Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → GESUNDHEITSWESEN

AUSLAND/2046: Kenia - Ärztestreiks bremsen HIV-Präventionsprogramm für Säuglinge aus (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. Januar 2014

Kenia: Ärztestreiks bremsen HIV-Präventionsprogramm für Säuglinge aus

von Miriam Gathigah


Bild: © Miriam Gathigah/IPS

Streiks von Ärzten und Pflegern veranlassten Lucia Wakonyo zur Eigenmedikation
Bild: © Miriam Gathigah/IPS

Nairobi, 31. Januar (IPS) - Anfang Januar 2008, während der Gewaltexzesse nach den umstrittenen Wahlen, vernahm Lucia Wakonyo ein Klopfen an ihrer Hütte im Mathare-Slum der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Ein Mann stand vor der Tür und erkundigte sich nach einem Nachbarn. "Als ich ihm sagte, er sei nicht da, bat er mich, ihn zu verstecken."

Als Wakonyo dem Fremden einließ, wurde sie zu Boden geschleudert und vergewaltigt. Zwei Monate später erfuhr sie, dass sie schwanger und HIV-infiziert war. Später brachte sie mit Hilfe einer traditionellen Hebamme ein HIV-positives Baby zur Welt.

Bei der nächsten Schwangerschaft war alles anders und 2012 wurde Wakonyo von einem gesunden Kind entbunden. Denn diesmal hatte sie sich zu Schwangerschaftsuntersuchungen eingefunden und wurde in das Programm zur Prävention einer Mutter-Kind-Übertragung (PMTCT) aufgenommen. Dank dem PMTCT konnte die Mutter-Kind-Übertragung in Kenia von 2009 bis 2011 beinahe halbiert werden.

Doch die Offensive hat in den letzten Jahren an Schwung verloren. So geht aus dem Fortschrittsbericht 2013 des UN-Aidsprogramms (UNAIDS) hervor, dass die Reichweite des PMTCT zwischen 2011 und 2012 um 20 Prozent zurückgegangen ist.


Hälfte aller Schwangeren ohne Zugang zu ARVs

"Fünf von zehn schwangeren HIV-positiven Frauen ist der Zugang zu antiretroviralen Medikamenten (ARVs) versperrt, mit denen sich eine Mutter-Kind-Übertragung verhindern ließe", berichtet der regionale UNAIDS-Sprecher Zenawit Melesse. Die elf Prozent der werdenden Mütter, die HIV-positiv sind und nur eine einzige und damit weniger wirksame Dosis Nevirapine erhalten, wurden in die Rechnung nicht einbezogen.

Den Schätzungen zufolge kam es 2012 zu 13.000 HIV-Neuinfektionen bei Kindern. Kenias Seroprävalenz (der Anteil der positiv getesteten serologischen Parameter zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Population) liegt bei sechs Prozent und ist leicht rückläufig. Kenianische Gesundheitsexperten sind sich einig, dass die geringere Reichweite des PMTCP auf Unterbrechungen in der Gesundheitsversorgung zurückzuführen ist.

Im Dezember 2011 traten die Ärzte in den Streik, um die Regierung zu höheren Ausgaben in den Gesundheitsbereich zu zwingen. Im März 2012 legten dann die Pflegekräfte für die Dauer von zwei Wochen ihre Arbeit nieder. Fünf Monate später traten die Ärzte erneut in den Ausstand, der diesmal drei Wochen währte. Und im darauffolgenden Jahr kam es zu weiteren Streiks. Auf diesen Versorgungsnotstand reagierte Wakonyo mit einer Eigenmedikation: Sie schluckte alle Medikamente, die sie auftreiben konnte.

Simon Mueke, Abteilungsleiter im Gesundheitsministerium, macht ebenfalls die Streiks für die geringere Reichweite des PMTCT verantwortlich. Auch ist es zu Engpässen bei den Aidstestkits gekommen, wie er erklärt. dennoch erspare das Programm immer noch vielen Kindern ein Leben mit HIV/Aids.

UNAIDS hebt hervor, dass Kenia eine Reihe von Schritten unternimmt, um das PMTCT zu stärken. Dies geschehe durch die Bereitstellung kostenfreier Mütterversorgungsleistungen und eine Stärkung des nationalen Mütter-Mentoren-Programms.

Wie der Familienplanungsexperte Joachim Osur betont, ist jedoch letztlich eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung ausschlaggebend dafür, ob das PMTCT möglichst flächendeckend durchgeführt werden kann. Landesweit entbinden bisher nur 41 Prozent der Frauen in einer Klinik. In Nyanza und der Westprovinz sind es sogar nur 25 Prozent. "Wenn eine Frau zu Hause gebiert, kommt sie nicht in den Genuss einer vollständigen PMTCT-Behandlung", warnt Osur.


Angst vor Stigmatisierung schreckt Schwangere vor Aidstests ab

Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass nicht alle Schwangeren einen Aidstest machen. 87.000 bis 100.000 der jährlich 1,5 Millionen schwangeren Kenianerinnen sind HIV positiv. "Nicht jede Frau, die sich zu einer Schwangerschaftsuntersuchung einfindet, stimmt einem Aidstest zu. Die Gründe sind vielschichtig, doch gibt vor allem die Angst vor einer möglichen Stigmatisierung den Ausschlag", berichtet Osur. "Auch kommt es häufig vor, dass Frauen nur einen Untersuchungstermin wahrnehmen, den Test machen und nie die Ergebnisse abholen."

Trotz aller Widrigkeiten ist George Omondi von der Aidshilfeorganisation 'Frauen in Kenia kämpfen gegen Aids' (WOFAK) zuversichtlich, dass die HIV-Übertragung durch stillende Mütter auf unter fünf Prozent gedrückt und eine Reduzierung der Mutter-Kind-Übertragungsraten um 90 Prozent bis 2015 erreicht werden kann.

"Dass seit Juni letzten Jahres die Entbindungsstationen keine Gebühren mehr erheben, wird sich positiv auf die Gesundheit von Müttern auswirken", ist Omondi überzeugt. Allerdings besteht seiner Meinung nach ein erhöhter Bedarf an kommunaler Aufklärung. "Viele Frauen nehmen ebenfalls aus Angst vor einer Stigmatisierung nicht an den PMTCTs teil."

Aids-Experten haben Regierung, Ärzte und Pflegepersonal aufgefordert, ihre Streitigkeiten endlich beizulegen, um neuerliche Engpässe zu verhindern und die Gefahr von Mutter-Kind-Übertragungen zu minimieren.
(Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/01/kenyas-journey-towards-zero-new-hiv-infections-falters/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 31. Januar 2014
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2014