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AUSLAND/1744: Indien - Psychische Erkrankungen nehmen zu, viele Menschen ohne ärztliche Hilfe (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. September 2011

Indien: Psychische Erkrankungen nehmen zu - Viele Menschen ohne ärztliche Hilfe

Von K.S. Harikrishnan


Thiruvananthapuram, Indien, 14. September (IPS) - Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO, der zufolge Indien das Land mit der höchsten Zahl depressiver Menschen ist, wollen Psychiater auf dem Subkontinent nicht gelten lassen. Allerdings räumen sie ein, dass es für diese Kranken zu wenige Fachärzte und Behandlungszentren gibt.

Die WHO hatte für die im Juli veröffentlichte Untersuchung etwa 90.000 Menschen in 18 Staaten befragt. Heraus kam, dass etwa neun Prozent der insgesamt rund 1,2 Milliarden Inder über einen längeren Zeitraum an Depressionen litten. Nahezu 36 Prozent erleben "lange depressive Phasen". In China, einem Land von vergleichbarer Größe, sind dagegen nur zwölf Prozent der Menschen von solchen psychischen Erkrankungen betroffen.

Roy Abraham Kallivayalil, der Generalsekretär des Weltverbandes für soziale Psychiatrie, und andere Kollegen in Indien weisen allerdings darauf hin, dass die Zahlen für den Subkontinent nicht repräsentativ sind. Elf Gesundheitszentren im Land hätten sich zwar an der WHO-Studie beteiligt. Der Großteil der Daten sei jedoch lediglich aus einem Institut in Puducherry an die 'Harvard Medical School' weitergeleitet worden.


Durchschnittsalter der Patienten sinkt

Zahlreiche Experten in Indien räumen allerdings ein, dass Depressionen in dem südasiatischen Land zunehmen. Das Durchschnittsalter der Patienten sinke weiter, warnten sie. Sollten keine angemessenen Maßnahmen ergriffen werden, seien bald viele 30-Jährige betroffen.

Der Psychologe Devalapan aus Hyderabad bestätigte, dass psychische Störungen bereits unter 30- bis 40-Jährigen weit verbreitet sind. Leichte Depressionen könnten sich rasch verschlimmern, erklärte er.

Eine Studie des Nationalen Instituts für mentale Gesundheit mit Sitz in Bangalore kam bereits 2009 zu dem Schluss, dass das Durchschnittsalter der Patienten mit Depressionen bei 31 Jahren lag.

Die Behörde für Verbrechensstatistiken registrierte 2009 mehr als 127.000 Selbstmorde. Etwa 8.500 wurden mit schweren psychischen Störungen in Verbindung gebracht. 1982 hatte die Regierung ein landesweites Programm für geistige Gesundheit initiiert. Bewirkt hat es allerdings wenig, da Psychiater fehlten.

Aktivisten im Gesundheitsbereich sehen erst dann eine Chance auf Veränderungen, wenn das Parlament ein neues Gesetz verabschieden wird. Das bisherige Gesetz von 1987 gilt als überholt. Angemahnt wird unter anderem eine Neuordnung der Gesundheitseinrichtungen in Indien.

Matthew Vellore, der Direktor des Zentrums für Psychotherapie in Thiruvananthapuram, hält höhere finanzielle Mittel für dringend notwendig. "Es muss viel getan werden, um Ausbildung, Forschung und klinische Dienstleistungen zu verbessern", sagte er IPS.

Der WHO zufolge stellt der indische Staat weniger als ein Prozent des jährlichen Gesundheitsbudgets für die Behandlung psychischer Erkrankungen zur Verfügung. In westlichen Ländern beträgt der Anteil dagegen zehn bis 18 Prozent.


Chronischer Ärztemangel

Statistisch gesehen kommen in Indien derzeit auf jeweils eine Million Menschen 3,5 Psychiater. Die meisten Ärzte praktizieren in Städten, sodass die Bevölkerung in ländlichen Regionen weitgehend unversorgt bleibt. Zahlreiche psychisch Kranke in Dörfern werden niemals behandelt.

Laut einer 2010 verbreiteten Untersuchung des 'Stanley Medical College' in Chennai ist der Bedarf an Psychiatern in Indien nur zu etwa 23 Prozent gedeckt. In einigen Regionen seien sogar bis zu 90 Prozent der Kranken ohne Betreuung. Diese Statistiken stützen sich auf Schätzungen, denen zufolge ungefähr zehn Millionen Inder an Depressionen leiden.

D. Raju, von der Behörde für mentale Gesundheit im Bundesstaat Kerala, führte den Mangel an Fachärzten auf die stetige Abwanderung von Medizinern in Länder wie die USA und Australien zurück. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. September 2011