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AUSLAND/1717: Griechenland - Inhumane Bedingungen in den Auffanglagern für Migranten (Ärzte ohne Grenzen)


Ärzte ohne Grenzen - Mittwoch, 15. Juni 2011

Griechenland: Inhumane Bedingungen in den Auffanglagern für Migranten

Hunderte Menschen mit Gesundheitsproblemen


Athen/Berlin, 15. Juni 2011 - Inhumane Lebensbedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen für Migranten in der Grenzregion Evros haben Hunderte Menschen krank gemacht. Das zeigt ein Bericht, den die Nothilfeorganisation Ärzte ohne Grenzen heute veröffentlicht hat. Laut der Behandlungsdaten der Organisation wurden mehr als 60 Prozent der Gesundheitsprobleme der Migranten von den entwürdigenden Haftbedingungen verursacht oder sind eng damit verbunden.

Zwischen Dezember 2010 und März 2011 haben Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen 1.809 Patienten behandelt. Bei 1.147 diagnostizierten sie Atemwegsinfektionen, Durchfall, Magen-Darm-Probleme, Hautkrankheiten, körperliche Schmerzen oder psychologische Beschwerden. "Die meisten Patienten waren gesund, als sie in die Auffanglager gekommen sind", erklärt Ioanna Pertsinidou, Koordinatorin der Projekte für Migranten in Griechenland. "Sie sind krank geworden, weil sie in überfüllten Zellen ohne angemessene Belüftung und mit problematischen Wasser- und Sanitäreinrichtungen untergebracht wurden, weil sie kein gutes Essen bekommen haben und sich nicht im Freien aufhalten konnten."

In den ersten beiden Monaten dieses Jahres sind mindestens 22 Menschen bei dem Versuch gestorben, in der Region Evros die Grenze zwischen der Türkei und Griechenland zu überqueren.

Die Erfahrungen von Ärzte ohne Grenzen in den Auffanglagern für Migranten und Asylsuchende in Evros zeigen, dass es keinerlei Anzeichen dafür gibt, dass Migranten ein Gesundheitsrisiko für die griechische Bevölkerung darstellen, wie der griechische Gesundheitsminister vor kurzem behauptete. Es sind vielmehr die inhumanen Lebens- und Hygienebedingungen in den Einrichtungen, die für eine deutliche Verschlechterung der körperlichen und psychischen Gesundheit der Migranten verantwortlich sind. Die Zustände in den Auffanglagern, in denen manche Migranten bis zu sechs Monate festgehalten werden, erhöhen das Risiko für den Ausbruch übertragbarer Krankheiten signifikant.

Ärzte ohne Grenzen fordert die griechischen Behörden auf, in den Auffanglagern würdevolle Lebensbedingungen mit angemessener Unterbringung, ausreichender Nahrung, Kleidung und Hygieneartikeln sowie angemessener Zeit im Freien zu garantieren. Es ist essentiell, dass die Migranten ausreichenden Zugang zu medizinischer Versorgung und psychologischer Betreuung haben, dass Neuankömmlinge ein medizinisches Screening durchlaufen und Patienten mit chronischen Krankheiten rechtzeitig überwiesen werden.

Anfang März 2011 konnte Ärzte ohne Grenzen die medizinischen Aktivitäten in den Polizei-Grenzstationen Tychero, Soufli und Feres und im Auffanglager Filakio an entsandte Teams des Gesundheitsministeriums übergeben, verteilt aber nach wie vor Hilfsgüter an inhaftierte Migranten, darunter Schlafsäcke und Hygiene-Kits. Obwohl EU-Gelder zur Verfügung stehen, haben sich die Bedingungen in den Auffanglagern bisher nicht verbessert.


Weitere Informationen:
www.aerzte-ohne-grenzen.de


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Quelle:
Ärzte ohne Grenzen
Pressemitteilung vom 15. Juni 2011
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Pressestelle: Tel.: 030/22 33 77 00
E-Mail: office@berlin.msf.org
Internet: www.aerzte-ohne-grenzen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juni 2011