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AUSLAND/1872: Pakistan - Handel mit Nieren floriert, illegale Transplantationen bisher nicht unterbunden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. August 2012

Pakistan: Handel mit Nieren floriert - Illegale Transplantationen bisher nicht unterbunden

von Zofeen Ebrahim



Karachi, Pakistan, 31. August (IPS) - Vor einigen Monaten bot der 28-jährige Pakistaner Asif Ahmed im Internet eine seiner Nieren an. Er habe sich geschäftlich übernommen und brauche dringend Geld, sagt er. Zwar weiß er, dass der Organhandel in seinem Land gesetzlich verboten ist, "doch eine andere Möglichkeit, meine Schulden loszuwerden, sehe ich nicht".

Bislang hat niemand auf seine Anzeige geantwortet. Ahmed lebt in der südpakistanischen Hafenstadt Karachi in der Provinz Sindh, wo der illegale Handel kontrolliert wird. Anders ist die Situation in der Provinz Punjab.

Pakistan galt bis 2010 als eines der Hauptziele für Transplantations-Touristen. Dann wurde ein Gesetz verabschiedet, dass die illegalen Machenschaften unterbinden sollte. Zunächst sei die Rechnung aufgegangen, berichtet die Ärztin Farhat Moazam. Doch inzwischen gebe es Hinweise darauf, dass seit vergangenem Jahr der Organhandel wieder im Aufwind sei.


Illegaler Organhandel nimmt wieder zu

Moazam ist Vorsitzende des Zentrums für Biomedizinische Ethik und Kultur am Sindh-Institut für Urologie und Transplantation (SIUT), das sich 20 Jahre lang für das Gesetz gegen Organhandel eingesetzt hatte. Wie sie betont, stehen sowohl Ausländer als auch Pakistaner in Verdacht, Organe zu kaufen. "Wir erhalten auch Informationen von Kollegen im Ausland, häufig aus dem Nahen Osten, die uns berichten, dass sie etliche Menschen nach Nierentransplantationen in Lahore and Rawalpindi im Punjab in ihren Kliniken nachbehandeln müssen", berichtet sie.

SUIT, die Transplantationsgesellschaft Pakistans (TSP), und Vertreter der Zivilgesellschaft hatten wegen der mangelnden Umsetzung des entsprechenden Gesetzes eine Klage gegen die Regierung angestrengt. Im Juli beschloss das Oberste Gericht Richtlinien, die die Provinzregierungen zur Umsetzung von Maßnahmen zwingen sollen.

"Das Transplantationsgesetz von 2010 blieb statisch. Meiner Ansicht nach haben die Justiz und die für die Kontrolle von Transplantationen zuständige Behörde versagt", sagt der TSP-Chef Adib ul Hasna Rizvi. "Berichte über Fälle von illegalem Organhandel wurden zwar an das Gesundheitsministerium und die für menschliche Transplantationen zuständige Behörde HOTA weitergeleitet. Doch geschehen ist nichts."

Einem Bericht der englischsprachigen Zeitung 'Express Tribune' zufolge, der sich auf Zahlen von HOTA stützt, wurden 2010 42 Nieren illegal verpflanzt, davon 14 allein in Punjab. "Es fehlt der Wille der Regierung, die Einhaltung des Gesetzes zu garantieren und dabei Transparenz zu wahren."

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO finden international jedes Jahr etwa 10.000 illegale Organtransplantationen statt. Organschieberringe seien in China, Indien und Pakistan ausgehoben worden. Nieren schlagen nach WHO-Schätzungen bei dem globalen Organhandel mit 75 Prozent zu Buche. Von 106.879 Organen, die 2010 in 95 Mitgliedsstaaten legal und illegal verpflanzt wurden, waren über 73.179 (68,5 Prozent) Nieren.

"Wir sind sehr besorgt darüber, dass die Einhaltung der Gesetze nicht gewährleistet wird", sagte Luc Noel von der WHO. Unter Nennung von Daten des 'Global Observatory' erklärte er: "Der Transplantations-Tourismus hat 2006 und 2007 zwar abgenommen, könnte aber wieder steigen. Wir vermuten nach wie vor, dass etwa zehn Prozent der verpflanzten Organe illegal beschafft wurden."

Damit das Gesetz greifen könne, müsse es entsprechende Kontrollbehörden geben. Außerdem gelte es Strategien zu entwerfen, die den Patienten Zugang zu sicheren und ethisch vertretbaren Transplantationen verschaffe. Nach Ansicht von Noel müsste HOTA in Pakistan stärker mit der Polizei zusammenarbeiten. Zudem sei es nötig, die Pakistaner dazu zu bewegen, einer Organspende im Fall ihres Todes zuzustimmen.


An illegalen Transplantationen beteiligte Ärzte kommen glimpflich davon

Adullah Halame Nur hatte keine Zeit zu verlieren. Der Mann, der in den Niederlanden lebt, reiste mit seiner Frau in die ostpakistanische Stadt Lahore, um sich eine neue Niere zu kaufen. Als er schon für die Operation bereit war, kam die Polizei und nahm alle fest. Die Chirurgen und Anästhesisten wurden als Rädelsführer eines Händlerrings identifiziert, doch befinden sich seit der Zahlung eines Kaution wieder auf freiem Fuß.

"Es ist noch nicht vorgekommen, dass ein Mediziner verurteilt und bestraft wurde", kritisiert Moazam. Ihm zufolge trägt der zunehmende Verzehr von Fastfood dazu bei, dass Nierenversagen in Entwicklungsländern "epidemische Ausmaße" annehmen wird. Die Bereitschaft in der Bevölkerung zur Organspende bleibt indes gering. (Ende/IPS/ck/2012)


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http://www.who.int/en/
http://www.ipsnews.net/2012/08/organ-trafficking-resurfaces-in-pakistan/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. September 2012