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AUSLAND/2057: Zentralafrikanische Republik - Internationale Gemeinschaft muss das Morden stoppen (ÄoG)


Ärzte ohne Grenzen - 18.02.2014

Internationale Gemeinschaft muss das Morden in der Zentralafrikanischen Republik stoppen



Genf/Berlin, 18. Februar 2014. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und die afrikanischen Staaten müssen die Gewalt gegen Zivilisten in der Zentralafrikanischen Republik stoppen und die humanitäre Hilfe ausweiten. Das forderte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Genf. Die internationalen Bemühungen zum Schutz der Bevölkerung hätten völlig versagt. Das zeigten das Ausmaß der Gewalt und das gezielte Töten von Angehörigen ethnischer und religiöser Minderheiten.

"Die menschliche Tragödie, die wir aktuell erleben, ist in der Geschichte der Zentralafrikanischen Republik beispiellos", erklärte die Internationale Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen, Dr. Joanne Liu. "Es muss sofort etwas passieren, nicht erst in einem Monat oder in einem halben Jahr. Wir werden täglich Zeugen von Gräueltaten. Dies ist eine gewaltige Katastrophe, die sich vor den Augen der politisch Verantwortlichen abspielt. Nichts zu tun, wäre eine bewusste Entscheidung dafür, die Menschen der Zentralafrikanischen Republik im Stich zu lassen."

Joanne Liu ist erst kürzlich aus der Zentralafrikanischen Republik zurückgekehrt. "Der Schutz der Bevölkerung ist unser wichtigstes Anliegen. Wir sind hilflos gegenüber der extremen Gewalt. Wir behandeln Tausende Verletzte und sehen, wie Hunderttausende Menschen fliehen, um nicht niedergemetzelt zu werden", sagte Liu. "Es ist schockierend, wie wenig Engagement die Verantwortlichen des UN-Sicherheitsrats zeigen. Auch die afrikanischen Staaten und die Afrikanische Union tun nicht genug, um die Gewalt zu stoppen."

Ärzte ohne Grenzen fordert, dass sich die Menschen in der Zentralafrikanischen Republik ohne Todesangst bewegen können. Die humanitäre Hilfe muss massiv verstärkt werden, um die Grundbedürfnisse der Menschen befriedigen zu können. Auch lokale und nationale Autoritäten müssen ihr Möglichstes tun, um die Gewalt einzudämmen und den Schutz der Bevölkerung zu verbessern.

Sowohl die muslimische als auch die christliche Zivilbevölkerung ist Opfer der Gräueltaten, die von bewaffneten Gruppen verübt werden. Seit dem 5. Dezember 2013 hat Ärzte ohne Grenzen mehr als 3.600 Verletzte in der Hauptstadt Bangui und im ganzen Land behandelt.

"Einmal fanden wir in einem Innenhof in der Stadt Bozoum 17 Menschen mit Schusswunden und Verletzungen durch Macheten und eine Granate", erzählte Liu. "Sie waren zu verängstigt, um ein Krankenhaus aufzusuchen. Sie hatten Angst, unterwegs erneut angegriffen zu werden. Die Verletzungen waren schwer, und doch saßen die Menschen einfach da und bluteten."

Ärzte ohne Grenzen erlebt immer wieder, dass bewaffnete Gruppen in Krankenhäuser eindringen. Mehrfach mussten Dorfvorsteher, geistliche Oberhäupter oder das medizinische Personal einschreiten, um Patienten zu schützen. Es kommt vor, dass Kranke wegen der unsicheren Lage nicht in Kliniken transportiert werden können.

Auch außerhalb medizinischer Einrichtungen sind Zivilisten bedroht. An acht verschiedenen Orten, an denen Ärzte ohne Grenzen tätig ist, sind etwa 15.000 Zivilisten auf der Suche nach Schutz in Krankenhäusern, Kirchen oder Moscheen eingeschlossen. In vielen dieser Enklaven - auch in Bangui - hat Ärzte ohne Grenzen Gesundheitsposten eingerichtet. Die Eingeschlossenen gehen aus Angst selbst dann nicht ins Krankenhaus, wenn es nur wenige hundert Meter entfernt liegt.

Angesichts dieser Bedrohung sind in den vergangenen zwei Wochen Zehntausende Muslime geflohen. Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen haben in den Städten Bangui, Baoro, Berberati, Bocaranga, Bossangoa, Bouca, Bozoum und Carnot beobachtet, wie Muslime auf eigene Faust flohen oder auf Lastwagen, eskortiert von internationalen Truppen, in die Nachbarländer gebracht wurden. Den Truppen war es nicht gelungen, diese Menschen zu beschützen. Einige Muslime wurden aus dem Nordwesten des Landes nach Bangui gebracht, wo sie nun in Enklaven und Lagern eingeschlossen sind und weiterhin in Angst leben. Weitere Zehntausende Zivilisten flüchteten in die Wälder, wo sie schutzlos ohne jede Hilfe zu überleben versuchen.

Die verheerenden Auswirkungen der Gewalt werden noch durch die mangelnde humanitäre Hilfe verschlimmert. Selbst in Bangui ist die Hilfe ausgesprochen dürftig, außerhalb der Hauptstadt gibt es praktisch keine Hilfe. Menschen sterben aus Mangel an Wasser und Nahrungsmitteln. Es ist ungeheuerlich, dass selbst auf dem Flughafengelände in Bangui, in direkter Nähe zur Landebahn, 60.000 Vertriebene unter erbärmlichen Bedingungen leben. Pro Person und Tag gibt es weniger als vier Liter Wasser, sanitäre Einrichtungen gibt es kaum. Obwohl die Arbeit von Ärzte ohne Grenzen täglich durch Zwischenfälle behindert wird, zeigen mehr als 240 internationale und 2.000 nationale Mitarbeiter in 16 Städten landesweit, dass es möglich ist, humanitäre Hilfe zu leisten.


Ärzte ohne Grenzen ist seit 1997 in der Zentralafrikanischen Republik tätig. Neben dem Einsatz im Land selbst leisten weitere Teams Hilfe für Flüchtlinge in Kamerun, im Tschad, in der Demokratischen Republik Kongo und in der Republik Kongo.

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Quelle:
Ärzte ohne Grenzen - 18.02.2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2014