich mit der Nutzung pluripotenter Stammzellen für die Erforschung und Behandlung neurologischer Erkrankungen.

Prof. Andreas Trumpp vom Deutschen Krebsforschungszentrum will sich insbesondere dem Aufbau von wissenschaftlichen Fachgruppen widmen, etwa zu den Themen "Pluripotenz und Re-Programmierung", "Adulte Stammzellen", "Krebsstammzellen" oder "Stammzellen in der Regenerativen Therapie". "Unser Ziel ist es, die wissenschaftlichen Grundlagen für zukünftige Therapien auf der Basis von Stammzellen zu entwickeln", sagte Prof. Trumpp in Berlin. "Dabei konzentrieren wir uns sowohl auf regenerative Ansätze, als auch auf die zielgerichtete Zerstörung von bösartigen Stammzellen bei Krebs." Erst kürzlich hatte Prof. Trumpp Krebszellen im Blut von Brustkrebspatientinnen nachgewiesen, die Metastasen (Tochtergeschwülste) auslösen können und Merkmale von Krebsstammzellen aufweisen.

Die Entwicklungsbiologin Prof. Elly Tanaka, Gründungsmitglied des Stammzellnetzwerks von der Technischen Universität Dresden, erforscht am dortigen DFG Forschungszentrum für Regenerative Therapien die besonderen Stammzellen des Axolotl. Diese lassen bei diesen Wirbeltieren ganze Gliedmaßen wieder nachwachsen. In Berlin betonte sie: "Eine wichtige Aufgabe des Netzwerks wird es sein, die Grundlagenforschung auf diesem Gebiet zu fördern. Das wird entscheidend für künftige Erfolge in der regenerativen Medizin sein."

1. Jahreskonferenz im November 2013 in Berlin

Der Stammzellbiologe Dr. Besser koordiniert den Aufbau des Deutschen Stammzellnetzwerks. "Mit dem Netzwerk möchten wir eine Infrastruktur für Deutschland schaffen, die Grundlagenforscher auf den verschiedenen Gebieten der Stammzellforschung vernetzt." Außerdem will das Netzwerk laut Dr. Besser Forscher auch bei der Umsetzung von Projekten unterstützen, bei denen wissenschaftliche Ergebnisse in die Anwendung beim Patienten (translationale Forschung) überführt werden sollen. Darüber hinaus wird das Netzwerk auch den wissenschaftlichen Nachwuchs fördern. So soll die erste Jahreskonferenz des Deutschen Stammzellnetzwerkes vom 11.-13. November 2013 am MDC in Berlin insbesondere jungen Talenten aus der Stammzellforschung ein Forum bieten.

Kontakt:
Dr. Daniel Besser
Koordinator
Deutsches Stammzellnetzwerk am
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
in der Helmholtz-Gemeinschaft
Robert-Rössle-Straße 10
13125 Berlin
e-mail: d.besser@mdc-berlin.de
http://www.mdc-berlin.de/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution672

Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch, Barbara Bachtler, 07.05.2013

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2013