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BILDUNG/699: Mentorinnenprogramm - Im Tandem kommen junge Ärztinnen schneller zum Ziel (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 10/2010

Mentorinnenprogramm
Im Tandem kommen junge Ärztinnen schneller zum Ziel

Von Dirk Schnack


Die Ärztekammer bringt erneut Mentees und Mentorinnen zusammen. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass die Begleitung den jungen Ärztinnen hilft.


Wer als Frau in der Männerdomäne Chirurgie arbeitet, bringt ein gewisses Maß an Durchsetzungsvermögen mit. Doch auch wenn das vorhanden ist, fehlt den Chirurginnen manchmal die weibliche Ansprechpartnerin, die aufgrund ihrer beruflichen Parallele Probleme verstehen, sie besprechen und Ratschläge geben kann. So ging es auch der jungen Fachärztin, die über einen Artikel im Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt auf das damals neue Mentorinnenprogramm der Ärztekammer aufmerksam wurde, sich als Mentee anmeldete und nach einer für sie hilfreichen Zeitspanne von rund zwei Jahren demnächst selbst als Mentorin tätig wird.

"Das ist für jeden jungen Arzt wichtig, nicht nur für Frauen", betont die Chirurgin, die rund zwei Jahre lang von Dr. Dolores de Mattia begleitet wurde. Viele Kolleginnen sehen das ähnlich. Rund 30 junge Ärztinnen haben kürzlich an einer Veranstaltung teilgenommen, für die die Kammer nun Mentorinnen sucht. Mentorinnen sind nicht zu verwechseln mit ausgebildeten Coaches. Sie haben zwar in aller Regel einen Erfahrungsvorsprung gegenüber der Mentee, mehr aber nicht. Sie dienen dem Nachwuchs als Ratgeber, um dessen Entwicklung zu fördern. Der Begriff Mentor stammt aus der griechischen Mythologie, in der Mentor als Freund von Odysseus dessen Sohn beriet. Dass so etwas auch in der Neuzeit und in anderen Bereichen als der Medizin funktioniert, zeigte das Beispiel Konrad Adenauer, der laut Wikipedia als Mentor Helmut Kohls gilt.

Die Gründe, weshalb eine junge Ärztin oder ein junger Arzt einen Mentoren suchen, sind unterschiedlich. Bei der Chirurgin war es der Wunsch nach einem Austausch mit einer erfahrenen Kollegin. Sie hatte das Gefühl, dass die Männer in ihrem Fach es besser verstanden, ihre berufliche Kompetenz heraus zu stellen. Sie selbst dagegen musste erst lernen, nicht jeden Fehler auf ihre eigene Kappe zu nehmen und in Selbstzweifel zu verfallen. Eine Benachteiligung am Arbeitsplatz, weil sie eine Frau ist, hat sie dagegen genauso wenig festgestellt wie Macho-Sprüche gehört: "Ich hatte nie frauenfeindliche Chefs und bin auch immer gefördert worden. Allerdings habe ich auch klar gesagt, dass ich mich beruflich weiter entwickeln möchte", berichtet die Ärztin. Schwieriger wurde es aber, als sie eine Oberarztposition anstrebte. Ihre Mentorin stand bereit, um die Probleme mit der Ärztin zu besprechen, einzelne Schritte abzuwägen und ihr Mut zu geben.

"In den Oberarztpositionen gibt es noch immer zu wenig Frauen, besonders in der Chirurgie", sagt de Mattia, die auch im Vorstand der Ärztekammer mitarbeitet. Sie selbst unterstützt die im Ausschuss Ärztinnen der Kammer geborene Idee, weil sie als junge Ärztin eine Leitfigur vermisst hat. Zwischenzeitlich haben de Mattia Zweifel beschlichen, ob die Idee noch zeitgemäß ist, schließlich treten Ärztinnen heute selbstsicherer auf, planen ihre Karriere stringent und wirken sehr zielsicher. "Aber es gibt immer Bedarf bei den jungen Ärzten nach Unterstützung, dies ist unabhängig vom Geschlecht. Eine gewisse Hemmschwelle, die persönlichen Interessen im Arbeitsleben durchzusetzen und über das Gehalt zu verhandeln, gibt es bei Frauen aber häufiger als bei Männern", sagt de Mattia. Hinzu kommt, dass Frauen sich häufiger als Männer der Herausforderung stellen, Beruf und Familie ausgewogen unter einen Hut zu bringen.

Was sollte ein Mentor oder eine Mentorin an Eigenschaften mitbringen? Beide Chirurginnen nennen an erster Stelle, dass das Fachgebiet übereinstimmen sollte. Das persönliche Verhältnis sollte von Sympathie geprägt sein, Freundschaften müssen daraus aber nicht entstehen. Das Interesse am Austausch, Empathie und einen gewisser Berufs- und Erfahrungsvorsprung sollte ebenfalls vorhanden sein. De Mattia betont auch die absolute Diskretion, die für diese Begleitung unerlässlich ist. "Nichts geht nach außen, die Mentorin nimmt auch keinen Einfluss auf das Arbeitsverhältnis", stellt de Mattia klar. Für die junge Ärztin zeichnet sich eine gute Mentorin auch dadurch aus, dass sie immer ansprechbar ist, wenn ein akutes Problem dies erfordert. Davon sollte sich jedoch niemand abschrecken lassen. De Mattia und ihr Mentee haben sich zwei Mal persönlich getroffen und danach ausschließlich telefonisch bzw. per Mail miteinander kommuniziert, was beide auf Grund der örtlichen Entfernung als ausreichend empfunden haben. Jedes Tandem entscheidet selbst, wie häufig ein Austausch erforderlich ist. Dies ist abhängig von der persönlichen Situation der Mentees. Manche brauchen permanente Begleitung, damit sie ihre Doktorarbeit parallel zur Arbeit in der Klinik abschließen können. Andere benötigen nur unregelmäßig und kurzzeitig Ratschläge, weil sie nach einer Kinderpause wieder in den Beruf einsteigen. Dritte wiederum fordern permanent Unterstützung, weil sie gezielt Schritte auf der Karriereleiter machen wollen. Nicht immer finden Mentorin und Mentee zueinander. Wo die Chemie nicht stimmt, sollte die Verbindung eher gelöst als aus Pflichtbewusstsein fortgesetzt werden, empfiehlt de Mattia. Für die junge Chirurgin nahmen die langen Bemühungen um das berufliche Fortkommen übrigens doch noch ein positives Ende - sie ist inzwischen Oberärztin.


Die Rolle der Mentee

Voraussetzungen und Anforderungen sind u.a.:
- Eigeninitiative, Engagement und Ziel
- Eigenverantwortung
- Entwicklungs- und Lernbereitschaft
- Reflexion der Interessen, Bedürfnisse und Erwartungen an die Mentorin
- Auftragsklärung mit der Mentorin: Was brauche ich?
- Besondere Stärken und Kompetenzen (Unterstützungsmöglichkeiten) der Mentorin erfragen

Die Rolle der Mentorin

Funktion und Aufgaben sind u.a.:
- Eigenmotivation reflektieren
- Reflexion und Weitergabe eigener beruflicher und persönlicher Erfahrungen
- Potenziale der Mentee erkennen, transparent machen und fördern
- nach Zielen fragen und Strategien entwickeln
- Verbindlichkeit
- Abgleich der gegenseitigen Erwartungen
- Vereinbarung über den Zeitrahmen der Partnerschaft


Ansprechpartnerin:
Dr. Uta Kunze
(04551/803-165; E-Mail: mentoring@aeksh.org)


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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 10/2010 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2010/201010/h10104a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de


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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Oktober 2010
63. Jahrgang, Seite 28 - 29
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-119, -127, Fax: -188
E-Mail: aerzteblatt@aeksh.org
www.aeksh.de
www.arztfindex.de
www.aerzteblatt-sh.de

Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2010