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AUSLAND/1756: Haiti - Schlimmste Cholera-Epidemie weltweit, Betroffene fordern Entschädigungen von UN (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. November 2011

Haiti: Schlimmste Cholera-Epidemie weltweit - Betroffene fordern Entschädigungen von UN

von Sandra Siagian


New York, 10. November (IPS) - Mehr als 5.000 Haitianer fordern von den Vereinten Nationen und ihrer Stabilisierungsmission MINUSTAH Entschädigungen für die Cholera-Epidemie, die den Karibikstaat noch immer im Griff hat. Seit Oktober vergangenen Jahres starben etwa 6.600 Menschen an der Krankheit. Mehr als 476.000 infizierten sich.

Brian Concannon vom Institut für Gerechtigkeit und Demokratie in Haiti hat den haitianischen Cholera-Opfern und ihren Familien geholfen, die Petition aufzusetzen. Am 3. November leitete er die Forderungen an die UN und die MINUSTAH weiter.

Die Betroffenen verlangen mehrere hundert Millionen US-Dollar Entschädigung. Mit Cholera infizierte Friedenssoldaten aus südostasiatischen Ländern hätten die Krankheit nach Haiti eingeschleppt, weil sie vorher nicht untersucht und behandelt worden seien, erklärten die Geschädigten. Den Blauhelmen wird zudem vorgeworfen, Abfälle im längsten Fluss des Landes, dem Artibonite, entsorgt zu haben. Zudem habe die UN auf den Ausbruch der Epidemie unzureichend reagiert.

Wie Concannon und seine Mitarbeiter in der Petition erklären, ist durch unterschiedliche Untersuchungen belegt, dass das Cholera-Bakterium durch nepalesische Blauhelme übertragen wurde. Sie beriefen sich auf die Erkenntnisse der US-Behörde für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten, der Cholera-Studiengruppe an der Havard-Universität, des französischen Epidemiologen Renaud Piarroux, des 'Wellcome Trust Sanger Institute' im britischen Cambridge und des Internationalen Impfinstitutes in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul.


50 Jahre cholerafrei

Vor der Ankunft der Stabilisierungsmission war in Haiti seit mehr als 50 Jahren nicht ein einziger Cholera-Fall gemeldet worden. "Seit dem Ausbruch der Epidemie kamen immer wieder betroffene Menschen auf uns zu, die wissen wollten, was sie unternehmen können", sagte Concannon. "Wir gingen zunächst davon aus, dass die UN die Verantwortung übernehmen würde. An einen Rechtsstreit hatten wir nicht gedacht. Doch wir konnten die Opfer aber nicht einfach im Stich lassen."

Cholera wird zumeist über Trinkwasser und verunreinigte Nahrung durch das Bakterium 'Vibrium cholerae' übertragen. Die Folge sind Durchfall und Erbrechen. Unbehandelt kann Cholera bei Kindern und Erwachsenen binnen weniger Stunden zum Tod führen. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO lassen sich bis zu 80 Prozent aller Fälle erfolgreich mit oralem Rehydrationssalz behandeln.

In Nepal ist das Virus mittlerweile endemisch. Im Tal von Katmandu soll es im August und September 2010 zu einer neuen Infektionswelle gekommen sein. Im darauffolgenden Oktober kam ein neues nepalesisches Blauhelm-Kontingent nach dreimonatiger Ausbildung im Tal von Katmandu nach Haiti.

Wie die Petition kritisiert, wurden die Neuankömmlinge zuvor nicht auf Cholera getestet. Die Anwältin Ira Kurzban aus Florida, die die Petition unterstützt, erklärte am 8. November auf einer Pressekonferenz am UN-Sitz in New York, dass viele mit Cholera Infizierte keine eindeutigen Symptome zeigten. Die Vereinten Nationen hätten jedoch nur diejenigen untersucht, bei denen Anzeichen der Krankheit sichtbar waren.

Die Unterzeichner der Petition fordern jeweils 50.000 US-Dollar Entschädigung für jeden Überlebenden und 100.000 Dollar für jedes Todesopfer. Außerdem verlangen sie von den UN, die Sanitär- und Trinkwasserversorgung zu verbessern, um Infektionen zu verhindern.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte einen unabhängigen Ausschuss eingesetzt, der im vergangenen Mai einen Bericht über die Cholera-Epidemie vorlegte. Den Experten zufolge war die Krankheit aufgrund der Kontaminierung eines Nebenflusses des Artibonite ausgebrochen. In dem Wasser sei ein vom Menschen übertragener südasiatischer Cholerastamm nachgewiesen worden. Ein vorsätzliches Handeln eines Individuums oder einer Gruppe von Personen könne aber ausgeschlossen werden.


UN berät über Petition

Ein Sprecher Bans versicherte am 8. November, dass die MINUSTAH und Hilfsorganisationen gemeinsam mit den haitianischen Behörden alles Mögliche unternehmen würden, um die weitere Ausbreitung der Cholera einzudämmen. Die UN-Mission will nun auf einem Treffen über die Petition beraten. Ein Datum steht dafür noch nicht fest. "Soweit wir wissen, ist so etwas bisher nicht vorgekommen. Ob es zu einem Gerichtsverfahren kommen wird, hängt nun von der Reaktion der UN ab", meinte Concannon gegenüber IPS.

"Es handelt sich um die schlimmste Cholera-Epidemie weltweit. Manche Experten rechnen mit bis zu 20.000 Toten, sollten unverzügliche Maßnahmen ausbleiben", sagte Concannon. "Wir wollen erreichen, dass die UN umgehend medizinische Hilfe leistet." (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://ijdh.org/
http://www.un.org/en/peacekeeping/missions/minustah/
http://www.cdc.gov/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=105765

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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2011